Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen Dr. in Angerer (Vorsitz), Dr. in Jost-Draxl und den Richter Mag. Obmann, LL.M. in der Rechtssache der klagenden Partei Mag a . A* B* , geboren am **, Soziologin, **, vertreten durch Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei Dr. C* D* , Arzt, geboren am **, **/Rumänien, vertreten durch Metzler Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen EUR 24.977,06 samt Anhang und Feststellung (Interesse EUR 3.000,00), über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 27.977,06) gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 22. Jänner 2025, **-80, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.007,02 (darin EUR 501,17 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,00.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Am 8. Februar 2022 ereignete sich im Skigebiet ** in ** auf der Piste Nr. ** („**“) zwischen den Streitteilen ein Skiunfall. Gegenstand des Verfahrens sind Schadenersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten und die Feststellung seiner Haftung gegenüber der Klägerin aufgrund dieses Skiunfalls. Thema des Berufungsverfahrens ist die Frage des Verschuldens des Beklagten am Zustandekommen des Skiunfalls. Dem liegt im Wesentlichen folgender, vom Erstgericht erarbeiteter Sachverhalt zugrunde, wobei die vom Beklagten bekämpften Feststellungen wörtlich wiedergegeben und kursiv gekennzeichnet hervorgehoben werden:
Die Unfallstelle befindet sich auf Höhe der Talstation des E*-Vierer-Sesselliftes. Von bergwärts aus Süden kommend führt die Piste Nr. ** in einem langgezogenen Linksbogen in Richtung Norden. Auf Höhe der Talstation geht die Piste Nr. ** in eine Gerade über. Die Piste wird im Osten durch einen Wald und durch ein auffallendes Geländer begrenzt. Direkt talwärts der Talstation vom E* befindet sich die „F*-Hütte“. Auf Höhe des Zugangs zur Terrasse wird die Bezugslinie als Normale zur Pistenlängsachse angenommen. Der Zugang zum E*-Sessellift befindet sich rund 20 m bergwärts und südlich der Bezugslinie. Von bergwärts kommend wird die Piste im Westen ebenfalls durch unpräpariertes Gelände mit Schneestangen begrenzt. Auf Höhe der Talstation ist ein Netz vorhanden, das bogenförmig um die Talstation herumgespannt ist. Im Bereich von 20 m südlich der Bezugslinie befindet sich der Zugang zur Talstation, der von der Piste in Richtung Westen nur ganz leicht abfallend zu den Drehkreuzen führt. An der engsten Stelle zwischen dem Netz und dem östlichen Pistenrand ergibt sich noch eine präparierte Breite von 50 m. Bei der Piste Nr. ** handelt es sich um eine blau klassifizierte Piste. Die Piste ist übersichtlich. Man kann von mindestens 250 m bergwärts der Bezugslinie den gesamten Talstationsbereich und die weiterführende Piste überblicken. Das Wetter zum Unfallzeitpunkt war sonnig bis wolkig bei guten Sichtverhältnissen.
Die Klägerin befand sich gemeinsam mit ihrem Ehemann und den beiden Töchtern am rechten Pistenrand der Piste Nr. ** bei der Abfahrt in Richtung Tal, als sie in der Nähe des Lifteinstiegs noch 5 m innerhalb der Piste vom Sessellift entfernt und 20 m südlich der Bezugslinie anhielt, um auf ihren Mann sowie die beiden Töchter zu warten, wobei ihre Skispitzen quer zur Piste in Richtung Lift standen und sie über die rechte Schulter blickte, um nach ihrer Familie Ausschau zu halten . Der auf der rechten Pistenseite in Talfahrt befindliche Beklagte vollzog kurz vor dem Zusammenstoß einen Rechtsschwung. Aufgrund eines Beobachtungsfehlers fuhr der Beklagte dabei in einem zu geringen Abstand bei der Klägerin vorbei, sodass dieser, als die Klägerin ihren Oberkörper Richtung Tal drehte, um mit der rechten Hand ihren Kindern und ihrem Ehemann zuzuwinken, mit der rechten Schulter der Klägerin kollidierte, sodass die Klägerin über ihre linke Körperseite nach vorne stürzte und sich dabei einen Bruch des linken Schlüsselbeins zuzog . Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes war der Beklagte im Verhältnis zur Klägerin der von oben kommende schnellere Skifahrer. Bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt wäre es dem Beklagten möglich gewesen, die Klägerin zu erkennen und seine Fahrlinie derart anzupassen, dass eine Kollision verhindert worden wäre. Der Klägerin war dementgegen keine unfallvermeidende Ausweichbewegung möglich.
