Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Pöhlmann als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Dr. Vogler und den Richter Mag. Falmbigl (Dreiersenat gem § 11a Abs 2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Mag. Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , **, wegen Berufsunfähigkeitspension , über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30.4.2025, **–16, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung:
Mit rechtskräftigem Urteil vom [richtig:] 21.2.2023 sprach das Arbeits- und Sozialgericht Wien zu ** aus, dass vorübergehende Berufsunfähigkeit mit Ablauf des 30.11.2022 nicht mehr vorliege, das Rehabilitationsgeld daher mit Ablauf des 30.11.2022 entzogen werde, medizinische Maßnahmen der Rehabilitation mit Ablauf des 30.11.2022 nicht mehr zweckmäßig seien und kein Anspruch auf berufliche Maßnahmen der Rehabilitation bestehe.
Mit Bescheid vom 8.1.2024 wies die Beklagte den am 31.10.2023 bei der Beklagten eingelangten Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension zurück, weil keine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes glaubhaft bescheinigt werde.
In der dagegen erhobenen Klage wird vorgebracht, es sei seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung eine wesentliche Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit eingetreten. Die Konzentrationsstörungen und Depressionen hätten massiv zugenommen. Die Klägerin sei überhaupt nicht mehr belastbar und leide zusätzlich auch unter Polyneuropathie sowie zunehmend an Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Klage, weil seit dem rechtskräftigen Urteil vom 21.2.2023 noch keine 18 Monate vergangen seien und eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes nicht glaubhaft bescheinigt werde.
Das Erstgericht trug der Klägerin mit Beschluss vom 31.5.2024 auf, sämtliche Bescheinigungsmittel vorzulegen, wonach sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit 21.2.2023 wesentlich verschlechtert habe. Die Klägerin legte sodann mit Schriftsatz vom 4.6.2024 einen Befund ihrer behandelnden Ärztin Dr. B* vom 9.1.2024 (./B) vor.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Klage zurück. Es nahm nicht als bescheinigt an, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit 21.2.2023 beziehungsweise seit der Rechtskraftbestätigung am 8.5.2023 bis zur Antragstellung am 31.10.2023 oder danach wesentlich verschlechtert habe. Eine wesentliche Veränderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes der Klägerin sei nicht glaubhaft bescheinigt, und zwar weder für den Zeitraum bis 31.10.2023 noch für die Zeit danach.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass ein Antrag auf Zuerkennung einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit gemäß § 362 ASVG zurückzuweisen sei, wenn ein Antrag auf Zuerkennung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation oder einer Pension aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit mangels entsprechender Minderung der Arbeitsfähigkeit oder bei Entziehung einer solchen Pension abgelehnt worden sei und vor Ablauf von 18 Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung ein solcher Antrag neuerlich eingebracht werde, ohne dass eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes glaubhaft bescheinigt werde.
Ein Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gelte gemäß § 361 Abs 1 ASVG vorrangig als Antrag auf Leistung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation und von Rehabilitationsgeld sowie auf Feststellung, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar seien (einschließlich der Feststellung des Berufsfeldes).
Gemäß § 68 Abs 2 ASGG habe die Versicherte für den Fall, dass der Versicherungsträger in den Fällen des § 362 ASVG den Antrag zurückgewiesen habe, als Prozessvoraussetzung eine wesentliche Änderung der Anspruchsvoraussetzungen glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung sei hier eine Voraussetzung der Rechtswegzulässigkeit. Gelingt der Versicherten die Glaubhaftmachung nicht, sei die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 73 ASGG zurückzuweisen. Es fehle dann an der Voraussetzung eines über den Leistungsantrag des Versicherten materiell absprechenden Bescheides des Versicherungsträgers (§ 67 Abs 1 Z 1 ASGG) und an der weiteren Voraussetzung der Glaubhaftmachung einer wesentlichen Änderung im Sinne einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes (RS0085668).
Da es der Klägerin nicht gelungen sei, glaubhaft zu machen, dass eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung eingetreten sei, sie aber vor Ablauf von 18 Monaten ab Rechtskraft des Urteils einen neuerlichen Antrag eingebracht habe, sei die Klage gemäß § 67 Abs 1 ASGG iVm §§ 68 und 73 ASGG zurückzuweisen.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.
Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Die Klägerin macht als Verfahrensmangel geltend, dass sich das Erstgericht mit einem Aktengutachten begnügt habe. Es hätte vielmehr die Klägerin neuerlich begutachten müssen.
