Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Hemetsberger als Vorsitzende und die Richterin Dr. Ganglberger-Roitinger sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A* B*wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg vom 29. Juli 2025, GZ Hv*-42, nach der in Anwesenheit der Staatsanwältin Dr. Steinwender als Vertreterin des Leitenden Oberstaatsanwalts, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Kirste durchgeführten Berufungsverhandlung am 13. November 2025 zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Nichtigkeit, soweit sie auf § 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall (§ 489 Abs 1) StPO gestützt wird, und wegen des Ausspruchs über die Schuld wird nicht Folge gegeben.
Dagegen wird der Berufung wegen Nichtigkeit im Übrigen (§ 281 Abs 1 Z 11 [§ 489 Abs 1] StPO) Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), demzufolge auch in den Beschlüssen nach § 494 (insoweit ersatzlos) sowie nach § 494a StPO, aufgehoben und insoweit
I. in der Sache selbst erkannt:
A* B* wird für das ihm zur Last liegende Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB und die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG sowie nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB unter Anwendung von § 28 Abs 1, § 39 Abs 1a und § 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 3 StGB nach § 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.
Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die von ihm erlittene Vorhaft von 16. Mai 2025, 20:20 Uhr, bis 29. Juli 2025, 12:15 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
II. der Beschluss gefasst:
Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der A* B* mit Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 9. März 2022, GZ BE1*-23 (nunmehr: AZ BE2* des Landesgerichts Salzburg), abgesehen.
Mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird die Staatsanwaltschaft auf diese Strafneubemessung verwiesen.
A* B* fallen gemäß § 390a Abs 1 StPO auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der ** geborene B* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (zu B./), mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (zu A./1./) sowie nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (zu A./2./) und eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (zu C./) schuldig erkannt und dafür unter Anwendung von § 28 Abs 1 und § 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 3 StGB nach § 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt, von der ein 14-monatiger Teil unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Mit zugleich gefassten Beschlüssen wurde vom Widerruf einer ihm 2022 gewährten bedingten Entlassung abgesehen und (entgegen § 494 Abs 1 StPO gemeinsam mit dem Urteil verkündet und ausgefertigt [US 3; RIS-Justiz RS0101841, RS0120887 {T2 und T3}, RS0126528; Jerabek/Ropper in WK-StPO § 494 Rz 1; Huber in LiK-StPO² § 494 Rz 2; Nimmervoll , Strafverfahren² Kap V Rz 660]) für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und B* mit Weisung aufgetragen, sich einer Suchtgiftentwöhnungstherapie zu unterziehen.
Inhaltlich des Schuldspruchs hat er in ** (zusammengefasst)
Dagegen richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 39) und ausgeführte (ON 43) Berufung der Staatsanwaltschaft wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe sowie des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe, mit der sie eine reformatorische Entscheidung im Sinne einer Verurteilung auch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, ansonsten eine Kassation des Urteils samt Zurückverweisung an das Erstgericht oder aber die Verhängung einer höheren (unbedingten) Freiheitsstrafe anstrebt.
B* hat Gegenausführungen dazu erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben (ON 45).
Die Staatsanwaltschaft ist (nur) zum Teil im Recht.
Wenngleich sie das Urteil zutreffend als aktenwidrig in dem Sinn kritisiert, dass es (auf Begründungsebene [ Ratzin WK-StPO § 281 Rz 393]) den Inhalt der Aussage des Zeugen G* vom 2. Dezember 2024 unrichtig wiedergibt (vgl RIS-Justiz RS0099431, RS0099547; vgl Ratz aaO § 281 Rz 465; Kirchbacher, StPO 15§ 281 Rz 61), liegt darin fallkonkret keine Aktenwidrigkeit im (rechtlichen) Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall (§ 489 Abs 1) StPO. Diese stellt zunächst nicht auf den Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende, also unmittelbar für die Unterstellung des Sachverhalts unter das Gesetz relevante, Tatsachen als Bezugspunkt ab. Sie verlangt aber, dass der Widerspruch zum Urkunden- oder Protokollsinhalt erheblich ist. Dabei ist nicht die Abweichung an sich von Bedeutung, sondern deren Relevanz für die Beweiswürdigung. Diese aber geschieht zur Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen der entscheidenden Tatsachen. Erheblich ist ein Widerspruch daher dann, wenn er, auf derselben Ebene gelegen, erörterungsbedürftig im Sinne des zweiten Falles des § 281 Abs 1 Z 5 StPO wäre, sich also auf die Feststellungen über entscheidende Tatsachen auswirken kann ( RatzaaO § 281 Rz 466). Da wie dort bestimmt sich der mögliche Erfolg einer Mängelrüge unter dem Gesichtspunkt einer für den Prozessstandpunkt des Nichtigkeitswerbers günstigeren Tatsachenfeststellung. Wird demnach ein abstrakt erhebliches Beweismittel, das jedoch nicht in Richtung – für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidend – günstigerer als der festgestellten Tatsachen weist, unrichtig wiedergegeben, fehlt dem Nichtigkeitswerber die erforderliche Beschwer, weil sich die Aktenwidrigkeit nicht zu seinem Nachteil auf die getroffenen Feststellungen ausgewirkt hat ([zur Unvollständigkeit:] RIS-Justiz RS0117593; Ratz aaO § 281 Rz 424 [auf welche in Rz 466 verwiesen wird]).
