Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, den Richter Mag. Nigl und die Richterin Mag. Derbolav-Arztmann sowie die fachkundigen Laienrichter DI Beate Ebersdorfer und MinR Mag. Angela Weilguny in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. A* , Arzt, **, vertreten durch Mag. Armin Windhager, Rechtsanwalt in Wien und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Dr. B* , p.A. **, vertreten durch die Salzborn Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Wien, wider die beklagte Partei Stadt C* , **, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 1,001.681,87, hier Zwischenantrag auf Feststellung, aus Anlass der Berufung der beklagten Partei gegen das Teilurteil/Teilzwischenfeststellungsurteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 18.7.2024, **-97 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22.7.2024, ON 98, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
1. Das angefochtene Urteil, das in seinen Spruchpunkten 2. bis 4. unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, wird im Umfang des Spruchpunktes 1. aufgehoben .
2. Der Antrag der klagenden Partei, es werde festgestellt, dass das Dienstverhältnis der Streitteile mit einer Einstufung der Dienstklasse VII / Verwendungsgruppe 7 nach den Gehaltsansätzen der ** Vertragsbediensteten aufgenommen wurde und die beklagte Partei schuldig sei, der klagenden Partei deren Lohnansprüche unter Zugrundelegung dieser Einstufung, der Vorrückungen (Bieniensprünge), sowie der Allgemeinen Dienstzulage, der Personalzulage und der Leiterzulage jedenfalls bis 31.8.2017 abzüglich bereits erfolgter Zahlungen zu bezahlen, wird zurückgewiesen .
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
4. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist zulässig.
Begründung:
Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren unter anderem ausstehende Lohnansprüche gegen die Beklagte geltend. Streitpunkt ist dabei unter anderem die Einstufung des Klägers in das anzuwendende Gehaltsschema.
Mit Schriftsatz vom 24.6.2022 (ON 58) regte der Kläger an, ein Zwischenurteil zu erlassen, mit welchem festgehalten werde, dass das Dienstverhältnis mit einer Einstufung der Dienstklasse VII / Verwendungsgruppe 7 nach den Gehaltsansätzen der ** Vertragsbediensteten aufgenommen worden sei und die Beklagte schuldig sei, dem Kläger dessen Lohnansprüche unter Zugrundelegung dieser Einstufung, der Vorrückungen (Bieniensprünge), sowie der Allgemeinen Dienstzulage, der Personalzulage und der Leiterzulage jedenfalls bis 31.8.2017 abzüglich bereits erfolgter Zahlungen zu bezahlen.
Sei dieser Teil einmal mittels Zwischenurteil festgestellt, dann bräuchten die Parteien lediglich den Ausgang des Kündigungsverfahrens [gemeint offenbar ** des Erstgerichts, in welchem der Kläger die Feststellung anstrebt, dass das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten über den 31.10.2009 hinaus aufrecht bestehe, in eventu die Kündigung des Dienstverhältnisses durch die Beklagte Partei vom 16.6.2009 zum 31.10.2009 für rechtsunwirksam erklärt werde] „auszuwarten“ (oder dort einen Vergleich schließen) und dann einfach den daraus ergebenden kompletten Anspruch errechnen. Damit würde sich das Verfahren voraussichtlich relativ einfach erledigen lassen.
Mit Schriftsatz vom 28.6.2023 (ON 88) trat die Beklagte letztlich „aus Gründen der Prozessökonomie“ der Anregung des Klägers „insoweit bei, als das Gericht über die Klagsansprüche für den Zeitraum 1.1.1997 bis 27.1.2002 durch Teil- oder Teilzwischenurteil abspricht, - also nA der beklagten Partei wegen Verjährung oder weil die zur Auszahlung gebrachten Entgelte für diesen Zeitraum der richtigen Einstufung entsprachen, abweist“.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17.11.2023 (ON 94) erörterte der Vorsitzende des erstgerichtlichen Senats, dass es „grundsätzlich schon sinnvoll sein könne, ein Teilzwischenurteil, wie von der beklagten Partei beantragt, zu machen, weil von dem zwar wohl nur ein geringer Teil des eingeklagten Betrages betroffen wäre, aber die wesentlichen zu klärenden grundsätzlichen Fragen, insbesondere auch Rechtsfragen, und ein rechtskräftiges Urteil dazu, den Parteien auch die weitere Verfahrensführung erleichtern könnte“.
