Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch die Aigner Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D*, Rechtsanwalt, und 2. * OG, *, beide vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in Linz, wegen 15.285,07 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Oktober 2024, GZ 1 R 78/24g 15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 12. April 2024, GZ 1 Cg 1/24y 10, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.206,44 EUR bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Am 23. 12. 2019 schloss der Kläger mit seinen minderjährigen Kindern in einem (außerstreitigen) Unterhaltsverfahren einen unbedingten gerichtlichen Vergleich über bestimmte Unterhaltsleistungen, nachdem das dortige Rekursgericht am 21. 5. 2019 über Rekurs des Klägers einen vorangegangenen erstinstanzlichen Unterhaltsbeschluss teilweise aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen hatte.
[2] Mit E-Mail vom 23. 7. 2022 ersuchte der Kläger den erstbeklagten Rechtsanwalt (der ihn im Pflegschaftsverfahren nicht vertreten hatte und der Gesellschafter der zweitbeklagten Rechtsanwalts Gesellschaft ist) um Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen im Zusammenhang mit diesem Unterhaltsverfahren. Aufgrund der „mehrmaligen unvertretbaren Rechtsansicht des Rechtspflegers ... und der dadurch notwendigen Schritte“ verlange er Ersatz der aufgelaufenen Anwaltskosten und des zu viel bezahlten Unterhalts.
[3] Auf drei Urgenzen des Klägers reagierte der Erstbeklagte mit E-Mail vom 22. 9. 2022, in der er dem Kläger mitteilte, dass er ihn mangels zeitlicher Ressourcen unter anderem in dieser Angelegenheit und auch in anderen Vertretungsfragen bitten würde, eine andere Rechtsanwaltskanzlei zu beauftragen.
[4] Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung von 15.285,07 EUR sA, weil diese es schuldhaft unterlassen hätten, ihn rechtzeitig darüber zu informieren, dass das Mandat abgelehnt werde. Bei pflichtgemäßer Bearbeitung hätte der Amtshaftungsanspruch noch rechtzeitig vor seiner Verjährung am 10. 8. 2022 (durch einen anderen Rechtsanwalt) geltend gemacht werden können. Der Schaden setze sich aus Anwalts und Gerichtskosten von 14.578,07 EUR und einem aufgrund des Vergleichs vom 23. 12. 2019 zu viel bezahlten Unterhalt von 707 EUR zusammen.
[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
[7] Ein Rechtsanwalt habe sich ohne Zögern und ausdrücklich zu äußern, ob er die ihm zugedachte Vertretung annehme. Die Verletzung dieser Pflicht mache ihn „nach Zivilrecht“ verantwortlich. Auch wenn die Ablehnung zwei Monate nach der erstmaligen Anfrage hier nicht ohne unnötiges (schuldhaftes) Zögern erfolgt sei, würden Ansprüche des Klägers scheitern. Er mache zwei verschiedene Schäden geltend, die verjährungsrechtlich keine Einheit bildeten, und zwar einerseits Vertretungskosten, die ihm durch eine vermeintlich unvertretbare Rechtsansicht des Rechtspflegers bis zur rechtskräftigen Rekursentscheidung vom 21. 5. 2019 entstanden sein sollen, und andererseits aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 23. 12. 2019 zu viel bezahlter Unterhalt. Es handle sich um einen Fall fortgesetzter (wiederholter) Schädigung. Die Verjährung des Ersatzes der Vertretungskosten habe frühestens mit Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts im Pflegschaftsverfahren an den damaligen Rechtsvertreter des Klägers am 2. oder 3. 7. 2019 begonnen. Unter Berücksichtigung der in § 2 des 1. COVID 19 JuBG statuierten Fortlaufhemmung sei die Verjährung frühestens am 11. oder 12. 8. 2022 eingetreten. Eine Haftung der Beklagten aus der verspäteten Antwort vom 22. 9. 2022 käme nur dann in Betracht, wenn sie verpflichtet gewesen wären, so rechtzeitig vor dem 12./13. 8. 2022 ablehnend zu antworten, dass dem Kläger noch ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden wäre, vor Eintritt der Verjährung eine andere Rechtsanwaltskanzlei mit der Causa zu betrauen. Die Beklagten hätten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls jedoch nicht innerhalb von drei Wochen auf die Anfrage vom 23. 7. 2022 antworten müssen. Damit wäre der aus der gerichtlichen Unterhaltsentscheidung abgeleitete Amtshaftungsanspruch aber auch bei pflichtgemäßer Antwort innerhalb angemessener Überlegungsfrist verjährt gewesen und der behauptete Verjährungsschaden eingetreten. Der Ersatz des weiteren Schadens von 707 EUR sei frühestens drei Jahre und 40 Tage nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs am 23. 12. 2019 verjährt. Damit sei das anwaltliche Ablehnungsschreiben vom 22. 9. 2022 (mehr als vier Monate vor Eintritt der Verjährung) rechtzeitig und nicht kausal für den behaupteten Verjährungsschaden gewesen.
