Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. I. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über den Antrag des A A, vertreten durch Mag. a Margit Sagel, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 60/18, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2023, W204 2260924 1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
1 Der Antragsteller brachte am 15. März 2023 einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2023, mit dem die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16. September 2022 als unbegründet abgewiesen wurde, ein. Das Kuvert war jedoch an den Verfassungsgerichtshof adressiert. Der beim Verfassungsgerichtshof am 17. März 2023 eingelangte und von diesem zuständigkeitshalber an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitete Antrag langte am 20. März 2023 beim Verwaltungsgerichtshof ein.
2 Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. April 2023, Ra 2023/14/0094 5, zugestellt am 11. April 2023, wurde dem Antragsteller zur Kenntnis gebracht, der Verwaltungsgerichtshof gehe davon aus, dass die Verfahrenshilfe nicht innerhalb der sechswöchigen Revisionsfrist, die mit Ablauf des 16. März 2023 geendet habe, beantragt worden sei und der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe somit verspätet sein dürfte. Dem Antragsteller wurde die Möglichkeit eingeräumt, zu diesem Umstand binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
3 Daraufhin stellte der Antragsteller, „vertreten durch: MigrantInnenverein St. Marx“, am 20. April 2023 (Postaufgabe) einen (undatierten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an den Verwaltungsgerichtshof.
4 Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 2023, Ra 2023/14/0094 8, zugestellt am 10. Mai 2023, wurde dem Antragsteller aufgetragen, den genannten Antrag binnen zwei Wochen durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin/einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Gleichzeitig wurde ihm der eingebrachte Antrag im Original zurückgestellt.
5 Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2023 wurde der verbesserte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die rechtsfreundliche Vertretung des Antragstellers beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht, das diesen dem Verwaltungsgerichtshof zuständigkeitshalber am 25. Mai 2023 übermittelte.
6 In dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird vorgebracht, „die Versäumungsfrist“ sei ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, an dessen Eintritt den Antragsteller kein Verschulden treffe, „weil er die Hilfe eines in Asyl- und Fremdenwesen spezialisierten Anwaltes in Anspruch genommen“ habe, somit in einem Rechtsbereich, in dem Verfahrenshilfeanträge häufig vorkämen.
7 Gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 VwGG sind Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen, der gemäß § 61 Abs. 3 VwGG über derartige Anträge entscheidet.
8 Mangels näherer Vorschriften im VwGG § 46 Abs. 3 und 4 VwGG enthält Regelungen betreffend die Wiedereinsetzung nach erfolgter Einbringung der Revision bzw. für den Fall der Versäumung der Revisionsfrist sind Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Anträge zu entscheiden (vgl. VwGH 23.5.2022, Ra 2022/14/0049, mwN).
9 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
10 Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist dabei als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 18.1.2022, Ra 2020/18/0049, mwN).
11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen (vgl. erneut VwGH 23.5.2022, Ra 2022/14/0049, mwN).
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur im Rahmen der Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers zu untersuchen (vgl. VwGH 10.9.2020, Ra 2020/14/0230 bis 0234, mwN).
13 Dass dem bei der Stellung des Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe betrauten Parteienvertreter im vorliegenden Fall ein den minderen Grad des Versehens nicht übersteigendes Verschulden vorzuwerfen wäre, wird vom Antragsteller weder behauptet noch ist dies aus dem geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund ableitbar, weshalb dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben war.
14 Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, dass der verbesserte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 24. Mai 2023 aufgrund der Einbringung beim unzuständigen Bundesverwaltungsgericht erst nach Ablauf der vom Verwaltungsgerichtshof zur Verbesserung gesetzten Frist bei diesem einlangte.
Wien, am 15. Juni 2023
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