Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Schaller als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin Mag. Köller-Thier und die Richterin Mag. Klenk in der Verfahrenshilfesache des Antragstellers A* , geboren **, **, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 19.8.2025, **-3, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
I. Die am 4.9.2025 und am 9.9.2025 beim Rekursgericht vom Antragsteller überreichten Schriftsätze (Ergänzung zum Rekurs bzw Nachtrag zum Rekurs) werden zurückgewiesen .
II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .
Begründung:
Der Antragstellerbeantragt die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a, c, f, Z 3 ZPO zur Einbringung einer Klage gegen die B* AG auf Zahlung von EUR 941.183 und Feststellung ihrer Haftung für alle zukünftigen Schäden.
Dazu führt er aus, seine Eltern und seine Schwester seien bei einem Verkehrsunfall am 31.8.1979 tödlich verunglückt. Er habe als einziger gesetzlicher Erbe überlebt. Zum Unfallzeitpunkt habe bei der damaligen C* (nunmehr B* AG) zu Polizze Nr. ** eine Insassenunfallversicherung mit einer Todesfallleistung von ATS 200.000 pro Person bestanden. Er sei Begünstiger gewesen, jedoch sei keine Auszahlung an ihn erfolgt. Er begehre daher die Zahlung der Versicherungsleistung von (inflationsbereinigt) EUR 161.332,25, der Zinsen daraus für die letzten 45 Jahre von EUR 779.850,75 und die Feststellung der Haftung der B* AG für sämtliche künftige materielle und immaterielle Schäden „aus diesem Sachverhalt“.
Durch die unterbliebene Auszahlung der vertraglich vereinbarten Versicherungsleistung sei ihm die finanzielle Grundlage entzogen worden, um Ausbildung, Berufseinstieg und Existenzaufbau abzusichern. In den Folgejahren habe dies zu einer erheblichen wirtschaftlichen Benachteiligung und Verhinderung von Investitions- und Erwerbschancen bis hin zum Privatkonkurs geführt. Der Schaden umfasse den Verlust von Vermögenswerten, Zins- und Tilgungsschäden, Bonitätsschaden und psychische Belastung (immaterieller Schaden).
Verjährung sei nicht eingetreten, weil ihm erst bei Auffinden der Original-Polizze im Jahr 2009 aufgefallen sei, dass die Versicherungsleistung nicht ausbezahlt worden sei. Durch das Schreiben vom 29.6.2009 an die Finanzmarktaufsicht sei die Verjährungsfrist unterbrochen worden. Selbst wenn der Fristbeginn mit Erreichen der Volljährigkeit am 1.10.1995 angesetzt würde, gelte bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung eine absolute 30-jährige Verjährungsfrist. Grobe Pflichtverletzung liege vor, weil keine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erteilt worden sei, keine Abrechnungsunterlagen vorlägen und kein Nachweis einer Leistungsauszahlung existiere. Darüber hinaus könne die Verjährungsfrist nicht vor wirksamer Erfüllung beginnen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag mit folgender Begründung ab:
„Gemäß § 63 Abs 1 ZPO ist einer Partei Verfahrenshilfe so weit zum Teil oder zur Gänze zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Offenbar aussichtslos ist eine Prozessführung, wenn sie schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Abwehrmittel als erfolglos erkannt werden kann (RIS-Justiz RS0117144). Als mutwillig ist eine Prozessführung unter anderem dann anzusehen, wenn sich die Partei in Ausnützung des mangelnden Kostenrisikos in einen Rechtsstreit einlassen will, obwohl sich eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände des Falls dazu veranlasst gesehen hätte, von der Führung des Verfahrens abzusehen. So ist nach der Rechtsprechung die Geltendmachung verjährter Ansprüche offenbar mutwillig in dem Sinn, als eine die Prozesskosten aus eigenen Mitteln vorschießende Partei einen solchen Rechtsstreit in Erwartung der Verjährungseinrede in der Regel nicht führen würde (RIS-Justiz RW0000004; zB OLG Wien 11 R 177/24s).
Unter diesem Aspekt drängt sich – ausgehend vom behaupteten Sachverhalt - vorrangig die Frage der Verjährung der behaupteten Ansprüche des Antragstellers aus dem Unfallereignis vom 31.08.1979 auf.
Der Antragsteller strebt einerseits die Geltendmachung einer Versicherungsleistung und andererseits die Geltendmachung von Schadenersatz an.
