Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Berchtold als Vorsitzende sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Dr. Tangl und Mag. Rofner als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* B* C* D* E* gGmbH , FN **, **, vertreten durch Lippitsch.Hammerschlag Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, wider die beklagte Partei F* GmbH , FN **, **, vertreten durch Mag. Norbert Huber, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitinteresse insgesamt bewertet mit EUR 60.000,--), über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 60.000,--) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 2.1.2025, ** 20, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
I. Der Berufung wird teilweise F o l g e gegeben.
II. Das angefochtene Urteil, wird im Umfang der Abweisung der Unterlassungsbegehren in den Spruchpunkten 1.1. („Transport“) und 1.3. („Blaulicht“) als Teilurteil b e s t ä t i g t . Im darüber hinausgehenden Umfang ( Spruchpunkt 1.2. [„Einstufung“]) sowie im Kostenpunkt wird die Entscheidung a u f- g e h o b e n. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht z u r ü c k - v e r w i e s e n .
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
IV. Der Entscheidungsgegenstand hinsichtlich der beiden den Gegenstand des Teilurteil bildenden Unterlassungsbegehren übersteigt jeweils EUR 30.000,--
V. Die (ordentliche) Revision gegen das Teilurteil ist n i c h t zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei ist eine anerkannte Organisation des allgemeinen Rettungsdienstes gemäß § 3 Steiermärkisches Rettungsdienstgesetz (Stmk RDG). Als Organisation des allgemeinen Rettungsdienstes nimmt sie die in § 2 Abs 1 leg cit vorgesehenen Aufgaben wahr, wozu auch Nottransporte, Rettungstransporte sowie qualifizierte Krankentransporte zählen. Ebenso führt sie Krankentransporte für private Auftraggeber durch.
Bei der beklagten Partei handelt es sich um ein auf Gewinn ausgerichtetes privates Unternehmen, das ua Krankenrückholtransporte im Auftrag privater Auftraggeber anbietet. Sie verfügt über die Gewerbeberechtigung des Personenbeförderungsgewerbes mit PKW (Taxi) mit 40 PKW und ist nicht als Organisation des allgemeinen Rettungsdiensts nach § 3 Stmk RDG anerkannt.
Die Beklagte bietet folgende Leistungen an:
Die Beklagte hat noch nie Aufträge aus dem öffentlichen Rettungsdienst, sei es von steirischen Gemeinden, sei es vom Land Steiermark, entgegengenommen. Sie ist weder in der Steiermark noch in einem anderen Bundesland an eine Einsatzzentrale angebunden, die sie in einer Angelegenheit des öffentlichen Rettungsdienstes alarmieren würde, sondern erhält ihre Aufträge zum größten Teil von privaten Organisationen wie G* und H*, aber auch von entsprechenden privaten Versicherungen, etwa I*, J*, K* etc.
Der weitaus überwiegende Teil (60 bis 70 %) der Tätigkeit der Beklagten besteht im Transport von verletzten Personen vom Inland – großteils von Tirol aus – ins Ausland. Viele dieser Patienten sind Opfer von Schiunfällen mit erlittenen Knochenbrüchen udgl. Bei diesen Krankentransporten befindet sich ein Rettungssanitäter beim Patienten im hinteren Teil des Fahrzeugs. Des Weiteren befindet sich eine weitere Person an Bord, die das Fahrzeug lenkt, meistens ist das ein zweiter Rettungssanitäter, und die beiden wechseln sich im Fahren bzw in der Betreuung ab.
In den allermeisten Fällen erfolgt die Abrechnung dieser Transporte mit dem entsprechenden Versicherer bzw. eben mit dem G* oder H*, welche dann die Weiterverrechnung an die jeweilige Versicherung vornehmen. Wenn der Auftraggeber wünscht, einen Patiententransport mit (Not)Arztbegleitung durchzuführen, wird auch das von der Beklagten nach ärztlicher Freigabe organisiert. Dabei handelt es sich nicht um Transporte, bei denen es um Leben und Tod geht. Therapietransporte, etwa zu Chemotherapien, führt die Beklagte nur in Tirol durch, teilweise auch im Auftrag der ÖGK.
Wird ein „Krankentaxi“ gebucht, befördert die Beklagte Personen, die imstande sind, sich zu bewegen, insbesondere zu gehen, mit ihren Fahrzeugen zu diversen Flughäfen, von wo aus sie nach Hause fliegen. Dies bedeutet, dass diese Person am Beifahrersitz bzw einem normalen Sitz im Fond des Fahrzeuges sitzen kann.
In diesem Umfang ist der Sachverhalt im Berufungsverfahren nicht strittig.
Mit der am 11.9.2024 beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, es in Zukunft im Landesgebiet Steiermark bei sonstiger Exekution zu unterlassen ,
Notfallpatienten, die sich nicht in akuter Lebensgefahr befinden, bei denen jedoch schwere gesundheitliche Schäden nicht ausgeschlossen werden können (Rettungstransport),
gewerbsmäßig zu transportieren , solange die beklagte Partei nicht als allgemeine Rettungsorganisation nach § 3 Stmk RDG anerkannt sei;
2. die bei ihr in einem Dienstverhältnis stehenden Sanitäter unter den Kollektivvertrag der Personenbeförderung einzustufen ; sowie
3 . in Zukunft im Landesgebiet Steiermark auf den in ihrem Besitz befindlichen Fahrzeugen Warnleuchten mit blauem Licht anzubringen sowie Fahrzeuge mit angebrachten Warnleuchten mit blauem Licht zu verwenden , solange sie nicht über eine entsprechende Genehmigung nach § 20 Abs 5 KFG für das Landesgebiet Steiermark verfügten.
Sie brachte dazu – zusammengefasst – vor, dass die Streitteile in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stünden, weil die Beklagte – ebenso wie die Klägerin – qualifizierte Krankentransporte anbiete. Die beklagte Partei handle unlauter im Sinn des § 1 UWG, weil sie sich über Gesetze hinwegsetze, um im Wettbewerb einen Vorsprung gegenüber der Klägerin zu erlangen. Sie beschäftige Mitarbeiter, welche an Transporten als Sanitäter mitwirkten, ohne über eine Qualifikation nach § 23 Sanitätergesetz (SanG) aufzuweisen. Im Land Steiermark sei eine Anerkennung als Organisation des allgemeinen Rettungsdienstes die Voraussetzung für das Anbieten von Notarzt-, Rettungs- und qualifizierten Krankentransporten. Über eine solche Anerkennung verfüge die Beklagte nicht. Dies stelle einen Verstoß gegen das Stmk RDG dar. Vorgaben des Gewerberechts könnten die dort normierten landesrechtlichen Bestimmungen nicht unterlaufen.
Die Beklagte verschaffe sich einen weiteren unlauteren Wettbewerbsvorteil dadurch, dass sie ihre Mitarbeiter in unzulässiger Weise dem Kollektivvertrag für Personenbeförderungen anstatt nach dem Kollektivvertrag des L* unterstelle und dass sie bei einigen ihrer Fahrzeuge ein Blaulicht verwende, ohne dazu befugt zu sein. Insbesondere verfüge sie nicht über eine „Blaulichtgenehmigung“ für das Bundesland Steiermark. Auch diese Rechtsbrüche begründeten einen erheblichen Wettbewerbsvorteil für die beklagte Partei, z umal sie ihre Fahrzeuge unter Anbringung von integrierten blauen Leuchten ohne Rücksicht auf die entsprechende räumliche Begrenzung von allfälligen Blaulichtgenehmigungen oder überhaupt fehlenden Genehmigungen verwende (sic). Der Einsatz von „Blaulicht“ ohne entsprechende Genehmigung stelle keine vertretbare Rechtsansicht dar (sic). Am 15.3.2024 sei das auf die Beklagte zugelassene Fahrzeug mit dem Kennzeichen M* mit eingeschaltenem Blaulicht auf der A2 auf Höhe der Raststation N* unterwegs gewesen, ohne über eine entsprechende Bewilligung nach den einschlägigen Bestimmungen des KFG zu verfügen.
Die Beklagtebestritt und beantragte Klagsabweisung. Sie wendete zusammengefasst ein, dass es am Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses mangle, weil sie keine öffentlichen Aufgaben im Sinn des Stmk RDG übernähme. Die Klägerin sei somit kein Mitbewerber der Beklagten iSd § 14 UWG. Die Beklagte unterhalte ausschließlich Niederlassungen und Standorte in Tirol und Niederösterreich, nicht aber in der Steiermark. Es könne ihr keinerlei unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung im Sinn des § 1 UWG vorgeworfen werden. Insbesondere sei eine Bezugnahme auf die Bestimmungen des SanG verfehlt, weil die Beklagte dem allgemeinen öffentlichen Rettungsdienst nicht zugehöre. Als „sonstige Einrichtung“ iSd § 23 Abs 1 Z 7 SanG sei sie sehr wohl zur Beschäftigung und zur Ausübung der Tätigkeit eines Sanitäters iSd Gesetzes befugt. Sie führe ausschließlich private Transporte durch und verrechne diese mit ihren privaten Auftraggebern. Da sie keine hoheitlichen Aufgaben ausführe, könne sie nicht zur Unterlassung solcher Aufgaben verpflichtet werden. Dies gelte gleichermaßen für die Vorschriften des SanG; ebenso wie für die Gehaltseinstufungen ihrer Mitarbeiter. Für eine Einstufung ihrer Mitarbeiter nach den Vorgaben des Kollektivvertrags des L* bestünde keine Rechtsgrundlage, weil die Klägerin im Personenbeförderungsgewerbe tätig sei.
