Rückverweise
W187 2310569-1/22E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Vorsitzendem, DI Dr. Heinz STIEFELMEYER als fachkundigem Laienrichter der Auftraggeberseite und MMag. Dr. Günther FEUCHTINGER als fachkundigem Laienrichter der Auftragnehmerseite über die Anträge von AAAA betreffend das Vergabeverfahren „S95510/316-Dion7/2024. 4470 Enns, Towarek-Schulkaserne, Obj. 001 Hauptgebäude, Instandsetzung Gebäudehülle, Generalplanerleistungen“ der Auftraggeberin Republik Österreich vertreten durch die Bundesministerin für Landesverteidigung diese vertreten durch die Direktion 7 –Militärservicezentrum 7, Roßauer Lände 1, 1090 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, vom 6. April 2025 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 4. Juni 2025 beschlossen:
A)
Das Bundesverwaltungsgericht weist die Anträge von AAAA , „auf Feststellung, dass die Erklärung des Widerrufes vom 8.10.2024 rechtswidrigerweise ohne Mitteilung oder Bekanntmachung der Widerrufsentscheidung erklärt wurde“ und „auf Feststellung, dass die Erklärung des Widerrufs vom 8.10.2024 wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war“ gemäß § 354 Abs 4 BVergG 2018 zurück.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang
1. Mit Schriftsatz vom 6. April 2025 beantragte AAAA , in der Folge Antragsteller, die Feststellung, dass die Erklärung des Widerrufes vom 8. Oktober 2024 rechtswidrigerweise ohne Mitteilung oder Bekanntmachung der Widerrufsentscheidung erklärt wurde, dass die Erklärung des Widerrufs vom 8. Oktober 2024 wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war, den Ersatz der Pauschalgebühr und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren „S95510/316-Dion7/2024. 4470 Enns, Towarek-Schulkaserne, Obj. 001 Hauptgebäude, Instandsetzung Gebäudehülle, Generalplanerleistungen“ der Auftraggeberin Republik Österreich vertreten durch die Bundesministerin für Landesverteidigung, diese vertreten durch die Direktion 7 –Militärservicezentrum 7, Roßauer Lände 1, 1090 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien.
1.1 Nach der Darstellung des Sachverhalts und des Schadens erachtet sich der Antragsteller im Recht, dass den Bietern die Mitteilung der Widerrufsentscheidung bekannt gegeben wird, verletzt, weil die übermittelte „Mitteilung des Widerrufs“ im Nachrichtentext des durch den Auftraggeber zugestellten E-Mail fälschlicherweise als „Mitteilung der Zuschlagsentscheidung“ bezeichnet worden sei. Der Antragsteller sei folglich erstmal davon ausgegangen, dass ihm der Zuschlag nun erteilt worden sei. Weiters sei das beigefügte pdf Dokument nicht lesbar gewesen sowie habe es eine ungültige Amtssignatur beinhaltet. Trotz entsprechender schriftlicher Aufforderung an den Auftraggeber sei der Mangel nicht behoben worden. Aufgrund der Unkenntnis des Inhalts des Schreibens hätte der Verstoß nicht (rechtzeitig) im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht werden können.
1.2 Weiters erachtet sich der Antragsteller im Recht, dass gemäß den Angaben in der Ausschreibung der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wird, im Recht, dass einem Widerruf rechtskonforme Umstände zugrunde liegen, sowie im Recht auf Einhaltung des Bundesvergabegesetzes verletzt. Es sei keine detaillierte Beschreibung der bekannt gewordenen Umstände erfolgt. Wäre das Vergabeverfahren ordnungsgemäß beendet worden, wäre der Bieter BBBB auszuscheiden gewesen und der zweitgereihte AAAA hätte den Zuschlag erhalten müssen. Offensichtlich sei das Verfahren jedoch ausschließlich deshalb widerrufen worden, um den „Wunschkandidaten“ des Auftraggebers, die BBBB im Zuge eines nicht offenen Verfahrens zu beauftragen. Dies stelle jedenfalls eine rechtswidrige und missbräuchliche Vorgangsweise des Auftraggebers dar. Folgende Tatsachen bewiesen dieses Vorgehen.
1: Die Bezeichnungen sowohl des Verfahren im Oberschwellenbereich sowie der durchgeführten Direktvergaben ließen auf kein geändertes Leistungsbild schließen. (Die Planungsleistungen über die Sanierung der Dächer, der Fassade und des Kellers seien bereits Inhalt des Verfahrens im Oberschwellenbereich).
2: Die Auftragssumme der Direktvergabe ist nahezu ident mit der abgegebenen Angebotssumme im Oberschwellenverfahren. (€ 82.426,82 Direktvergabe; € 82.827,45 Oberschwellenverfahren)
3: Trotz Bekanntgabe des Antragstellers – nach dem Widerruf der Ausschreibung – an den Auftraggeber, gerne an den weiteren Vergabeverfahren teilzunehmen, sei dieser nicht zur Angebotsabgabe bei der Direktvergabe eingeladen.
Bereits die Ausschreibungsgestaltung des Oberschwellenverfahrens habe eine weitreichende Anpassung des Leistungsbilds durch die Entfallsmöglichkeiten einzelner Teilpauschalen geregelt. Der Ausschreibungsgegenstand der Beauftragung im Wege der Direktvergabe weise jedenfalls kein geändertes Leistungsbild auf.
1.3 Aufgrund der fehlenden Mitteilung der Widerrufsentscheidung hätte der Verstoß nicht im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht werden können.
