Das Oberlandesgericht Wien erkennt als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Schober und Mag. Einberger in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Dr. Yalcin Duran, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch die Prutsch-Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen (richtig) EUR 17.440,44 s.A., über die Berufungen der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 13.577,56 s.A.) und der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 3.640 s.A.) gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18.12.2024, **-82, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht:
Der Berufung der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung der beklagten Partei wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass es insgesamt zu lauten hat:
„ 1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 222,44 samt 4 % Zinsen aus EUR 1.222,44 seit 22.6.2022 zu zahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere EUR 17.217,56 samt 4 % Zinsen seit 22.6.2022 zu zahlen, wird abgewiesen.
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 14.645,56 (darin enthalten EUR 1.974,26 USt und EUR 2.800 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. “
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit EUR 1.486,39 (darin enthalten EUR 146,23 USt und EUR 609 Barauslagen) bestimmte Kosten der Berufung sowie deren mit EUR 1.696,02 (darin enthalten EUR 282,67 USt) bestimmte Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erlitt zunächst im Juli 2018 und sodann nochmals im August 2018 Verletzungen an der Achillessehne des rechten Fußes, die jeweils operativ versorgt wurden. Wegen anhaltender Schmerzen begab er sich danach bei der Beklagten in orthopädische Behandlung. Nachdem Rehabilitationsmaßnahmen keine Besserung erbracht hatten, veranlasste die Beklagte Röntgenuntersuchungen, die metallische Fremdkörper im Bereich der rechten Ferse ergaben. Am 10.10.2019 unterzog sich der Kläger deshalb einer weiteren Operation, bei der die Metallteile entfernt werden sollten. Im Berufungsverfahren ist unstrittig, dass der behandelnde Arzt der Beklagten dabei nicht lege artis vorging, weil von den insgesamt vier vorhandenen Fremdkörpern lediglich einer entfernt wurde. Die verbleibenden Metallteile wurden schließlich in einer weiteren Operation am 27.2.2020 durch einen anderen Arzt der Beklagten lege artis extrahiert.
Der Kläger begehrte zuletzt EUR 17.440,44 s.A., und zwar EUR 5.700 an Schmerzengeld für physische Schmerzen (40 Tage leichte Schmerzen zwischen den beiden Operationen sowie 2 Tage mittelschwere und 7 Tage leichte Schmerzen nach der zweiten Operation), EUR 3.400 (ON 66) an Schmerzengeld für psychische Beeinträchtigungen von Krankheitswert, EUR 130 an frustrierten Ausgaben, EUR 202,44 an Kosten für schadenskausal erforderlich gewordene Fahrten, EUR 350 an Generalunkosten und EUR 8.658 als Ersatz für Pflege- und Hilfsbedarf (37 Stunden á EUR 18 pro Monat für die Zeit von Dezember 2019 bis Dezember 2020). Abzüglich einer von der Beklagten im Verlauf des Verfahrens geleisteten Teilzahlung iHv EUR 1.000 ergebe sich der Klagsbetrag. Soweit relevant brachte er vor, aufgrund der nicht vollständigen Entfernung der Metallteile habe er zwischen den Operationen weiterhin Schmerzen erleiden und die zusätzliche Schmerzbelastung der Nachoperation auf sich nehmen müssen. Auch habe er eine Anpassungsstörung von Krankheitswert entwickelt. Die Beklagte habe darüber hinaus im Zuge der Operationen einen Nerv verletzt, weshalb er den Fuß seitdem nicht normal belasten könne und hilfsbedürftig geblieben sei. Weiters habe die Beklagte strenge Schonung des Fußes bis zur Entfernung der Nähte verordnet, die erst am 24.10.20219 stattgefunden habe. Nachdem das vom Erstgericht eingeholte orthopädische Sachverständigengutachten ergeben hatte, dass die (fortdauernde) Schmerzbelastung des Klägers nicht auf die Metallteile zurückzuführen war, brachte er ergänzend vor, dass die Beklagte eine Fehldiagnose gestellt habe. Sie habe die Fremdkörper als Ursache seiner Schmerzen dargestellt, was unrichtig sei. Die Operation sei daher medizinisch nicht indiziert gewesen, jedenfalls hätte ihr der Kläger nicht zugestimmt, hätte er gewusst, dass seine Schmerzen keine Folge der Fremdkörper seien oder dass es sich allenfalls nur um eine Verdachtsdiagnose handle.