Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Vetter als Vorsitzende, die Richterinnen des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und Mag. Grössl sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Mag. Stefan Wanner (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Mag. a Dr. in Silvia Zangerle-Leberer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Mitglieder des Senats in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Reiterer Ulmer Rechtsanwälte (GbR) in Bregenz, wider die beklagte Partei B*, vertreten durch Dr. Stefan Denifl, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen EUR 4.669,05 s.A., über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 2.600,-- s.A.) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 24.2.2025, ** 21, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen ihres Vertreters die mit EUR 731,90 (darin enthalten EUR 121,98 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger und war ab 1.2.2022 als Gemeindeangestellter bei der Beklagten im Pflegebereich beschäftigt. Seinen Dienst verrichtete er in einem Pflegeheim in B*. Das Dienstverhältnis endete aufgrund der Kündigung des Klägers vom 30.6.2023 zum 31.7.2023. Er trat am 1.8.2023 eine neue Stelle bei einem anderen Dienstgeber an.
Der Kläger hat während des Dienstverhältnisses bei der Beklagten zwischen September 2022 und Juni 2023 den Lehrgang „Anleitung und Begleitung von Auszubildenden“ sowie das Aufbaumodul „Praxisanleitung“, erfolgreich absolviert. Die Kurskosten in Höhe von EUR 2.600,-- wurden von der Beklagten bezahlt.
Vor Beginn der Weiterbildung unterfertigte der Kläger eine Vereinbarung über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten, wonach er sich verpflichtete, diese ua bei einer Dienstnehmerkündigung vor Ablauf von 24 Monaten nach Abschluss der Ausbildung aliquot zurückzuzahlen. Für die Beklagte wurde diese Vereinbarung von einer Mitarbeiterin der Abteilung „E*“ unterschrieben.
Mit E Mail vom 6.7.2023 kündigte die Beklagte dem Kläger gegenüber aufgrund seiner Kündigung die Gegenverrechnung der Kosten der Weiterbildung mit den noch offenen Lohnansprüchen des Klägers an und behielt mit Endabrechnung vom 31.7.2023 das Entgelt des Kläger für die Monate Juli und August 2023 in Höhe von netto EUR 4.669,05 ein.
Mit Schreiben vom 28.7.2023 gaben die Klagevertreter der Beklagten gegenüber bekannt, den Kläger rechtsfreundlich zu vertreten. Darin heißt es auszugsweise:
Die ebenfalls vom Kläger beauftragte und bevollmächtigte Arbeiterkammer G* übermittelte der Beklagten am 4.8.2023 ein Schreiben mit folgendem, auszugsweise und im Wesentlichen wörtlich wiedergegebenem Inhalt (Hervorhebung durch das Berufungsgericht):
„[Der Kläger] beauftragte uns mit der Wahrung seiner arbeits- und sozialrechtlichen Interessen. Er ist seinen Angaben sowie den vorgelegten Unterlagen zufolge am 01.02.2022 in ihrer Einrichtung als psychiatrischer Krankenpfleger eingetreten. Zuletzt gelangten EUR 3.046,00 brutto zzgl. Zulagen zur Abrechnung und Auszahlung. Das Dienstverhältnis endete durch eine Dienstnehmerkündigung auf den 31.07.2023.
Der Arbeitnehmer legte uns Ihr Schreiben vom 16.05.2023 vor, welches in Kopie in der Anlage beiliegt. Darin werden EUR 2.600,00 an Ausbildungskosten zurückverlangt, ebenso die gewährten Dienstbezüge samt Dienstgeberanteilen. Im Mail von [einer Mitarbeiterin der Beklagten] vom 06.07.2023 werden EUR 5.309,64 netto für 27 Fortbildungstage und Lohnnebenkosten angeführt, welche ebenfalls vom [Kläger] zurückbezahlt werden sollen.
Bei Vereinbarungen über den Rückersatz von Ausbildungskosten, ist das Transparenzgebot zu beachten. Vor jeder Teilnahme an einer von dem Dienstnehmer zurückzuzahlenden Ausbildungsmaßnahme, hat er darüber Bescheid zu erhalten, wieviel von den Kosten der Ausbildung der Dienstnehmer dem Dienstgeber zu ersetzen hat. Dies gilt auch für das fortgezahlte Entgelt während der Ausbildung. Dieses muss in der Rückzahlungsvereinbarung betragsmäßig angegeben werden, damit der Dienstnehmer weiß, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt.
