Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Berchtold als Vorsitzende sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Dr. Tangl und den Richter des Oberlandesgerichts Mag. Ortner als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Meinrad Einsle, Dr. Rupert Manhart, Dr. Susanne Manhart, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, wider die beklagten Parteien 1. B*, und 2. C* AG , beide vertreten durch Mag. Stephan Wirth, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, wegen (ausgedehnt) EUR 229.131,38 s.A. und Feststellung (Streitinteresse EUR 8.000,--, Gesamtstreitwert daher EUR 237.131,38 s.A.) über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 184.175,33 s.A.) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 29.7.2025, **-286, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird keine Folge gegeben.
Die (ordentliche) Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Am 10.01.2019 ereignete sich in ** ein Verkehrsunfall. Der Kläger war Beifahrer des Erstbeklagten in einem bei der Zweitbeklagten versicherten Fahrzeug. Der Erstbeklagte missachtete bei der Ausfahrt an einem Parkplatz die dort befindliche Haltelinie (Stopptafel). Er fuhr in die Straße ein und übersah einen bevorrangten PKW. In der Folge ereignete sich ein schwerer Verkehrsunfall (rechtwinklige Kollision).
Die Zweitbeklagte leistete am 11.03.2019 EUR 10.000,-- an Schmerzengeld sowie am 24.09.2019 EUR 10.350,--, gewidmet auf EUR 10.000,-- an Schmerzengeld und EUR 350,-- an Kleiderschaden und Geschenke an den Kläger.
Beim Verkehrsunfall zog sich der Kläger aus neurologischer Sicht ein schweres Schädelhirntrauma mit ausgeprägten Shearing-Verletzungen (im Corpus callosum sowie frontopolar beidseits), multipole intrakraniellen Blutungen mit einer Kontusionsblutung frontopolar links und einem diskreten Blutspiegel im Hinterhorn links zu. Initial bestand zudem ein ausgeprägtes organisches Psychosyndrom.
Aufgrund dessen musste der Kläger aus neurologischer Sicht in komprimierter Form bis zum 31.12.2019 10 Tage starke Schmerzen, 34 Tage mittelstarke Schmerzen und 34 Tage leichte Schmerzen erleiden. Ab 01.01.2020 muss er aus neurologischer Sicht aufgrund von nach wie vor bestehenden leichten Schmerzen in Form einer verminderten Sensibilität insgesamt weitere 45 Tage leichte Schmerzen, dies in komprimierter Form erleiden. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wird der Kläger keine weiteren darüber hinausgehenden Schmerzen mehr zu erleiden haben.
Aus unfallchirurgischer Sicht erlitt der Kläger darüber hinaus eine Brustkorbprellung sowie eine Lungenkontusion und musste über die aus neurologischer Sicht erlittenen Schmerzen hinaus in komprimierter Form einen Tag starke, zwei Tage mittelstarke und 10 Tage leichte Schmerzen erleiden.
Der Kläger war zum Unfallszeitpunkt nicht angegurtet. Wäre er angeschnallt gewesen, hätte er das Schädel-Hirn-Trauma nicht erlitten und wären die dadurch entstandenen Schmerzen nicht eingetreten.
An Spätfolgen kann eine posttraumatische Epilepsie beim Kläger nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Ein hirnorganisches Defizit, welches die psychische Leistungsfähigkeit nachhaltig reduzieren würde, liegt nicht vor.
Insoweit ist der (auszugsweise wiedergegebene) Sachverhalt im Berufungsverfahren nicht strittig. Im Detail wird gemäß § 500a ZPO auf die Feststellungen des Erstgerichts (Urteil S 2, 7 – 12) verwiesen, soweit sie nicht bekämpft wurden. Dass die Beklagten für diesen Unfall zu haften haben, ist im Berufungsverfahren nicht strittig. Klärungsbedürftig sind nur noch die Bemessung eines Mitverschuldens des Klägers wegen Verletzung der Gurtanlegepflicht und die Höhe des geltend gemachten Verdienstentgangs und Schmerzengeld.
Mit der am 16.06.2020 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Zahlung von EUR 58.512,35 s.A. sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen. Nach mehreren Ausdehnungen und Einschränkungen (ON 7, ON 13, 43, ON 85 S 23, ON 153, ON 178, ON 253, ON 263) machte der Kläger zuletzt EUR 229.131,38 s.A. geltend. Sein Begehren gliederte sich wie folgt auf:

Gesamt EUR 229.131,38
Das Feststellungsbegehren blieb unverändert aufrecht.
