Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher und die Hofrätin Dr. Funk Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über den Antrag der W Gesellschaft m.b.H. in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Stellung eines Verfahrenshilfeantrags zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2024, W208 2277366 1/5E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichts Krems an der Donau), den Beschluss gefasst:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
1 Mit Zahlungsauftrag vom 3. Jänner 2023 forderte die Kostenbeamtin für den Präsidenten des Landesgerichts Krems die Antragstellerin zur Entrichtung einer Pauschalgebühr nach TP 2 Gerichtsgebührengesetz iHv 1.143 €, sowie Einhebungsgebühr nach § 6a Gerichtliches Einbringungsgesetz iHv 8 €, insgesamt somit 1.151 €, auf.
2 Die gegen diesen Zahlungsauftrag erhobene Vorstellung der Antragstellerin wies der Präsident des Landesgerichts Krems mit Bescheid vom 24. Juli 2023 als verspätet zurück.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 20. Februar 2024 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig. Dieses Erkenntnis wurde der Antragstellerin am 5. März 2024 durch Hinterlegung zugestellt.
4 Mit Schreiben vom 16. Juli 2024 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgerichtshof die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2024. Das Schreiben wurde am 16. Juli 2024 zur Post gegeben.
5 Mit verfahrensleitender Anordnung vom 22. Juli 2024 wurde der Antragstellerin zur Kenntnis gebracht, der Verwaltungsgerichtshof gehe vorläufig davon aus, dass der am 18. Juli 2024 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nach dem Ende der sechswöchigen Revisionsfrist und somit verspätet eingelangt sei. Der Antragstellerin wurde die Möglichkeit eingeräumt, zu diesem Umstand binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
6 Die verfahrensleitende Anordnung vom 22. Juli 2024 wurde der Antragstellerin nach mehreren erfolglosen Zustellversuchen am 12. September 2024 durch Hinterlegung zugestellt.
7 Die Antragstellerin erstattete innerhalb der gesetzten Frist keine Äußerung.
8 Mit Beschluss vom 4. November 2024 wies der Verwaltungsgerichtshof den Antrag der Antragstellerin auf Verfahrenshilfe zurück. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 2024 wurde der Antragstellerin am 6. Dezember 2024 zugestellt.
9 Mit am 20. Dezember 2024 zur Post gegebenen Schreiben brachte die Antragstellerin beim Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Verfahrenshilfe ein und wiederholte ihren Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2024.
10 Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand brachte die Antragstellerin vor, der Antrag auf Verfahrenshilfe zur Einbringung einer außerordentlichen Revision sei am 15. April 2024 - und damit innerhalb der sechswöchigen Revisionsfrist - per E-Mail beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht worden.
11Gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 VwGG sind Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen, der gemäß § 61 Abs. 3 VwGG über derartige Anträge entscheidet.
12Mangels näherer Vorschriften im VwGG - § 46 Abs. 3 und 4 VwGG enthält Regelungen betreffend die Wiedereinsetzung nach erfolgter Einbringung der Revision bzw. für den Fall der Versäumung der Revisionsfrist - sind Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Anträge zu entscheiden (vgl. VwGH 15.6.2023, Ra 2023/14/0094, mwN).
13Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.
14Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt die Auffassung vertreten, dass auch ein Rechtsirrtum über die richtige Einbringungsstelle als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen kann. Wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, ist im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen. Der Begriff des minderen Grades des Versehens im letzten Satz des § 46 Abs. 1 VwGG ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. zu allem VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0331, mwN).
15Im vorliegenden Fall bringt die Antragstellerin nicht vor, dass sie dem Rechtsirrtum unterlegen sei, der von ihr gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wäre beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen gewesen. Sie gibt lediglich an, der Antrag dürfte beim Bundesverwaltungsgericht nicht bearbeitet worden sein. Somit lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen, dass ein die Wiedereinsetzung begründender Rechtsirrtum vorgelegen habe. Im Übrigen hätte die Antragstellerin im Rahmen der ihr als „ordentliche Prozesspartei“ treffenden Sorgfaltspflichten die Obliegenheit getroffen, sich bei geeigneten Stellen zu erkundigen und Gewissheit darüber zu verschaffen, wo sie ihren Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision einzubringen hat (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0049, mwN).
16Das Vorbringen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zielt im Ergebnis darauf ab, dass das Bundesverwaltungsgericht gegen die gemäß § 6 Abs. 1 AVG bestehende Pflicht, einlangende Anbringen, zu deren Behandlung es nicht zuständig ist, ohne unnötigen Aufschub an die zuständige Stelle weiterzuleiten, verstoßen habe.
17 Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers über den elektronischen Verkehr zwischen Bundesverwaltungsgericht und Beteiligten, BGBL. II Nr. 515/2013 idF BGBl. II Nr. 11/2015, E-Mail keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinne dieser Verordnung ist.
18Ein auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg eingebrachtes Anbringen gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht eingebracht (vgl. etwa VwGH 14.4.2024, Ra 2024/02/0049, mwN).
19Da der von der Antragstellerin am 15. April 2024 an das Bundesverwaltungsgericht per E-Mail übermittelte Antrag auf Verfahrenshilfe demnach als nicht eingebracht galt, traf das Bundesverwaltungsgericht auch keine Pflicht nach § 6 Abs. 1 AVG dieses Anbringen, zu deren Behandlung es nicht zuständig war, ohne unnötigen Aufschub an den Verwaltungsgerichtshof als die zuständige Stelle weiterzuleiten. Die irrtümliche Annahme einer Weiterleitungsverpflichtung des Bundesverwaltungsgerichts übersteigt den minderen Grad des Versehens.
20 Die Antragstellerin legt somit mit ihrem Vorbringen nicht dar, dass sie durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung eines Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung einer außerordentlichen Revision gehindert gewesen wäre.
21Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am 25. April 2025
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