Jene Fahrzeuge, welche mit einem Blaulicht ausgestattet seien, verfügten sehr wohl über eine entsprechende Genehmigung. So verfüge auch das Fahrzeug mit dem Kennzeichen M* laut Bescheid des Tiroler Landeshauptmanns vom 21.12.2022 über eine Genehmigung bzw Bewilligung des Tragens von Leuchten mit blauem Drehlicht bzw Folgetonhorn. Aus dem bloßen Umstand, dass von der Behörde bei der Erteilung von Blaulichtgenehmigungen eine Beschränkung auf das jeweilige Bundesland vorgenommen werde, könne nicht per se eine Eignung zur nicht bloß unerheblichen Wettbewerbsbeeinflussung abgeleitet werden. Im Übrigen bringe auch die Klägerin – wie auch andere Rettungseinrichtungen – Fahrzeuge mit angebrachten integrierten blauen Leuchten österreichweit zum Einsatz, ohne für jedes Bundesland jeweils über eine eigene Blaulichtgenehmigung zu verfügen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage zur Gänze ab. Es legte dieser Entscheidung den in US 6 bis US 9 wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde, welcher der Rechtsmittelentscheidung auszugsweise vorangestellt wurde. Darüber hinaus traf es noch folgende weitere Feststellungen, wobei die der Berufung bekämpften Sachverhaltsteile in Fettdruck gehalten werden:
„Die Fahrzeuge der beklagten Partei sind zum Teil auch im Bundesland Steiermark unterwegs, zum größten Teil deshalb, um in weiterer Folge in diverse Länder Südosteuropas weiter zu fahren. Binnentransporte innerhalb der Steiermark führt die Beklagte nicht durch und verweist im Fall einer Anfrage an Partnerinstitutionen in der Steiermark. Die Beklagte beschäftigt auch Mitarbeiter aus der Steiermark. Um diesen die Arbeit zu erleichtern bzw auch aus Umweltgründen hat sie in E* eine Garage gemietet, wo die Mitarbeiter das Fahrzeug, mit dem sie unterwegs sind, abstellen können. Ob es sich dabei um einen Stützpunkt oder Standort handelt, von wo aus die Beklagte diverse ihrer Leistungen organisiert, kann nicht festgestellt werden.
Sämtliche Mitarbeiter der Beklagten sind dem Kollektivvertrag für Personenbeförderung unterstellt; allerdings bezahlt die Beklagte über den kollektivvertraglichen Mindestlohn hinaus und zwar so, wie es auch ein Mitarbeiter des L* verdienen würde .
Hinsichtlich des auf die Beklagte zugelassenen Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen M* wurde vom Landeshauptmann für Tirol mit Bescheid vom 21.12.2022 die Bewilligung zum Anbringen von Warnleuchten mit blauem Licht und Folgetonhorn gemäß §§ 20 Abs 4 und 5 lit c iVm 22 Abs 4 KFG 1967, eingeschränkt auf das Bundesland Tirol, erteilt. Der Wissensstand der Organe der Beklagten war zum Zeitpunkt der Erteilung der Bewilligung jener, dass über den Landeshauptmann von Tirol die Bewilligung für ganz Österreich nicht zu bekommen sei. Dieses Fahrzeug war am 15.3.2024 mit angebrachtem Blaulicht auf der A2, auf Höhe der Raststation N*, also jedenfalls im Land Steiermark, unterwegs. Ob das Blaulicht auch eingeschaltet war, kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte weist ihre Mitarbeiter an, das Blaulicht nur im äußersten Notfall zu betätigen. Es gab bereits eine Vielzahl von Fällen, jedenfalls in Tirol, bei denen Fahrzeuge der Beklagten zu einem Unfall gelangt sind und der Fahrer des entsprechenden Fahrzeuges zur Absicherung der Unfallstelle das Blaulicht eingeschaltet hat.“
Rechtlichführte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass die Streitteile, soweit sie Krankentransporte anböten, in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stünden. Da die Beklagte ihre Dienstleistungen nicht als allgemeine Rettungsorganisation nach § 3 Stmk RDG anbiete, liege in dieser Angelegenheit kein Wettbewerbsverhältnis vor. In 4 Ob 207/15t habe der OGH im Zusammenhang mit dem TRG 2009 ausgesprochen, dass die Durchführung eines privaten Rettungsdienstes nicht rechtswidrig sei. Es bestehe kein Anlass, diese Überlegung nicht auf das Stmk RDG zu übertragen, zumal auch Verstöße gegen die §§ 1 bis 4 Stmk RDG nicht pönalisiert würden. Damit komme es auf die Frage, ob die beklagte Partei ihre Tätigkeit als privater Rettungsdienst von der Steiermark aus bediene und dort Binnentransporte durchführe, nicht an. Da die beklagte Partei eine rein privatwirtschaftliche Tätigkeit ausübe, unterlägen ihre Mitarbeiter den Bestimmungen des Personenbeförderungsgewerbes und nicht dem Kollektivvertrag des L*. Für das Begehren auf Unterlassung der Einstufung der bei ihr in einem Dienstverhältnis stehenden Sanitäter unter den Kollektivvertrag der Personenbeförderung bestehe daher ebenfalls keine Grundlage.
Was das dritte – auf Unterlassung der Anbringung von Warnleuchten ohne Genehmigung für das Landesgebiet Steiermark gerichtete – Begehren anlange, sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des KFG im Rahmen der Erteilung der Bewilligung durch den Landeshauptmann für Tirol geprüft worden seien. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Bewilligungsvoraussetzungen etwa in der Steiermark anders sein sollten als in Tirol. Da die beklagte Partei somit habe davon ausgehen dürfen, dass ihr die Bewilligung zum Anbringen von Warnleuchten mit blauem Licht und Folgetonhorn entsprechend der gesetzlichen Vorgaben erteilt worden sei, sei in diesem Zusammenhang nicht von einer unvertretbaren Rechtsansicht auf Beklagtenseite auszugehen, weshalb auch diesem Unterlassungsbegehren keine Berechtigung zukomme.
Die klagende Partei bekämpft diese Entscheidung zur Gänze mit einer fristgerecht eingebrachten Berufung . Sie führt eine Mängel-, eine Beweis- und eine Rechtsrüge aus und beantragt die Abänderung des Ersturteils in eine vollinhaltliche Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei begehrt in ihrer ebenfalls fristgerechten Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.
Die Berufung ist im Sinn des Aufhebungsantrags teilweise berechtigt:
1. In ihrer Mängelrüge macht die Klägerin zunächst einen Stoffsammlungsmangel geltend, wozu sie ausführt, sie habe in der Verhandlung vom 9.12.2024 beantragt, den Zeugen O* zum Beweis dafür einzuvernehmen, dass das auf die beklagte Partei zugelassene Fahrzeug mit dem Kennzeichen M* mit eingeschaltenem Blaulicht auf der A2 unterwegs gewesen. Das Gericht habe, ohne Befragung dieses Zeugen eine Negativfeststellung zu dieser Frage getroffen. Wäre der Zeuge einvernommen worden, hätte sich ergeben, dass das besagte Fahrzeug an diesem Tag sehr wohl in der Steiermark mit aktiviertem Blaulicht gefahren sei. Darauf aufbauend hätte das Erstgericht dem dritten – auf Unterlassung der Verwendung eines mit Blaulicht ausgestatteten Fahrzeugs gerichtete Klagebegehren stattgeben müssen.
Das Erstgericht habe auch gegen das Verbot der Überraschungsentscheidung verstoßen, weil es im Ersturteil die Rechtsansicht vertrete, das Klagebegehren sei nicht auch auf das grundlose Betätigen des Blaulichts gerichtet worden. Dies hätte mit der klagenden Partei erörtert werden müssen, weil sie diesfalls klargestellt hätte, dass die von ihr gewählte Formulierung „Fahrzeuge mit angebrachten Warnleuchten mit blauem Licht zu verwenden“ auch das grundlose Betätigen des Blaulichts mit einschließe. Mit der vom Erstgericht vertretenen Rechtsansicht habe die Klägerin nicht rechnen müssen. Die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht, dass eine Tiroler Bewilligung auch für das Anbringen von Warnleuchten und deren Aktivierung in der Steiermark gelten solle, sei nicht vertretbar. Jedenfalls aber hätte das Gericht ein Beweisverfahren darüber abführen müssen, ob das Blaulicht am besagten Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen M* auch tatsächlich – wie vorgebracht – am 15.3.2024 aktiviert gewesen sei, als es auf der Autobahn A2 in Fahrtrichtung ** aus E* kommend gefahren sei. Der dazu angebotene Zeuge hätte daher jedenfalls befragt werden müssen.
1.1. Die erfolgreiche Geltendmachung einer Mängelrüge setzt voraus, dass ein monierter Verstoß gegen Verfahrensgesetze abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RS0043049). Vor diesem Hintergrund begründet nicht jede unterlassene Beweisaufnahme einen Verfahrensmangel; dies insbesondere dann nicht, wenn ein als fehlend gerügtes Beweismittel eine rechtsunerhebliche Tatsache betrifft (vgl RS0043190). Dies trifft auf die Frage, ob das auf die beklagte Partei zugelassene Fahrzeug mit dem Kennzeichen M* am 15.3.2024 mit eingeschaltenem Blaulicht auf der A2 in der Steiermark unterwegs war zu, weil es darauf – wie die Rechtsausführungen unter Pkt 3. zeigen werden, in rechtlicher Hinsicht nicht ankommt. Auch eine – von der Klägerin im Fall der vermissten Erörterung nach § 182 ZPO nachgeholte Klarstellung, dass ihr Begehren auch das grundlose Betätigen des Blaulichts umfasse, hat auf das rechtliche Ergebnis des Rechtsstreits keinen Einfluss, weil von der Klägerin eine Eignung zur Wettbewerbsverzerrung in diesem Zusammenhang (Blaulicht) nicht nachvollziehbar zur Darstellung gebracht wird (siehe unten).
Mangels abstrakter Eignung der vermissten Beweisaufnahme und der monierten, unterbliebenen Erörterung, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen, liegen die aufgegriffenen Verfahrensmängel somit nicht vor.
