Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über den Antrag des G S in L, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren über dessen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. Mai 2015, Zl LVwG-AB-14-4200, betreffend Einzäunung eines ehemaligen Geheges zur Fleischgewinnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zwettl), den Beschluss gefasst:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zwettl (BH) vom 1. September 2014 wurde der Wiedereinsetzungswerber verpflichtet, die Einzäunung eines ehemaligen Geheges zur Fleischgewinnung auf zwei näher genannten Grundstücken "bis zum 30. November 2014" ersatzlos zu entfernen.
Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 7. Mai 2015 wurde die Beschwerde des Wiedereinsetzungswerbers gegen diesen Bescheid mit der Maßgabe abgewiesen, dass die im Spruch des angefochtenen Bescheides festgesetzte Leistungsfrist "bis zum 15. August 2015" verlängert wurde.
2. Dieses Erkenntnis wurde dem Wiedereinsetzungswerber am 13. Mai 2015 (einem Mittwoch) zugestellt, die sechswöchige Revisionsfrist endete daher am 24. Juni 2015 (ebenfalls ein Mittwoch).
Mit einer am 24. Juni 2015 (somit am letzten Tag der Revisionsfrist) zur Post gegebenen, an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gerichteten Eingabe, stellte der Wiedereinsetzungswerber einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe. Der Antrag langte am 25. Juni 2015 beim Landesverwaltungsgericht ein, welches den Antrag mit Schreiben vom 7. Juli 2015 (sohin nach Ablauf der Revisionsfrist) an den Verwaltungsgerichtshof weiterleitete. Der Antrag langte sodann am 9. Juli 2015 beim Verwaltungsgerichtshof ein.
3. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juli 2015, Ra 2015/03/0049-2, wurde der Antrag des Wiedereinsetzungswerbers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. Mai 2015 als verspätet zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem Wiedereinsetzungswerber am 23. Juli 2015 zugestellt.
4. Mit einer nicht durch einen Rechtsanwalt abgefassten und eingebrachten Eingabe vom 5. August 2015, die am 7. August 2015 beim Verwaltungsgerichtshof einlangte, begehrt der Wiedereinsetzungswerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das erwähnte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. Mai 2015. Unter einem holte der Wiedereinsetzungswerber die versäumte Prozesshandlung nach.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt der Wiedereinsetzungswerber aus, es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen gewesen wäre. Hierzu habe es auch keine Rechtsmittelbelehrung durch das Verwaltungsgericht gegeben. Bei der Regelung, wonach der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu erheben sei, handle es sich um eine Ausnahme, wäre eine Revision zu erheben gewesen, so wäre der Antrag beim richtigen Gericht eingelangt.
5. Nach § 61 Abs 1 erster Satz VwGG gelten für die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe die Vorschriften über das zivilgerichtliche Verfahren sinngemäß. Nach § 63 Abs 1 erster Satz ZPO ist Verfahrenshilfe einer Partei, wenn diese eine natürliche Person ist, soweit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Gemäß § 24 Abs 1 zweiter Satz VwGG sind Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen, der gemäß § 61 Abs 3 leg cit über derartige Anträge entscheidet. Mangels diesbezüglicher näherer Vorschriften im VwGG - § 46 Abs 3 und 4 VwGG enthält Regelungen betreffend die Wiedereinsetzung nach erfolgter Einbringung der Revision bzw für den Fall der Versäumung der Revisionsfrist - sind Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Verfahrenshilfeantrages in derartigen Angelegenheiten beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen, der über diese Anträge zu entscheiden hat (§ 62 Abs 1 VwGG iVm § 71 Abs 4 AVG; vgl VwGH vom 23. September 2014, Ra 2014/01/0070; VwGH vom 23. Juni 2015, Ra 2014/05/0005).
Die Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung einer Frist in einer Angelegenheit der Verfahrenshilfe erfolgt nicht durch den Berichter, sondern angesichts des Wortlautes des § 46 Abs 4 VwGG durch Beschluss des zuständigen Senates (VwGH vom 28. Februar 2011, 2011/17/0022; VwGH vom 26. April 2010, 2010/10/0070; VwGH vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0320).
6. Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erweist sich als nicht zielführend:
§ 46 Abs 1 VwGG lautet:
"(1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."
Im Wiedereinsetzungsantrag ist konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu bezeichnen, das den Wiedereinsetzungswerber an der Einhaltung der Frist gehindert hat (VwGH vom 26. April 2010, 2010/10/0070, mwH). Diesbezüglich wird im gegenständlichen Antrag ausschließlich geltend gemacht, dem Wiedereinsetzungswerber sei nicht bekannt gewesen, dass der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision - anders als die außerordentliche Revision selbst - unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen sei.
Zwar kann auch ein Rechtsirrtum (Unkenntnis von Rechtsvorschriften) wie jener, der dem Wiedereinsetzungswerber hinsichtlich der Frage unterlaufen ist, wo sein Verfahrenshilfeantrag einzubringen ist, ein "Ereignis" im Sinne des § 46 Abs 1 VwGG darstellen (VwGH vom 12. Juli 2012, 2012/02/0146; VwGH vom 24. Mai 2012, 2011/03/0127).
Allerdings ist für den Wiedereinsetzungswerber damit alleine nichts gewonnen, weil die Bewilligung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch voraussetzt, dass die weiteren Voraussetzungen (insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden) vorliegen (vgl dazu neuerlich VwGH vom 24. Mai 2012, 2011/03/0127). Wenn ein solcher Rechtsirrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, ist im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (vgl etwa VwGH vom 11. September 2013, Zl 2013/02/0152, mwH).
Der Begriff des minderen Grades des Versehens im letzten Satz des § 46 Abs 1 VwGG ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (VwGH vom 17. Dezember 2012, 2012/04/0140; VwGH vom 23. Jänner 2013, 2013/10/0002).
Um Termine und Fristen im Verkehr mit Gerichten und Behörden einhalten zu können, muss einer einschreitenden (rechtsmittelwerbenden) Partei auch bekannt sein, an welche Stelle sie ihr Anbringen zu richten hat. Im Rahmen der ihn als "ordentliche Prozesspartei" treffenden Sorgfaltspflicht wäre es dem Wiedereinsetzungswerber somit oblegen, sich bei geeigneten Stellen zu erkundigen und Gewissheit darüber zu verschaffen, wo er seinen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision einzubringen gehabt hätte (VwGH vom 11. September 2013, 2013/02/0152; VwGH vom 12. Juli 2012, 2012/02/0146; vgl auch VwGH vom 16. September 2011, 2008/02/0104). Dies gilt umso mehr, als im bereits erwähnten Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes lediglich davon gesprochen wird, dass eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen ist, wohingegen in der im Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes aufgenommenen "Rechtsmittelbelehrung" eine Einbringungsstelle hinsichtlich eines Verfahrenshilfeantrages zur Erhebung einer außerordentlichen Revision nicht genannt ist.
Dass er dies versucht hätte, bringt der Wiedereinsetzungswerber nicht vor; dass er gehindert oder es ihm nicht zumutbar gewesen wäre, sich die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, ist ebenfalls nicht erkennbar. In Anbetracht der Bedeutsamkeit der Wahrung von Rechtsmittelfristen trifft den Wiedereinsetzungswerber sohin ein Verschulden, das den minderen Grad des Versehens übersteigt (VwGH vom 11. September 2013, 2013/02/0152; VwGH vom 16. September 2011, 2008/02/0104).
7. Der Wiedereinsetzungsantrag ist zudem entgegen § 24 Abs 2 VwGG nicht von einem Rechtsanwalt eingebracht worden. Ein Auftrag an den Wiedereinsetzungswerber, den Wiedereinsetzungsantrag diesbezüglich zu verbessern, erübrigt sich aber, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Antrag zweifelsfrei erkennen lässt, dass keine Anhaltspunkte für die Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages gegeben sind und somit auch nach Behebung des Formgebrechens die Bewilligung der Wiedereinsetzung ausgeschlossen wäre (VwGH vom 23. September 2014, Ra 2014/01/0070; VwGH vom 11. September 2013, Zl. 2013/02/0152).
8. Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Wien, am 9. September 2015
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