Die Klägerin erlitt beim Unfall einen Bruch ihres linken Schlüsselbeins im mittleren Drittel. Aufgrund der erlittenen Verletzung wurde die Klägerin am 9. Februar 2022 im Landesklinikum G* operiert und postoperativ für vier Wochen im Gilchrist-Verband ruhiggestellt. In weiterer Folge verwirklichte sich eine Komplikation in der Form einer Lockerung des Osteosynthesematerials, nämlich der zur Bruchstabilisierung eingesetzten Platte samt Schrauben, aufgrunddessen ein neuerlicher Eingriff am 20. Juli 2022 im Landesklinikum H* erfolgte . Weiters entwickelte die Klägerin als zusätzliche Komplikation eine Pseudoarthrose , sodass der Knochenbruch nicht knöchern konsolidiert bzw nicht ausgeheilt ist.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten zuletzt die Zahlung eines näher aufgeschlüsselten Schadenersatzbetrages von EUR 24.977,06 samt Zinsen sowie die Feststellung, dass ihr der Beklagte für zukünftige Schäden aus dem Skiunfall vom 8. Februar 2022 hafte. Sie bringt im Wesentlichen vor, den Beklagten treffe das Alleinverschulden, weil er unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt auf die auf der Piste stehende Klägerin zugefahren und mit dieser praktisch ungebremst kollidiert sei.
Der Beklagte bestreitet ein Verschulden am Zustandekommen des Skiunfalls. Dieses treffe allein die Klägerin, die sich im Zeitpunkt der Kollision bewegt habe. Nach der Kollision habe er die Klägerin untersucht; sie sei nicht verletzt gewesen. Die Klägerin sei danach sogar noch mit den Skiern weitergefahren. Allfällige Komplikationen im weiteren Heilungsverlauf seien auf die unsachgemäße Durchführung medizinischer Eingriffe zurückzuführen.
Mit dem angefochtenen Urteil erkennt das Erstgericht den Beklagten schuldig, der Klägerin EUR 24.977,06 samt 4 % Zinsen aus EUR 17.184,00 seit 1. September 2022 sowie 4 % Zinsen aus weiteren EUR 7.793,06 seit 8. Februar 2023 zu zahlen und gibt dem Feststellungsbegehren statt. Das auf Zahlung von Zinsen auch aus EUR 7.793,06 seit 1. September 2022 bis 7. Februar 2023 gerichtete Begehren weist es – insoweit rechtskräftig – ab und verpflichtet den Beklagten zum Prozesskostenersatz an die Klägerin. Es trifft über den eingangs dargestellten Sachverhalt die auf den Urteilsseiten 2 bis 8 ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird.
In rechtlicher Hinsicht geht das Erstgericht vom Alleinverschulden des Beklagten am Zustandekommen des Skiunfalls aus.
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen den Zuspruch von EUR 24.977,06 samt Zinsen sowie die Feststellung seiner Haftung. Als Rechtsmittelgründe macht er die unrichtige Tatsachenfeststellung, eine unrichtige rechtliche Beurteilung und eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise beantragt er, dieses im angefochtenen Umfang aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt .
A. Zur Mängelrüge
1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beklagte, dass das Erstgericht seinen Antrag, die Zeugin I* D* zum Unfallhergang einzuvernehmen, wegen geklärter Sach- und Rechtslage abgewiesen habe. Dies stelle eine vorgreifende Beweiswürdigung dar und damit liege ein sonstiger Verfahrensmangel in Form eines Stoffsammlungsmangels gemäß § 496 Abs 1 Z 2 ZPO vor.
2. Der Beklagte übersieht, dass er in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 22. November 2024 auf die Einvernahme der Zeugin I* D* verzichtet hat (ON 75.5, 18), sodass er sich durch die unterlassene Einvernahme nicht beschwert erachten kann. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor.