2. Unter dem Berufungspunkt der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung bekämpft die Klägerin die bei der Wiedergabe des Sachverhalts fett hervorgehobene Feststellung und begehrt stattdessen nachstehenden Alternativsachverhalt:
„Mag die beklagte Partei auch Überzahlungen des kollektivvertraglichen Bruttolohns leisten, erhält ein bei ihr beschäftigter Mitarbeiter für in der Nacht oder an Sonn- und Feiertagen nicht die im Kollektivvertrag des L* zwingend vorgesehenen 100 %igen Zuschläge, sondern für Überstunden gemäß dem Arbeitsvertrag in Beilage A nur 50 %ige Zuschläge.“
Das Erstgericht hätte die bekämpfte Feststellung in Anbetracht des vorgelegten Arbeitsvertrags Beilage ./A nicht treffen dürfen. Laut Pkt. 3 dieses Vertrags stünde den Mitarbeitern der beklagten Partei für Überstunden nur ein 50 %iger Zuschlag zu; im Kollektivvertrag des L* sei aber darüber hinaus für die Nacht sowie für das Arbeiten an Sonn- und Feiertagen ein Zuschlag von 100 % vorgesehen. Damit erhalte ein Mitarbeiter, der Überstunden leiste, bei der Beklagten jedenfalls weniger Lohn als ihm dies nach dem Kollektivvertrag des L* zustünde. Das Erstgericht habe sich mit dem Inhalt der Beilage /.A im Rahmen seiner Beweiswürdigung gar nicht auseinandergesetzt, sondern die kritisierte Feststellung ausschließlich auf die – erkennbar pauschale – Parteiaussage des Geschäftsführers der beklagten Partei gestützt. Hätte das Erstgericht die begehrte Ersatzfeststellung getroffen, wäre daraus der Schluss zu ziehen gewesen, dass sie durch die geringere Entlohnung ihrer Mitarbeiter einen Wettbewerbsvorteil erlange. In Anbetracht der diesbezüglich umfangreichen arbeitsrechtlichen Judikatur sei der Beklagten ihr Rechtsbruch auch subjektiv vorwerfbar.
Die Beweisrüge wird in diesem Punkt nicht judikaturkonform ausgeführt, da die begehrte Feststellung nicht in einem Austauschverhältnis zur angefochtenen Feststellung steht (RI0100145), sondern die Berufungswerberin im Wunschsachverhalt vielmehr selbst an die kritisierte Feststellung anknüpft und diese somit nur ergänzt haben will. Sie macht daher in Wahrheit (dies mit Erfolg; siehe unten Pkt. 3.8) einen sekundären Feststellungsmangel geltend, auf den im Rahmen der rechtlichen Beurteilung einzugehen ist.
3. In ihrer Rechtsrüg e führt die Berufungswerberin zusammengefasst ins Treffen, dass das Steiermärkische Rettungsdienstgesetz – anders als das Tiroler Rettungsdienstgesetz (TRG 2009) – keinen Raum für die Zulässigkeit privater Krankentransporte lasse. Andernfalls wäre nämlich davon auszugehen, dass ein gänzlich ungeregelter Bereich des privaten Rettungsdienstes existieren dürfe und damit qualifizierte Krankentransporte ohne Einhaltung von Qualitätsanforderungen und auch außerhalb der Landesaufsicht im Rahmen eines Taxigewerbes ausführbar wären. Während in § 3 Abs 3 TRG 2009 nur vorgesehen sei, dass das Land die Besorgung des allgemeinen Rettungsdienstes durch schriftlichen Vertrag ganz oder teilweise Rettungsorganisationen, geeigneten Einrichtungen oder Unternehmen übertragen könne, bedürfe es nach den Bestimmungen des Stmk RDG der bescheidmäßigen Anerkennung einer Organisation, um die Aufgaben des allgemeinen Rettungsdienstes verrichten zu dürfen. Die entsprechende Anerkennung durch die Behörde sei somit in der Steiermark eine Voraussetzung für den Abschluss von schriftlichen Verträgen mit den jeweiligen Gemeinden. Damit (durch die in der Steiermark vorgesehene bescheidmäßige Anerkennung) komme zum Ausdruck, dass Rettungsorganisationen mit hoheitlichen Aufgaben des allgemeinen Rettungsdienstes zunächst zu beleihen seien.
Es dürfe in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass das Land Steiermark sicherzustellen habe, dass die Quantität, Qualität und Kontinuität (gemeint des Rettungswesens) gewährleistet sei. Vergleichbare Aufsichtsrechte fänden sich im TRG 2009 nicht. Egal, ob eine Beleihung durch Vertrag oder einen Bescheid erfolge, so gehe es stets um eine „Übertragung von Imperium“ an eine privatrechtlich organisierte Rettungsorganisation. Die Aufgaben des allgemeinen Rettungsdienstes könnten in ihrem Kernbereich nur unter Ausübung übertragener Hoheitsgewalt vollzogen werden. Wo etwa Patienten in Notfallsituationen und nach Unfällen – dann in Ermangelung von Geschäftsfähigkeit – gar nicht fähig seien, einen Vertrag mit einem privaten Krankentransportunternehmen abzuschließen, leuchte dies auch zwanglos ein. Die Beförderung qualifizierter Erkrankter könne nicht auf eine Konzession im Taxigewerbe gestützt werden, weil sie ausschließlich in den Bereich des Rettungswesens fiele. Der Oberste Gerichtshof habe dies in arbeitsrechtlicher Hinsicht auch bereits verneint und in 9 ObA 8/13m ausgesprochen, dass eine Konzession nach § 3 Abs 1 Z 3 Gelegenheitsverkehrsgesetz 1996 („Personenbeförderungsgewerbe mit PKW-Taxi“) nur für eine Personenbeförderung erteilt werden dürfe und bei Rettungs- und qualifizierten Krankentransporten schon deshalb kein Taxigewerbe vorliege, weil die Wägen nicht zu jedermanns Gebrauch bereit gehalten würden. Folglich könne die beklagte Partei auch nicht als eine „sonstige Einrichtung“ im Sinn des § 23 SanG gelten. Der Tatbestand des Rechtsbruchs im Sinn des § 1 UWG sei daher zu bejahen, zumal die beklagte Partei mit Berufung auf eine Taxikonzession die Bestimmung des § 3 Stmk RDG zu unterlaufen suche.
In diesem Zusammenhang wird von der Berufungswerberin ein weiterer (dislozierter) Stoffsammlungsmangel geltend gemacht. Sie kritisiert, dass das Erstgericht zur Frage des Vorliegens eines Wettbewerbsverhältnisses die von ihr in der Verhandlung vom 9.12.2024 angebotenen Zeugen P* und Q* laden und einvernehmen hätte müssen. Diese hätten ausgesagt, dass die Beklagte qualifizierte Krankentransporte innerhalb der Steiermark organisiere. Entsprechende Feststellungen seien auch entscheidungsrelevant, weil das Erstgericht darauf aufbauend auf ein Wettbewerbsverhältnis der Streitteile in der Steiermark schließen und den vorerwähnten Rechtsbruch der Beklagten bejahen hätte müssen.
Auch im Zusammenhang mit dem zweiten Unterlassungsbegehrens habe das Erstgericht den Rechtsbruch zu Unrecht verneint. Der OGH habe in 9 ObA 8/13m ausgesprochen, dass der Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit PKW/Taxi bei gegebener Erforderlichkeit des Einsatzes von Rettungssanitätern nicht einschlägig sei. Bestehe eine Ausrichtung eines Unternehmens auf gesundheitliche Rettungsmaßnahmen, käme der Kollektivvertrag des L* sehr wohl zur Anwendung. Aus einer bloßen und nur vermeintlichen Zulässigkeit von privaten Rettungsdienstleistungen resultiere jedenfalls nicht die Anwendbarkeit des Kollektivvertrags für das Personenbeförderungsgewerbe. Zwar habe das Erstgericht festgestellt, dass die beklagte Partei ihre Mitarbeiter über den kollektivvertraglichen Mindestlohn hinaus entlohne „und zwar so, wie es auch ein Mitarbeiter des L* verdienen würde“. Daraus ließe sich aber nicht ableiten, dass der Beklagten kein Wettbewerbsvorteil entstünde, weil neben der Grundentlohnung noch andere, arbeitnehmerfreundlichere Regelungen des Kollektivvertrags des L* nicht auf die Mitarbeiter der Beklagten angewendet würden. Der Kollektivvertrag für das L* sehe besondere Regelungen und Vorteile hinsichtlich der Überstundenbezahlung, Zulagen, Rufbereitschaften, Diäten und Entlohnung für Dienstreisen vor; ebenso – in § 35 – die Möglichkeit eines Sabbaticals. Insgesamt verschaffe sich die beklagte Partei durch die Nichteinstufung ihrer Mitarbeiter nach dem Kollektivvertrag des L*, wozu sie nach der arbeitsrechtlichen höchstgerichtlichen Judikatur verpflichtet wäre, einen weiteren unzulässigen Wettbewerbsvorteil.
Schließlich wäre auch dem dritten Unterlassungsbegehren hinsichtlich der unzulässigen Verwendung von Scheinwerfern und Warnleuchten mit blauem Licht stattzugeben gewesen. Der von der Beklagten vorgelegte Bescheid vom 21.12.2022 sei ausdrücklich auf das Bundesland Tirol beschränkt. Aus der Feststellung, dass die Beklagte davon ausgegangen sei, dass sie eine Bewilligung für ganz Österreich nicht erhalten könne, sei in rechtlicher Hinsicht jedenfalls nicht zu folgen, dass ihr die Verwendung von Blaulichtfahrzeugen in der Steiermark nicht vorgeworfen werden könne, bzw dass eine entsprechende Rechtsansicht nicht unvertretbar sei.
Insgesamt hätte das Erstgericht der Klage daher vollinhaltlich stattgeben müssen.
Dazu ist auszuführen :
3.1. Die Klägerin stützt sich bei allen drei Unterlassungsbegehren auf Rechtsbruch iSd § 1 Abs 1 UWG. Unter dieser Fallgruppe wird ein wettbewerbsrechtlicher Gleichheitsgrundsatz verwirklicht (vgl Prunbauer-Glaser/Seidelberger, Die Wettbewerbsfibel 13[2023] S 87ff). Das lauterkeitsrechtliche Unwerturteil von Rechtsverstößen ergibt sich aus dem Interesse der Mitbewerber und der Allgemeinheit an der Durchsetzung gleicher rechtlicher Rahmenbedingungen für das Handeln im Wettbewerb (4 Ob 225/07b, 4 Ob 37//08g ua). Ein zu Wettbewerbszwecken begangener Rechtsbruch verstößt deshalb gegen die allgemeine Unlauterkeitsbestimmung des § 1 UWG, weil er dem Verletzer einen ungerechtfertigten Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft und so die wettbewerbliche Ausgangslage zugunsten des Verletzers in unlauterer Weise verändert (RS0078089; vgl auch RS0077931).