2. Am 11. April 2025 legte die Auftraggeberin die Unterlagen zum Vergabeakt per USB vor.
3. Mit Schriftsatz vom 11. April 2025 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte, verwies auf die Vorlage der Unterlagen des Vergabeverfahrens und die Einräumung eines Zugangs zu dem elektronischen Vergabeakt und führte zum Umfang der Akteneinsicht aus.
4. Mit E-Mail vom 11. April 2025 räumte die Auftraggeberin dem Bundesverwaltungsgericht einen Zugang zur elektronischen Vergabeplattform ein.
5. Mit Schriftsatz vom 23. April 2025 nahm die Auftraggeberin zu dem Feststellungsantrag Stellung. Darin führte sie nach Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen folgendes aus:
5.1 Der Antragsteller bekämpfe mit dem Feststellungsantrag ausschließlich die „Erklärung des Widerrufs“. Dies lege den Prozessgegenstand fest. Die Widerrufsentscheidung sei am 9. September 2024 über die Vergabeplattform an alle Bieter versendet worden. Bei der Öffnung auf der Vergabeplattform trete kein Ansichtsfehler auf und der Inhalt der Widerrufsentscheidung sei vollinhaltlich einsehbar. Mit anderen gängigen Programmen als dem Programm „Adobe Acrobat Reader“ sei der Inhalt der Widerrufsentscheidung vollinhaltlich samt Signatur sichtbar. Damit sei keine Rechtswidrigkeit gegeben. Das Dokument selbst sei nicht als „Zuschlagsentscheidung“ betitelt gewesen. Lediglich in einer Kurznachricht sei fälschlicherweise von der „Zuschlagsentscheidung“ die Rede gewesen. Nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ ändere die falsche Bezeichnung nichts in der rechtlichen Natur und dem inhaltlichen Erklärungswert. Die Widerrufsentscheidung sei, wie der Antragsteller selbst ausführe, ihm am 16. September 2024 zugegangen.
5.2 Da die Widerrufsentscheidung, eine gemäß § 2 Z 15 lit a sublit aa BVergG 2018 gesondert anfechtbare Entscheidung, am 16. September 2024 dem Antragsteller zugegangen sei und der Antragsteller keinen Nachprüfungsantrag innerhalb der offenen Frist eingebracht habe, habe er nicht sämtliche ihm zumutbaren Schritte zur Geltendmachung seines vermeintlich vorliegenden Schadens gewahrt. Aufgrund der Subsidiarität des Feststellungsantrags gemäß § 354 Abs 4 BVergG 2018 seien die verfahrensgegenständlichen Feststellungsanträge unzulässig.
5.3 Die abgegebenen fünf Angebote haben einen preislichen Unterschied von 330 % aufgewiesen. Die Bieter seien in ihrer Angebotserstellung von unterschiedlichen Parametern ausgegangen, wodurch ein tatsächlicher Wettbewerb nicht habe stattfinden können. Daher war der Grund für die Widerrufsentscheidung, das Leistungsbild zu ändern. Somit sei der Widerruf gemäß § 149 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 zwingend gewesen, da Umstände bekannt geworden seien, die, wären sie schon vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten. Unabhängig davon könne gemäß § 149 Abs 2 Z 3 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren widerrufen werden, wenn dafür sachliche Gründe vorlägen. Die preislichen Abweichungen würden dies begründen. An Widerrufsgründe sei kein strenger Maßstab anzulegen. Die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe könnten eine rechtsmissbräuchliche Vornahme des Widerrufs nicht begründen. Bei Vorliegen eines Auftragswerts von unter € 100.000 und der Wahl der Direktvergabe habe der Antragsteller keinen Rechtsanspruch, im Zuge dieses Vergabeverfahrens zur Angebotsabgabe eingeladen zu werden. Ein Auftraggeber könne nicht gezwungen werden, eine Vergabe zu nachweislich nicht marktkonformen Preisen abzuschließen. Die Auftraggeberin beantragte die Zurück-, in eventu Abweisung sämtlicher Anträge des Antragstellers.
6. Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2025 nahm der Antragsteller Stellung. Darin führte er im Wesentlichen folgendes aus:
6.1 Ihm sei nur das von der Auftraggeberin versandten Dokument zur Verfügung gestanden und das Öffnen der Widerrufsentscheidung daher nicht möglich gewesen. Es werde überall auf das Programm „Adobe Acrobat Reader“ zum Öffnen von pdf-Dateien verwiesen. Die von der Auftraggeberin genannten Alternativprogramme seien entweder nicht kostenfrei oder in der Gratisversion nicht werbefrei zu erwerben. Die Auftraggeberin gehe auf die nicht gültige Amtssignatur nicht ein. Offensichtlich werde der Inhalt wegen der nicht gültigen Amtssignatur nicht dargestellt.
6.2 Nach der ersten inhaltlichen Kenntnisnahme der Widerrufsentscheidung am 16. September 2024 habe die Stillhaltefrist und die Frist für einen Nachprüfungsantrag am 19. September 2024 geendet. Das Einbringen eines Nachprüfungsantrags innerhalb von drei Tagen sei nicht zumutbar und entspreche auch nicht den gesetzlichen Vorgaben.