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Nach Vorliegen des orthopädischen Sachverständigengutachtens gestand sie den Behandlungsfehler bei der Operation vom 10.10.2019 zwar zu und anerkannte einen Betrag von EUR 1.000 als Ersatz für Schmerzengeld („einschließlich psychischer Alterationen“), Fahrtkosten und Barauslagen sowie kapitalisierter Zinsen, bestritt jedoch die Kausalität ihres Fehlers für die anhaltenden Schmerzen des Klägers. Sie habe während den Operationen auch keinen Nerv verletzt, wobei es sich bei einer solchen Schädigung zudem um ein typisches Operationsrisiko handle, über das sie aufgeklärt habe. Auch wenn sich schlussendlich herausgestellt habe, dass die Metallteile nicht (primär) ursächlich für den fortdauernden Schmerz des Klägers gewesen seien, sei die Operation dennoch medizinisch indiziert gewesen. Der Kläger habe aufgrund seiner hohen Leidensdrucks selbst darum ersucht. Er sei über alle relevanten Umstände ausreichend aufgeklärt worden, hätte sich aber auch bei noch umfassenderer Aufklärung gleichwohl für die Operation entschieden. Die Anpassungsstörung habe bereits vor der Operation bestanden und gehe nicht kausal auf den Kunstfehler zurück.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage mit EUR 3.862,44 s.A. statt, ein Mehrbegehren von EUR 13.577,56 s.A. wies es ab; über weitere EUR 0,44 s.A. traf das Erstgericht keine Entscheidung. Es stellte den aus Seiten 6 bis 11 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Rechtlich folgerte es, aufgrund des Behandlungsfehlers seien dem Kläger kausal ein Tag mittelstarke und drei Tage leichte Schmerzen entstanden, wofür ein Schmerzengeld iHv EUR 700 angemessen sei. Die weiters festgestellten Schmerzperioden (43 Tage leichte Schmerzen) nach der ersten Operation seien nicht auf die Metallteile zurückzuführen und daher nicht ersatzfähig. Zudem habe der Kläger als Folge der nicht lege artis durchgeführten Operation eine Anpassungsstörung mit 28 Tagen leichten Schmerzen entwickelt; dafür gebührten weitere EUR 3.640 an Schmerzengeld. Auf Fragen des rechtmäßigen Alternativverhaltens sei mangels Vorbringens der Beklagten nicht einzugehen. Zusätzlich gebührten EUR 120 an Röntgenkosten, EUR 202,44 an Fahrtkosten sowie EUR 200 an Generalunkosten. Die weiteren Ansprüche seien nicht berechtigt. Eine Hilfsbedürftigkeit des Klägers habe nicht vorgelegen. Auch sei die Operation nach den Feststellungen medizinisch indiziert gewesen, selbst wenn die Metallteile nicht primär ursächlich für die Schmerzen gewesen seien. Der Kläger hätte den Operationen zudem auch bei weitergehender Aufklärung zugestimmt, sodass weder eine Fehldiagnose noch ein Aufklärungsfehler vorlägen.
Dagegen richten sich die Berufungen beider Parteien jeweils aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Während der Kläger vollständige Klagsstattgabe beantragt, bekämpft die Beklagte (nur) den Zuspruch von EUR 3.640 s.A. an Schmerzengeld für psychische Beeinträchtigungen von Krankheitswert.
Beide Parteien stellen in ihrer jeweiligen Berufungsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Die Berufung des Klägers ist nicht berechtigt, die der Beklagten hingegen berechtigt.
1. Zur Berufung des Klägers
1.1. Zur Mängelrüge
Als Stoffsammlungsmangel (und Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes) rügt der Berufungswerber, das Erstgericht habe es unterlassen, ihn dazu zu befragen, ob er auch bei richtiger Aufklärung in die Operation eingewilligt hätte.