3.1.1. Bei einer solchen Veränderung der wettbewerblichen Ausgangslage kommt es nicht darauf an, ob die übertretene Norm wettbewerbsregelnden Charakter hat. Entscheidend ist, dass der konkrete Verstoß spürbar geeignet ist, dem Verletzer diesen Vorsprung zu verschaffen (RS0121680, RS0077985). Es muss eine Eignung zur nicht bloß unerheblichen Wettbewerbsbeeinflussung gegeben sein, was bedeutet, dass eine gewisse Mindestintensität erreicht werden muss. Ist hingegen die Gesetzesüberschreitung nicht geeignet, dem Übertreter der Norm einen Vorteil zu geben, liegt keine Unlauterkeit im Sinne des § 1 UWG vor (RS0117605). Eine auf das Erlangen eines Wettbewerbsvorsprung gerichtete Absicht wird von der Rechtsprechung seit der UWG Novelle 2017 nicht mehr verlangt (RS0078089 [T30]).
3.1.2. Die Eignung eines Rechtsbruchs zur spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs kann sich – ausgehend vom Regelungszweck der verletzten Norm und von den typischen Auswirkungen des Rechtsbruchs – schon aus dem (Wiederholungsgefahr indizierenden) Normverstoß als solchem ergeben. Darüber hinausgehende Sachverhaltselemente, aus denen die Eignung zur Beeinflussung des Wettbewerbs geschlossen werden kann, sind – insbesondere bei (wie hier) einer beanstandeten Verletzung wettbewerbsneutraler Normen – von der klagenden Partei zu behaupten und zu beweisen(RS0123243).
Das Sittenwidrigkeitsurteil im Sinn des § 1 UWG orientiert sich entscheidend an den Funktionsbedingungen des Leistungswettbewerbs, die Unternehmerinteressen, Verbraucherinteressen sowie auch Allgemeininteressen zu berücksichtigen haben (RS0077642 [T12]). Maßstab für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer Wettbewerbshandlung sind vor allem die anständigen Gebräuche auf dem Gebiet des Handels und Gewerbes, die auf dem sittlichen Anstandsgefühl der durchschnittlichen Mitbewerber beruhen (RS0077642).
3.1.3. Rechtsbruch kann sich aus der Verletzung eines Gesetzes, einer Verordnung, einer gemeinschaftsrechtlichen Norm oder (auch) eines Kollektivvertrages ergeben; auch der Bruch eigener oder fremder Verträge kann unlauter sein ( Heidinger in Wiebe/Kodek, UWG 2 § 1 Rz 25; Frauenberger in Wiebe/Kodek, UWG 2§ 1 Rz 865). Die behauptete Verletzung einer Verwaltungsvorschrift kann im Zivilverfahren als Vorfrage selbständig beurteilt werden (RS0036900).
3.2. Der Verstoß gegen für den Handelnden verbindliches Recht ist nur dann unlauter, wenn er nicht mit guten Gründen vertreten werden kann. Die Unvertretbarkeit der Rechtsansicht stellt ein objektiv zu prüfendes Tatbestandsmerkmal dar; ein Verschuldensvorwurf ist damit nicht verbunden ( Frauenberger aaO Rz 871). Bei der Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit einer Rechtsansicht geht es somit auch um die Frage nach einer vertretbaren Auslegung der Normen, um die Verwirklichung eines zurechenbaren Rechtsbruchs bejahen oder verneinen zu können.
Unvertretbar ist eine Rechtsauffassung, der
Frauenberger in Wiebe/Kodek, UWG 2 § 1 Rz 873 mwN):
3.3. Bezogen auf die hier geltend gemachten Begehren ist somit jeweils im einzelnen zu prüfen, ob erstens der jeweils behauptete Rechtsbruch begangen wurde, zweitens er spürbar geeignet ist, dem Verletzer einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen und drittens der Verstoß unvertretbar war. Dabei trifft die klagende Partei nach den den allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigeren Rechtsnorm. Es liegt daher auch an ihr, jene Tatsachen für einen nicht nur unbedeutenden Verstoß, dh die für das Nichtvorliegen der Bagatellklausel sprechenden Umstände zu behaupten und zu beweisen; ebenso – wie bereits angeführt – die Eignung der Normverletzung zur spürbaren Wettbewerbsverzerrung. Das Vorliegen einer vertretbaren Rechtsauffassung hat hingegen die beklagte Partei zu behaupten; dabei schließt der Einwand, die beanstandeten Handlungen stünden mit dem Gesetz im Einklang, die Behauptung mit ein, das Handeln beruhe auf einer vertretbaren Auslegung des Gesetzes (vgl Frauenberger aaO ).
3.4. Zur Frage des Vorliegens eines Wettbewerbsverhältnisses
3.4.1. Voranzustellen ist, dass auch ein Unternehmen oder ein Verein, das/der eine politische, gemeinnützige oder wohltätige Zielsetzung verfolgt, „Unternehmer“ iSd § 14 UWG sein kann (RS0077522 [T1]; Görgin Görg (Hrsg), Kommentar zum UWG, § 14 UWG Rz 269). Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr stellt keine Voraussetzung für die Aktivlegitimation nach dieser Bestimmung dar, ebenso wenig eine Gewinnerzielungsabsicht; erforderlich ist aber die faktische Teilnahme am Geschäftsverkehr ( Görg in Görg aaO Rz 267, 270 mwN).
3.4.2. Ob ein Wettbewerbsverhältnis besteht, ist nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen (vgl RS0077680 [T5, T33]). Maßgeblich ist, dass die angebotenen Waren und/oder Dienstleistungen derart „verwandt“ sind, dass sie sich eignen, das gleiche Verkehrsbedürfnis zu befriedigen. Die Dienstleistungen müssen sich daher gegenseitig substituieren oder im Absatz behindern können [RS0077680 [T10, T11, T27]). Der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Betätigungsgebiete zweier Unternehmen nicht zur Gänze zusammenfallen, die jeweiligen Angebote also nur teilkongruent sind (4 Ob 33/22i). Es genügt, wenn ihre Geschäftsbetriebe sich teilweise überschneiden (RS0079569 [T1], RS0077719 [T3]). Ein Wettbewerbsverhältnis ist auch dann zu bejahen, wenn sich die beteiligten Unternehmer an einen im Wesentlichen gleichartigen Abnehmerkreis wenden, also um denselben Kundenkreis bemühen (RS0077719). Selbst „ad hoc“ – also erst erst durch die beanstandete Handlung selbst – kann nach der ständigen Judikatur ein Wettbewerbsverhältnis begründet werden (RS0077715). Dafür genügt es, dass sich der Verletzer in irgendeiner Weise zum Betroffenen in Wettbewerb stellt (4 Ob 33/22i unter Hinweis auf 4 Ob 20/02y).
3.4.3. Die Erfordernisse für die Mitbewerbereigenschaft werden somit weit ausgelegt (vgl RS0079569). Demnach ist Voraussetzung für die Aktivlegitimation nach § 14 UWG lediglich, dass der Unternehmer zum Verletzer in einem (abstrakten) Wettbewerbsverhältnis steht, das heißt es reicht aus, dass abstrakt eine Beeinträchtigung theoretisch möglich erscheint (4 Ob 33/22i mwN; Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG 2§ 14 Rz 95–96 mwN). Unternehmer, die Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellen oder in den geschäftlichen Verkehr bringen (§ 14 Abs 1 UWG) stehen zumindest theoretisch im Wettbewerb, das heißt, sie bemühen sich um denselben Kundenkreis RS0077719). „Verwandter Art" sind alle Waren und Leistungen, die geeignet sind, das gleiche Verkehrsbedürfnis zu befriedigen [T2].
3.4.4. Dies trifft auf die von den Streitteilen angebotenen Leistungen zu. Beide Parteien bieten qualifizierte Krankentransporte mit und ohne Notarztbegleitung sowie Rettungstransport an und stehen somit zweifellos auch in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander. Dass es sich bei der Klägerin um eine anerkannte Organisation iSd § 3 Stmk RDG und bei der Beklagten um ein private Unternehmerin handelt, ändert daran nichts.
3.5. Zum ersten Unterlassungsbegehren (Transport)
3.5.1. Die von der Klägerin begehrte Unterlassungsverpflichtung umfasst gewerbsmäßige qualifizierte Krankentransporte, Rettungstransporte und Notarzttransporte im Landesgebiet Steiermark und macht diese von einer Anerkennung als allgemeine Rettungsorganisation nach § 3 Stmk RDG abhängig. Eine Beschränkung auf Transporte innerhalb des Bundeslandes („Binnentransporte“) findet sich in keinem der drei geltend gemachten Begehren. Eine Differenzierung zwischen sog „Binnentransporten“ und „Transitfahrten“ wird von der Klägerin nur im Rahmen ihrer Prozessbehauptungen vorgenommen.
3.5.2. Mit einem vergleichbaren Fall hatte sich das OLG Innsbruck in der vom Erstgericht zitierten Entscheidung im Provisorialverfahren 2 R 131/15d zu befassen. Dort standen sich eine mit der Besorgung des öffentlichen Rettungsdienstes iSd § 3 TRG 2009 betraute Rettungsorganisation und ein (dort beklagtes) privates Unternehmen, welches mit firmeneigenen Rettungsfahrzeugen Krankentransporte durchführte und damit warb, über Rettungssanitäter, Notfallsanitäter und Notärzte sowie über einen Notarztwagen der wie eine „mobile Intensivsation“ ausgestattet sei, zu verfügen, gegenüber. Das Sicherungsbegehren war nicht auf ein Bundesland beschränkt, sondern darauf ausgerichtet, es der Beklagten bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterlassungsbegehrens zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die Erbringung von Leistungen des Rettungsdienstes anzubieten und durchzuführen, wenn und solange die Beklagte nicht über einen schriftlichen Vertrag im Sinne der Bestimmungen der §§ 3 und 4 TRG verfüge.