[8] Das Berufungsgericht ließ nachträglich die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zu, weil die Rechtsfrage für die Rechtsentwicklung und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung habe, ob ein Rechtsanwalt verpflichtet sei, auch sämtliche mit einer E Mail im Anhang übermittelten Urkunden auf Hinweise für eine drohende Verjährung zu studieren und deswegen noch vor Ablauf von drei Wochen auf eine Anfrage zu antworten und das Mandat abzulehnen.
[9] Die (von den Beklagten beantwortete) Revision des Klägersist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
1. Zur Nichtigkeit
[10] Nur die Teilnahme eines mit Erfolg abgelehnten Richters an der Entscheidung begründet eine Nichtigkeit ( RS0007462). Wurde die Ablehnung hingegen – wie hier hinsichtlich eines Mitglieds des Berufungssenats – nicht für gerechtfertigt erkannt, liegt der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 1 ZPO nicht vor ( RS0007462 [T1]).
2. Zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens
[11]2.1. Die Frage, ob § 267 ZPO zutreffend angewendet wurde oder nicht, nämlich ob ein schlüssiges Tatsachengeständnis vorlag oder nicht, ist eine Verfahrensfrage (RS0040078).
[12]Nach Ansicht des Berufungsgerichts ging schon das Erstgericht im Sinn des § 267 ZPO zu Recht in seinen Feststellungen implizit davon aus, dass dem Kläger die E Mail vom 22. 9. 2022 auch tatsächlich zugegangen sei, weil er den Zugang nie bestritten und selbst vorgebracht habe, dass die Beklagten erst am 22. 9. 2022 auf seine E Mails reagiert hätten, worin bereits eine Pflichtverletzung liege.
[13] Auch wenn erstmals das Berufungsgericht (ausdrücklich) ein schlüssiges Geständnis hinsichtlich der Tatsache des Erklärungszugangs angenommen haben sollte ( RS0040078 [T7]), wäre diese Beurteilung angesichts des zitierten Klagsvorbringens im Einzelfall nicht zu beanstanden (vgl RS0039927 [T9]; RS0040078 [T4]; RS0040146 [T2]). Auf die Frage der Beweislast (vgl RS0014065 ) kommt es daher nicht weiter an.
[14]2.2. § 182a ZPO hat nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen ( RS0122365 [T4]).
[15] Nachdem sich die Beklagten bereits im Einspruch auf ihre Erklärung im E Mail vom 22. 9. 2022 berufen und diese zur Vorlage gebracht hatten, um ihre Reaktion auf die Anfrage des Klägers unter Beweis zu stellen, ist diesem die Bedeutung (des Zugangs) dieser E Mail für seinen eigenen – eine verspätete Ablehnung vertretenden – Prozessstandpunkt erkennbar gewesen. Dennoch hat er nicht bestritten, dass die E Mail zugegangen sei, sondern sich selbst auf die Ablehnung per 22. 9. 2022 bezogen.