6.3 Der preisliche Unterschied der eingegangenen Angebote sei für Vergabeverfahren durchaus üblich und bedürfe nicht zwingend eines Widerrufs der Ausschreibung. Er sei auf die Entkopplung des Planerhonorars von den Baukosten zurückzuführen. Den Planern sei in der Ausschreibungsunterlage bereits freigestellt, „kostengünstigere“ Lösungsansätze zu finden, die sich auch in den Planerhonoraren niederschlagen könnten. Selbst wenn man die Baukosten von ca € 3 Mio dem Honorar zugrunde legen würde, wäre ein Generalplanerhonorar des Letztgereihten von ca 10 % der Baukosten als wirtschaftlich kalkuliert zu betrachten. Berücksichtige man den Erstgereihten (ohne Befugnis, unterer Ausreißer) sowie den Letztgereihten (oberer Ausreißer) nicht, befänden sich die Angebote im Bereich von ca € 191.000 bis ca € 259.000, einer Preisspanne von ca 135 %. Jedenfalls sei die monetäre Preisspanne der eingegangenen Angebote kein Grund für einen zwingenden Widerruf gemäß § 149 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 wie in der Widerrufsentscheidung angeführt.
7. Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2025 nahm die Auftraggeberin Stellung. Darin führte sie im Wesentlichen folgendes aus:
7.1 Dem Antragsteller sei die Widerrufsentscheidung am 9. September 2024 nicht nur per E-Mail, sondern auf der Vergabeplattform zur Verfügung gestanden. Unabhängig davon sei dem Antragsteller die Widerrufsentscheidung am 9. September 2024 per E-Mail übermittelt worden. Dem Antragsteller sei die Widerrufsentscheidung am 9. September auf mehreren Wegen übermittelt worden.
7.2 Die Widerrufsentscheidung sei auf der Vergabeplattform und auch mit sämtlichen gängigen anderen Ansichtsprogrammen einzusehen bzw zu öffnen gewesen. Die sei selbst mit dem Textverarbeitungsprogramm Microsoft „Word“ möglich gewesen. Die Amtssignatur sei nicht als zwingender Bestandteil der Widerrufsentscheidung anzusehen, da sie nicht § 150 Abs 1 BVergG 2018 genannt sei.
7.3 Dass das Einbringen eines Nachprüfungsantrags nicht innerhalb von drei Tagen möglich gewesen sei, sei eine reine Schutzbehauptung. Die Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrags stelle auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme und nicht auf die subjektive tatsächliche Kenntnis ab. Da der Antragsteller am 9. September 2024 die Widerrufsentscheidung habe öffnen können sei ihm die volle Stillhaltefrist von zehn Tagen für die Einbringung eines Nachprüfungsantrags zur Verfügung gestanden. Angesichts der Länge des Feststellungsantrags von zwei DIN-A4-Seiten hätte das Einbringen eines Nachprüfungsantrags keinen Mehraufwand verursacht und wäre innerhalb von drei Tagen möglich gewesen. Unter Zugrundelegung der Ansicht des Antragstellers, dass ihm die Widerrufsentscheidung am 16. September 2024 zugekommen sei, hätte die Frist für das Einbringen eines Nachprüfungsantrags am 26. September 2024 geendet. Der Feststellungsantrag ist daher gemäß § 354 Abs 4 BVergG 2018 zurückzuweisen.
7.4 Das Vorbringen des Antragstellers sei nicht nachvollziehbar, das billigste und das teuerste Angebot bei der Ermittlung der Abweichung außer Betracht zu lassen. Nach der Rechtsprechung begründe bereits eine Abweichung von 15 % eine grobe Abweichung, bei der zwingend eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen sei. Eine Abweichung von 330 % belege daher eindeutig, dass ein tatsächlicher Wettbewerb nicht stattfinden könne. Die Auftraggeberin hielt ihre Anträge aufrecht.
8. Am 4. Juni 2025 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Diese hatte folgenden Verlauf:
„ DDDD , Rechtsvertreter der Auftraggeberin: Wie schon in den Stellungnahmen ausgeführt, sind die Bieter aufgrund der gegenständlichen. Ausschreibungsunterlage von unterschiedlichen Annahmen ausgegangen.
EEEE , Mitarbeiter der Auftraggeberin: Die Ausschreibung ist ausbauend auf ein Standardleistungsbild für Planerausschreibungen das sehr umfangreich gehalten ist, weil es für alle Ausschreibungen für Architekturausschreibungen, Generalplanerleistungen etc. verwendet wird. Im gegenständlichen Vergabeverfahren handelt es sich ausschließlich um die Sanierung der Außenhülle, wo in die Architektur selbst nicht eingegriffen wird und in die Innenraumgestaltung nicht eingegriffen wird. Es ist dadurch absehbar, dass dadurch der Prozentsatz für Planungsleistungen in Bezug auf die Ausführungskosten nicht anwendbar ist. Es ist auch in der Ausschreibung gestanden, dass nicht in die Architektur eingegriffen wird, dies dürften die Bieter übersehen haben. In der Ausschreibung war eine Kontaktadresse vorgesehen, damit sich Bieter vor Ort über den Umfang der Leistung ein Bild machen können. Meines Wissens hat sich nur der billigst Bieter davon Gebrauch gemacht.
AAAA : Das ist nicht korrekt. Ich habe auch davon Gebrauch gemacht.
EEEE : Mein Wissensstand war, dass niemand sonst davon Gebrauch gemacht hat. Das Leistungsbild beruht auf einem Standardleistungsbild, in den Vorbemerkungen der Projektbeschreibung wird genauer dargestellt, was zu erbringen ist.
DDDD : Die Leistung war zu ungenau beschrieben. Die Bieter hatten unterschiedliche Vorstellungen davon, weshalb es zu der großen Spreizung der Preise kam.
EEEE : Bei der zweiten Ausschreibung wurde die Elektroplanung konkretisiert und klargestellt, dass kein Eingriff in die Architektur erfolgen sollte.