Vom OLG Innsbruck wurde die erstinstanzliche Abweisung der beantragten einstweiligen Verfügung bestätigt. Der Obersten Gerichtshof wies den dagegen erhobenen Revisionsrekurs der dortigen Klägerin zurück und führte in seinem Zurückweisungsbeschluss vom 17.11.2015 (4 Ob 207/15t) ua Folgendes aus:
„Das TRG 2009 regelt zweifelsfrei nur den „öffentlichen Rettungsdienst“ (§ 1 Abs 1 TRG 2009). Eine Unzulässigkeit, (sonstige) Rettungsleistungen außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes ohne Vertrag mit dem Land Tirol anzubieten, kann nicht daraus abgeleitet werden, dass das Land die Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes wahrzunehmen hat (§ 3 Abs 2 TRG 2009). Auch die dem Land eingeräumte Befugnis, die Besorgung von Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes Dritten mit schriftlichem Vertrag ganz oder teilweise zu übertragen (§ 3 Abs 3 TRG 2009), und die in § 4 leg cit normierten inhaltlichen Vorgaben an einen derartigen Vertrag machen die Durchführung eines „privaten Rettungsdienstes“ nicht rechtswidrig, zumal sich auch sonst im TRG 2009 keine Norm findet, nach der die Ausübung einer derartigen Tätigkeit ohne Rechtsgeschäft mit dem Land oder ohne hoheitlichen Akt (zB Konzession) rechtswidrig oder gar strafbar (vgl § 17 TRG 2009 e contrario) ist. Gegen die Monopolisierung des gesamten Rettungsdienstes spricht zudem auch die mehrfache Verwendung des Begriffs des „öffentlichen Rettungsdienstes“ im TRG 2009 sowie der in § 17 Abs 1 lit c leg cit normierte Schutz der Bezeichnung „Rettungsdienst Tirol“, der entbehrlich wäre, wenn Dritte ohne Vertrag mit dem Land ohnedies keine Leistungen im Rettungsbereich anbieten dürften.“
3.5.3. Die Berufungsweberin vermeint, dass sich diese Überlegungen nicht auf das Stmk RDG übertragen ließen, weil sich dessen Bestimmungen von jenen des TRG 2009 maßgeblich unterschieden.
§§ 1 bis 4 des Stmk RDG lauten auszugsweise wie folgt (Unterstreichungen durch das Berufungsgericht):
§ 1
Allgemeine Bestimmungen
(1) Das Land und die Gemeinden, jeweils als Träger von Privatrechten, haben Sorge für die Rettung von Menschen aus Gefahren zu tragen.
(2) Zur Besorgung dieser Aufgabe können Verträge mit Organisationen , die in der Lage sind, den allgemeinen Rettungsdienst, den Bergrettungsdienst oder die besonderen Rettungsdienste zu gewährleisten, abgeschlossen werden.
§ 2
Allgemeiner Rettungsdienst
(1) Aufgabe des allgemeinen Rettungsdienstes ist es,
1. Personen, die sich in Lebensgefahr oder in einer akut gesundheitsgefährdenden Lage befinden, unter Anwendung von Maßnahmen der qualifizierten Ersten Hilfe und Sanitätshilfe, einschließlich diagnostischer und therapeutischer Verrichtungen und Rettungstechniken ärztlicher Versorgung zuzuführen;
2. Personen, die wegen ihres Gesundheitszustandes (z. B. Verletzungen, Erkrankungen, Gebrechen) eines qualifizierten Krankentransportes bedürfen, mit Rettungsdienstfahrzeugen zu befördern;
3. bei Veranstaltungen einen von der Behörde vorgeschriebenen Ambulanzdienst an Ort und Stelle bereitzustellen;
4. den Einwohnern der Gemeinde Schulungen in Erster Hilfe anzubieten;
5. durch Abschluss von Kooperationsverträgen mit anderen anerkannten Organisationen des allgemeinen Rettungsdienstes die ordnungsgemäße Besorgung der in Z 1 bis 3 genannten Aufgaben in jenen Gebieten, für die sie anerkannt sind, für den Fall sicherzustellen, dass eine Besorgung dieser Aufgaben mit eigenen Kräften ausnahmsweise nicht möglich ist. Kooperationsverträge sind der Aufsichtsbehörde zu übermitteln.
(1a) Die Organisationen des allgemeinen Rettungsdienstes haben für ihre Einsatzbereitschaft Sorge zu tragen. Dazu gehört insbesondere die Wahrnehmung folgender Aufgaben:
[...]
(2) Die Aufgaben des allgemeinen Rettungsdienstes sind von den Gemeinden wahrzunehmen. Zur Sicherstellung der Leistungen des allgemeinen Rettungsdienstes hat sich die Gemeinde einer anerkannten Rettungsorganisation (§ 3) zu bedienen, sofern die Gemeinde nicht die Aufgaben des allgemeinen Rettungsdienstes durch eigene Einrichtungen sicherstellt oder zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes durch die Freiwillige Feuerwehr sichergestellt hat.
(3) Überörtliche Aufgaben des allgemeinen Rettungsdienstes hat insbesondere das Land wahrzunehmen. Zur Gewährleistung des Notarztrettungsdienstes kann das Land mit einem Rechtsträger , der in der Lage ist, die entsprechenden Leistungen zu erbringen, Verträge abschließen .
Anm.: in der Fassung LGBl. Nr. 19/1998, LGBl. Nr. 55/2009
§ 3
Anerkennung einer Organisation des allgemeinen Rettungsdienstes
(1) Organisationen, die die im Abs. 2 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind auf ihren Antrag von der Landesregierung durch Bescheid als Organisation des allgemeinen Rettungsdienstes anzuerkennen . Im Anerkennungsverfahren sind der Steiermärkische Gemeindebund, der Österreichische Städtebund, Landesgruppe Steiermark, sowie bereits anerkannte Organisationen des allgemeinen Rettungsdienstes anzuhören. Die Anerkennung ist in der „Grazer Zeitung - Amtsblatt für die Steiermark“ kundzumachen.
(2) Voraussetzungen für die Anerkennung als Organisation des allgemeinen Rettungsdienstes sind insbesondere:
1. Sitz in der Steiermark;
2. die Erfüllung der im § 2 Abs. 1 und 1a genannten Aufgaben als satzungsmäßiger Zweck;
3. die Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Besorgung der Aufgaben des allgemeinen Rettungsdienstes rund um die Uhr im gesamten Landesgebiet oder in bestimmten Teilen der Steiermark, zumindest aber in einem politischen Bezirk. Eine Anerkennung kann nur für das gesamte Landesgebiet oder für einen politischen Bezirk erfolgen;
4. die Tätigkeit darf nicht auf Gewinn berechnet sein;
5. die regelmäßige Einbindung von freiwillig und ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern in ausreichender Anzahl in den Dienstbetrieb sowie Sorge für die Zuverlässigkeit aller Einsatzkräfte;
6. eine ausreichende Anzahl von Rettungsdienstfahrzeugen, die dem Stand der Technik entsprechen sowie die für deren Einsatz erforderlichen, gemäß den Bestimmungen des Sanitätergesetzes ausgebildeten Rettungs- und Notfallsanitäterinnen/Rettungs- und Notfallsanitäter;
7. eine ausreichende Anzahl von Einsatzstellen, die mittels Funk und Telefon rund um die Uhr erreichbar sowie in ein EDV-unterstütztes Leitstellensystem eingebunden sind, um eine den Erkenntnissen der Notfallmedizin entsprechende rasche Besorgung der Aufgaben des allgemeinen Rettungsdienstes zu gewährleisten;
8. die Erlassung von Dienstvorschriften zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben gemäß § 2 Abs. 1a Z 1 bis 4; diese sind dem Land innerhalb von drei Monaten ab Beschlussfassung zur Kenntnis zu bringen;
9. die Verpflichtung der Organisation, bei überregionalen Rettungseinsätzen (z. B. Großschadensfall, medizinische Sonderlagen usw.) die Landeswarnzentrale Steiermark über die aktuelle Lage umgehend und nachweislich zu informieren.
(3) Die Anerkennung kann unter der Bedingung erteilt werden, dass binnen einer bestimmten Frist alle jene Maßnahmen gesetzt werden, die erforderlich sind, um eine ordnungsgemäße Erfüllung der im § 2 Abs. 1 und 1a genannten Aufgaben zu gewährleisten. Die Anerkennung ist zu widerrufen, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung weggefallen ist oder die vorgeschriebenen Bedingungen nicht fristgerecht erfüllt worden sind.
(4) Eine anerkannte Organisation des allgemeinen Rettungsdienstes ist verpflichtet, mit jeder Gemeinde des Bereiches, für den die Anerkennung ausgesprochen worden ist, auf deren Einladung einen Vertrag gemäß § 4 abzuschließen.
(5) Das L*, Landesverband Steiermark, mit dem Sitz in **, gilt für das gesamte Land Steiermark als anerkannte Organisation des allgemeinen Rettungsdienstes.
Anm.: in der Fassung LGBl. Nr. 19/1998, LGBl. Nr. 55/2009
§ 4
Verträge mit anerkannten Organisationen
(1) Die Gemeinde hat mit der anerkannten Organisation des allgemeinen Rettungsdienstes, deren sie sich zur Erfüllung der Aufgaben des allgemeinen Rettungsdienstes bedienen will, einen schriftlichen Vertrag abzuschließen.
3.5.4. Richtig ist, dass das TRG vom „öffentlichen Rettungsdienst“ spricht und das Stmk RDG die Bezeichnung „allgemeiner“ Rettungsdienst verwendet.