[16] Ein Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
3. Zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung
[17]Ob ein Rechtsanwalt im Einzelfall die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden und stellt regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar ( RS0026584 [T21]). Eine solche zeigt der Revisionswerber auch nicht auf.
[18] 3.1. Er wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Beklagten nicht innerhalb von drei Wochen auf seine Anfrage vom 23. 7. 2022 hätten antworten müssen, zumal dieser E Mail weder der kritisierte Unterhaltsbeschluss noch die dazu ergangene Rekursentscheidung angeschlossen gewesen seien und sich daraus auch kein Zustellzeitpunkt ergeben hätte.
[19] Seine Behauptung, während eines laufenden Mandatsverhältnisses entspräche es der Praxis und der (vor )vertraglichen Sorgfaltspflichten, dass der federführende Rechtsanwalt sich zur Übernahme des Mandats zumindest innerhalb von zwei Wochen äußere, bleibt unbelegt und unbegründet. Eine derartige „Praxis“ wurde in erster Instanz weder vorgebracht noch festgestellt.
[20] Sein weiteres Argument, es hätten sich aus seiner Anfrage vom 23. 7. 2022 und den angehängten Beilagen bereits Indizien für eine mögliche Verjährung ergeben, und zwar sei „auf Seite 6 der Beilage ./K in der Honorarnote 35/2019 ausgewiesen“, dass ein Rekurs eingebracht worden sei, weckt schon deshalb keine Bedenken an der Beurteilung des Berufungsgerichts, weil aus der Anfrage gar nicht hervorgeht, durch welche Vorgänge im Pflegschaftsverfahren er sich konkret beschwert erachtete. Vielmehr verwies er dort nur darauf, das sich „die einzelnen Fehler“ dem Pflegschaftsakt entnehmen ließen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, woraus den Beklagten die Relevanz einer allenfalls aus einer Beilage zum E Mail hervorgehenden Rekurserhebung für den Beginn der Verjährungsfrist hätte erkennbar sein sollen.
[21] 3.2. Die Ausführungen zum Unterhaltsschaden gehen – im Widerspruch zum mangelfrei festgestellten Sachverhalt – davon aus, dass dem Kläger die Ablehnung vom 22. 9. 2022 nicht zugegangen wäre.
[22]4. Soweit der Kläger die Entscheidung des Berufungsgerichts im Kostenpunkt bekämpft, übergeht er, dass zweitinstanzliche Kostenentscheidungen ausnahmslos unanfechtbar sind (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO; RS0044233 [T36]; RS0053407 [T16]; RS0044228).
[23]5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen. Dem im unternehmerisch bedingten Schadenersatzprozess in eigener Sache einschreitenden Rechtsanwalt gebührt mangels Leistungsaustausches (nur) der Ersatz der Nettokosten, aber keine Umsatzsteuer (6 Ob 136/24d Rz 2 vom 26. 3. 2025; UStR 2000 Rz 19; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Kapitel 1 Rz 1.119 [Stand 8. 1. 2024, rdb.at]; Ruppe/Achatz , Umsatzsteuergesetz 6 § 1 Rz 202 [Stand 1. 5. 2024, rdb.at]; Aigner/Tumpel , Prozesskostenersatz für einen in eigener Sache tätigen Rechtsanwalt , SWK 2011, S 65). Dass zwischen dem Erstbeklagten und der zweitbeklagten Anwalts Gesellschaft, die sich selbst und ihren Gesellschafter vertritt, ein umsatzsteuerrechtlich relevanter Leistungsaustausch stattgefunden hätte (vgl Wieland in Berger/Bürgler/Kanduth Kristen/Wakounig , UStG ON 3.02§ 1 Rz 147 f [Stand 1. 12. 2021, rdb.at]), hat der Erstbeklagte entgegen der ihn nach § 54 Abs 1 ZPO treffenden Bescheinigungspflicht weder behauptet noch bescheinigt (vgl etwa zur Höhe ausländischer USt: RS0114955 ).
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