Der Klagevertreter erklärte, „grundsätzlich doch mit der Vorgehensweise im Sinne des Zwischenurteils einverstanden zu sein“, der Nebenintervenientenvertreter erklärte, dass „die Nebenintervenientin dazu eine neutrale Haltung vertrete“.
Mit dem insoweit angefochtenen „Teilurteil/Teilzwischenfeststellungsurteil“ stellte das Erstgericht in Spruchpunkt 1. fest, dass mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt werde, dass das Dienstverhältnis zwischen den Parteien mit einer Einstufung der Dienstklasse VII / Verwendungsgruppe 7 nach den Gehaltsansätzen der ** Vertragsbediensteten aufgenommen wurde und die beklagte Partei schuldig sei, der klagenden Partei deren Lohnansprüche unter Zugrundelegung dieser Einstufung, der Vorrückungen (Bienniensprünge), von 9.1.1997 bis 27.1.2002 zu zahlen, soweit diese nicht verjährt oder bereits bezahlt seien.
Rechtlich führte das Erstgericht dazu aus, die Vornahme der eigenständigen Feststellung sei gemäß § 236 Abs 1 ZPO erfolgt. Es erscheine auch der Verfahrensökonomie dienlich, diese grundsätzliche Feststellung zur Einstufung des Klägers zu treffen, weil diese auch für die in diesem Urteil nicht gegenständlichen Zeiträume präjudiziell sei.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der unrichtigen bzw unvollständigen Sachverhaltsfeststellung – Aktenwidrigkeit, der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Es werde beantragt, „der Berufung Folge zu geben und das Klagebegehren vollständig kostenpflichtig abzuweisen“ (Seite 2 der Berufung) bzw „das bekämpfte Teil-, Teilzwischenfeststellungsurteil dahingehend abzuändern, dass das unter Spruchpunkt 1 angeführte Feststellungsbegehren kostenpflichtig abgewiesen werde, in eventu aufzuheben und die Rechtssache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und weiteren Entscheidung zurückzuverweisen“ (Seite 19 der Berufung).
Der Kläger und die Nebenintervenientin beantragen, der Berufung nicht bzw keine Folge zu geben.
Aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels der Beklagten war das Urteil im angefochtenen Umfang aufzuheben und der inhaltliche Zwischenantrag auf Feststellung zurückzuweisen .
1. Die Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung ist von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren zu prüfen. Ob sich der Gegner gegen die Zulassung des Zwischenfeststellungsantrages ausgesprochen hat, ist ohne Bedeutung (RS0039444 [T1, T2]).
2. Nach § 236 Abs 1 ZPO kann der Kläger ohne Zustimmung des Beklagten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung den Antrag stellen, dass ein im Lauf des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Teil abhängt, in dem über die Klage ergehenden oder in einem demselben vorangehenden Urteil festgestellt werde. Der Zwischenantrag auf Feststellung ist ein vom Kläger (oder gemäß § 259 Abs 2 ZPO vom Beklagten) während eines anhängigen Rechtsstreites gestellter Antrag mit dem Begehren, im Urteil über den Bestand oder Nichtbestand eines zwischen den Parteien präjudiziellen Rechts oder Rechtsverhältnisses abzusprechen; dies führt zur Verselbständigung der Vorfrage, sodass diese nicht bloß in den Gründen beurteilt, sondern im Spruch des Urteils und daher mit bindender Wirkung entschieden wird. Das Wesen eines Zwischenantrags auf Feststellung liegt vor allem darin begründet, dass sich eine Vorfrage quasi verselbständigt und somit in einem nachfolgenden Prozess Bindungswirkung auslöst (OLG Wien 10 Ra 12/24v mwN).
3. Das Gesetz fordert anders als in § 228 ZPO für einen Zwischenfeststellungsantrag zwar nicht ausdrücklich ein besonderes Feststellungsinteresse, der Zwischenantrag auf Feststellung setzt aber einen prozessökonomischen Zweck voraus.