Wie der Berufungswerber selbst einräumt, hat ihn das Erstgericht zu Begleitumständen seiner Einwilligung (die er mit „Leidensdruck, Schmerzen, Winter, etc.“ umschreibt) befragt und, nachdem er weiteres Vorbringen zur Aufklärungspflichtverletzung erstattet hatte (ON 52), die beantragte ergänzende Parteienvernehmung durchgeführt (ON 75, S 3 f). Sollte der Berufungswerber dabei – wie er nunmehr behauptet – der Ansicht gewesen sein, gewisse Punkte hätten der Verbreiterung durch ergänzende (Detail-)Fragen bedurft, hätte er solche durch seinen Vertreter stellen lassen können (§ 289 Abs 1 ZPO). Dass dies unterblieb begründet keinen Gerichts-, sondern einen Parteifehler und folglich keinen Verfahrensmangel (RI0100141; RI0100196; OLG Wien, 11 R 11/21z; Pochmarski/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO 4 98; vgl auch 10 ObS 401/97m).
1.2. Zur Beweisrüge
1.2.1. Der Berufungswerber bekämpft die Feststellung: „Dennoch waren die beiden Operationen zur Metallentfernung aus medizinischer Sicht indiziert: Aufgrund des Leidensdruckes des Klägers, der sich zudem auch, weil er keine geschlossenen Schuhe tragen konnte, vor dem kommenden Winter fürchtete, und aufgrund der festgestellten Metallteile und im Hinblick auch darauf, dass es sich bei einem solchen Eingriff um keine Hochrisikooperation handelte und andererseits die Hoffnung bestand, sei es auch nur durch eine Degenerierung durch den operativen Eingriff, dadurch eine Schmerzlinderung zu erreichen, war die Durchführung der Operation aus medizinischer Sicht indiziert, […]; die Entfernung der Metallteile […] war daher medizinisch indiziert.“ Stattdessen begehrt er die Ersatzfeststellung: „Da die Metallteile nicht primär ursächlich für die Schmerzen des Klägers gewesen waren, können die beiden von der Beklagten durchgeführten Operationen auch nicht indiziert gewesen sein. Die Entfernung der Fremdmaterialteile war daher nicht medizinisch indiziert.“
Das Erstgericht gründete die bekämpfte Feststellung (nahezu wortgleich) auf das mündliche Ergänzungsgutachten des orthopädischen Sachverständigen (ON 40, S 16 f), das es für schlüssig und nachvollziehbar befand. Dagegen bestehen grundsätzlich keine Bedenken (RS0043235), und sie werden auch vom Berufungswerber im konkreten Fall nicht aufgezeigt. Er lässt es nämlich bei der bloßen Behauptung bewenden, die Operation sei untauglich gewesen, die Schmerzen des Klägers zu beseitigen, weil die Metallteile dafür nicht ursächlich waren. Gerade darauf ist aber der Sachverständige (und ihm folgend das Erstgericht) eingegangen und hat begründet ausgeführt, dass die Operationen gleichwohl die Möglichkeit einer Schmerzlinderung boten. Diese – in dem angegriffenen Feststellungskomplex enthaltene, vom Berufungswerber aber ausgesparte – Feststellung steht der Prämisse der Beweisrüge vollkommener Untauglichkeit des Eingriffs entgegen. Da er sich mit diesen Erwägungen nicht auseinandersetzt, gelingt es dem Berufungswerber folglich nicht, Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Feststellung zu wecken.
1.2.2. Weiters ficht der Kläger die Feststellung an, aufgrund „seines Leidensdruckes und der bestehenden Möglichkeit einer Schmerzlinderung durch die Operation, hätte der Kläger auch bei Kenntnis der dargestellten Sachlage und Aufklärung darüber, seine Zustimmung zur Operation erteilt.“ Stattdessen begehrt er festzustellen: „Hätte der Kläger gewusst, dass die Schmerzen nicht auf die Fremdmaterialien in seinem Fuß zurückzuführen waren, hätte er sich von der Beklagten gar nicht operieren lassen. Die beklagte Partei hat den Kläger diesbezüglich auch nicht aufgeklärt.“
Entgegen der Behauptung des Berufungswerbers hat die Beklagte nicht nur ausdrücklich das Vorbringen bestritten, der Kläger hätte bei Kenntnis der in der Ersatzfeststellung angeführten Umstände den Operationen nicht zugestimmt (ON 40, S 21, 5. Abs), was an sich schon ausgereicht hätte, dazu adverse Feststellungen zu treffen (3 Ob 65/24s [Rn 17]), sondern sogar ausdrücklich vorgebracht, er hätte selbst bei weitergehender Aufklärung eingewilligt (ON 53, S 6, 4. Abs). Die Feststellung des Erstgerichts ist daher – wiederum entgegen der Berufung – weder überschießend, noch weicht sie von einem Geständnis der Beklagten ab. Auch die gerügte Verletzung „gesetzlicher Beweislastregeln“ ist nicht verwirklicht, geben diese doch lediglich vor, welcher Partei eine Negativfeststellung zur Last fällt, wenn die freie Beweiswürdigung des Gerichts zu keinem Ergebnis führt (RS0039949).