DDDD : Es waren für die einzelnen Teile der Leistung Pauschalpreise anzubieten. Auch in der zweiten Ausschreibung waren Pauschalen anzubieten.
AAAA : Es war von vorne herein klar, dass es sich um die Sanierung des Daches, der Außenhaut und der Kellerwände handelt. Eine schöpferische Leistung war nicht gefragt. Ich verwende im Büro Microsoft Windows mit einem „Adobe Acrobat Reader“. Als Textverarbeitung verwende ich Libre Office.
Der vorsitzende Richter weist daraufhin, dass sich die Datei, die die Widerrufsentscheidung enthält, sich mit Microsoft Edge öffnen lässt.
Nach Einsicht in das E-Mail-Programm des Antragstellers, wird von allen Parteien und dem Senat festgehalten, dass der Antragsteller am 11. September 2024 um ca. 10:20 Uhr um die Übermittlung der Zuschlagsentscheidung vom 09. September 2024 bei der Auftraggeberin ersucht hat und diese am 11. September 2024 um etwa 10:40 Uhr mit der Bezeichnung ‚Widerrufsentscheidung‘ im Text der E-Mail eine Datei gesandt hat.
AAAA : Am 11. September 2024 habe ich erneut die Datei erhalten, die ich mit dem „Adobe Acrobat Reader“ nicht lesen konnte. Am 16. September 2024, nach dem Wochenende, hat mir ein Freund geholfen und mir den Inhalt der Datei und damit der Widerrufsentscheidung mitgeteilt. Vor Einleitung des gegenständlichen Vergabeverfahrens hat die Auftraggeberin bereits versucht, diese Leistungen im Wege der Direktvergabe zu beschaffen. Die eingelangten Angebote überschritten jedoch den einschlägigen Subschwellenwert bei weitem, sodass sich die Auftraggeberin gezwungen sah, die Leistungen in einem offenen Verfahren zu beschaffen. Abschließend möchte ich festhalten, dass der Wunschkandidat, welcher im offenen Verfahren auszuscheiden wäre, im Zuge der Direktvergabe eingesetzt wurde. Dies ist aus meiner Sicht jedenfalls unzulässig und es liegt der Widerrufsgrund des § 149 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 nicht vor.
DDDD : Es liegen mehrere sachliche Gründe für den Widerruf vor.
Die Parteien bringen nichts mehr vor.
Der vorsitzende Richter erklärt das Ermittlungsverfahren gemäß § 39 Abs 3 AVG iVm § 333 BVergG wegen Entscheidungsreife für geschlossen.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen
1.1 Die Auftraggeberin, die Republik Österreich, vertreten durch die Bundesministerin für Landesverteidigung, diese vertreten durch das Militärservicezentrum Direktion 7 – Infrastruktur, Roßauer Lände 1, 1090 Wien, schrieb im Mai 2024 unter der Bezeichnung „S95510/316-Dion7/2024. 4470 Enns, Towarek-Schulkaserne, Obj. 001 Hauptgebäude, Instandsetzung Gebäudehülle, Generalplanerleistungen“, einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich in einem offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestangebotsprinzip aus (Bekanntmachung im Supplement S zum Amtsblatt der EU, ABl./S 2024/S 318121-2024 sowie im Vergabeportal ANKÖ unter der Bekanntmachungs-Referenznummer: S95510/316-Dion7/2024). Die Zuschlagskriterien waren der Angebotspreis (60 %), die Qualifikation des eingesetzten Personals (30 %) und der Zeitraum bis zur Verfügbarkeit des projektverantwortlichen Projektleiters auf der Baustelle (10 %). Gegenstand des Vergabeverfahrens waren Generalplanerleistungen (Architektur, Tragwerksplanung, E-Installationen, Bauphysik, Brandschutzplanung, Infrastrukturplanung, Unterstützung der Projektleitung) in Bezug auf die Instandsetzung Dach, Fassade, Fenster, Portale und Keller Towarek-Schulkaserne. Der von der Auftraggeberin bekannt gegebene geschätzte Auftragswert lag über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 1 BVergG 2018 von € 143.000. Fünf Bieter gaben Angebote ab. Die BBBB , im Protokoll über die Öffnung der Angebote als BBBB CCCC bezeichnet, gab mit einem Angebotspreis von € 99.391,94 das billigste Angebot ab. Der Antragsteller gab mit einem Angebotspreis von € 229.258,80 ohne USt das zweitbilligste Angebot ab. Das teuerste abgegebene Angebot hatte einen Angebotspreis von € 435.288,10 ohne USt. Mit Schreiben vom 18. Juli 2024 teilte die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der BBBB , im Protokoll über die Öffnung der Angebote als BBBB CCCC bezeichnet, über die Vergabeplattform mit. (Unterlagen des Vergabeverfahrens im Verfahren W187 2296387-2 und Verfahrensakt zu W187 2296387-2)