Richtig ist auch, dass die Angelegenheiten des Gesundheitswesens ganz generell dem öffentlichen Aufgabenbereich zuzuordnen sind. Nach Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG fallen die Gesetzgebung und die Vollziehung des Gesundheitswesens mit Ausnahme der dort normierten Sonderkompetenzen – wozu neben dem Bestattungswesen unter anderem auch das Rettungswesen zählt – grundsätzlich in den alleinigen Kompetenzbereich des Bundes. Mit der Zuweisung der Materie des Rettungswesens in den Zuständigkeitsbereich der Länder (im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung nach Art 102 B-VG) bringt der Verfassungsgesetzgeber zum Ausdruck, dass er das Rettungswesens sachlich als Teil des Gesundheitswesens versteht und lediglich kompetenzrechtlich anders behandeln will (vgl Hofmann , der Krankentransport im Kompetenzrecht – zugleich eine Studie zum Kompetenztatbestand „Rettungswesen“, JBl 2022, 349 [350]).
Die Berufungswerberin zeigt letztlich auch zutreffend auf, dass sich die landesgesetzlichen Regelungen des Tiroler und des Steiermärkische Rettungsdienstgesetzes insofern voneinander unterscheiden, als Organisationen, die die in § 2 Abs 2 Stmk RDG genannten Voraussetzungen erfüllen, gemäß § 3 Abs 1 Stmk RDG von der steiermärkischen Landesregierung durch Bescheid als Organisation des allgemeinen Rettungsdienstes anzuerkennen sind , wogegen das Land Tirol die Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes durch schriftlichen Vertrag ganz oder teilweise Rettungsorganisationen, anderen geeigneten Einrichtungen oder Unternehmen übertragen kann , soweit sie über eine entsprechende Eignung zur Besorgung dieser Aufgaben verfügen (§ 3 Abs 3 TRG 2009). Dass es sich dabei (beim Rettungswesen) aber – wie oben aufgezeigt – auch in Tirol um einen Teil des Teil des öffentlichen Gesundheitswesens handelt, ändert daran nichts.
3.5.5. Die Klägerin vertritt den Rechtsstandpunkt, dass der im Stmk RDG vorgesehene „Beleihungsakt“, welcher die „hoheitliche Aufgabe“ des allgemeinen Rettungsdienstes verdeutliche, bedeute, dass die in § 2 Abs 1 leg cit aufgezählten Aufgaben im Landesgebiet Steiermark ausschließlich in Ausübung der übertragenen Hoheitsgewalt (sprich: im Sinn eines „landesrechtlichen Monopols“) ausgeübt werden dürften.
Diese Auffassung wird vom erkennenden Senat nicht geteilt:
Zwar spricht das Steiermärkische Landesgesetz davon, dass die Aufgaben des allgemeinen Rettungsdienstes von den Gemeinden „wahrzunehmen sind“. Im Gesetzestext heißt es aber nicht, dass diese Aufgaben den Gemeinden oder dem Land „vorbehalten“ bleiben oder dass sie „ausschließlich“ durch die öffentliche Hand bzw von von dieser anerkannten Organisationen ausgeübt werden „dürfen“. Aus dem oben auszugsweise wiedergegebenen Bestimmungen lässt sich vielmehr – wie auch den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen in Tirol – ableiten, dass das Land Steiermark damit die erforderliche Grundversorgung im Bereich des Rettungswesens sicherstellen will. Die in der Berufung vorgebrachten Argumente, wonach sich die oa Ausführungen des OGH in 4 Ob 207/15t nicht auf das Stmk RDG übertragen ließen, überzeugen daher nicht. Beide Landesgesetze (das Tiroler und das Steiermärkische) regeln den jeweiligen Landes-Rettungsdienst. Dass dieser in Tirol als „öffentlicher“ und in der Steiermark als „allgemeiner“ Rettungsdienst bezeichnet wird, ändert daran nichts. Beide Gesetze beinhalten die Möglichkeit, die Aufgaben des allgemeinen/öffentlichen Rettungsdienstes an geeignete Organisationen oder Einrichtungen zu übertragen (einerseits durch Bescheid, andererseits vertraglich). Der OGH nimmt in der zitierten Entscheidung auch ausdrücklich auf beide Möglichkeiten Bezug, indem er betont, dass sich im TRG 2009 keine Norm finde, nach der die Ausübung einer derartigen Tätigkeit ohne Rechtsgeschäft mit dem Land oder ohne hoheitlichen Akt (zB Konzession) rechtswidrig oder gar strafbar sei . Dies trifft auch auf das Stmk RDG zu, zumal sich auch dort – wie schon erwähnt – kein explizites Verbot der Ausübung eines rein privaten Rettungsdienstes findet.
Soweit daher in der Rechtsrüge wiederholt die hoheitliche Funktion des Steiermärkischen Rettungsdienstes hervorgehoben wird, welche das Berufungsgericht auch nicht in Abrede stellt, so trifft dies auch auf den Tiroler Rettungsdienst zu. Unabhängig davon, ob die Aufgaben des jeweiligen Landes-Rettungsdienstes durch ein Rechtsgeschäft oder durch einen hoheitlichen Akt auf geeignete Einrichtungen übertragen werden, wird auch die Ausübung eines privaten Rettungsdienstes ohne behördliche Bewilligung auch im Stmk RDG (anders als beispielsweise in § 32 Abs 1 Z 3 und 4 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz [WRKG]) nicht bei Strafe verboten.
3.5.6. Letztlich lässt sich auch – entgegen dem Standpunkt der Berufungswerberin – aus den Bestimmungen des SanG nicht ableiten, dass die beklagte Partei keine Sanitäter im Sinn dieses Bundesgesetzes beschäftigen darf. Ein Tätigwerden von Sanitätern iSd SanG ist sehr wohl auch ohne eine „Anerkennung“ nach den Rettungsgesetzen der Länder und auch außerhalb einer Vertragsbeziehung zu einer Gebietskörperschaft möglich und erlaubt ( Halmich in Neumayr/Resch/Wallner , GmundKomm 2§ 23 SanG Rz 3 mwN). Auf die Frage der Entlohnung wird unter Pkt 3.7. eingegangen.
3.5.7. Selbst wenn man nun dem Rechtsstandpunkt der Klägerin folgen und von einer Unzulässigkeit der Ausübung eines privaten Rettungsdienstes im Land Steiermark ausgehen wollte, kann die Auslegung der Rechtslage im oben dargestellten Sinn (dass es der beklagten Partei nicht verboten ist, ihre Leistungen auch im Landesgebiet der Steiermark zu erbringen) angesichts der aufgezeigten Überlegungen jedenfalls mit gutem Grund vertreten werden, wozu auf die Ausführungen unter Pkt 3.2. (oben) und Pkt 3.7.2. (unten) zu verweisen ist. Eine die von der Klägerin vertretene Auslegung der Steiermärkischen Bestimmungen stützende Rechtsprechung, liegt nicht vor; der Betrieb eines privaten Rettungs- und Krankentransportdienstes ohne behördliche Bewilligung wird im Stmk RDG – anders als im Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz – auch nicht (wie schon erwähnt) bei Strafe sanktioniert.
3.5.8. Insgesamt erweist sich die Verneinung des behaupteten Rechtsbruchs iSd § 1 Abs 1 UWG durch den von der Beklagten im geschäftlichen Verkehr gewerbsmäßig ausgeübten privaten Rettungsdienst daher nicht als korrekturbedürftig und kommt es somit auf die Frage, ob die beklagte Partei in der Steiermark einen „Stützpunkt“ betreibt oder dort nur ihre Fahrzeuge abstellt, in rechtlicher Hinsicht nicht an. Ergänzend ist dazu noch anzumerken, dass sich aus den Tatsachenbehauptungen der Klägerin nicht ableiten lässt, wann eine angemietete Garage zum „Stützpunkt“ wird und die Beklagte nicht bestritten hat, dass sie in der Steiermark ansässige Mitarbeiter beschäftigt, welche ihre Rettungs- und Krankentransportdienste von E* aus durchführen, weil sie dort Fahrzeuge „stationiert“.
3.6. Zum dritten Unterlassungsbegehren (Blaulicht)
3.6.1. Wie schon mehrfach hervorgehoben wurde, ist ein auf Rechtsbruch iSd § 1 Abs 1 UWG gestützter Unterlassungsanspruch nur dann zu bejahen, wenn die belangte Rechtsverletzerin durch einen Verstoß gegen die im Sachvorbringen der Klägerin genannte Verbotsnorm unlauter handelte (vgl RS0129497). Einen unlauteren und somit verpönten Wettbewerbsvorsprung im Sinn dieser Bestimmung können grundsätzlich nur solche Rechtsbrüche bewirken, die den Kaufentschluss (hier: Entschluss zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung) der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen geeignet sind (vgl RS0077931 [T8]). Die Eignung einer Geschäftspraktik, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen, kann sich (wie eingangs dargelegt) – ausgehend vom Regelungszweck der verletzten Norm und von den typischen Auswirkungen des Rechtsbruchs – schon aus dem Normverstoß als solchen ergeben (RS0123243). Dabei ist unerheblich, welche Wirkung das konkret beanstandete Verhalten in der Vergangenheit tatsächlich gehabt hat. Vielmehr ist zu fragen, ob eine Wiederholung nach der Art des Verhaltens eine Wettbewerbsverzerrung bewirken kann [T3]).
Die Klägerin stützt das dritte Unterlassungsbegehren auf einen Verstoß der Beklagten gegen §§ 20 Abs 4, 22 Abs 4 KFG. Dass der Beklagten die Bewilligung zum Anbringen von Warnleuchten mit blauem Licht und Folgetonhorn für das hier in Rede stehende Rettungstransportfahrzeug mit dem Kennzeichen M* lediglich eingeschränkt auf das Bundesland Tirol erteilt wurde, ist im Berufungsverfahren nicht weiter strittig. Dass sie auch über eine sinngemäße Bewilligung für das Bundesland Steiermark verfügt, hat sie nicht behauptet.