Laut der Mail vom 06.07.2023 ist der Wortlaut .sowie der gewährten Dienstbezüge samt Dienstgeberanteil..." als intransparent und damit als unwirksam zu beurteilen. Die Kosten für die Ausbildung in der Höhe von EUR 2.600,00 netto, können in der Endabrechnung berücksichtigt werden.
Wir machen daher - unpräjudiziell und vorbehaltlich der Ausdehnung - Folgendes für den Dienstnehmer geltend:
1 . Abrechnung und Auszahlung des Entgelts vom Juli 2023
2. Abrechnung und Auszahlung der anteiligen Sonderzahlungen
3. Abrechnung und Auszahlung der Urlaubsersatzleistung laufender und Sonderzahlungsanteil
4. Abrechnung und Auszahlung des Zeitguthabens
Für das Einlangen des offenen Anspruches, des Arbeitspapieres bzw einer schriftlichen Stellungnahme Ihrerseits samt Nachweisen, merken wir uns eine Frist bis zum 18.08.2023 vor.“
Dieser Sachverhalt wurde im Wesentlichen vom Erstgericht (unbekämpft) festgestellt und zudem vom Berufungsgericht um den (auszugsweisen) Inhalt des Schreibens vom 28.7.2025 ergänzt.
Dazu ist anzumerken: Die Berücksichtigung des Inhalts einer in den Feststellungen der Vorinstanz – wenn auch ohne wörtliche Wiedergabe – enthaltenen Urkunde, deren Echtheit zugestanden wurde, erfordert nicht die amtswegige Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (RS0121557). Darüber hinaus gilt: Wurde die Echtheit einer Urkunde zugestanden und zu ihrer Richtigkeit lediglich auf den eigenen Prozessstandpunkt verwiesen, so ist der Wortlaut dieser Urkunde im Hinblick auf diese Urkundenerklärung als unstrittig anzusehen. Strittig verbleibt damit nur die rechtliche Qualifikation einer solchen Urkunde. Es ist aber prozessual unbedenklich, unstrittiges Parteivorbringen – und dazu gehört auch der Inhalt einer in ihrer Richtigkeit nicht bestrittenen Urkunde – ohne weiteres der Entscheidung zugrundezulegen (§§ 266 f ZPO). Der wesentliche Inhalt solcher Urkunden kann daher in die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts einbezogen werden (2 Ob 36/14d ErwGr I. 2.4).
Der Kläger begehrte zuletzt die Zahlung von EUR 4.669,05 samt 9,2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1.9.2023. Inhaltlich brachte er – soweit im Berufungsverfahren noch relevant – vor, dass der Abzug von Ausbildungskosten von seinen Entgeltansprüchen zu Unrecht erfolgt sei. Die gewählte Formulierung in der Vereinbarung vom 16.5.2022 über die Höhe des Ausbildungskostenrückersatzes sei unbestimmt und verstoße gegen das Transparenzgebot. Abgesehen davon sei die Vereinbarung sittenwidrig und nichtig und zudem unwirksam, da sie nicht vom hierfür zuständigen Organ der Beklagten unterzeichnet worden sei. Das Schreiben der Arbeiterkammer vom 4.8.2023 könne dem Kläger nicht zugerechnet werden, da dieser ab 28.7.2023 durch die Klagevertreter vertreten worden sei. Schließlich sei das Schreiben der Arbeiterkammer nicht als konstitutives Anerkenntnis zu werten.
Die Beklagte bestritt und wendete ein, dass es sich bei der Befugnisübertragung gemäß §§ 27 Abs 2 GemeindeG um einen innerorganisatorischen Akt innerhalb des Rechtsträgers B* handle. Die Mitarbeiterin, die die Vereinbarung unterzeichnet habe, sei der Abteilung zugeordnet und für die Pflegeheime zuständig gewesen. Das dem Kläger aufgrund der Endabrechnung zustehende Entgelt von EUR 4.669,05 sei zur Abdeckung der Kosten der Weiterbildung von EUR 2.600,-- und der Dienstbezüge für 27 Fortbildungstage in Höhe von EUR 5.506,45 (gesamt sohin EUR 8.106,45) einbehalten und dem Kläger eine Rechnung für einen noch ausstehenden Betrag in Höhe von EUR 3.210,59 ausgestellt worden, der offen aushafte. Abgesehen davon habe der Kläger, vertreten durch die Arbeiterkammer, die Verpflichtung zur Zahlung der Ausbildungskosten in Höhe von EUR 2.600,-- konstitutiv anerkannt. In diesem Zusammenhang hätten sowohl der Klagevertreter als auch die Arbeiterkammer stets an ihrer Vertretungsbefugnis festgehalten.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte auf Basis des eingangs verkürzt dargestellten Sachverhalts zur Zahlung des eingeklagten Betrags samt 9,2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1.9.2023.