1.2 Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2024 beantragte der Antragsteller die Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und den Ersatz der Pauschalgebühr. Mit Beschluss vom 2. August 2024, W187 2296387-1/2E, gab das Bundesverwaltungsgericht dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung statt und untersagte der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Erteilung des Zuschlags im genannten Vergabeverfahren. Am 13. August 2024 nahm die Auftraggeberin die angefochtene Zuschlagsentscheidung zurück und verständigte alle Bieter im Wege der Vergabeplattform davon. Mit Schriftsatz vom 20. August 2024, beim Bundesverwaltungsgericht am 21. August 2024 eingelangt, zog der Antragsteller den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 18. Juli 2024 und sämtliche damit verbundene und noch offene Anträge zurück, ließ jedoch den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr aufrecht. Mit Beschluss vom 21. August 2024, W187 2296387-2/14E, stellte das Bundesverwaltungsgericht das Nachprüfungsverfahren ein und gab mit Beschluss vom 21. August 2024, W187 2296387-3/2E, dem Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr statt. (Unterlagen des Vergabeverfahrens im Verfahren W187 2296387-2 und Verfahrensakte zu W187 2296387-1, W187 2296387-2 und W187 2296387-3)
1.3 Am 9. September 2024 stellte die Auftraggeberin die Widerrufsentscheidung vom 6. September 2024, S95510/316-Dion7/2024 (16), über die Vergabeplattform zur Ansicht und zum Download bereit. Im Betreff der Verständigung des Antragstellers war von der Zuschlagsentscheidung die Rede. Da nicht die Widerrufsentscheidung, sondern nur ein Hinweis auf die auf der Vergabeplattform zur Verfügung stehende Entscheidung des Auftraggebers per E-Mail versandt wurde, stand die Widerrufsentscheidung im Format pdf zur Ansicht und zum Download auf der Vergabeplattform zur Verfügung. Der Antragsteller hätte dort auch die Möglichkeit gehabt, diese im Wege des auf der Vergabeplattform zur Verfügung stehenden Anzeigemoduls zu lesen. Der Antragsteller sah nach dem Download der Datei bei der Öffnung derselben mit dem Programm „Adobe Acrobat Reader“ eine Datei mit zwei leeren Seiten und einer ungültigen Amtssignatur. Das Programm „Adobe Acrobat Reader“ prüft die Gültigkeit von Unterschriften beim Öffnen einer Datei. Bei der dem Antragsteller zur Verfügung gestellten Datei gibt das Programm „Adobe Acrobat Reader“ an, dass einerseits das Dokument nach dem Anbringen der Unterschrift verändert oder beschädigt wurde, andererseits die Identität des Unterzeichners unbekannt ist, weil sie sich nicht in der Liste der vertrauenswürdigen Zertifikate befindet und keines der übergeordneten Zertifikate ein vertrauenswürdiges Zertifikat ist. Die Datei lässt sich jedoch mit Microsoft Edge oder Microsoft Word öffnen und die Widerrufsentscheidung lesen. Die an die anderen vier Bieter versandten Widerrufsentscheidungen lassen sich problemlos mit dem Programm „Adobe Acrobat Reader“ öffnen. (an den Antragsteller versandte Widerrufsentscheidung im elektronischen Vergabeakt; Versuch des vorsitzenden Richters, die Datei zu öffnen; Einsicht in den elektronischen Verfahrensakt der Auftraggeberin).
1.4 Der Antragsteller fragte am 11. September 2024 bei der Auftraggeberin nach und ersuchte um neuerliche Übermittlung der Entscheidung. Er erhielt die selbe Datei per E-Mail und konnte sie ebenfalls nicht lesen. Am 16. September 2024 erfuhr er mit Hilfe eines Freundes den Inhalt der Widerrufsentscheidung.
1.5 In der Widerrufsentscheidung begründete die Auftraggeberin den beabsichtigten Widerruf gemäß § 149 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 damit, dass aufgrund der Angebote festgestellt worden ist, dass das Leistungsbild zu ändern ist. (Widerrufsentscheidung vom 6. September 2024 in den Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.6 Die Auftraggeberin erklärte mit Schreiben vom 8. Oktober 2024, S95510/316-Dion7/2024 (22), den Widerruf des Vergabeverfahrens. Sie stellte die Erklärung des Widerrufs über die Vergabeplattform zur Ansicht und zum Download bereit. (Widerrufserklärung in den Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.7 Die Antragstellerin bezahlte € 1.728 an Pauschalgebühren. (gegenständlicher Verfahrensakt)
2. Beweiswürdigung
2.1 Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Soweit Schriftstücke von der Antragstellerin vorgelegt wurden, spricht der Anschein für ihre Echtheit. Der Betreff der Verständigung des Antragstellers von der Widerrufsentscheidung wurde von den Parteien überdies außer Streit gestellt.
2.2 Die Feststellungen zur Ungültigkeit des Zertifikats in der Widerrufsentscheidung beruhen auf der Meldung des Programms „Adobe Acrobat Reader“ beim Versuch des vorsitzenden Richters, die Datei zu öffnen. Nach Angaben des Herstellers des Programms muss man den Unterzeichner eines Dokuments kontaktieren, wenn der Signaturstatus ungültig ist, um das Problem zu beheben (https://helpx.adobe.com/at/acrobat/using/validating-digital-signatures.html?x-product=Helpx%2F1.0.0 x-product-location=Search%3AForums%3Alink%2F3.6.7; Einschau am 2. Juni 2025). Diese Umstände wurden in der mündlichen Verhandlung erörtert und blieben unwidersprochen.