B. Zur Tatsachenrüge
1. Im Rahmen der Tatsachenrüge wendet sich der Beklagte gegen die eingangs dargestellten, durch Kursivschrift hervorgehobenen Feststellungen und begehrt an deren Stelle folgende Ersatzfeststellungen:
„[…] wobei ihre Skispitzen quer zur Piste in Richtung Lift standen und sie über die rechte Schulter blickte, um nach ihrer Familie Ausschau zu halten. Als sie diese erblickte, winkte sie ihnen zu und setzte sich mit einer Drehung des Oberkörpers in Bewegung, um zur Lifteinfahrt zu gelangen, ohne sich zu vergewissern, dass ihre Bahn frei war. Der Beklagte fuhr gerade bei der Klägerin vorbei, sodass die beiden, als die Klägerin sich in Bewegung setzte, um zur Lifteinfahrt zu gelangen, kollidierten, sodass die Klägerin über ihre linke Körperseite nach vorne stürzte. Es kann nicht festgestellt werden, wie sich die Klägerin den Bruch des Schlüsselbeins zuzog. Ist das Schlüsselbein derart gebrochen, ist eine Rotationsbewegung mit dem Arm nicht möglich. Aufgrund der unvermittelten Anfahrt der Klägerin war es dem Beklagten nicht möglich, seine Fahrlinie noch anzupassen, sodass eine Kollision verhindert worden wäre. Es kann nicht festgestellt werden, wie es zum Unfall kam.
[…] In der Folge entwickelte sich eine Komplikation in der Form einer Lockerung des Osteosynthesematerials, nämlich der zur Bruchstabilisierung eingesetzten Platte samt Schrauben, aufgrunddessen ein neuerlicher Eingriff am 20. Juli 2022 erfolgte. Die Schmerzperioden in diesem Zeitraum sind daher nicht unfallkausal. Weiters entwickelte die Klägerin als zusätzliche Komplikation eine Pseudoarthrose.“
2.1. Gemäß § 272 ZPO obliegt die Beweiswürdigung primär dem erkennenden Richter. Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich das Erstgericht, das die Beweise unmittelbar aufgenommen hat, für eine von mehreren einander widersprechenden Darstellungen aufgrund seiner Überzeugung, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, entscheidet. Der persönliche Eindruck des Richters, seine Kenntnisse der Lebensvorgänge, Erfahrungen in der menschlichen Gesellschaft und die Menschenkenntnis werden zur entscheidenden Grundlage für die Wahrheitsermittlung. Dementsprechend hat das Berufungsgericht die Beweiswürdigung (nur) daraufhin zu untersuchen, ob die Grenzen der freien Beweiswürdigung eingehalten und die Beweisergebnisse schlüssig gewürdigt wurden. Für die wirksame Bekämpfung einer Beweiswürdigung genügt es nicht aufzuzeigen, dass auch andere Feststellungen möglich gewesen wären oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen. Die Beweisrüge kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht vorgenommenen Beweiswürdigung stichhältige Bedenken ins Treffen führen kann, die erhebliche Zweifel an dieser Beweiswürdigung rechtfertigen. Es ist also darzulegen, dass die getroffenen Feststellungen unzweifelhaft oder zumindest überwiegend wahrscheinlich unrichtig sind. Maßgeblich ist, ob für die richterliche Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung (wie hier) ausreichende Gründe vorhanden sind ( Rechberger in Fasching/Konecny, ZPO 3§ 272 ZPO Rz 4 ff, 11; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 272 ZPO Rz 1 ff; A. Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5§ 482 ZPO, Rz 6 mwN; Klauser/Kodek , JN-ZPO 18§ 467 ZPO, E 39 ff; RIS-Justiz RS0043175, RS0043175).
2.2. Dabei setzt die gesetzmäßig ausgeführte und daher zu behandelnde Tatsachenrüge voraus, dass in der Berufung konkret angegeben wird, welche Beweise der Erstrichter unrichtig gewürdigt hat, aus welchen Erwägungen sich dies ergibt und welche Tatsachenfeststellungen bei ebenso zu begründender, richtiger Beweiswürdigung zu treffen gewesen wären; das Rechtsmittel hat sich somit mit der Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung konkret auseinander zu setzen (RS0041835).