In rechtlicher Hinsichtging das Erstgericht davon aus, dass § 2d AVRAG nicht anzuwenden sei, da der Kläger Gemeindebediensteter sei. Vielmehr sei von den von der Rechtsprechung für solche Fälle entwickelten Grundsätzen auszugehen. Die Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung sei zwar seitens der Beklagten von einer hierzu nicht ermächtigten Person unterfertigt worden, sodass sie zunächst nur schwebend unwirksam zustande gekommen sei. Dieser Zustand sei aber durch die als nachträgliche Genehmigung anzusehenden Prozessbehauptungen der von der Bürgermeisterin vertretenen Beklagten beendet worden. Allerdings entspreche die Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung nur im Hinblick auf die Kosten der Weiterbildung an sich in Höhe von EUR 2.600,--, nicht aber hinsichtlich der gewährten Lohnfortzahlung dem Transparenzgebot. Da für den Arbeitnehmer bei Auflösung des Vertrags keine Klarheit über mögliche Zahlungspflichten bestehe, komme eine Teilnichtigkeit nicht in Betracht und sei die Vereinbarung insgesamt unwirksam. Ein Rückersatz aufgrund der Vereinbarung komme daher nicht in Frage Es sei zwar davon auszugehen, dass der Kläger die Ausbildungskosten in Höhe von EUR 2.600,--durch das von der Arbeiterkammer an die Beklagte übermittelte Schreiben anerkannt habe. Mangels außergerichtlicher Aufrechnung bzw. prozessualer Aufrechnungseinrede sei dies aber nicht verfahrensgegenständlich geworden, sodass der Klage vollinhaltlich stattzugeben sei.
Während diese Entscheidung im Umfang des Zuspruchs von EUR 2.069,05 s.A. mangels Anfechtung in (Teil-)Rechtskraft erwuchs, richtet sich gegen den (darüber hinaus) klagsstattgebenden Teil die rechtzeitige Berufung der Beklagten, die – gestützt auf die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von EUR 2.600,--, beantragt. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
I. Die Berufungswerberin moniert als Verfahrensmangel , dass das Erstgericht sie mit der Rechtsansicht überrascht habe, dass die Kurskosten in Höhe von EUR 2.600,-- mangels ordnungsgemäß erklärter Aufrechnungseinrede nicht berücksichtigt werden hätten können. Insbesondere, weil die Beklagte nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, hätte das Erstgericht die Beklagte über das erforderliche Vorbringen einer konkreten Aufrechnungseinrede anleiten müssen, was es verabsäumt habe. Das durchgeführte Beweisverfahren sei nur zur Überprüfung der Gegenforderung der Beklagten erforderlich gewesen, sodass die Beklagte davon ausgehen habe dürfen, dass die Gegenforderung ausreichend dargetan worden sei. Hätte das Erstgericht die Beklagte entsprechend angeleitet, hätte sie explizit eine prozessuale Aufrechnungseinrede erhoben und wäre das Klagebegehren im Umfang von EUR 2.600,-- abzuweisen gewesen.
II. Dazu hat der Senat erwogen:
1.§ 182a erster Satz ZPO ordnet generell eine unbedingte Erörterungspflicht an. Diese hat während des gesamten Erkenntnisverfahrens stattzufinden und ist nicht auf die vorbereitende Tagsatzung beschränkt. Im Arbeits- und Sozialrechtsverfahren gelten darüber hinaus besondere Bestimmungen über die richterliche Anleitungs- und Belehrungspflicht, wenn eine Partei nicht Versicherungsträger ist und sie auch nicht durch eine qualifizierte Person vertreten wird (§ 39 Abs 2 Z 1 ASGG). Danach hat das Gericht rechtsunkundigen Parteien die zur Vornahme ihrer Prozesshandlungen nötige Anleitung zu geben und dieselben über die mit ihren Handlungen und Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen zu belehren ( Wolff in Köck/Sonntag, ASGG § 39 Rz 4). Wenn sich aus dem Verfahrensverlauf zumindest Anhaltspunkte für bestimmte Ansprüche ergeben, dann erstreckt sich die Anleitungspflicht auf damit verbundene typische Prozesshandlungen, wie sie in gleichgelagerten Fällen von qualifizierten Vertretern üblicherweise gesetzt werden. Eine Verletzung der Belehrungs- und Anleitungspflicht stellt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, die eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache verhindert ( Wolff aaO Rz 6).