2.3 Die Feststellungen über die Möglichkeiten, die Datei zur Mitteilung der Widerrufsentscheidung zu öffnen, beruhen auf der vorgelegten Datei aus dem elektronischen Akt des Vergabeverfahrens und der dem vorsitzenden Richter zur Verfügung stehenden Software, um Dateien im Format pdf zu öffnen. Diese ist Standardsoftware, die entweder – wie das Programm „Adobe Acrobat Reader“ – frei verfügbar ist oder – wie das Programm „Microsoft Edge“ – gemeinsam mit Microsoft Windows auf jedem unter diesem Betriebssystem laufenden Computer automatisch installiert wird und daher dem Antragsteller ebenfalls zur Verfügung stand. Das Programm „Microsoft Edge“ wird auch unter Microsoft Windows als alternative Möglichkeit vorgeschlagen, eine pdf-Datei zu öffnen, wenn man die Option „Öffnen mit“ im Programm „Windows Explorer“, der vorinstallierten Dateiverwaltung, verwendet. Bei „Microsoft Word“ handelt es sich zwar um eine kostenpflichtige Software, die jedoch als Standard in den meisten professionell eingesetzten Computern für die Textverarbeitung verwendet wird. Der Antragsteller verwendet nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung jedoch das Programmpaket OpenOffice, das Microsoft Word nicht enthält. Da der Antragsteller nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung Computer mit dem Betriebssystem „Microsoft Windows“ einsetzt, wäre ihm zumindest das Programm „Microsoft Edge“ zur Verfügung gestanden, um die Widerrufsentscheidung in seiner eigenen, ihm zur Verfügung stehenden EDV-Umgebung zu öffnen. Nach Angaben von Adobe unterstützen auch die die Browser „Microsoft Edge“, „Google Chrome“ und „Mozilla Firefox“ das Öffnen von Dokumenten im Format pdf (Einschau unter https://helpx.adobe.com/at/acrobat/kb/compatible-web-browsers-pdfmaker-applications.html; Zugriff am 2. Juni 2025). Darüber hinaus wäre ihm das Anzeigemodul in der Vergabeplattform ANKÖ dazu zur Verfügung gestanden. Der Antragsteller hätte daher die Möglichkeit gehabt, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Datei zu öffnen und die Widerrufsentscheidung bereits am 9. September 2024 zu lesen. Die Angaben über die tatsächliche Kenntnis vom Inhalt der Widerrufsentscheidung beruhen auf den unwidersprochenen Aussagen des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung sowie der Einsicht des Senats und des Vertreters der Auftraggeberin in den E-Mail-Verkehr des Antragstellers vom 11. September 2024 betreffend die Nachfrage bei der Auftraggeberin über die übermittelte Entscheidung. In diesem Mail war die Entscheidung nicht mehr als Zuschlagsentscheidung, sondern als Widerrufsentscheidung bezeichnet.
2.4 Aussagen der Verfahrensparteien wurden zu Feststellung des Sachverhalts nur so weit herangezogen, als sie unwidersprochen blieben. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Anzuwendendes Recht
3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG, BGBl I 2013/10 idF BGBl I 2023/77, lauten:
„Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“
3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2024/147, lauten:
„Anwendungsbereich
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
…
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) …
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(2) …
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, 2a, 2b, 4 und 5, § 30, § 38a Abs. 3 und § 50 Abs. 3 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
3.1.3 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idF BGBl II 2019/91, lauten:
„Grundsätze des Vergabeverfahrens
§ 20. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.
(2) …
Gründe für den Widerruf eines Vergabeverfahrens nach Ablauf der Angebotsfrist
§ 149. (1) Nach Ablauf der Angebotsfrist ist ein Vergabeverfahren zu widerrufen, wenn 1. … 2. Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten, oder 3. …
(2) Ein Vergabeverfahren kann widerrufen werden, wenn 1. … 3. dafür sachliche Gründe bestehen.
Mitteilung der Widerrufsentscheidung, Stillhaltefrist, Unwirksamkeit des Widerrufes
§ 150. (1) Der öffentliche Auftraggeber hat mitzuteilen, dass er beabsichtigt, das Vergabeverfahren zu widerrufen, 1. im Fall des § 149 Abs. 1 Z 1 und 2 und des § 149 Abs. 2 Z 3 allen Bietern, 2. …
In dieser Mitteilung sind den Bietern das jeweilige Ende der Stillhaltefrist gemäß Abs. 4 sowie die Gründe für den beabsichtigten Widerruf bekannt zu geben.
(2) …
(4) Der öffentliche Auftraggeber darf den Widerruf bei sonstiger Unwirksamkeit nicht vor Ablauf der Stillhaltefrist erklären. Die Stillhaltefrist beginnt im Fall des Abs. 1 mit der Übermittlung bzw. Bereitstellung der Mitteilung der Widerrufsentscheidung und im Fall des Abs. 2 mit der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung bzw. Mitteilung der Widerrufsentscheidung. Sie beträgt bei einer Übermittlung bzw. Bereitstellung auf elektronischem Weg 10 Tage, bei einer Übermittlung über den Postweg oder einen anderen geeigneten Weg 15 Tage.
(5) …
(6) Nach Ablauf der Stillhaltefrist hat der öffentliche Auftraggeber die Widerrufserklärung in derselben Art wie die Widerrufsentscheidung mitzuteilen oder, sofern dies nicht möglich ist, bekannt zu machen.
(7) …
(8) Mit der Erklärung des Widerrufes gewinnen der öffentliche Auftraggeber und die Bieter ihre Handlungsfreiheit wieder. Bereits eingelangte Angebote sind auf Verlangen zurückzustellen. Der Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufes ist zu dokumentieren.
(9) …
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.
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Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
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(4) Nach Erklärung des Widerrufes eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig 1. im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zur Feststellung, ob der Widerruf wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war; 2. in einem Verfahren gemäß Z 1 auf Antrag des Auftraggebers zur Feststellung, ob der Antragsteller auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte; 3. zur Feststellung, ob der Widerruf rechtswidrigerweise ohne Mitteilung oder Bekanntmachung der Widerrufsentscheidung erklärt wurde; 4. in einem Verfahren gemäß Z 1 und 3 zur Unwirksamerklärung des Widerrufes gemäß § 357.