Darüber hinaus habe das Aktengutachten ergeben, dass es zu einer Verschlechterung gekommen sei, da bei der Klägerin zunehmend Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen beobachtbar gewesen seien, sohin Beschwerden, die einer chronischen Depression zuzuordnen seien. Weiters sei ein oberes Cervicalsyndrom, eine mittelschwere Depression sowie eine motorisch axonale PNP genannt.
2.Hat ein Versicherungsträger in den Fällen des § 362 ASVG den Antrag – wie hier – zurückgewiesen, ist das gerichtliche Verfahren nur dann durchzuführen, wenn der Versicherte dem Gericht eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen vermag (§ 68 Abs 1 ASGG).
Die dem Versicherten zur Pflicht gemachte Glaubhaftmachung bezieht sich auf den Tatsachenbereich. Die Lösung der Frage, ob die Änderung des Gesundheitszustandes wesentlich ist, fällt sodann in den Bereich der rechtlichen Beurteilung (RS0043519).
Die Glaubhaftmachung einer wesentlichen Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustands iSd § 68 ASGG ist eine Voraussetzung der Rechtswegzulässigkeit. Gelingt dem Versicherten die Glaubhaftmachung nicht, ist seine Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen ( Neumayr in Neumayr/Reissner , ZellKomm 3§ 68 ASGG Rz 7; RS0085668, RW0000191, RW0000722).
Durch diese Bestimmungen soll – im Sinne der Verfahrensökonomie – vermieden werden, dass beliebig oft Anträge auf Gewährung von Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gestellt werden können, über die dann jeweils in einem aufwendigen Verfahren entschieden werden muss (vgl 10 ObS 181/99m zur ähnlichen Regelung des BPGG).
3.Die Bescheinigungsmittel für eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustands oder für das Hinzutreten eines neuen Leidens müssen geeignet sein, dem Richter die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit dieser Tatsache zu verschaffen (RS0085657).
Demgemäß kommen als Bescheinigungsmittel vor allem ärztliche Bestätigungen und Befunde in Betracht, denen hinreichend deutlich eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustands entnommen werden kann.
4.Das Bescheinigungsverfahren ist rasch durchzuführen, sodass nur parate Bescheinigungsmittel in Betracht kommen, die im Sinne des § 274 Abs 1 ZPO sofort aufgenommen werden können.
Untersuchungen und Sachverständigengutachten, die erst nach Einbringung der Klage erfolgen sollen, sind grundsätzlich keine paraten Bescheinigungsmittel (vgl etwa OLG Wien 9 Rs 136/24x und 9 Rs 139/23m jeweils mwN).
5. In 10 ObS 77/03a nannte der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall ausdrücklich beispielhaft die Einholung eines Aktengutachtens als geeigneten Schritt zur Erhebung der sachverhaltsmäßigen Grundlagen.
Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht zur Lösung der Frage, ob die Klägerin durch Vorlage des Befundes von Dr. B* eine wesentliche Änderung ihres Gesundheitszustands bescheinigt hat, ein reines Aktengutachten eines medizinischen Sachverständigen ohne Durchführung einer Untersuchung der Klägerin eingeholt hat.
6. Sofern der Rekurs auch vorbringt, dass sich aus dem Aktengutachten eine Verschlechterung ergebe, wird damit weder eine Beweisrüge noch eine Rechtsrüge gesetzmäßig zur Ausführung gebracht.
Im Übrigen ist der Klägerin entgegenzuhalten, dass die erste Seite des Aktengutachtens (ON 11) bloß die Aktenlage, insbesondere den Inhalt des von der Klägerin vorgelegten Befundes vom 9.1.2024 wiedergibt, und ausschließlich die zweite Seite unter der Überschrift „Gutachten“ die zwar knapp gehaltene, aber unmissverständliche gutachterliche Stellungnahme beinhaltet, dass sich das Zustandsbild laut Befund seit dem Vorverfahren nicht wesentlich verschlechtert habe.
7. Dem unberechtigten Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Für einen Kostenzuspruch an die zur Gänze unterliegende Klägerin nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG ergaben sich keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat daher die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Der ordentliche Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO abhing, zumal eine im Verfahren zweiter Instanz unterlassene oder nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge in der Revision bzw im Revisionsrekurs nicht mehr nachgetragen werden kann (RS0043573, RS0043480).
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