Im Übrigen geht die Beweisrüge von der Prämisse aus, weil die Schmerzen des Klägers nicht auf die Metallteile zurückzuführen waren, sei der Eingriff absolut untauglich gewesen, sodass kein vernünftiger Mensch darin eingewilligt hätte. Sie setzt sich damit in Widerspruch zu der andernorts erfolglos angefochtenen Feststellung, dass die Operation unabhängig von der konkreten Ursache der Schmerzen sehr wohl die Chance auf Linderung bot. Darüber hinaus hat das Erstgericht unbekämpft festgestellt, dass der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass es trotz Entfernung der Metallteile zu keiner Besserung kommen könnte (US 10, 2. Abs, letzter Satz). Damit musste für ihn aber klar sein, dass die Möglichkeit bestand, dass seine Schmerzen nicht auf die Fremdkörper zurückgingen. Auch diese Feststellung wird daher vom Berufungsgericht übernommen.
1.3 Zur Rechtsrüge
1.3.1.Zutreffend zeigt der Berufungswerber am Beginn seiner Rechtsrüge auf, dass ein Arzt im Rahmen des Behandlungsvertrags auch Diagnostik zu erbringen hat (RS0123136). Im Weiteren erweisen sich seine Ausführungen aber zum Teil als widersprüchlich, weil er einerseits behauptet, die Beklagte habe pflichtwidrig gar keine Diagnose erstellt, andererseits aber, sie habe eine Fehldiagnose zu verantworten.
Im Übrigen schuldet der Arzt die Diagnostik (nur) nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst (RS0123136 [T1]; RS0038202 [T3]). Er handelt nicht fahrlässig, wenn die von ihm gewählte Behandlungsmethode einer Praxis entspricht, die von angesehenen, mit dieser Methode vertrauten Medizinern anerkannt ist (RS0026324 [T1]). Maßgeblich ist auch bei der Haftung für eine Fehldiagnose eine Ex-ante-Prüfung (6 Ob 155/23x [Rn 4 f]). Die Haftung kann sich etwa daraus ergeben, dass weitergehende Diagnostik unterlassen wurde, obwohl diese indiziert gewesen wäre, nicht aber dann, wenn keine Anhaltspunkte oder konkrete Verdachtsmomente für eine durch eine solche Untersuchung feststellbare Erkrankung vorlagen (6 Ob 233/17h [Pkt 1]; 10 Ob 23/15b [Pkt 2]).
Wie der Berufungswerber selbst hervorhebt, ergab sich erst im Laufe dieses Verfahrens, dass die Metallteile tatsächlich nicht für seine Schmerzen verantwortlich waren. Er stellt damit eine Ex-post-Betrachtung an, auf die es nach oben Gesagtem nicht ankommt. Maßgeblich ist allein, ob ex ante betrachtet Anhaltspunkte dafür bestanden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger vorrangig wegen Schmerzen bei der Beklagten vorstellig wurde. Nachdem komplexe Rehabilitationsmaßnahmen keine Besserung erbrachten, wurden Röntgenuntersuchungen durchgeführt und die streitgegenständlichen Metallteile detektiert. Der Kläger selbst beschrieb dies als störend, zusätzlich war ein schmerzhafter Höcker tastbar.