Daher können einzelne Rechtsfragen, die die Entscheidung über den Anspruch notwendigerweise in sich begreift, nicht Gegenstand eines Zwischenantrags auf Feststellung sein (RS0039695). Die Stellung eines Zwischenantrags auf Feststellung nur zu dem Zweck, eine Rechtsfrage für sich allein herauszuheben und zum Gegenstand eines Urteils zu machen, ist ebenso unzulässig (RS0039615) wie die Feststellung von Tatsachen, mögen sie auch rechtserheblich oder rechtserzeugend oder Voraussetzung für einen an sich zulässigen Feststellungsantrag sein (RS0039598).
Die Wirkung einer durch den Zwischenantrag begehrten Feststellung muss weiters über den konkreten Rechtsstreit hinausgehen . Dafür wird von der Rechtsprechung verlangt, dass nach der konkreten Lage des einzelnen Falls die Präjudizialität der zu klärenden Frage für andere Ansprüche bzw Streitigkeiten zwischen den Parteien wahrscheinlich ist ( Scholz-Berger in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 236 ZPO Rz 14 mwN). Kann die begehrte Feststellung nur innerhalb des konkreten Prozesses ihre Wirkung äußern und erschöpft sich die Rechtskraft der Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag in den durch das Endurteil endgültig bereinigten Beziehungen zwischen den Parteien, dann besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Zulassung eines Zwischenfeststellungsantrags.
Diese Wirkung muss aus dem Vorbringen des Antragstellers und/oder aus der ganzen Sachlage heraus klar erkennbar sein. Die bloße unkonkretisierte und auch durch den Sachverhalt nicht gedeckte Behauptung, dass die begehrte Feststellung über den Prozess hinaus reiche, weil die theoretische Möglichkeit besteht, dass noch weitere Ansprüche geltend gemacht werden, genügt nicht (RS0039468; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny 3§ 236 ZPO Rz 9 mwN).
4. Präjudizialität und das Erfordernis der weiterreichenden Bedeutungtreten also beim Zwischenfeststellungsantrag an die Stelle des rechtlichen Interesses im Sinne des § 228 ZPO; beide Voraussetzungen sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl Pkt 1.) Fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen, so ist der Antrag mit Beschluss (als unzulässig) zurückzuweisen ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 236 ZPO Rz 5 mwN; RS0037989, RS0039444; 5 Ob 147/16b).
5. Diese für einen Zwischenantrag auf Feststellung notwendigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen hier nicht vor:
Dass die Bedeutung der begehrten Feststellung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen und wurde auch vom Kläger nicht behauptet; offenkundig geht es nur darum - wenn überhaupt - eine Rechtsfrage des Hauptprozesses zu klären. Dass die Einstufung des Klägers auch für die von der hier angefochtenen Entscheidung nicht umfassten aber verfahrensgegenständlichen Zeiträume relevant sein kann, ist nicht ausreichend. Gleiches gilt für die Möglichkeit, dass die Klärung der richtigen Einstufung des Klägers Grundlage eines Generalvergleichs zwischen den Streitteilen unter Einschluss des Kündigungsanfechtungsverfahrens sein könnte. Für die Frage der dort geltend gemachten Ansprüche ist die Einstufung des Klägers nicht präjudiziell.
Damit erweist sich die als Zwischenantrag auf Feststellung zu wertende „Anregung“ des Klägers als unzulässig, weshalb das angefochtene Urteil in Spruchpunkt 1. aufzuheben und der Antrag zurückzuweisen war.
6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO. Ein kostenrechtlich selbstständiger („echter“) Zwischenstreit der Parteien über die Zulässigkeit des inhaltlichen Zwischenantrags auf Feststellung liegt nur dann vor, wenn eine Partei einen Antrag stellt, dem die andere entgegentritt, wodurch eine Beschlussfassung des Gerichts ausgelöst wird (OLG Wien 14 R 194/21h mwN ua).
7. Gegen einen (erstmaligen) Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem ein über einen Zwischenantrag ergangenes Urteil aufgehoben und der Zwischenantrag mangels der Voraussetzungen des § 236 ZPO zurückgewiesen wird, ist der Rekurs aufgrund der sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO unabhängig vom Entscheidungsgegenstand und dem Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (RS0039705; 7 Ob 503/96 mwN; vgl OLG Wien 7 Ra 33/11s).
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