Hier hat der Zeuge G* in seiner (ersten) Beschuldigtenvernehmung vom 2. Dezember 2024, anders als vom Erstgericht erwogen, gerade nicht „kein Wort davon“ gesagt, „dass der Angeklagte ihm Kokain überlassen habe“ (US 6), sondern im Gegenteil konkrete Angaben zu diesem Thema gemacht (vgl ON 2.16, 4). Demnach habe er von Anfang Oktober bis zum Morgen des Vortags täglich ein viertel Gramm Kokain gebraucht, welches er vom Angeklagten bezogen habe. Das wären über einen Zeitraum von 62 Tagen 15,5 g Kokain. Bei dem vom Erstgericht angenommen und von der Berufungswerberin nicht kritisierten (außerdem bereits der Anklage zugrunde gelegten [ON 5] und der gerichtlichen Erfahrung entsprechenden [vgl Rauch/Greibl/Seliga, Reinsubstanzgehalte von Suchtgiften 2024, RZ 2025, 8]) Wirkstoffgehalt von 75,83 % entspricht dies 11,75 g Cocain, was die in der einschlägigen Verordnung des Bundesministers für Gesundheit (BGBl II 377/1997 idF BGBl II 233/2024) für dieses Suchtgift normierte Grenzmenge (15 g) gerade nicht erreicht. Damit könnte diese aktenwidrig zitierte Aussage des Zeugen selbst bei Annahme einer von entsprechendem Additionsvorsatz getragenen tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl RIS-Justiz RS0112225) unter Einbeziehung der Suchtgiftweitergaben an die übrigen im Urteil festgestellten Abnehmer (wobei sich die jeweiligen Mengen nicht näher bestimmen ließen [zur Konsequenz anschaulich: NimmervollaaO Rz 675]) niemals die von der Berufungswerberin angestrebte (ON 43, 11) Subsumtion unter § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG begründen.
Es ist auch nicht so, dass das Erstgericht (gerade) unter der aktenwidrigen Annahme, G* habe bei seiner ersten Befragung die Suchtgiftweitergaben überhaupt nicht erwähnt, seinen Angaben (generell) die Glaubhaftigkeit abgesprochen hätte (vgl dazu: Hinterhofer/ Oshidari, Strafverfahren Rz 9.134). Vielmehr hat es sich in seiner Beweiswürdigung mit dessen Aussage in der zweiten Beschuldigtenvernehmung von 16. Jänner 2025 (ON 2.10, 5), wonach ihm der Angeklagte in Summe 30 g Kokain überlassen habe (was bei dem angenommenen Wirkstoffgehalt sehr wohl ein Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG begründen könnte), auseinandergesetzt, dieser seine Angaben im Zuge der Hauptverhandlung vom 29. Juli 2025 (ON 41, 6 ff) gegenübergestellt und letzteren den Vorzug gegeben (US 7).
Bei dieser Ausgangslage ist aber die Berufungswerberin durch die unrichtige Wiedergabe der Aussage vom 2. Dezember 2024 nicht beschwert im oben dargestellten Sinn, weshalb die in ihrem Rechtsmittel daraus abgeleitete Nichtigkeit nicht vorliegt.
Die systematisch als nächstes zu behandelnde ( Ratz aaO § 476 Rz 9) Schuldberufung, die sich gegen die Feststellung der Weitergabe einer bloß unbekannten Menge Kokain an H* G* wendet, bleibt ebenfalls erfolglos.