3. Dass sich zwischen der Klägerin und dem Beklagten am 8. Februar 2022 ein Skiunfall ereignete, ist unbestritten. Soweit der Beklagte in Ansehung des Unfallhergangs im Wesentlichen unter Berufung auf seine eigenen und die Angaben der Zeugen J* und I* D* zu argumentieren versucht, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Kollision nicht stillstand, sondern selbst in Bewegung war, sie das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe und dazu (auch) auf das Gutachten des sehr erfahrenen Sachverständigen aus dem Fachgebiet des alpinen Skisports DI Dr. K* (ON 75.5) rekurriert, ist ihm eben dieses schlüssige, gut nachvollziehbare und insgesamt überzeugende Gutachten entgegenzuhalten. Ausgehend von den Angaben der Klägerin, des Beklagten und der vom Beklagten geführten Zeugen J* und L* ergeben sich drei mögliche Varianten des Unfallhergangs (ON 75.5, insbesondere 15 bis 18). Sämtlichen Varianten – daher selbst nach den Angaben des Beklagten und der von ihm geführten Zeugen – ist jedoch gemein, dass stets der Beklagte der von oben kommende, schnellere Schifahrer war, diesem ein kausaler Beobachtungsfehler unterlief und die Klägerin – einerlei, ob sie stillstand oder sich langsam bewegte – keine Möglichkeit hatte, unfallvermeidend zu reagieren. Solcherart begegnen die vom Beklagten bekämpften, vom Erstgericht getroffenen und im Einklang mit den Angaben der Klägerin und des Zeugen M* B* sowie dem Gutachten des Sachverständigen DI Dr. K* stehenden Feststellungen zum Unfallhergang keinen Bedenken. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit den Beweisergebnissen zum Unfallhergang ist daher entbehrlich.
4.1. Weiters bringt der Beklagte vor, dass die Klägerin nach seiner Wahrnehmung bei der Kollision keine Verletzung erlitten habe und allfällige Komplikationen im Heilungsverlauf der von der Klägerin behaupteten Verletzung allein auf die unsachgemäße Durchführung der medizinischen Heilbehandlungen zurückzuführen seien.
4.2. Die vom Beklagten begehrte Ersatzfeststellung, dass nicht festgestellt werden kann, wie sich die Klägerin den Bruch des Schlüsselbeins zuzog, widerspricht der unbekämpften Feststellung, dass die Klägerin anlässlich des Unfalls einen Bruch ihres linken Schlüsselbeins im mittleren Drittel erlitt (US 7). Auch die vom Kläger begehrte Ersatzfeststellung, dass die von der Klägerin aufgrund der Lockerung des Osteosynthesematerials bis 20. Juli 2022 erlittenen Schmerzen nicht unfallkausal seien, widerspricht der unbekämpft gebliebenen (dislozierten) Feststellung, dass es sich bei den eingetretenen Komplikationen um (bei dieser Verletzung) typische Komplikationen handelt, welche nicht auf eine fehlerhafte Behandlung zurückzuführen sind (US 10). Die Feststellungen zu der von der Klägerin beim Skiunfall erlittenen Verletzung sowie den damit einhergehenden Komplikationen sind im Übrigen auch unbedenklich. Hätte die Klägerin bei dem Skiunfall keine Verletzungen erlitten, so wäre sie nicht zeitnah zur Kollision von der Pistenrettung mit dem Skidoo zu Tal gebracht und von der Rettung in die Klinik N* transportiert worden. Mit Blick auf die überzeugenden Angaben der Klägerin, dass sie dem Beklagten gezeigt habe, dass unmittelbar nach dem Zusammenstoß der Knochen des Schlüsselbeins herausgestanden sei, und sie mit der linken Hand auch keine Bewegungen habe machen können, ist den gegenteiligen Angaben des Beklagten und der Zeugen J* und L* nicht zu folgen. Dass der Beklagte und die ihm nahestehenden Zeugen den Angaben der Klägerin entgegenstehende Angaben machten, ist mit Blick auf das Interesse des Beklagten auf einen für ihn günstigen Prozessausgang nachvollziehbar, vermag jedoch den Überzeugungsgehalt der Angaben der Klägerin – die auch im Einklang mit den Angaben des Zeugen M* B* stehen – nicht zu mindern. Schließlich ist die von der Klägerin erlittene Verletzung aus medizinischer Sicht basierend auf dem Ambulanzbericht der Klinik N* (Beilage ./S) und der Dokumentation des Landesklinikums G* (Beilage ./D) nachvollziehbar und auch mit dem von der Klägerin geschilderten Unfallgeschehen in Einklang zu bringen, wie sich dies aus dem schlüssigen, gut nachvollziehbaren und im Übrigen unbedenklichen Gutachten des Sachverständigen Privatdozent Dr. O* (ON 42.1) samt dessen Ergänzung (ON 54.1) ergibt. Aus den Ausführungen dieses Sachverständigen ergibt sich auch zweifelsfrei, dass die Lockerung der zur Stabilisierung des Bruchs eingesetzten Platte unter Ausbildung einer Pseudoarthrose samt Notwendigkeit einer Reoperation – wie vom Erstgericht festgestellt (US 7 und US 10) – unfallkausal ist, sodass sämtliche von der Klägerin erlittenen Schmerzen als unfallkausal anzusehen sind und aus medizinischer Sicht eine ungewöhnliche Verzögerung der Reoperation nicht vorliegt (ON 54.1). Bleibt anzumerken, dass die von der Klägerin geschilderte Verletzung auch aus biomechanischer Sicht nachvollziehbar ist (ON 32.2, 9).
5. Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichts und legt diese gemäß § 498 Abs 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde.
C. Zur Rechtsrüge
1. Das Erstgericht ging von der Anwendbarkeit österreichischen Rechts aus. Keine der Parteien forderte eine davon abweichende Beurteilung oder erstattete ein Vorbringen dazu. Deshalb genügt der Hinweis, dass die vom Erstgericht vorgenommene Anknüpfung dem Regelungsinhalt in Art 4 Abs 1 Rom-II-VO entspricht ( Neumayr in KBB 7 Art 4 Rom-II-VO Rz 3).
2. Der Beklagte erblickt einen Widerspruch in den Feststellungen, wonach er auf der rechten Pistenseite in Talfahrt befindlich kurz vor dem Zusammenstoß einen Rechtsschwung vollzog und die Klägerin sich […] 5m innerhalb der Piste vom Sessellift entfernt befand. Darüber hinaus moniert er fehlende Feststellungen zur Kausalität der Pseudoarthrose.
3. Ein sekundärer Feststellungsmangel liegt vor, wenn das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen hat und daher Feststellungen für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung fehlen (RS0043480 [T15]; RS0043320 [T16]; RS0053317). Widersprüchliche Feststellungen, die eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht ermöglichen, sind Feststellungsmängel (RS0042744).
4. Das Erstgericht hat – vom Beklagten nicht bestritten und in der Berufung auch gar nicht bekämpft – festgestellt, dass sich zwischen der Klägerin und dem Beklagten der hier interessierende Skiunfall ereignet hat (US 2). Ausgehend vom weiteren festgestellten Sachverhalt zum Unfallhergang ist die Feststellung, dass der Beklagte auf der rechten Pistenseite zu Tal fuhr, obwohl sich die Klägerin nach den Feststellungen auf der linken Pistenseite befand, für die abschließende rechtliche Beurteilung nicht notwendig. Diese einander widersprechenden Feststellungen sind somit nicht weiter relevant.
5. Soweit der Beklagte fehlende Feststellungen zur Kausalität der Pseudoarthrose moniert, ist er auf die Abhandlung zu den bezughabenden Feststellungen in der Tatsachenrüge (4.2.) zu verweisen.
6. Sekundäre Feststellungsmängel liegen nicht vor.
7.1. Das österreichische Recht kennt keine verbindlichen Rechtsnormen für das Verhalten auf Skipisten. Daher kann eine Haftung eins Skiläufers (Snowboarders) einem anderen Skiläufer (Snowboarder) gegenüber erst dann entstehen, wenn zu den unvermeidbaren Risiken des Skilaufens noch weitere schuldhafte Verhaltensweisen hinzutreten. In diesem Zusammenhang gewinnen publizierte Verhaltensregelkataloge besondere Bedeutung, insbesondere die vom Rechtsausschuss des Internationalen Skiverbandes FIS erarbeiteten Verhaltensregeln für Skifahrer und Snowboarder (FIS-Regeln) sowie der von der Vollversammlung des österreichischen Kuratoriums für Sicherung vor Berggefahren für sachgerecht befundene, genehmigte und veröffentlichte Pistenordnungsentwurf (POE [einst zusammengestellt von Dr. P*, Dr. Q*, Dr. R* im Auftrag des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit]).
Diese Verhaltenskataloge sind zwar keine Rechtsnormen. Die Rechtsprechung akzeptiert diese Regelkataloge jedoch als Zusammenfassung und Konkretisierung von Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten bei der Ausübung des alpinen Skisports und Snowboardens. Derartige Sorgfaltspflichten müssen daher alle den Skisport (Snowboardsport) ausübende Personen berücksichtigen. Gleichzeitig darf jeder Skifahrer (Snowboarder) darauf vertrauen, dass auch andere Pistenbenützer diese natürlichen Verhaltensregeln einhalten werden (RS0023793; vgl dazu allgemein: Pichler/Holzer , Handbuch des österreichischen Skirechts, 150 ff; Pichler , Der FIS-Regel Katalog und der Österreichische Pistenordnungsentwurf [POE] – Rechtsvorrang auf Skipisten?, ZVR 2006/19; Kaltenegger/Schöllnast , Pistenregeln – ein Überblick, ZVR 2007/22, 47 ff).