1.1. Unter der Aufrechnung versteht man die wechselseitige Tilgung zweier einander gegenüberstehender Forderungen durch Verrechnung. Die Aufrechnungserklärung kann sowohl außerhalb des Prozesses (außerprozessuale Aufrechnungserklärung) als auch im Prozess erfolgen.
1.2. Inhalt der prozessualen Aufrechnungseinredeist die Einwendung einer Gegenforderung des Beklagten mit dem Ziel, die Aufrechnung mit der Klageforderung im Wege einer Gerichtsentscheidung über Bestand und Aufrechenbarkeit der Gegenforderung herbeizuführen (RS0033911). Die Tilgungswirkung der Eventualaufrechnung tritt erst mit Rechtskraft dieser Entscheidung ein (RS0109614 [T2]). Die prozessuale Aufrechnungseinrede ist der Sachantrag des Beklagten, mit dem er die Entscheidung durch Urteil begehrt, dass die Klageforderung durch Aufrechnung mit einer ihm gegen den Kläger zustehenden Gegenforderung ganz oder teilweise erloschen ist und deshalb das Klagebegehren ganz oder teilweise abzuweisen ist. Die prozessuale Aufrechnungseinrede ist demnach eine bedingte Erklärung, die erst und nur für den Fall wirksam wird, dass eine gerichtliche Entscheidung den Bestand der Hauptforderung bejaht; sie bildet im Falle des Bestands der Hauptforderung und der Aufrechenbarkeit den Gegenstand der spruchgemäßen Entscheidung des Gerichtes (RS0034013).
1.3. Demgegenüber wird die außergerichtliche Aufrechnungunbedingt und ohne Rücksicht auf den Bestand der Hauptforderung erklärt. Sie setzt damit die Anerkennung der Hauptforderung voraus und stellt ihr nur die Gegenbehauptung entgegen, dass sie wegen Schuldtilgung nicht mehr bestehe (RIS-Justiz RS0033970). Die diesbezügliche Aufrechnungserklärung kann auch erst während des Verfahrens abgegeben werden (RS0102345; 4 Ob 2/11h). Die Erhebung des Schuldtilgungseinwands setzt voraus, dass aus dem Vorbringen des Beklagten eindeutig hervorgeht, dass er eine privatrechtliche Gestaltungserklärung bereits abgegeben hat oder während des Prozesses abgeben will (RS0040879; Schumann in Kodek/Oberhammer ZPO-ON § 391, 392 Rz 31). Der Schuldtilgungseinwand hat zur Folge, dass das Gericht nur über die Berechtigung der Forderung mit der aufgerechnet wurde (hier: der Gegenforderung) zu erkennen, dabei jedoch eine behauptete Tilgung zu berücksichtigen hat ( SchumannaaO Rz 31; 10 Ob 84/04g). Ob eine Aufrechnung außerhalb des Rechtsstreites erklärt wurde und eingetreten ist, bildet eine Vorfrage für die Entscheidung des Klagebegehren und kommt im Spruch der Entscheidung nicht zum Ausdruck; (RS0034013).
2. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in ihrem Einspruch (ON 3) unter Punkt 9. konkret ausgeführt, wie sich ihr Rückforderungsanspruch für die Weiterbildungskosten in Höhe von insgesamt EUR 7.909,64 zusammensetzt. Des Weiteren hat sie ausgeführt, dass der Klagsbetrag in Höhe von EUR 4.669,05 einbehalten und dem Kläger zudem eine Rechnung über EUR 3.210,59 übermittelt worden sei. Diese Einwendungen, verbunden mit dem Verweis der Beklagten auf die von ihr dem Kläger übermittelte Rechnung vom 31.7.2023 Beilage ./E (ON 6, S 4), in der ausdrücklich auf das dem Kläger zustehende Entgelt in Höhe der Klagsforderung Bezug genommen wird, können nur dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte die Klagsforderung anerkannt hat, jedoch behauptet, dass diese durch eine vorprozessuale Aufrechnung und damit Schuldtilgung erloschen sei, sodass das Klagebegehren abzuweisen sei. Damit hat die Beklagte aber wirksam einen Schuldtilgungseinwand im Prozess erhoben.