Soweit im Berufungsverfahren relevant brachte er vor, er sei beim Verkehrsunfall lebensgefährlich verletzt worden. Er leide noch immer an den Folgen des Verkehrsunfalls.
Er sei nach dem Unfall erwerbsunfähig gewesen und seither nicht mehr voll einsatzfähig und belastbar. Seit 1.2.2021 sei er zu 100 % arbeitsunfähig. Es sei ihm trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, eine Beschäftigung zu finden. Es werde ein Verdienstentgang für den Zeitraum ab 10.1.2019 bis zum 31.12.2024 geltend gemacht. Die Observationsberichte der Beklagten seien nichtssagend. Daraus ergebe sich nicht, dass der Kläger arbeitsfähig sei. Es handle sich um Unterstellungen. Der Kläger habe lediglich leichte Handlangertätigkeiten, aber keine schweren Arbeiten ausgeführt. Es liege weder eine Aggravation noch eine Simulation vor.
Die Beklagten bestritten, beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, der Kläger sei nicht angeschnallt gewesen. Wäre er angeschnallt gewesen, hätte er nicht so schwere Verletzungen erlitten.
Der geltend gemachte Verdienstentgang sei nicht nachvollziehbar. Der Kläger sei von der Zweitbeklagten mehrfach durch einen Detektiv beobachtet worden. Daraus ergebe sich, dass er sich zwischenzeitlich völlig erholt habe und keine Einschränkung in der Tätigkeit als Dachdecker und Spengler mehr bestehe. Der Kläger bilde sich die Beschwerden ein. Es liege eine dissoziative Störung vor. Er hätte ein höheres Einkommen erzielen können als er es tatsächlich getan habe, und sei daher seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagten zur Zahlung von EUR 192.376,67 s.A., wies ein Mehrbegehren von EUR 36.754,41 s.A. ab, stellte die (im Fall der Zweitbeklagten mit den Versicherungssummen beschränkte) Haftung der Beklagten für „noch nicht abgefundene Schadenersatzansprüche“ fest und behielt die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vor. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus ging es von folgenden (hinsichtlich der in Fettdruck markierten im Berufungsverfahren bekämpften) Feststellungen aus:
Der Kläger hat die Lehre als Zimmerer im Jahr 1997 erfolgreich abgeschlossen. Zum Unfallszeitpunkt arbeitete er als Dachdecker und Spengler ohne Lehrabschluss seit 2017/18. Nach seinem Unfall war er bis 1.9.2019 im Krankenstand. Nach seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit arbeitete der Kläger ab dem 16.09.2019 wieder in Vollzeit, ab ca. September 2020 in Teilzeit 50%, wobei er hauptsächlich im Lager mit Tätigkeiten wie Schrauben sortieren, Styroporplatten einlagern und leichte Waren ausgeben beschäftigt war.
(A) Ende Jänner 2021 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund dessen Gesundheitszustands, insbesondere aufgrund dessen Beschwerden im rechten Fuß, sowie seiner therapiebedingten Abwesenheiten aufgelöst, da er vom Arbeitgeber nicht mehr im Unternehmen eingesetzt werden konnte.
Ab dem Unfalltag bestand aus medizinischer Sicht durchgehende Arbeitsunfähigkeit bis Ende September 2019. Ab Oktober 2019 wäre ein stufenweiser Einstieg ins Berufsleben indiziert gewesen, beginnend im Oktober 2019 ca. 2 Stunden täglich, im November 2019 ca. 3 Stunden täglich und ab Dezember bis vier Stunden täglich.
(B1) Aus berufskundlicher Sicht kann der Kläger aufgrund seiner verbleibenden medizinischen unfallbedingten Einschränkungen bzw seines unfallbedingten medizinischen Leistungskalküls seinen Beruf als Dachdecker nicht mehr ausüben. Auch eine Tätigkeit als Dachspengler kann der Kläger aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls nicht ausüben. Auch der Beruf als Spengler kommt für den Kläger angesichts seines medizinischen unfallkausalen Leistungskalküls nicht mehr in Frage. Schließlich kann der Kläger aufgrund seines unfallbedingten medizinischen Leistungskalküls eine Tätigkeit als Zimmerer nicht mehr ausüben.