Die Erstrichterin hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie dessen Angaben als Zeuge im Rahmen der Hauptverhandlung und der sich damit deckenden Verantwortung des Angeklagten Glauben schenkte und demgegenüber dessen darüber hinausgehenden Belastungen im Zuge der Beschuldigtenvernehmung vom 16. Jänner 2025 einen Realitätsbezug absprach (US 6 f). Dass dabei ihrem persönlichen Eindruck maßgebliche Bedeutung zukam (US 7), ist nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098413, RS0098581, RS0098395; Nimmervoll/Riffel in LiK-StPO² § 258 Rz 23; Lendl in WK-StPO § 258 Rz 27).
Auf dieser Grundlage war es ihr außerdem möglich, die sprachlichen Fähigkeiten des Zeugen zu beurteilen. Und natürlich kann die Vernehmung eines iranischen Staatsangehörigen ohne Beiziehung eines Dolmetschers zu missverstandenen (eine bewusste Falschbeurkundung wirft der Zeuge dem vernehmenden Beamten entgegen der Berufung [ON 43, 9] nicht vor) Protokollierungen führen. Daran vermag auch der Umstand, dass er sich am 2. Dezember 2024 beim polizeilichen Erstkontakt mit den Einsatzkräften verständigen konnte (ON 2.21), nichts zu ändern (so aber ON 43, 9). Dafür braucht es nämlich nicht viel und im Allgemeinen sind die Polizeikräfte durchaus bemüht (und auch erfahren darin), nur unzureichend sprachkundige Auskunftspersonen bei ihren Anliegen zu unterstützen. Mangelnde Sprachkenntnisse schlagen sich dabei nicht immer in ihrem Bericht nieder. Auch wenn das Erstgericht trotz des zweimaligen Verzichts des Zeugen G* auf Übersetzungshilfe (vgl ON 2.16, 3; ON 2.10, 3) von einer ungenügenden Beherrschung der deutschen Sprache ausgeht, entspricht das durchaus den Erfahrungen der Mitglieder dieses Berufungssenats, wonach sich aus derartigen Erklärungen nicht unbedingt Substantielles ableiten lässt und eine persönliche Bewertung der Fähigkeiten oftmals ein anderes Bild ergibt.
Den Rechtsmittelausführungen zuwider lassen sich die Angaben des Zeugen G* vom 16. Jänner 2025 außerdem keineswegs widerspruchsfrei mit jenen vom 2. Dezember 2024 in Einklang bringen. Sie weichen sowohl hinsichtlich der Mengen als auch der übrigen Umstände des Umgangs des Angeklagten mit Suchtgift voneinander ab. Eine schwerer wiegende Selbstbelastung durch seine zweite Aussage, die auch rechtlich relevant wäre, liegt indes nicht vor. Sein Verhalten ist nach beiden Varianten ohne Unterschied und mit derselben Konsequenz (§ 35 Abs 1 SMG) mehreren Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG zu unterstellen.
Soweit die Berufungswerberin auf die (eine) Sicherstellung von Suchtgift beim Angeklagten Bezug nimmt (ON 43, 8; vgl dazu ON 4.8), sind daraus die von ihr angestrebten Schlüsse nicht zu ziehen. Vielmehr legen deren Umstände (vgl ON 4.6) in Zusammenschau mit den Angaben der beiden damals anwesenden Personen (ON 4.7, 4: gemeinsamer Konsum) die Richtigkeit der Aussage des Angeklagten und des Zeugen G* im Zuge der Hauptverhandlung nahe. Es fällt außerdem auf, dass weder bei seiner Durchsuchung anlässlich der Festnahme des Angeklagten am 16. Mai 2025 (vgl ON 19.9.2, 2) noch beim polizeilichen Ersteinschreiten in der damals von ihm bewohnten und (nach der zweiten Beschuldigtenvernehmung des G*) angeblich als Drogenumschlagplatz genutzten Wohnung am 2. Dezember 2024 Suchtgift vorgefunden wurde (ON 2.21). Während sich letzteres vielleicht noch mit der Zeit erklären ließe, die dem Angeklagten zwischen Eintreffen der Polizeikräfte und dem Betreten der Wohnung durch diese (vgl ON 2.21, 3 f) verblieb, um Hinweise auf seinen Suchtgifthandel zu verbergen, springt ins Auge, dass er das Messer, mit welchem er den Zeugen G* nach dessen Angaben (ON 2.16, 6) bedroht haben soll, sehr wohl sichtbar auf der Couch liegen hat lassen (ON 2.21, 4).