2.1. Für eine prozessuale Aufrechnungseinrede im Sinne der Erhebung einer Gegenforderung bestand für die Beklagte daher keine Notwendigkeit, basiert doch die prozessuale Aufrechnungseinrede – wie oben ausgeführt – darauf, dass diese nur unter der Bedingung abgegeben wird, dass die Forderung des Gegners (zum Zeitpunkt der Klagseinbringung noch) zurecht besteht.
2.2. Da die Beklagte sohin ohnehin wirksam einen Schuldtilgungseinwand erhoben hat bedurfte es damit keiner weiteren Anleitung durch das Erstgericht und liegt ein Verfahrensmangel nicht vor.
III. Im Rahmen ihrer Rechtsrüge führt die Berufungswerberin aus, dass das Erstgericht bestätigt habe, dass der Kläger hinsichtlich des Rückersatzanspruchs der Beklagten im Umfang von EUR 2.600,-- ein bindendes Anerkenntnis abgegeben habe. Es sei aber fälschlich davon ausgegangen, dass die Beklagte weder eine prozessuale Aufrechnungseinrede erhoben, noch eine materiell-rechtliche Aufrechnung vorgenommen habe und die Gegenforderung der Beklagten daher nicht Prozessgegenstand gewesen sei. Nun habe die Beklagte aber in der von ihr ausgestellten Lohnabrechnung (Beilage ./E) durch Bekanntgabe und Abzug ihrer Gegenforderung den Willen der Aufrechnung konkret und unmissverständlich außergerichtlich zum Ausdruck gebracht und damit einen Schuldtilgungseinwand erhoben. So seien die Kosten der Weiterbildung, welche mit der Klageforderung gegenverrechnet worden seien, ausdrücklich angeführt worden und auch, dass ein Rückforderungsanspruch diesbezüglich bestehe. Zudem sei im Einspruch unter Punkt 10. festgehalten worden, dass der Kläger den Betrag von EUR 2.600,-- anerkannt habe. Das Erstgericht hätte daher das Klagebegehren im Umfang von EUR 2.600,-- abweisen müssen und nur einen Teilbetrag von EUR 2.069,05 zusprechen dürfen.
IV. Dazu hat der Senat erwogen:
1.1.Vorweg genommen wird, dass das Berufungsgericht, wenn es in der Rechtsfrage angerufen wird, im Sinne der abgeschwächten materiellen Antragstheorie bei gesetzmäßiger Ausführung der Berufung die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu überprüfen hat (RS0043352). Dieser Grundsatz ist jedoch insoweit eingeschränkt, als der Rechtsmittelwerber Rechtsgründe, denen in sich geschlossene Tatsachen zugrunde liegen, behandeln muss, damit sie nicht aus dem Nachprüfungsrahmen herausfallen (RS0043352 [T34]; RS0043338 [T11, T13, T20, T32]; Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 471 Rz 16).
1.2. Im vorliegenden Fall releviert die Beklagte in ihrer Berufung nicht die vom Erstgericht angenommene Unwirksamkeit der Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung, sodass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Problemkreis vom Berufungsgericht nicht mehr vorzunehmen ist. Sie hat auch den Zuspruch von EUR 2.069,05 s.A. unbekämpft gelassen und stützt die „Gegenforderung“ von EUR 2.600,-- ausschließlich auf den Rechtsgrund des Anerkenntnisses.
2. Da das Berufungsgericht – wie im Rahmen der Behandlung des Verfahrensrüge ausgeführt – vom Vorliegen eines wirksam erhobenen Schuldtilgungseinwands ausgeht, ist vom Berufungsgericht daher nur noch zu prüfen, ob der Kläger mit dem Schreiben der Arbeiterkammer vom 4.8.2023 – nur darauf bezieht sich Punkt 10. des Einspruchs der Beklagten – die Rückersatzforderung der Beklagten hinsichtlich des Teilbetrags in Höhe von EUR 2.600,-- (konstitutiv) anerkannt hat, wovon das Erstgericht ausging.