Die gesundheitlichen unfallkausalen Einschränkungen machen es dem Kläger unmöglich eine Tätigkeit auszuüben, die einer Ausbildung als Zimmerer entspricht. Seiner bisherigen Tätigkeit als Dachdecker, oder einer dem Dachdecker entsprechenden Tätigkeit kann der Kläger aufgrund des unfallbedingten medizinischen Leistungskalküls ebenfalls nicht nachgehen.
(B2) Grundsätzlich ist es dem Kläger möglich, am allgemeinen Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden, auch wenn dies aufgrund der medizinisch festgestellten Einschränkungen nicht so einfach möglich ist, wie für einen Stellensuchenden ohne gesundheitliche Einschränkungen. Es ist dem Kläger daher möglich, am allgemeinen Arbeitsmarkt eine Stellung in Vorarlberg zu finden.
Der Kläger wird seit 1.7.2024 von der Pensionsversicherungsanstalt mit Bescheid vom 17.12.2024 als invalide eingestuft.
Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge hätte der Kläger ohne den Unfall auch nach dem Unfall bei seinem bisherigen Arbeitgeber als Spengler und Dachdecker gearbeitet, jedenfalls hätte er als Spengler und Dachdecker weiter gearbeitet.
Im Zeitraum 10.1.2019 bis 31.8.2019 erlitt der Kläger bei Gegenüberstellung seines fiktiven Einkommens bei seinem bisherigen Arbeitgeber und seines tatsächlich erhaltenen Lohns einen Nettoverdienstentgang von EUR 3.063,57.
(C1) Im Zeitraum 1.9.2020 bis 31.1.2021 erlitt er einen Nettoverdienstentgang von EUR 3.953,77.
(C2) Im Zeitraum 1.2.2021 – 30.4.2021 erlitt er einen bei Gegenüberstellung der fiktiven Nettobezüge bei seinem bisherigen Arbeitgeber und dem tatsächlich erhaltenen Arbeitslosengengeld ein Nettoverdienstentgang von EUR 2.258,62 sowie im Zeitraum 1.5.2021 bis 31.12.2021 von EUR 10.605,98.
Im Jahre 2022 hätte der Kläger, wenn er als Spengler oder Dachdecker weitergearbeitet hätte, ein Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 31.087,95 ins Verdienen gebracht. Von diesem fiktiven Nettoeinkommen ist das Krankengeld, welches der Kläger im Jahre 2022 in der Höhe von EUR 1.649,48 erhalten hat, in Abzug zu bringen, sodass sich ein Nettoverdienstentgang für das Jahr 2022 in der Höhe von EUR 29.438,47 ergibt.
Im Jahre 2023 hätte der Kläger als Spengler/ Dachdecker ein Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 33.364,68 ins Verdienen gebracht; davon ist die vom Kläger erhaltene Abfertigung der BUAK in der Höhe von EUR 1.080,49 in Abzug zu bringen, sodass sich ein Nettoverdienstentgang für das 2023 in der Höhe von EUR 32.284,19 ergibt.
Im Jahre 2024 hätte der Kläger als Spengler oder Dachdecker ein Nettoeinkommen von EUR 35.827,02 ins Verdienen gebracht. Hievon ist das von ihm bezogene Krankengeld von EUR 1.002,82 in Abzug zu bringen sowie die von ihm bezogene Invaliditätspension von EUR 9.771,23, sodass sich ein Nettoverdienstentgang für das Jahr 2024 in der Höhe von EUR 25.052,97 ergibt.
Der Kläger erlitt im Zeitraum 10.01.2019 bis 31.12.2024 einen Verdienstentgang – ohne Berücksichtigung der von ihm in diesem Zeitpunkt erhaltenen Notstandshilfe - von EUR 106.657,57. Damit dem Kläger nach Entrichtung der auf den Entschädigungsbetrag entfallenen Einkommenssteuer dieser Verdienstentgang bei einem Zufluss im Jahr 2025 netto verbleibt, muss ihm eine Entschädigung in der Höhe von EUR 186.063,57 ausbezahlt werden.