Generell weisen die Wahrnehmungen der einschreitenden Polizeibeamtinnen und -beamten im Kontakt mit dem Angeklagten eher auf die Richtigkeit der Schilderungen vor Gericht, wonach der Angeklagte vorwiegend selbst konsumiert habe und Suchtgift in diesem Rahmen wechselseitig übergeben worden sei, als auf einen Suchtgifthandel, wie ihn der Zeuge G* in seiner Aussage vom 16. Jänner 2025 beschreibt, hin (vgl ON 4.7, ON 33.2.7 und insbesondere ON 2.20).
Anders als von der Berufung ins Treffen geführt (ON 43, 9) haben sich diese Angaben auch in Bezug auf die übrigen von ihm genannten Abnehmer (ON 2.10, 8) gerade nicht (uneingeschränkt) bestätigt. So hat I* stets in Abrede gestellt, Suchtgift vom Angeklagten bezogen zu haben (vgl ON 2.15, ON 41, 6), weshalb insoweit kein Schuldspruch erging (US 2; zur Konsequenz: Lendl aaO § 259 Rz 14 mwN; Ratz aaO § 281 Rz 503).
Die Aussage des J*, wonach er den Angeklagten vom Hauptbahnhof kenne und dieser „dort ein Kokain Verkäufer“ sei (ON 2.14, 5), bleibt bei Weitem zu unkonkret, als dass sich die von der Berufungswerberin angestrebten Konstatierungen darauf stützen lassen würden.
Als Motiv für die nachträgliche (wahrheitswidrige) Abschwächung seiner Angaben will die Berufungswerberin eine dahingehende Nötigung (vgl Jerabek/Ropper in WK-StGB² § 74 Rz 31; Schwaighofer in WK-StGB² § 105 Rz 58 f) des Zeugen G* durch den Angeklagten ausmachen (ON 43, 9; vgl ON 2.10, 8), die allerdings – soweit ersichtlich – nicht einmal zum Gegenstand einer Anklage gemacht wurde (vgl im Übrigen zum Freispruch des Angeklagten von ähnlichen, ursprünglich ebenfalls auf einer Belastung durch G* beruhenden Vorwürfen: ON 37).
Insgesamt bleiben damit die den Angeklagten über die getroffenen Feststellungen hinaus belastenden Beweisergebnisse zu vage und sieht der erkennende Senat – selbst unter Berücksichtigung von dessen kriminellem Vorleben (ON 6 und ON 7; vgl RIS-Justiz RS0098595; Nimmervoll/Riffel aaO § 258 Rz 28) – keinen Anlass, von den erstgerichtlichen Feststellungen abzugehen.
Sie haben daher Bestand.
Auf ihrer Grundlage erweist sich allerdings die Subsumtion der von Punkt A./I./ des erstgerichtlichen Schuldspruchs erfassten Taten als rechtsfehlerhaft. Nach den insoweit maßgeblichen Konstatierungen hat der Angeklagte „Kokain auch zum gemeinsamen Konsum mit anderen“ besorgt und „Freunden und Bekannten … bei gemeinsamen Treffen für gemeinsamen Konsum … unbekannte Mengen Kokain“ überlassen (US 4). Wenn auch disloziert zur Begründung des Absehens vom Verfall wird außerdem festgehalten, dass er dafür kein Entgelt erhalten hat (ON 42, 10; vgl dazu die – vom Erstgericht als glaubhaft erachteten – eine Vermögenszuwendung in Abrede stellenden Angaben des Zeugen G* im Rahmen der Hauptverhandlung: ON 41, 7 ff).