3.6.2. § 20 Abs 4 KFG sieht vor, dass andere als die in §§ 14 Abs 1 bis 7, 15 und 17-19 und in den Abs 1 bis 3 KFG angeführten Scheinwerfer, Leuchten und Rückstrahler oder andere Lichtfarben nur mit Bewilligung des Landeshauptmanns an Kraftfahrzeugen und Anhängern angebracht werden dürfen. Auch § 22 Abs 4 KFG stellt ausschließlich auf das Anbringen von Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen ab. Demgemäß bezieht sich auch die vorangeführte Bewilligung des Landeshauptmanns ausschließlich auf das Anbringen von Warnleuchten mit blauem Licht und Folgeton. Dass die Anbringung der Vorrichtung am – in Tirol zugelassenen – Fahrzeug nicht in Tirol erfolgte, wurde nicht behauptet. Ob nun eine zulässigerweise, weil mit Bewilligung des zuständigen Landeshauptmanns im Sinn der genannten Bestimmungen angebrachte Warnleuchte beim Verlassen der Landesgrenze wieder abgenommen werden muss und bereits bei Nichtabnahme der Vorrichtung ein Rechtsbruch begangen wird oder ob dies eine Aktivierung des Blaulichts außerhalb der Landesgrenze voraussetzt, kann aus folgenden Erwägungen dahingestellt bleiben:
3.6.3. Wie unter Pkt 3.1.2. aufgezeigt, ist bei behaupteten Verstößen gegen wettbewerbsneutrale Vorschriften (wie jenen des KFG, das zweifelsohne nicht der Regelung des Wettbewerbs dient) die Eignung eines beanstanden Normverstoßes zur Beeinflussung des Wettbewerbs von der klagenden Partei zu behaupten und zu beweisen(RS0123243). Sie hat somit in erster Instanz jene Sachverhaltselemente, aus denen diese grundsätzliche Eignung hervorgeht, unter Beweis zu stellen.
Die Klägerin brachte im vorliegenden Fall vor, dass der Verstoß der Beklagten gegen § 20 KFG einen erheblichen Wettbewerbsvorteil für diese begründe, zumal sie ihre Fahrzeuge unter Anbringung von integrierten blauen Leuchten ohne Rücksicht auf die entsprechende räumliche Begrenzung von allfälligen Blaulichtgenehmigungen oder überhaupt fehlenden Genehmigungen verwende. Das verwaltungsrechtswidrige Anbringen eines Blaulichts, dessen Verwendung einer speziellen Genehmigung vorbehalten sei, sei typischerweise geeignet, dem Konkurrenten Fahrgäste abzuwerben, „für die ein Fahren mit Blaulicht nach ihren persönlichen Umständen in Betracht komme“ (sic) und auf diese Weise einen wirtschaftlichen Vorteil des rechtswidrig Handelnden auf Kosten des Konkurrenten zu bewirken. Diese Rechtsansicht wird vom erkennenden Senat nicht geteilt.
Zur eingangs dargelegten Eignung einer Wettbewerbshandlung, die Marktposition der Mitbewerber – also den Entschluss der angesprochenen Interessenten, sich mit ihrem Angebot zu befassen – irgendwie zugunsten dieses Angebots zu beeinflussen, gibt es umfangreiche (nicht nur die Fallgruppe des Rechtsbruchs betreffende) Judikatur. Sie wurde beispielsweise in 4 Ob 117/88 (= EvBl 1989/100) vom OGH bejaht. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Beklagte Altpapier (aus nicht von ihm aufgestellten) Sammelbehältern entnommen und sich damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft, die nur unter finanziellem Aufwand - durch Aufstellen eigener Behälter oder durch Zahlung eines Entgelts an fremde Aufsteller - zu Altpapier kommen konnten. Dies wurde als Stärkung der eigenen finanziellen Position durch unlautere Mittel als Wettbewerbshandlung gewertet.
In der vom Erstgericht im Rahmen des gemäß § 182a ZPO geführten Rechtsgesprächs zitierten Entscheidung des OLG Linz vom 18.4.2011 zu 2 R 186/10a ging es um ein verwaltungsrechtswidriges Anfahren einer Haltestelle durch das dort beklagte Beförderungsunternehmen, deren Bedienung von der Konzessionsbehörde einem Konkurrenten vorbehalten worden war. Dass ein derartiger Rechtsbruch typischerweise geeignet ist, diesem Konkurrenten jene Fahrgäste abzuwerben, für welche ein Ein- oder Aussteigen bei dieser Haltestelle in Betracht kommt, und auf diese Weise einen wirtschaftlichen Vorteil des rechtswidrig Handelnden auf Kosten des Konkurrenten zu bewirken, liegt auf der Hand. Eine damit vergleichbare Konstellation liegt hier aber nicht vor.
3.6.4. Dass ein (tirolweit oder österreichweit bewilligtes) Blaulicht für die jeweils transportierten Personen vor Vertragsabschluss ein für die Beauftragung eines öffentlichen oder privaten Rettungsdienstes maßgebliches Kriterium darstellen soll, mit anderen Worten, dass es für eine spürbare Anzahl von Kunden für deren Vertragsentschluss bedeutsam sein könnte, dass sie mit einem mit Blaulicht ausgestatteten Fahrzeug transportiert würden, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Insbesondere erscheint es fraglich, ob und warum sich ein nennenswerter Anteil des angesprochenen Kundenkreises der Streitteile (der „Transportierten“) über diesen Aspekt darüber bereits vor Abschluss des Rechtsgeschäfts konkrete Gedanken machen sollten. Der Grundsatz, dass es nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts sein kann, gegen jede noch so geringe Nachfrageverlagerung vorzugehen (vgl 4 Ob 59/03k), muss auch hier gelten.
Fraglich ist auch, worin hier der behauptete Wettbewerbs vorsprung der Beklagten liegen soll, zumal die Klägerin von Gesetzes wegen zum Einsatz von Warnleuchten im ganzen Bundesgebiet befugt ist.
3.6.5. Selbst wenn man nun davon ausgehen wollte, dass die vermeintlich rechtswidrige Verwendung des Blaulichts ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs darstellt und auch die grundsätzliche Eignung dieses Verhaltens, die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin spürbar zu beeinflussen, bejahen würde, so wäre die Rechtsansicht, dass das Überfahren der Landesgrenze mit einer zulässigerweise angebrachten, weil vom zuständigen Landeshauptmann bewilligten, Warnleuchte sowie das Aktivieren des Blaulichts außerhalb jenes Bundeslandes, in welchem es bewilligt wurde, nicht gegen die Bestimmungen §§ 20 Abs 4, 22 Abs 4 KFG verstößt, zumindest vertretbar.
Dort heißt es nämlich wörtlich (Hervorhebungen durch das Berufungsgericht) wie folgt:
„§ 20. Scheinwerfer, Leuchten, Rückstrahler und Lichtfarben für besondere Zwecke
[...]
(4) Andere als die im § 14 Abs. 1 bis 7, in den §§ 15 und 17 bis 19 und in den Abs. 1 bis 3 angeführten Scheinwerfer, Leuchten und Rückstrahler oder andere Lichtfarben dürfen nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes an Kraftfahrzeugen und Anhängern angebracht werden und nur, wenn der Antragsteller hiefür einen dringenden beruflichen oder wirtschaftlichen Bedarf glaubhaft macht. Diese Bewilligung ist nach Maßgabe der Bestimmungen der Abs. 5 bis 7 zu erteilen, wenn die Verkehrs- und Betriebssicherheit dadurch nicht beeinträchtigt wird und wenn nicht zu erwarten ist, daß andere Verkehrsteilnehmer durch diese Leuchten und Lichtfarben abgelenkt oder getäuscht werden können, wie insbesondere bei beleuchteten Werbeflächen oder Leuchten, die so geschaltet sind, daß der Eindruck bewegter Lichter entsteht.
(5) Scheinwerfer und Warnleuchten mit blauem Licht dürfen bei nicht unter Abs. 1 Z 4 fallenden Fahrzeugen nur bewilligt werden, wenn ihre Verwendung im öffentlichen Interesse gelegen ist und dagegen vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Bedenken bestehen und nur für Fahrzeuge, die zur Verwendung bestimmt sind:
a) ausschließlich oder vorwiegend für Feuerwehren,
b) für den öffentlichen Hilfsdienst,
c) für den Rettungsdienst [...]
§ 22. Warnvorrichtungen
[...]
(4) Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinanderfolgenden, verschieden hohen Tönen dürfen, außer in den in den Abs. 5 und 6 angeführten Fällen, nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes angebracht werden . Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn diese Vorrichtungen sonst den Bestimmungen des Abs. 1 dritter und vierter Satz entsprechen. Für die Erteilung der Bewilligung gilt § 20 Abs. 5 sinngemäß.“
Der vom Erstgericht dazu angestellten Überlegung, wonach die Beklagte davon hätte ausgehen dürfen, dass die Bewilligungsvoraussetzungen für das Anbringen der Warnleuchte vom zuständigen Landeshauptmann hinreichend geprüft worden seien und nicht nachvollzogen werden könne, warum diese Voraussetzungen in der Steiermark „andere sein sollten als in Tirol“ wird im Rechtsmittel nicht entgegen getreten. Vielmehr wird darin nur auf den „unmissverständlichen Inhalt des Bescheids“ abgestellt. Auch dieser stellt aber nur auf das Anbringen der Einrichtung im Sinn des Gesetzestext ab; konkret lautet der Spruch wie folgt:
„Der Landeshauptmann von Tirol erteilt gemäß §§ 20 Abs. 4 und 5 lit. c i.V.m. 22 Abs. 4 Kraftfahrgesetz 1967 der [Beklagten], vertreten durch den Geschäftsführer […] die Bewilligung zum Anbringen von Warnleuchten mit blauem Licht und für das Rettungstransportfahrzeug der Marke Mercedes-Benz, Fahrzeugidentifikationsnummer [….], eingeschränkt auf das Bundesland Tirol .“
3.6.5. Insgesamt erweist sich daher die vom Erstgericht in diesem Zusammenhang vertretene Rechtsansicht nicht als korrekturbedürftig, weshalb es auf die Frage, ob das auf die Beklagte zugelassene Fahrzeug mit dem Kennzeichen M* am 15.3.2024 im Land Steiermark mit aktiviertem Blaulicht auf der A2 unterwegs war, nicht ankommt.