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Einleitung des Verfahrens
§ 353. (1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, die Feststellung beantragen, dass 1. … 5. die Erklärung des Widerrufes eines Vergabeverfahrens wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war.
Der Antragsteller kann in einem Antrag mehrere Feststellungen gemäß § 334 Abs. 3 Z 1, 3 und 4 beantragen. Bei einem Antrag auf Feststellung gemäß Z 1 und 3 bis 5 kann der Auftraggeber die Feststellung beantragen, dass der Antragsteller auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Bei einem Antrag auf Feststellung gemäß Z 2 bis 4 kann der Auftraggeber beantragen, von der Nichtigerklärung des Vertrages abzusehen oder den Vertrag frühestens mit dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes aufzuheben.
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Inhalt und Zulässigkeit des Feststellungsantrages
§ 354. (1) Ein Antrag gemäß § 353 Abs. 1, 2 oder 4 hat jedenfalls zu enthalten: 1. die Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, 2. die Bezeichnung des Auftraggebers oder der vergebenden Stelle und des Antragstellers einschließlich deren elektronischer Adresse, 3. soweit dies zumutbar ist, die genaue Bezeichnung des allfälligen Zuschlagsempfängers, 4. die Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluss, 5. Angaben über den behaupteten drohenden oder eingetretenen Schaden für den Antragsteller, 6. die Bezeichnung der Rechte, in denen der Antragsteller verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte) sowie die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, 7. ein bestimmtes Begehren und 8. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
(2) Anträge gemäß § 353 Abs. 1 sind binnen sechs Monaten ab dem Zeitpunkt einzubringen, in dem der Antragsteller vom Zuschlag bzw. vom Widerruf Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis erlangen hätte können.
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(4) Ein Antrag auf Feststellung gemäß § 353 Abs. 1 ist unzulässig, sofern der behauptete Verstoß im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens hätte geltend gemacht werden können.
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3.2 Zu Spruchpunkt A) – Zurückweisung der Feststellungsanträge
3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
3.2.1.1 Auftraggeber im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 sind die Republik Österreich, vertreten durch die Bundesministerin für Landesverteidigung. Sie ist nach ständiger Rechtsprechung öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 1 BVergG 2018 und zentrale öffentliche Auftraggeberin gemäß Anh III Z 9 BVergG 2018, die dem Vollziehungsbereich des Bundes iSd Art 14b Abs 2 Z 1 lit a B-VG zuzurechnen ist (BVwG 13. 1. 2014, W187 2000002-1/7E; BVwG 25. 11. 2016, W149 2130429-2/36E; BVwG 2. 8. 2024, W187 2296387-1/2E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich einen Dienstleistungsauftrag. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens lag über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 1 BVergG 2018, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.
3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Feststellungsverfahren entsprechend § 327 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit a B-VG ist sohin gegeben.
3.2.1.3 Da darüber hinaus das Vergabeverfahren widerrufen wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 4 Z 1 und 3 BVergG 2018 für die beantragten Feststellungen zuständig.
3.2.2 Unzulässigkeit der Feststellungsanträge
3.2.2.1 Der verfahrenseinleitende Feststellungsantrag enthält alle gemäß § 354 Abs 1 BVergG 2018 notwendigen Inhalte. Der Antragsteller hat die geschuldete Pauschalgebühr bezahlt. Vorauszuschicken ist, dass sich die beiden Feststellungsanträge ausschließlich gegen den Widerruf der Ausschreibung und damit bei deren Unterlassung implizit die Widerrufsentscheidung wenden. Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens ist daher damit begrenzt. Der Zeitpunkt der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist der Zeitpunkt der Mitteilung der Widerrufsentscheidung und hilfsweise der Erklärung des Widerrufs. Es schadet auch nicht, dass die Verständigung von der Bereitstellung einer Entscheidung auf der Vergabeplattform mit Zuschlagsentscheidung falsch bezeichnet war. Im hier maßgeblichen zivilrechtlichen Verständnis schadet eine falsche Bezeichnung nicht. Nur der tatsächliche Inhalt ist ausschlaggebend.
3.2.2.2 Gemäß § 353 Abs 1 Z 5 BVergG 2018 kann ein Unternehmer die Feststellung beantragen, dass die Erklärung des Widerrufes eines Vergabeverfahrens wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war. Der Wortlaut dieser Feststellung findet sich in der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Feststellung gemäß § 334 Abs 4 Z 1 BVergG 2018 im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte, ob der Widerruf wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war. Andere Feststellungsanträge nach Widerruf des Vergabeverfahrens sieht das BVergG 2018 nicht vor. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs 4 Z 3 BVergG 2018 auch zur Feststellung zuständig ist, ob der Widerruf rechtswidrigerweise ohne Mitteilung oder Bekanntmachung der Widerrufsentscheidung erklärt wurde. Da es kein derartiges Antragsrecht gibt, ist dieser Feststellungsantrag unzulässig und a limine zurückzuweisen. Trifft das Bundesverwaltungsgericht eine solche Feststellung, muss es sie – ähnlich der Nichtigerklärung oder Aufhebung eines Vertrags oder der Verhängung einer Geldbuße – angesichts der Zuständigkeit ohne ausdrücklich eingeräumtes Antragsrecht von Amts wegen treffen.