Demnach vorliegendes uneigennütziges Handeln für den persönlichen Gebrauch eines anderen ist jedoch ausschließlich persönlicher Gebrauch im Sinne des § 27 Abs 2 SMG (vgl RIS-Justiz RS0124624, RS0131857, RS0131952; Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG 3 § 27 Rz 70; SchwaighoferaaO § 27 SMG Rz 57; Hinterhofer/Tomasits in Hinterhofer, SMG² § 27 Rz 113; Stempkowski in Leukauf/Steininger , Strafrechtliche Nebengesetze 3§ 27 SMG Rz 62), weshalb diese Privilegierung auch auf die Suchtgiftweitergaben des Angeklagten Anwendung hätte finden müssen. Die dadurch begründete, von ihm aber nicht geltend gemachte, Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 [§ 489 Abs 1] StPO) wirkt sich allerdings fallkonkret– mangels Bedeutung für die Strafrahmenbildung oder für die Strafzumessung – nicht zu seinem Nachteil (vgl dazu: Ratz aaO § 290 Rz 22; KirchbacheraaO § 290 Rz 6/1; zuletzt: 11 Os 15/25b) aus und kann damit auf sich beruhen.
Feststellungen, die ein bei dieser Ausgangslage grundsätzlich gebotenes (vgl Schroll/Kertin WK-StPO § 203 Rz 31 ff) diversionelles Vorgehen nach §§ 37, 35 Abs 1 SMG ausschließen würden, hat das Erstgericht (entgegen RIS-Justiz RS0119091 [T9]) zwar nicht getroffen. Dem in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 41, 10) Beweismaterial lässt sich aber als prozessuale Tatsache entnehmen (dazu: RatzaaO § 290 Rz 17), dass der Angeklagte (bereits im Vorfeld) keinerlei Bereitschaft zeigte, sich einer (aktuell gebotenen: § 35 Abs 4 SMG) ärztlichen Begutachtung (vgl § 35 Abs 6 SMG) zu unterziehen (ON 4.11), weshalb das Erstgericht § 37 SMG im Ergebnis zu Recht unangewendet gelassen hat (vgl 12 Os 85/20x; OLG Wien 32 Bs 38/23g; SchwaighoferaaO § 35 SMG Rz 54; Matzka/Zeder/Rüdisser aaO § 35 Rz 36/1). Auch diesbezüglich erübrigt sich daher mangels einer für den Angeklagten nachteiligen Wirkung ein amtswegiges Vorgehen.
Zutreffend greift die Berufungswerberin jedoch auf, dass auf Basis der Urteilsfeststellungen (US 4; vgl RIS-Justiz RS01340009) der Sanktionsausspruch mit einem Rechtsfehler behaftet ist.
Die mit dem Gewaltschutzgesetz 2019 (BGBl I 105/2019) eingeführte und seit 1. Jänner 2020 in Geltung stehende Strafrahmenvorschrift (RIS-Justiz RS0133690, RS0091333 [T13]; Flora in WK-StGB² § 39 Rz 1; Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 15§ 39 Rz 1) des § 39 Abs 1a StGB sieht vor, dass sich das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe um die Hälfte, höchstens jedoch auf 20 Jahre, erhöht, wenn der Täter schon zweimal wegen vorsätzlicher strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und er nach Vollendung des 19. Lebensjahres innerhalb der (zumindest fünfjährigen) Rückfallsverjährungsfrist des Abs 2 leg cit neuerlich eine vorsätzliche strafbare Handlung gegen eines dieser Rechtsgüter begeht. Dabei ist nicht auf die Einordnung in bestimmte Abschnitte des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs abzustellen, sondern eine rechtsgutbezogene Betrachtung maßgeblich (RIS-Justiz RS0134087). Außerdem muss im Anwendungsbereich des § 39 Abs 1a StGB die Anlasstat (anders als bei § 39 Abs 1 StGB) nicht notwendigerweise gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sein wie die beiden rückfallsbegründenden Vorverurteilungen, sofern sie jeweils auch nur einer der drei Deliktsgruppen zuzuordnen sind ( Michel-Kwapinski/Oshidari aaO § 39 Rz 3; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB 5 § 39 Rz 9b).
Hier wurde der Angeklagte am 14. September 2017 unter anderem wegen einer qualifizierten Weitergabe von Suchtgift zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Dessen ungeachtet überließ er vor dem 15. Mai 2020 erneut anderen Suchtgift, diesmal sogar in einer die Grenzmenge nach § 28b SMG mehr als 25-fach übersteigenden Menge, wofür er zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt wurde, aus der er am 3. Mai 2022 bedingt entlassen wurde (US 4). Die (hier für die Strafrahmenbildung letztlich maßgebliche [§ 28 Abs 1 StGB; RIS-Justiz RS0133826]) versuchte schwere Körperverletzung beging er am 15. Mai 2025 und damit deutlich innerhalb der (aktuell sogar zehnjährigen) Rückfallsverjährungsfrist des § 39 Abs 2 StGB (zur rechtsgutbezogenen Einordnung von Suchtmitteldelikten: RIS-Justiz RS0091972; Jerabek/Ropper in WK-StGB² § 71 Rz 8; Hinterhofer/Tomasits aaO § 27 Rz 168; Matzka/Zeder/Rüdisser aaO § 27 Rz 113).