§ 12 Abs 1 VersVG enthält bereits seit seiner Einführung eine die Verjährung von Versicherungsansprüchen regelnde Sonderbestimmung (RIS-Justiz RS008075).
§ 12 Abs 1 VersVG in seiner derzeit geltenden Fassung (entspricht der Fassung BGBl 1994/509) ist gemäß § 191b Abs 2 Z 2 VersVG dann nicht anzuwenden, wenn die im § 12 VersVG genannten Fristen vor dem 01.01.1995 zu laufen begonnen haben, wobei diese Frage nach der alten Rechtslage zu beurteilen ist (RISJustiz RS0111801 [T1]; 7 Ob 206/02y mwN).
§ 12 Abs 1 VersVG idF BGBl Nr. 2/1959 sah die Verjährung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag, abgesehen von solchen aus Lebensversicherungen, in zwei Jahren vor, wobei die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem die Versicherungsleistung verlangt werden konnte, begann.
Der Unfalltod trat nach den Angaben des Antragstellers bereits am 31.08.1979 ein. Die Versicherungsleistung hätte daher grundsätzlich bereits mit Ende des Jahres 1979 verlangt werden können; jedenfalls ist die zweijährige Frist aber im Jahr 2025 abgelaufen.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch nach der geltenden Fassung des § 12 Abs 1 VersVG Verjährung eingetreten ist, zumal die zehnjährige absolute Frist, für den Fall, dass einem Dritten das Recht auf Versicherungsleistung nicht bekannt geworden ist, bereits lange Zeit abgelaufen ist.
Darüber hinaus existiert nach den allgemeinen Regeln des ABGB längstens eine 30-jährige Verjährungsfrist, welche ebenso evident abgelaufen ist.
Zum behaupteten Schadenersatzanspruch ist insbesondere auch auf § 1489 ABGB zu verweisen, wonach Schadenersatzansprüche in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger verjähren und weiters eine absolute 30-jährige Verjährungsfrist bestimmt wird, die unabhängig davon gilt, wann der Schaden eingetreten ist, sowie ob und wann der Geschädigte davon Kenntnis erlangte (RIS-Justiz RS0034502). Die 30-jährige Verjährungsfrist ist längst abgelaufen.
Auch die bloße Minderjährigkeit des Antragstellers zum Zeitpunkt des Unfalls führt nicht zu einem Hinausschieben der Verjährung, zumal in diesen Fällen auf den gesetzlichen Vertreter abzustellen ist (vgl § 1494 Abs 2 ABGB; RIS-Justiz RS0034374 [T11, T12]).
Eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung – wie vom Antragsteller releviert – tritt durch die bloße Anfrage bei der FMA ebensowenig ein. Auch für die übrigen Ausführungen des Antragsstellers, insbesondere wonach eine grobe Pflichtverletzung vorliege und deshalb keine Verjährung eingetreten sei, existiert keine rechtliche Grundlage.
Infolge des knapp 46 Jahre zurückliegenden Sachverhalts sind die Ansprüche des Antragstellers verjährt. Die Rechtsverfolgung ist daher als mutwillig anzusehen. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe liegen daher nicht vor. “
Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragstellers erkennbar wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im antragstattgebenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Am 4.9.2025 und am 9.9.2025 brachte der Antragsteller als Ergänzung bzw als Nachtrag zum Rekurs bezeichnete Eingaben beim Rekursgericht ein.
I. Die Ergänzung und der Nachtrag zum Rekurs vom 4.9.2025 und vom 9.9.2025 sind nicht zulässig .
Diese Eingaben verstoßen gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RS0041666). Jeder Partei steht im Rechtsmittelverfahren nur eine Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Rechtsmittelschriften und gegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind auch dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht werden. Die Eingaben waren daher zurückzuweisen.
II. Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1.Gemäß § 63 Abs 1 ZPO darf die Verfahrenshilfe nicht bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung offenbar mutwillig oder aussichtslos ist.