3.7. Zum zweiten Unterlassungsbegehren (Kollektivvertrag)
3.7.1. Die (hier behauptete) unterkollektivvertragliche Entlohnung von Mitarbeitern kann einen unlauteren Rechtsbruch iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG darstellen, sofern der Wortlaut des Kollektivvertrags (hier für das Personenbeförderungsgewerbe mit PKW / Taxi) nicht auch mit guten Gründen in einer solchen Weise ausgelegt werden kann, dass er dem beanstandeten Verhalten (falsche Einstufung) nicht entgegenstünde. Der Verstoß ist nämlich nur dann lauterkeitswidrig, wenn er auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht. Ist die Rechtslage unklar, ist somit maßgebend, ob die Auffassung des belangten Mitbewerbers über den Inhalt der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann (RS0077771).
3.7.2. In der dem Zurückweisungsbeschluss des OGH zu 4 Ob 93/17f zugrunde liegen Fall untersagten die Vorinstanzen den dort beklagten Parteien, ihre Dienstnehmer dadurch zu gering zu entlohnen, dass sie sie unrichtigerweise als Arbeiter und in eine falsche Verwendungsgruppe des dort maßgeblichen Rahmenkollektivvertrags einstuften. Der OGH trat dem bei und billigte die von den Unterinstanzen vertretene Rechtsansicht, dass die falsche Einstufung der Dienstnehmer unvertretbar sei.
3.7.3. Der Klägerin ist grundsätzlich darin beizutreten, dass eine unrichtige kollektivvertragliche und zu einer Unterbezahlung führende Einstufung von Mitarbeitern eines Konkurrenzunternehmens geeignet ist, dem Rechtsverletzer einen spürbaren Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen, weil Personalkosten einen maßgeblichen wirtschaftlichen Faktor darstellen und bereits unwesentliche Gehaltsdifferenzen es dem Anbieter ermöglichen, Leistungen den Kunden günstiger anzubieten. Ob jedoch im vorliegenden Fall durch die behauptete unterkollektivvertragliche (Gesamt-)Entlohnung der bei der beklagten Partei beschäftigten Sanitäter ein nicht vertretbarer Rechtsbruch begangen wurde, lässt sich anhand der vom Erstgericht geschaffenen Sachverhaltsgrundlage nicht abschließend beurteilen, worauf auch die (dislozierte) sekundäre Feststellungsrüge der Berufungswerberin zutreffend hinweist. Hinsichtlich des zweiten Unterlassungsbegehrens kommt daher dem Aufhebungsantrag Berechtigung zu.
Für das in diese Richtung fortzusetzende Verfahren wird auf folgende rechtlichen Aspekte hingewiesen:
3.7.4. In der aufgrund § 15 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG) erlassenen Fachorganisationsordnung (kurz: „FOO“ [kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr. 2/2008, Nr. 2/2009, Nr. 1/2010, Nr. 1/2012, Nr. 2/2012, Nr. 1/2014, Nr. 1/2015, Nr. 1/2016, Nr. 4/2016 und Nr. 1/2022]) wird in der Sparte „Transport und Verkehr“ (§ 6 FOO) neben den Fachverbänden der Schienenbahnen, Seilbahnen, Fahrschulen etc auch ein Fachverband für die Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen errichtet. Dieser umfasst laut Anhang I der FOO „die Unternehmungen der Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder mit durch die Kraft von Tieren bewegten Landfahrzeugen sowie Kraftfahrzeugverleihunternehmungen“. Einen Fachverband für Krankentransporte sieht die FOO in keiner Sparte vor. In 9 ObA 8/13m wies der OGH darauf hin, dass in der internen Verwendung der Datenbanken der Wirtschaftskammer in „Berufszweige“ für das Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen eine Einteilung in Taxigewerbe, Mietwagengewerbe, KFZ-Verleih [ua] sowie Krankentransportgewerbevorgenommen werde. Eine formelle Errichtung von dahingehenden Berufsgruppen iSd § 49 WKG sei jedoch nicht erfolgt.
Per 1.1.2024 wurde zwischen dem Fachverband für die Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen der WKO und der ÖKG eine gesamtvertragliche Vereinbarung über die Krankenbeförderung ( ohne sanitätsdienstliche Versorgung ) mit Taxis erstmals bundeseinheitlich (ausgenommen Wien) geregelt. In der Präambel dieser, auf der Website der WKO abrufbaren, Vereinbarung ( ** ) wird festgehalten, dass die Krankenversicherungsträger und die Fachgruppen das gemeinsame Ziel verfolgten, ein auf qualitätsgesicherten, nachhaltigen und auf ökonomischen Grundsätzen basierendes Krankenbeförderungswesen zu fördern und durch Verlagerung von Krankentransporten, bei denen aufgrund des Gesundheitszustandes des Versicherten keine sanitätsdienstliche Betreuung notwendig sei, auf die Transportart Krankenbeförderung, eine bestmögliche Versorgung im Transportbereich für die Versicherten bei gleichzeitiger Entlastung der Blaulichtorganisationen sichergestellt werden solle. Die beklagten Partei bietet nun aber nicht bloß ein Krankentaxi, sondern auch Transporte mit Notarztbegleitung und Intensivtransporte, somit auch Transporte mit sanitätsdienstlicher Versorgung an.
3.7.5. Von der Berufungswerberin wird zutreffend darauf hingewiesen, dass Rettungs und Krankentransporte nach der herrschenden arbeitsrechtlichen Judikatur nichtim Begriff des Mietwagengewerbes iSd Kollektivvertrags für das Personenbeförderungsgewerbe mit PKW (Taxi) erfasst sind (RS0128940). Dieser Kollektivvertrag ist daher auch nicht auf solche Transporte, wie sie die Beklagte durchführt, anwendbar. In 8 ObA 2/18d wurde vom OGH die von der Vorinstanzen dort bejahte Heranziehung des gesatzten Kollektivvertrags des L* auf eine (dort beklagte) Transportfirma, welche mit handelsüblichen Transportern mit einem Gesamtgewicht von maximal 3,5 Tonnen – ausgestattet mit spezieller medizinischer Ausstattung – Krankentransporte durchführte, gebilligt.
3.7.6. § 2 Abs 13 GewO 1988 ist als besonderer Fall der Kollektivvertragsangehörigkeit zu verstehen. Betreibt ein Arbeitgeber neben einem Gewerbe, für das eine aufrechte Gewerbeberechtigung besteht, unbefugt ein anderes Gewerbe, so fingiert § 2 Abs 13 GewO die Geltung des für dieses Gewerbe geltenden Kollektivvertrags. Welcher Kollektivvertrag dann auf das konkrete Arbeitsverhältnis Anwendung zu finden hat, ist nach den Regeln des § 9 ArbVG zu ermitteln (RS0108232). Liegt ein Mischbetrieb im Sinn des § 9 Abs 3 ArbVG vor, verdrängt ein für die Arbeitnehmer des wirtschaftlich maßgeblichen Betriebsbereichs anzuwendender Mindestlohntarif in analoger Anwendung des § 9 Abs 3 ArbVG einen für die Arbeitnehmer des wirtschaftlich untergeordneten Bereichs geltenden Kollektivvertrag (RS0126333).
Zufolge § 8 Z 1 ArbVG sind, sofern der Kollektivvertrag nichts anderes bestimmt, innerhalb seines räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereichs die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, die zur Zeit des Abschlusses des Kollektivvertrags Mitglied der im Kollektivvertrag beteiligten Parteien waren oder später werden, kollektivvertragsangehörig. Wesentlich ist damit für den Ausschluss der Anwendung der Satzung zufolge § 19 Abs 2 ArbVG nicht nur, dass der betreffende Arbeitgeber Mitglied der Kollektivvertragspartei war, sondern, dass er auch in den räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrags fällt und die Kollektivvertragsparteien die Anwendung des Kollektivvertrags auch nicht sonst ausgeschlossen haben (9 ObA 8/13m mwN).
4. Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht daher Festellungen zum räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich der hier maßgeblichen Kollektivverträge, zum Tätigkeitsfeld der bei der Beklagten beschäftigten Sanitäter und zur deren Einstufung und (Gesamt-)Entlohnung – also auch ihrer Zulagen, Überstundenbezahlungen udgl – zu treffen haben, um beurteilen zu können, ob der Vorwurf des unlauteren Rechtsbruchs im dargestellten Sinn gerechtfertigt ist.
Verfahrensrechtliches:
1. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
2. Besteht der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so hat das Berufungsgericht nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO eine Bewertung vorzunehmen. Die Klägerin hat ihre drei Unterlassungsbegehren insgesamt mit EUR 60.000,-- bewertet; auf jedes einzelne von der Wiederaufnahmsklage umfasste Teilbegehren entfällt daher im Zweifel ein Teilbetrag von EUR 20.000,--. An diese Bewertung ist das Berufungsgericht nicht gebunden ( Kodek in Rechberger 5§ 500 Rz 3 mwN; RS0043252)
Da jedes Unterlassungsbegehren jeweils ein anderes rechtliches Schicksal haben kann, sind sie nicht nach § 55 JN zusammenzurechnen. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Klage für die Parteien war gemäß § 500 Abs 2 Z 1b auszusprechen, dass der Wert jedes der beiden den Gegenstand des Teilurteils bildenden Einzelbegehrens jeweils EUR 30.000,-- übersteigt.
3. Die Beurteilung der Eignung eines Rechtsbruchs zur spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0123243). Ob eine Gesetzesauslegung vertretbar ist, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls (4 Ob 95/21f, 4 Ob 157/12k ua). Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien kommt dem Obersten Gerichtshof keine Leitfunktion zu (RS0116438). Dass Rechtsprechung des OGH zu Bestimmungen des Verwaltungsrechts fehlt, deren Verletzung einem Mitbewerber vorgeworfen wird, begründet für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage (RS0123321). Mit dieser Begründung wurde der im Verfahren 4 Ob 207/15t erhobene ordentliche Revisionsrekurs vom OGH als nicht zulässig zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der ordentlichen Revision gegen das Teilurteil im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO liegen daher nicht vor.
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