Nachdem unter diesen Voraussetzungen § 39 Abs 1a StGB zwingend (RIS-Justiz RS0133600; TipoldaaO § 39 Rz 18; zum Zusammentreffen mit § 39a StGB: RIS-Justiz RS0134046) anzuwenden gewesen wäre, das Erstgericht aber von einem Strafrahmen von einem bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen ist (US 4), hat es Nichtigkeit begründend seine Strafbefugnisgrenze überschritten (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall [§ 489 Abs 1] StPO; RIS-Justiz RS0133690, RS0133600, RS0125294 [T1]; Ratz aaO § 281 Rz 666; Tipold aaO § 39 Rz 19).
Demgemäß sind der Strafausspruch (nicht aber der Ausspruch über vermögensrechtliche Anordnungen [vgl RatzaaO § 289 Rz 6; RIS-Justiz RS0088115]) einschließlich der Vorhaftanrechnung sowie die davon rechtslogisch abhängigen Beschlüsse nach §§ 494 und 494a StPO aufzuheben und ist insoweit in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz [§§ 489 Abs 1, 471] StPO).
Bei der Strafneubemessung ist unter Anwendung von § 28 Abs 1, § 39 Abs 1a und § 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 3 StGB nach § 84 Abs 4 StGB von einem Strafrahmen von einem bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.
Erschwerend fallen das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), die beiden einschlägigen Vorstrafen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB; zur Berücksichtigung auch bei darauf gestützter Anwendung der [bloßen] Strafrahmenvorschrift des § 39 Abs 1a StGB ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot: RIS-Justiz RS0091527; Riffelin WK-StGB² § 33 Rz 8) sowie die Begehung einer gegen Leib und Leben gerichteten Vorsatztat zum einen gegen die (damalige) Lebensgefährtin des Angeklagten (§ 33 Abs 2 Z 2 StGB; vgl zu seinem Verhältnis zu F*: US 5; ON 19.9.3, 4; ON 19.20.6) und zum anderen unter Einsatz von Steinen als Waffe im funktionalen Sinn (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB; RIS-Justiz RS0134002; zur Anwendung neben der Strafrahmenvorschrift des § 39a Abs 1 Z 4 StGB: 11 Os 47/25h; OLG Linz 9 Bs 174/25i) ins Gewicht; im Rahmen des § 32 Abs 2 StGB außerdem die mehrfache Tatbegehung bei anhängigem Verfahren (RIS-Justiz RS0119271; vgl nur die Beschuldigtenvernehmung zu einem hier mit Schuldspruch abgeurteilten Suchtgiftdelikt am 26. Jänner 2025: ON 2.9) sowie offenen Probezeiten zu einer bedingten Strafnachsicht (Probezeitende zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. September 2017 war unter Berücksichtigung der Haftzeiten [vgl ON 12; § 49 zweiter Satz ] der 19. Jänner 2025) und einer bedingten Entlassung (RIS-Justiz , , ;
Als mildernd zu berücksichtigten sind dagegen die umfassend reumütig geständige Verantwortung des Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 17 erster Fall StGB) und sein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung in Bezug auf die Körperverletzung der F* (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB; vgl ON 19.9.3; zur Unschädlichkeit des zwischenzeitigen Widerrufs [ON 19.10]: RIS-Justiz RS0091473; Riffel aaO § 34 Rz 38), seine (hier für die Subsumtion unbedeutende) Gewöhnung an Suchtgift ( Hinterhofer/Tomasits aaO § 27 Rz 169; Matzka/Zeder/RüdisseraaO § 27 Rz 109; 12 Os 22/25i) und der Umstand, dass es hinsichtlich der intendierten schweren Verletzungsfolgen des D* beim Versuch blieb (§ 34 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StGB), wenngleich dies durch den Eintritt von (leichten) Verletzungen beim Tatopfer (vgl US 5 und ON 19.2.21, 2) relativiert wird ( Riffel aaO § 34 Rz 30; Birklbauer/Stiebellehnerin SbgK-StGB § 34 Rz 98 f; vgl auch [zu Verletzungsfolgen bei versuchtem Mord]: RIS-Justiz RS0090934). Allgemein schuldmindernd (§ 32 Abs 3 StGB) wirkt außerdem die teilweise objektive Schadensgutmachung durch Sicherstellung von Suchtgift (ON 4.8; zuletzt: 15 Os 83/25g; Riffel aaO § 34 Rz 33).