In der umfassenden rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Schmerzen des Klägers seien endgültig überschaubar, sodass eine Globalbemessung vorgenommen werden könne. Seine Verletzungen und Schmerzen rechtfertigen ein Schmerzengeld in der Höhe von EUR 26.000,--. Die Beklagten behaupten ein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Sicherheitsgurtes. Eine Quote von 1/5 sei angemessen. Das Mitverschulden iSd § 106 Abs 2 und 7 KFG führe nur zur Kürzung des Schmerzengelds.
Beim Tragen eines Sicherheitsgurts hätte der Unfall kein Schädelhirntrauma verursacht und daher lediglich Verletzungen verursacht, die ein Schmerzengeld von EUR 2.500,-- begründet hätten. Vom (höheren) Schmerzengeld für die konkreten Folgen (EUR 26.000,--) sei das niedrigere Schmerzengeld für die fiktiven Unfallfolgen (EUR 2.500,--) abzuziehen. Diese vermeidbaren Folgen (EUR 23.500,--) seien im nächsten Schritt um die Mitverschuldensquote von 1/5, sohin um EUR 4.700,-- zu kürzen, welche vom Gesamtschmerzengeldanspruch (EUR 26.000,--) abzuziehen seien. Dem Kläger verbleibt sohin ein restlich gebührender Gesamtschmerzengeldanspruch in der Höhe von EUR 21.300,-- (EUR 26.000,-- – EUR 4.700,--). Unter Berücksichtigung der vorprozessual insgesamt geleisteten und auf Schmerzengeld gewidmeten Zahlungen der beklagten Parteien über EUR 20.000,-- stehe dem Kläger aus der Position Schmerzengeld noch ein restlicher Anspruch von EUR 1.300,-- zu. Der Kläger ziehe die Zahlung von EUR 20.000,-- zwar vom Gesamtbegehren ab, diese sei aber unstrittig von der Beklagten – vom Kläger unwidersprochen - auf Schmerzengeld gewidmet worden.
Das darüber hinaus geltend gemachte Begehren von EUR 30.700,-- (geltend gemachter Betrag von EUR 52.000,-- abzüglich gewidmete Schmerzengeldzahlung von EUR 20.000,-- minus Zuspruch von EUR 1.300,--) sei hingegen nicht berechtigt und daher abzuweisen.
Der Verdienstentgang des Klägers für den geltend gemachten Zeitraum 10.1.2019 – 31.12.2024 beruhe auf § 1325 ABGB. Nach stRsp habe die Notstandshilfe nicht den Zweck, den Schädiger von seiner Ersatzpflicht für den Verdienstentgang zu befreien. Eine Vorteilsanrechnung sei daher ausgeschlossen.
Bei der Differenzrechnung sei fiktiv der ohne Eintritt der Verletzung mögliche Verdienst dem tatsächlichen Verdienst - abzüglich der von ihm erhaltenen Notstandshilfeleistungen - gegenüberzustellen. Diese Differenz ergebe den geltend gemachten Verdienstentgangsbetrag von brutto EUR 186.063,57 (Nettoverdienstentgang EUR 106.657,57 zuzüglich Steuerschaden bei einem Zufluss im Jahr 2025 von EUR 79.406,--).
Die berechtigten Ansprüche des Klägers gliederten sich auf wie folgt:
Schmerzengeld gesamt EUR 21.300,--
Haushaltshilfe EUR 4.222,50
Pflegekosten EUR 615,--
Verdienstentgang EUR 186.063,57
Fahrkosten Reha ** EUR 265,60
Kleiderschaden EUR 200,--
Pauschale Unkosten EUR 60,--
Gesamt EUR 212.726,67
abzüglich vorprozessual Schmerzengeld - EUR 20.000,--
abzüglich vorprozessual Kleiderschaden - EUR 200,--
abzüglich restlich vorprozessual geleistet - EUR 150,--
Gesamt restlich EUR 192.376,67
Abzuweisen seien nachstehende darüber hinausgehenden Klagspositionen:
Schmerzengeld EUR 30.700,--
Besuchskosten EUR 2.957,81
Fahrtkosten SV D* EUR 96,90
Rechtsanwaltskosten EUR 3.000,--
Gesamt EUR 36.754,41
Da Spät- und Dauerfolgen nicht auszuschließen seien, sei das Feststellungsbegehren gerechtfertigt.