Darauf aufbauend stellte das Erstgericht fest, dass die Operation „aufgrund des Leidensdrucks des Klägers“ (mithin seiner Schmerzbelastung) sowie verschiedener weiterer Umstände, insbesondere aber auch wegen „der festgestellten Metallteile“, medizinisch indiziert war, weil dadurch die Möglichkeit einer Schmerzlinderung bestand. Damit steht aber fest, dass die Diagnose der Fremdkörper als (Mit-)Verursacher der Schmerzbelastung des Klägers bei gebotener Ex-ante-Betrachtung den Regeln der medizinischen Kunst entsprach, auch wenn sie sich ex post als unzutreffend erwies. Dass die Operation nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts aufgrund der Erfolglosigkeit der bisherigen Behandlungsschritte zudem alternativlos war (US 8, 1. Abs), führt zu dem logisch zwingenden Schluss, dass weiterführende Untersuchungen nicht geboten waren.
1.3.2.Entgegen der weiteren Rechtsrüge ergibt sich in diesem Zusammenhang auch kein Aufklärungsfehler. Soweit der Berufungswerber argumentiert, der Arzt müsse bei mehreren in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten auf diese hinweisen, um dem Patienten eine selbstbestimmte Wahl zu ermöglichen (RS0026426), ist er wiederum auf die unbekämpft gebliebene Feststellung zu verweisen, dass die Operation alternativlos war (vgl RS0026413 [T4]). Dass über einen Umstand (nämlich die tatsächliche fehlende Mitursächlichkeit der Fremdkörper für die Schmerzen), der bei sorgfältigem Vorgehen ex ante nicht erkennbar war, auch nicht aufgeklärt werden kann und muss, bedarf keiner näheren Begründung. Im Übrigen wurde festgestellt, dass der Kläger darüber aufgeklärt wurde, dass der Erfolg der Operation ungewiss war. Er musste daher mit der Möglichkeit rechnen, dass sich trotz Entfernung der Metallteile keine Besserung seiner Schmerzen einstellen werde (vgl RS0026499 [T6]).
Letztlich wurde festgestellt, dass der Kläger auch dann eingewilligt hätte, wäre er über die „dargestellte Sachlage“ und damit (auch) die strittige Kausalitätsproblematik aufgeklärt worden. Bereits bei Behandlung der Beweisrüge wurde begründet, dass diese Feststellung weder überschießend ist noch gegen die Bindungswirkung eines Geständnisses des Beklagten verstößt. Von ihr darf im Rahmen der Rechtsrüge nicht abgewichen werden (RS0043603 [T2]). Jedenfalls damit ist der Beklagten der Beweis des haftungsausschließenden Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens gelungen (8 Ob 116/21y [Rn 2]).
1.3.3.Ob ein Kunstfehler vorliegt, eine Fehldiagnose gestellt wurde und welche medizinischen Maßnahmen in einem konkreten Fall erforderlich bzw zweckmäßig waren, ist keine Rechts-, sondern eine Tatfrage (RS0026418 [T4], [T5], [T7]). Ebenso verhält es sich – entgegen der Argumentation des Berufungswerbers – mit der Indikation einer Operation, weil indiziert (nur) das ist, was sich aufgrund einer bestimmten Diagnose als erforderlich und zweckmäßig erweist. Die weiteren Ausführungen des Berufungswerbers in diesem Punkt stellen sich daher nicht als Rechtsrüge, sondern als in dieser Form nicht statthafte Bekämpfung des festgestellten Sachverhalts dar.
1.3.4. Zu Recht hat das Erstgericht dem Kläger auch keinen Ersatz für Unterstützung bei der Pflege und Haushaltsführung zuerkannt. Es steht unbekämpft fest, dass der Fuß des Klägers voll belastbar war und er keinen Unterstützungsbedarf hatte. Dabei trifft es zwar zu, dass das Erstgericht keine Feststellungen zu seinem Vorbringen getroffen hat, die Beklagte habe ihn angewiesen, den Fuß bis zur Nahtentfernung zu schonen. Die Nähte wurden jedoch bereits am 24.10.2019 entfernt. Wie sich daraus der begehrte Hilfs- und Pflegebedarf für die Monate Dezember 2019 bis Dezember 2020 ergeben soll, ist nicht nachvollziehbar.
2. Zur Berufung der Beklagten
Zweckmäßigerweise ist sogleich auf die Rechtsrüge einzugehen, weil sich das Berufungsvorbringen schon ausgehend von den tatsächlich getroffenen Feststellungen zur Entstehung der Anpassungsstörung des Klägers als berechtigt erweist. Zutreffend zeigt die Rechtsmittelwerberin nämlich auf, dass zwischen dem Behandlungsfehler und der Anpassungsstörung kein Kausalzusammenhang besteht.