3.2.2.3 Eine weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags ist, dass er gemäß § 353 Abs 2 BVergG 2018 fristgerecht eingebracht wurde. Die Auftraggeberin brachte allen Bietern am 8. Oktober 2024 die Erklärung des Widerrufs im Wege der Vergabeplattform zur Kenntnis. Damit konnte der Antragsteller ab diesem Datum die Erklärung des Widerrufs kennen und die Frist für das Einbringen eines Feststellungsantrags begann an diesem Tag zu laufen. Damit ist der am 6. April 2025 eingebrachte Feststellungsantrag innerhalb von sechs Monaten ab der Kenntnis vom Widerruf eingebracht.
3.2.2.4 Eine weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags ist, dass gemäß § 353 Abs 4 BVergG 2018 der behauptete Verstoß nicht im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens hätte geltend gemacht werden können. Grundsätzlich wurde die Widerrufsentscheidung am 9. September 2024 mitgeteilt. Damit hat die Frist für einen Antrag auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung gemäß § 343 Abs 1 BVergG 2018 am 19. September 2024 geendet. Wie der Antragsteller selbst angegeben hat, hat er die Widerrufsentscheidung am 16. September 2024 – ungeachtet der Möglichkeiten, die ihm am 9. September 2024 zugekommene Widerrufsentscheidung zu lesen – auch vor dem Ende der Anfechtungsfrist erhalten, auch wenn ihm seit 11. September 2024 bekannt war, dass es sich bei der übermittelten Entscheidung um eine Widerrufsentscheidung und nicht um eine Zuschlagsentscheidung handelt. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof verlangt, dass einem Unternehmer die gesamte Anfechtungsfrist für die Vorbereitung eines Nachprüfungsantrags zur Verfügung stehen muss und er die gesamte erforderliche Information am Anfang der Anfechtungsfrist erhalten muss, billigt diese Rechtsprechung als Konsequenz des Fehlens von Information die Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung wegen des Fehlens der Information im Wesentlichen wegen der Verkürzung der zur Vorbereitung eines Nachprüfungsantrags zur Verfügung stehenden Zeit zu (zB VwGH 22. 4. 2009, 2009/04/0081, 0085; VwGH 9. 4. 2013, 2011/04/0224; VwGH 13. 9. 2013, 2010/04/0066). Der Widerruf der Ausschreibung oder die Widerrufsentscheidung gehören zu jenen Entscheidungen des Auftraggebers, die nachprüfbar sein müssen (EuGH 18. 6. 2002, C-92/00, Hospital Ingenieure, ECLI:EU:C:2002:379, Rn 55; EuGH 2. 6. 2005, C-15/04, Koppensteiner, ECLI:EU:C:2005:345, Rn 29 f; EuGH 11. 12. 2014, C-440/13, Croce Amica One Italia, ECLI:EU:C:2014:2435, Rn 34 und 39). Damit müsste auch der Antragsteller im Stande gewesen sein, einen Nachprüfungsantrag gegen die Widerrufsentscheidung mit der Begründung einzubringen, dass die in § 150 Abs 1 letzter Satz BVergG 2018 geforderten Informationen fehlen. Das Fehlen der Informationen macht die Widerrufsentscheidung – ebenso wie eine unzureichend begründete Zuschlagsentscheidung – objektiv rechtswidrig. Das Ergebnis ist in beiden Fällen, dass die dem Unternehmer zur Verfügung stehende Anfechtungsfrist dadurch verkürzt wird, dass ihm die für die Vorbereitung eines Nachprüfungsantrags erforderlichen Informationen fehlen. Dennoch kann er ab dem ersten Tag der Anfechtungsfrist einen Nachprüfungsantrag mit der Begründung vorbereiten, dass ihm die gesetzlich zustehenden Informationen fehlen. Das müsste ihm auch unter dem Aspekt möglich sein, dass die Wesentlichkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens bei der Anfechtung einer Widerrufsentscheidung nicht mit der in der konkreten Widerrufsentscheidung vorgebrachten Begründung für den beabsichtigten Widerruf begrenzt ist, sondern einerseits die Freiheit des Auftraggebers, das Vergabeverfahren zu widerrufen, größer gesehen wird (VwGH 21. 7. 2022, Ro 2020/04/0013, Rn 34; EuGH 16. 9. 1999, C-27/98, Metalmeccanica Fracasso, ECLI:EU:C:1999:420, Rn 25; EuGH 11. 12. 2014, C-440/13, Croce Amica One Italia, ECLI:EU:C:2014:2435, Rn 31) und andererseits jede tragbare Begründung den Widerruf rechtfertigen kann (VwGH 3. 9. 2008, 2008/04/0109; VwGH 25. 9. 2012, 2008/04/0054; VwGH 16. 11. 2022, Ra 2019/04/0056, Rn 19). Der Maßstab, dass der Auftraggeber größere Freiheit beim Widerruf der Ausschreibung genießt, kommt bei der Beurteilung der Wesentlichkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens sowohl gemäß § 345 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 als auch gemäß § 356 Abs 1 BVergG 2018 als Voraussetzung für die Nichtigerklärung einer Entscheidung oder die Feststellung gleichermaßen zum Tragen. Daher hätte der Antragsteller bereits gegen die Widerrufsentscheidung einen Nachprüfungsantrag einbringen können. Der Feststellungsantrag ist daher gemäß § 353 Abs 4 BVergG 2018 unzulässig.
3.3 Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision
3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dazu ist auf die unter 3.2 zitierte Rechtsprechung und auf die Entscheidung, dass es sich bei der sachverhaltsbezogenen Beurteilung der Möglichkeit der Geltendmachung des behaupteten Rechtsverstoßes in einem Nachprüfungsverfahren um eine Einzelfallprüfung handelt. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.