In ihrem klagsabweisenden Teil, hinsichtlich eines Zuspruchs von EUR 8.201,67 und hinsichtlich des stattgebenden Feststellungsurteils von wurde die Entscheidung unbekämpft rechtskräftig. Folgende Teilpositionen sind daher in folgender Höhe kein Streitpunkt mehr:
Teilbetrag Schmerzengeld EUR 125,--
Haushaltshilfe EUR 4.225,50
Pflegekosten EUR 615,--
Fahrtkosten EUR 265,60
Unkosten EUR 60,--
Teilbetrag Verdienstentgang (10.1.2019 – 31.8.2019) EUR 3.063,57
abzüglich Zahlung - EUR 150,--
Gegen den Zuspruch eines Betrags von EUR 184.175,33 s.A. (betreffend EUR 1.175,-- Schmerzengeld, EUR 183.000,33 Verdienstentgang) richtet sich die rechtzeitige Berufung der Beklagten, die unter Ausführung einer Beweis- und einer Rechtsrüge beantragen, dem Klagebegehren möge in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung mit einem Betrag von EUR 8.201,67 s.A. stattgegeben werden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
In der rechtzeitigen Berufungsbeantwortung beantragt der Kläger, dem Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden war, ist nicht berechtigt:
1.1. In der Beweisrüge bekämpfen die Beklagten zunächst die zu (A) angeführte Feststellung und beantragen ersatzweise folgende:
„Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wurde auch aufgrund der Tatsache, dass weniger Arbeit vorhanden war, aufgekündigt.“
Die Ersatzfeststellung ergebe sich aus der Aussage des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers als Zeugen. Ab Oktober 2019 wäre ein stufenweiser Einstieg ins Berufsleben indiziert gewesen, beginnend im Oktober 2019 ca. 2 Stunden täglich, im November 2019 ca. 3 Stunden täglich und ab Dezember bis 4 Stunden täglich.
1.2. Die bekämpfte Feststellung begegnet keinen Bedenken. Bei einer Gesamtbetrachtung der Zeugenaussage des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers ergibt sich klar, dass das Arbeitsverhältnis – wie festgestellt – aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers beendet wurde. Der Zeuge schilderte, er habe es im Unternehmen mit dem Kläger „probiert“. Er sei nur im Lager, in der Werkstatt und bei Baustellen am Boden eingesetzt worden, weil er nicht mehr „rauf“ (gemeint auf Dächer) gekonnt und Probleme mit dem Fuß gehabt habe. Der Zustand habe sich dann immer mehr verschlechtert. Dann sei versucht worden, den Kläger halbtags zu beschäftigen. Irgendwann sei es „einfach nicht mehr gegangen“ und der Kläger sei nicht mehr einsetzbar gewesen. Die ausdrückliche Frage, ob der Grund für die Kündigung gewesen sei, dass der Kläger nicht mehr einsetzbar gewesen sei, bejahte der Zeuge (ON 85, S 28). Seine Aussage, es habe im Betrieb „nicht mehr so viel Arbeit“ gegeben, bezieht sich also ganz offensichtlich darauf, dass nicht mehr genug Arbeit für das sich immer weiter verringernde Leistungskalkül des Klägers vorhanden gewesen sei.
Die Feststellung wird daher übernommen.