Auch im Arzthaftungsrecht hat der Schädiger nur für solche Schäden einzustehen, die gerade durch sein pflichtwidriges Verhalten kausal verursacht wurden (RS0026209 [T5]; Reischauer in Rummel ³ § 1295 Rz 1). Entgegen den Ausführungen des Erstgerichts in seiner rechtlichen Beurteilung war die Anpassungsstörung aber nicht eine weitere Folge der nicht lege artis durchgeführten Operation, sondern entwickelte sich nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen deswegen, weil sich die Schmerzen des Klägers auch nach der Operation vom 10.10.2019 wieder nicht besserten (US 11). Die fortdauernde Schmerzbelastung des Klägers war jedoch ihrerseits keine Folge des Kunstfehlers, sondern resultierte aus Restbeschwerden nach der Operation aus dem Jahr 2018. Sie wäre daher auch bei einer lege artis durchgeführten Operation (mithin bei Entfernung aller vier Metallteile) verblieben (US 10). Da somit die persistierenden Schmerzen des Klägers nicht kausal auf den Behandlungsfehler durch die Beklagte zurückgingen, wurde auch die schmerzbedingt entwickelte Anpassungsstörung nicht kausal durch diesen Fehler verursacht. Die Haftung der Beklagten für damit verbundene psychische Schmerzen ist folglich zu verneinen.
Diesem Ergebnis steht die vom Erstgericht angeführte Rechtsprechung zur Behauptungslast bei rechtmäßigem Alternativverhalten nicht entgegen. Rechtmäßiges Alternativverhalten ist ein Einwand des Schädigers zum hypothetischen Kausalverlauf, der dann zu prüfen ist, wenn feststeht, dass sein pflichtwidriges Verhalten den Schaden tatsächlich verursacht hat (RS0111706 [T14], [T18]). Genau dieser Kausalzusammenhang, den der Kläger zu beweisen gehabt hätte (vgl wiederum RS0026209), ist aber nach den Feststellungen widerlegt. Fragen des rechtmäßigen Alternativverhaltens stellen sich daher nicht.
Abschließend sei hinzugefügt, dass die Beklagte zwar eine Teilzahlung von EUR 1.000 geleistet hat, die (ua) auf die Abgeltung von Schmerzengeld „(einschließlich psychischer Alteration)“ gewidmet wurde. Angesichts der weiteren Widmungserklärung, die ausdrücklich Bezug auf das Gutachten des orthopädischen Sachverständigen sowie die „kausalen Schäden“ nimmt (ON 41, S 3), sowie unter Berücksichtigung des Bestreitungsvorbringens gerade zur Kausalität des Kunstfehlers für die Anpassungsstörung bietet der objektive Erklärungswert der Widmung (2 Ob 48/16x [Pkt 5.2]) keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte habe auch diese Position des Klagebegehrens (teilweise) tilgen wollen.
Der Berufung war sohin Folge zu geben und der vom Erstgericht zuerkannte Betrag von EUR 3.640 s.A. zur Abgeltung psychischer Schmerzen von Krankheitswert abzuweisen. Auf die Mängel- und Beweisrüge brauchte demnach nicht eingegangen zu werden.
3. Kosten und Zulassungsausspruch
3.1.Die Abänderung des angefochtenen Urteils machte eine Neuentscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz erforderlich. Der Kläger hat in allen einer Anwendung des Kostenprivilegs des § 43 Abs 2 2. Fall ZPO prinzipiell zugänglichen Positionen, bis auf die Generalunkosten, überklagt. Auch bei Berücksichtigung des darum bereinigten Streitwerts obsiegte er in sämtlichen Verfahrensabschnitten mit weniger als 5 %, sodass die Beklagte Anspruch auf vollen Kostenersatz hat (§ 43 Abs 2 1. Fall ZPO). Auf die zutreffende Behandlung der Einwendungen des Klägers gegen die Kostennote der Beklagten durch das Erstgericht wird verwiesen (§ 500a ZPO). An Barauslagenersatz gebühren zudem nur die tatsächlich auf die Sachverständigengebühren aufgewandten Teile der Kostenvorschüsse iHv EUR 2.800.
3.2.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
3.3.Die Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
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