Davon ausgehend erweist sich – innerhalb des durch die wesentlichen schuldsteigernden Argumente bereits zweifach verschärften Strafrahmens – die Verhängung der im Spruch ersichtlichen Freiheitsstrafe als tat- und schuldangemessen.
Die Anrechnung der Vorhaft beruht auf § 38 Abs 1 Z 1 StGB. Hinsichtlich der Zeiten nach Fällung des Urteils erster Instanz hat dagegen gemäß § 400 Abs 1 StPO – auch im (hier vorliegenden) Fall der Strafneubemessung – das Erstgericht mit Beschluss zu entscheiden (RIS-Justiz RS0091624; Lässig in WK-StPO § 400 Rz 3).
Selbst teilweise bedingte Strafnachsicht (§ 43a Abs 3 StGB) scheitert angesichts der beiden einschlägigen Vorstrafen sowie der mehrfachen Tatbegehung bei offener Probezeit nach einer bedingten Entlassung aus einer mehrjährigen Haftstrafe und trotz (in der Berufungsgegenausführung nunmehr erneut ins Spiel gebrachten [ON 45.2, 5]) Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung zur Suchtgiftentwöhnungstherapie (ON 12) aus spezialpräventiven Erwägungen.
Neuerliche Bewährungsauflagen (§ 494 Abs 1 StPO) kommen angesichts dessen schon grundsätzlich nicht in Betracht.
Die Aufhebung des gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefassten (von der Staatsanwaltschaft nicht angefochtenen) Beschlusses dagegen ist Folge der Beseitigung Strafausspruchs (vgl RIS-Justiz RS0100194). Bereits aufgrund des Verschlechterungsverbots (RIS-Justiz RS0100547; Birklbauer in LiK-StPO² § 290 Rz 40) ist insoweit jedoch eine Wiederholung der erstgerichtlichen Entscheidung geboten. Zu AZ Hv* des Landesgerichts für Strafsachen Wien wurde übrigens inzwischen die Strafe endgültig nachgesehen (Strafregisterauskunft).
Bleibt abschließend anzumerken, dass auch das Einziehungserkenntnis, soweit es die in ON 4.10 angeführten „Suchtgiftutensilien“ betrifft, mit einem vom Angeklagten nicht geltend gemachten Rechtsfehler behaftet ist: § 34 SMG ist (soweit hier relevant) nur auf Suchtmittel (§ 1 Abs 2 SMG) anwendbar, während die Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB sich einerseits (soweit hier von Bedeutung) auf Gegenstände bezieht, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat oder die von ihm dazu bestimmt waren, bei der Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, sowie andererseits voraussetzt, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken, wobei das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands anspricht (RIS-Justiz RS0121298). Alufolie, eine Suchtgiftwaage und ein Grinder sind – per se – keineswegs besonders deliktstauglich (vgl RIS-Justiz RS0107294, RS0088201). Bestehende Suchtgiftanhaftungen könnten außerdem ohne Weiteres entfernt werden, sodass die Einziehung nur zulässig wäre, wenn dem Berechtigten zuvor Gelegenheit gegeben wurde, dies (auf eigene Kosten) zu veranlassen (§ 26 Abs 2 erster Satz StGB, RIS-Justiz RS0088184 [T5]).
Im Gegenstand gereicht jedoch auch dieser Umstand dem Angeklagten nicht zum Nachteil (vgl aber § 290 Abs 1 [§§ 489 Abs 1, 471] StPO), weil er sich mit der Vernichtung der in Rede stehenden Objekte ohnehin einverstanden erklärt hat (ON 41, 10; vgl RIS-Justiz RS0088201 [T11, T14, T18]). Eine amtswegige Kassation des Einziehungserkenntnisses erübrigt sich daher.
Die Pflicht zum Ersatz der Kosten auch des Berufungsverfahrens gründet sich auf die zitierte Gesetzesstelle und den (teilweisen) Rechtsmittelerfolg der Anklagebehörde.
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