2. Offenbar mutwillig ist eine Prozessführung, wenn die Partei ohne Einkalkulierung der Begünstigungen der Verfahrenshilfe bei verständiger Würdigung des Falls und der Haltbarkeit ihres Prozessstandpunkts die Prozessführung unterließe ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ § 63 Rz 19). Nach der Rechtsprechung ist die Geltendmachung verjährter Ansprüche offenbar mutwillig in dem Sinn, als eine die Prozesskosten aus eigenen Mitteln vorschießende Partei einen solchen Rechtsstreit in Erwartung der Verjährungseinrede in der Regel nicht führen würde (OLG Wien 14 R 152/95 = RW0000004; jüngst OLG Linz 4 R 106/25y; OLG Innsbruck 3 R 22/23v [Erw 12 ff]).
3. Der Rekurswerber wendet sich gegen die Auffassung des Erstgerichts, seine Ansprüche seien verjährt.
4.Zunächst ist festzuhalten, dass das Rekursgericht die vom Erstgericht eingehend mit zahlreichen Belegstellen begründete rechtliche Beurteilung sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung billigt, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 500a ZPO).
5. Ergänzend ist den Ausführungen des Rekurswerbers entgegen zu halten:
5.1 Ob die Versicherungsleistung infolge Minderjährigkeit des Antragsstellers zum Unfallzeitpunkt beim Pflegschaftsgericht hätte hinterlegt werden müssen, ist für den Beginn der Verjährungsfrist unerheblich. “Wirksame Erfüllung“ ist – entgegen der Ansicht des Rekurswerbers – nicht Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist. Im Gegenteil wird die Frage der Verjährung erst für den Fall der nicht vollständigen Erfüllung der Ansprüche relevant.
5.2Soweit sich der Rekurswerber auf die Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts erst ab 2009 beruft, ist zu erwidern, dass die dreijährige kenntnisabhängige Frist des § 1489 ABGB auch bei Annahme des Verjährungsbeginns 2009 abgelaufen ist. Die Frist wird auch nicht durch Einschaltung der Finanzmarktaufsicht unterbrochen. Dafür besteht – wie vom Erstgericht richtig erkannt – keine rechtliche Grundlage.
5.3Im Zusammenhang mit Ansprüchen Minderjähriger regelt § 1494 Abs 2 Satz 1 ABGB eine Fortlaufhemmung solange der Minderjährige keinen gesetzlichen Vertreter hat oder sein gesetzlicher Vertreter an der Wahrnehmung der Rechte gehindert ist. Dass der Rekurswerber von 1979 bis zum Erreichen der Volljährigkeit im Jahr 1995 keinen handlungsfähigen gesetzlichen Vertreter hatte, wird von ihm nicht behauptet und kann wohl ausgeschlossen werden, sodass für die Annahme des Beginns der Verjährungsfrist erst mit der Volljährigkeit des Rekurswerbers kein Raum besteht.
5.4Ob der am 14.8.2025 bei Gericht eingebrachte Verfahrenshilfeantrag inhaltlich geeignet gewesen wäre, die Verjährungsfrist zu unterbrechen, braucht hier nicht beantwortet zu werden, weil der Antrag jedenfalls nach Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht wurde und daher in keinem Fall Unterbrechungswirkung haben konnte (vgl RS0034836 [T3]).
5.5Es ist zwar richtig, dass nach der Rechtsprechung eine Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben verstößt, wenn die Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten seines Gegners zurückzuführen ist (RS0014838; RS0034537 [T4]), jedoch liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Dass die B* AG am 8.8.2024 und 11.8.2025 - also 45 und 46 Jahre nach Eintritt des Versicherungsfalls - keine Unterlagen mehr hat, hatte keinen Einfluss auf die Möglichkeit der Geltendmachung der Ansprüche des Rekurswerbers innerhalb der Verjährungsfrist.
5.6Soweit der Rekurswerber in der Verweigerung der Verfahrenshilfe eine Verletzung seines Rechts auf Zugang zu Gericht gemäß Art 6 EMRK sieht, ist er auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, dass die begründete Ablehnung von Verfahrenshilfe für ein aussichtsloses Zivilverfahren nicht die Verweigerung des Zugangs zu Gericht bedeutet (RS0109487).
6. Zusammenfassend ist – wie vom Erstgericht richtig erkannt - von der Verjährung allfälliger Ansprüche des Rekurswerbers gegen die B* AG aus dem behaupteten Sachverhalt auszugehen, womit sich die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags wegen offenbarer Mutwilligkeit der beabsichtigten Klagsführung als zutreffend erweist.
7.Der Revisionsrekurs ist in Verfahrenshilfesachen nach § 528 Abs 2 Z 4 ZPO jedenfalls unzulässig.
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