7.2. Grundlage für die Beurteilung des Verhaltens der beiden Unfallbeteiligten sind im Wesentlichen die Fahrlinien und Geschwindigkeiten auf den letzten 20 bis 30 m vor dem Zusammenstoß. Im Zentrum der Rekonstruktion von Unfällen bei Zusammenstößen auf Pisten steht somit die Suche nach der Antwort auf die Frage, wer im Sinne der FIS-Regel Nr. 3 und § 8 POE der vordere, langsamere und wer der hintere, schnellere Skifahrer war und damit die (bessere) Möglichkeit der Unfallvermeidung hatte ( Gschöpf , Die deliktische Haftung von Skifahrern und anderen Wintersportlern, ZVR-Verkehrsrechtstag 2017, ZVR 2017/245, 461 [462]).
7.3. Hier ergeben sich die für die Fallbeurteilung maßgebenden Kriterien insbesondere aus der FIS-Regel Nr. 3:
Wahl der Fahrspur: Der von hinten kommende Skifahrer und Snowboarder muss seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer und Snowboarder nicht gefährdet.
sowie aus § 8 POE
Vorrang des vorderen, langsameren Skifahrers: Der hintere, schnellere Skifahrer hat seine Fahrweise dem vorderen, langsameren Skifahrer anzupassen; dieser hat Vorrang gegenüber dem hinteren Fahrer. Der Skifahrer ist nicht verpflichtet, während der Fahrt die Läufer hinter sich zu beobachten, jedoch hat der die Piste querende Skiläufer auch nach oben zu beobachten und auf den oben kommenden Läufer Rücksicht zu nehmen.
und § 9 POE
Sicherheitsabstand: Der hintere Skifahrer hat gegenüber dem vorderen Skifahrer, der überholende oder vorbeifahrende Skifahrer gegenüber den vor ihm fahrenden oder stehenden Personen einen angemessenen Sicherheitsabstand einzuhalten.
7.4. Im Lichte dieser Verhaltensvorschriften sind die vom Erstgericht gezogenen rechtlichen Schlüsse zwingend: Der Beklagte war der hintere, schnellere Skifahrer, der den Vorrang der Klägerin als vordere – nach den Feststellungen im Stillstand befindliche – Skiläuferin hätte beachten müssen und der auch die Möglichkeit zur Unfallabwehr gehabt hätte. Indem der Beklagte die Klägerin niederstieß, brach er deren Vorrang. Denn das Erstgericht nahm als erwiesen an, dass der Beklagte in den letzten Sekunden vor dem Zusammenstoß der schnellere und auch von oben kommende Skiläufer gewesen war. Der Beklagte hätte die Klägerin bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt erkennen und seine Fahrlinie kollisionsvermeidend anpassen können, während die Klägerin keine Möglichkeit hatte, die Kollision zu verhindern.
7.5. Damit ist aus den vom Erstgericht genannten Gründen eine Haftung des Beklagten unvermeidbar, während kein Grund besteht, auch die Klägerin zum Schadensausgleich heranzuziehen.
C. Ergebnis, Kosten und Zulassung
1. Aus den oben angeführten Gründen konnte der Berufung kein Erfolg beschieden sein.
2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat der Klägerin die richtig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
3. Da der Wert des Entscheidungsgegenstandes im Berufungsverfahren nicht ausschließlich in Geld besteht, ist eine Bewertung nach § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO vorzunehmen. Angesichts des Zahlungsbegehrens von rund EUR 25.000,00 sowie mit Blick auf die von der Klägerin erlittene Verletzung und insbesondere der daraus resultierenden Spätfolgen war der Wert des Entscheidungsgegenstandes, über den das Berufungsgericht zu entscheiden hatte, mit über EUR 30.000,00 zu bewerten. Dabei ist es an die Bewertung des Feststellungsbegehrens durch die Klägerin nicht gebunden (RS0043252; RS0042285 [T2]).
4. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen war.
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