2.1.Gemäß § 1375 ABGB können Parteien einen Vertrag nachträglich abändern oder durch ein neues Schuldverhältnis ersetzen. Das materiell-rechtliche Anerkenntnis in seiner konstitutiven Form ist ein Feststellungsvertrag (3 Ob 2199/96w). Mit diesem wird ein Streit oder Zweifel über ein Recht dadurch bereinigt, dass der Schuldner durch eine Willenserklärung von seiner Position einseitig abrückt. Nicht notwendig ist, dass alle Nebenpunkte vom Anerkenntnis umfasst sind. Das konstitutive Anerkenntnis schafft einen neuen selbstständigen Verpflichtungsgrund und wird im Wesentlichen nach den für den Vergleich bestehenden Regeln behandelt (8 Ob 508/89). Außer bei Arglist des anderen Teils kann der Anerkennende nicht mehr aufgreifen, dass die anerkannte Forderung nicht zu Recht bestehe (RS0032319).
2.2.Durch konstitutives Anerkenntnis kann somit eine Forderung begründet werden, auch wenn sie vor dem Anerkenntnis nicht bestanden hat. Wegen der grundsätzlichen Unzulässigkeit abstrakter Geschäfte ist ein konstitutives Anerkenntnis nur wirksam, wenn dadurch ein Streit über das Bestehen eines bestimmten Rechts bereinigt werden soll (9 Ob 83/01y).
2.3. Im Hinblick auf den Vertragscharakter muss das konstitutive Anerkenntnis gegenüber dem Berechtigten oder seinem Vertreter abgegeben werden und bedarf der Annahme durch den Gläubiger, wobei eine besondere Form nicht vorgesehen ist, außer das anerkannte Recht wäre formbedürftig (Neumayr in KBB 6 § 1375 Rz 3).
2.4.Vom konstitutiven Anerkenntnis ist das unechte oder deklarative Anerkenntnis zu unterscheiden, das eine bloße Wissenserklärung ist und keinen neuen Verpflichtungsgrund schafft (7 Ob 110/15z). Der Schuldner gibt damit nur bekannt, dass das Recht des Gläubigers „seines Wissens“ besteht (RS0114623); erkennbar will er aber keine Rechtsfolgen herbeiführen. Im Rechtsstreit ist das deklarative Anerkenntnis ein widerlegbares Beweismittel zu Gunsten des Bestehens der Forderung (RS0111900).
2.5.Ob ein konstitutives oder ein deklaratives Anerkenntnis vorliegt, ist nach den §§ 914 f ABGB durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln, wobei vor allem die mit der Anerkennung verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung des Anerkenntnisses maßgeblich sind (RS0017965; RS0032666). Einer Erklärung sind im Zweifel die weniger weitgehenden Wirkungen des deklarativen Anerkenntnisses zuzuschreiben (Neumayr in KBB 6 § 1375 Rz 5). Bei der Auslegung des Parteiwillens gilt die Vertrauenstheorie; es kommt darauf an, welchen Eindruck der Erklärungsempfänger aus dem Verhalten des Erklärenden redlicherweise gewinnen musste.
2.6. Die Beklagte verortet nun ein konstitutives Anerkenntnis des Kläger hinsichlich der Ausbildungskosten in Höhe von EUR 2.600,--, da die vom Kläger als Vertreterin beauftragte Arbeiterkammer der Beklagten mit Schreiben vom 4.8.2023 mitteilte, „dass die Kosten für die Ausbildung in der Höhe von EUR 2.600,-- netto, in der Endabrechnung berücksichtigt werden können“.
3.Diese Äußerung bedarf im Sinne der Auslegungsregeln nach § 914 f ABGB einer näheren Analyse.
3.1. Der Beklagten ist zuzugestehen, dass die Forderung über den Rückersatz der Ausbildungskosten zwischen den Parteien aufgrund einer diesbezüglich geschlossenen Vereinbarung bereits strittig war.
3.2. Die streitgegenständlichen Textpassage darf nicht losgelöst, sondern muss vielmehr in ihrem Kontext betrachtet werden. In dem genannten Schreiben hat die Arbeiterkammer unmittelbar vor der Textpassage darauf hingewiesen, dass bei Vereinbarungen über den Rückersatz von Ausbildungskosten das Transparenzgebot zu beachten sei. Das während der Weiterbildung fortgezahlte Entgelt hätte betragsmäßig angeführt werden müssen, damit der Dienstnehmer wisse, auf welche Verpflichtung er sich einlasse. Die von der Beklagten in der Vereinbarung gewählte Formulierung „...sowie die gewährten Dienstbezüge samt Dienstgeberanteil…“ sei daher zu unbestimmt und damit als unwirksam zu beurteilen.
3.3. Unmittelbar nach der von der Beklagten als „Anerkenntnis“ verstandenen Textpassage wurde „unpräjudiziell und vorbehaltlich einer Ausdehnung“ angeführt, welche Ansprüche der Kläger stellt, nämlich
„1. Abrechnung und Auszahlung des Entgelts vom Juli 2023
2. Abrechnung und Auszahlung der anteiligen Sonderzahlungen
3. Abrechnung und Auszahlung der Urlaubsersatzleistung laufender und Sonderzahlungsanteil
4. Abrechnung und Auszahlung des Zeitguthabens.“
Ein Abzug für Ausbildungskosten in Höhe von EUR 2.600,-- ist dabei nicht angeführt. Mit den Worten „unpräjudiziell“ und „vorbehaltlich“ wird erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass keine endgültige Rechtsfolge mit der Erklärung verbunden werden sollte.
3.4. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann, wenn man die streitgegenständliche Textpassage in ihrem Kontext betrachtet, vom Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses über EUR 2.600,-- nicht ausgegangen werden. In Zusammenschau den wiedergegebenen Passagen ist vielmehr davon auszugehen, dass damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Ausbildungskosten im engeren Sinn, die auf einen konkreten Betrag (EUR 2.600,--) gerichtet sind, nicht von vornherein als unwirksam anzusehen, sondern als dem Transparenzgebot entsprechend zu qualifizieren sind. Dies ist auch mit dem nachfolgenden Absatz, in welchem „ unpräjudiziell“ und „vorbehaltlich der Ausdehnung“ nicht bezifferte Forderung geltend gemacht werden, in welchem ein Abzug dieser für transparent befundenen Ausbildungskosten nicht aufscheint, vereinbar. Schließlich wird im Schreiben auch darauf hingewiesen, dass der Kläger zuletzt EUR 3.046,-- brutto ins Verdienen brachte, was darauf schließen lässt, dass abgesehen von einer grundsätzlichen Wirksamkeit der Rückersatzforderung nach dem Transparenzgebot noch weitere Voraussetzungen für das Bestehen der Forderungen zu prüfen seien. Zu denken ist dabei insbesondere an die Pfändungsbeschränkung gemäß § 293 EO, die vom Kläger im Verfahren auch eingewendet wurde.
3.5. Schließlich wurde mit Schreiben der Klagevertreter vom 28.7.2023, sohin eine Woche vor dem Schreiben der Arbeiterkammer, die Eignung der Ausbildung für einen Rückersatz in Abrede gestellt. Auch aus diesem Grund durfte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass sich der Kläger unabhängig von der Zulässigkeit der Rückersatzvereinbarung zur Zahlung der Ausbildungskosten hätte verpflichten wollen. Die Textpassage, dass die EUR 2.600,-- an Ausbildungskosten in der Endabrechnung berücksichtigt werden könnten, ist daher nicht geeignet, einem redlichen Erklärungsempfänger einen Bindungswillen ohne Rücksicht auf das tatsächliche Bestehen einer Rückersatzverpflichtung zu vermitteln. Allein der Umstand, dass zunächst die Wirksamkeit der gesamten Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung in Abrede gestellt wurde, reicht dafür nicht aus.
3.6. Da ein konstitutives Anerkenntnis nicht vorliegt, erübrigt sich auch das Eingehen auf die Frage, ob die Arbeiterkammer als eine von mehreren Vertretern des Klägers befugt gewesen wäre, ein „konstitutives Anerkenntnis“ abzugeben.
4. Der Berufung der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.
V. Verfahrensrechliches:
1.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf den §§ 2 Abs 1 ASGG, 50, 41 ZPO. Demnach hat die mit ihrem Rechtsmittel erfolglose Beklagte dem einen vollumfänglichen Abwehrerfolg erzielenden Kläger die richtigverzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung in Höhe von EUR 731,90 (darin enthalten EUR 121,98 an USt) zu ersetzen.
2.Da sich das Berufungsgericht bei seiner ein Einzelfallerkenntnis bildenden Entscheidung – wie durch Zitate belegt – auf eine klare Rechtslage stützen konnte und keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu klären waren, bestand kein Anlass, die ordentliche Revision zuzulassen.
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