2.1. Weiters bekämpfen die Beklagten die zu (B1) und (B2) angeführten Feststellungen und stellen ihnen folgenden Wunschsachverhalt gegenüber:
„Der Kläger könnte nach wie vor seiner gelernten Tätigkeit als Dachdecker und Dachspengler nachgehen.“
Außerdem begehren die Berufungswerber im Rahmen dieser Beweisrüge folgende zusätzlichen Feststellungen:
"Observation 25.07.2022
Am 25.07.2022 konnte durch ein von der Zweitbeklagten beauftragtes Schadenermittlungsunternehmen festgestellt werden, dass an der Wohnadresse des Klägers in Bosnien im Dorf [...] zwischenzeitlich ein neuer Zaun um das Grundstück sowie ein elektrisches Zauntor montiert ist (Beilage ./5). Im Bereich des nicht fertiggestellten Teichs(Fisch- oder Schwimmteich) konnte ein im Rohbau befindliches, kleines Gebäude festgestellt werden. Der Dachstuhl war bereits aufgesetzt, Dachziegeln hatten damals noch gefehlt. Bei der Observation konnten aus dem kleinen Rohbaugebäude beim Teich immer wieder Maschinengeräusche (Säge, Hilti) gehört werden. Die Detektive hatten jedoch aufgrund der örtlichen Gegebenheiten keine Sicht auf die Vorderseite des Gebäudes. Es konnten jedoch die Stimmen von mehreren Personen gehört werden. Um 16:00 Uhr konnten die Detektive im Vorbeifahren den Kläger mit einem Hammer oder ähnlichen Werkzeug in der Hand sehen. Anlässlich der Observation am 04.08.2022 (Beilage ./6) konnte der Kläger gegen 08:25 Uhr beobachtet werden, wie er eine mit diversen Werkzeugen beladene Schubkarre vom Grundstück auf die Straße ca. 100 m entlang schiebt, dort zwei weitere männliche Personen antrifft und sich mit diesen gemeinsam hinunter zur Baustelle begibt. Der Kläger trägt Arbeitskleidung. Beim Schieben der Schubkarre sind keine körperlichen Einschränkungen erkennbar. Der Kläger ist augenscheinlich in kräftiger körperlicher Verfassung. Um 12:00 Uhr wird der Kläger mit einer weiteren Person bei Arbeiten am Dach des Rohbaus vor dem Teich (Fisch- oder Schwimmteich) beobachtet. Die Konterlattung wird vom Kläger am Dach montiert. Der Kläger verwendet einen Hammer in der linken Hand und nagelt damit die Dachlatten an. Er bückt sich dabei, kniet, steht wieder auf und bewegt sich am Dach ohne erkennbare Einschränkungen. Die Außentemperatur liegt bei 35 - 38 Grad. Um 15:00 Uhr entlädt der Kläger zusammen mit anderen Personen einen von einem Traktor gezogenen Anhänger. Anlässlich der Observation am 11.08.2022 gegen 07:30 Uhr hält sich der Kläger beim Rohbau beim Teich auf. Er trägt Arbeitskleidung und eine gelbe Nageltasche um die Hüfte. Der Kläger bereitet die Eindeckung des Dachs mit Dachziegeln vor. Er begibt sich auf das Dach. Der Kläger schneidet mit der Trennscheibe Dachziegeln. Er macht dies in gebückter Haltung. Es sind augenscheinlich keine körperlichen Einschränkungen zu erkennen. An diesem Tag steigt der Kläger mehrfach über eine Leiter aufs Dach und auch wieder hinunter. Dabei sind augenscheinlich keine körperlichen Einschränkungen erkennbar. Den ganzen Vormittag hindurch kann der Kläger beim Eindecken des Dachs beobachtet werden. Die Außentemperaturen befinden sich bei etwa 35 Grad."
Die Berufungswerber kritisieren, das Erstgericht lasse unberücksichtigt, dass der Kläger, nachdem er seit Februar 2021 angeblich keiner Beschäftigung mehr nachgehen könne und nach wie vor einen muskulösen durchtrainierten Körperbau aufweise, über einen langen Zeitraum observiert worden sei. Die Observationsberichte seien vorgelegt worden. Es sei beantragt worden, sie den Gutachtern zur Beurteilung zu übermitteln. Daraus ergebe sich, dass der Kläger nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Spengler und Dachdecker weiter gearbeitet hätte.
2.2.Der gerügte sekundäre Feststellungsmangel, der tatsächlich der Rechtsrüge zuzuordnen ist (vgl RS0043304 [T5]), liegt mangels rechtlicher Relevanz nicht vor. Die im Observationsbericht geschilderten Beobachtungen mögen im Rahmen der Beweiswürdigung eine Rolle für die alleine entscheidungserhebliche Frage spielen, ob und in welchem Umfang die Arbeitsfähigkeit des Klägers unfallkausal beeinträchtigt war. Eigenständige rechtliche Bedeutung kommt den vermissten Feststellungen aber nicht zu, weshalb insofern auch kein sekundärer Mangel vorliegt (vgl RS0053317).
2.3.Um eine Beweisrüge in der Berufung gesetzmäßig auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung er bekämpft, infolge welch unrichtiger Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche andere Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die gewünschte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RS0041835). Insoweit eine Beweisrüge auf die bloße „ersatzlose Streichung“ einer Feststellung abzielt, genügt dies zur gesetzmäßigen Ausführung des Rechtsmittels jedoch nicht (vgl etwa 9 ObA 26/07z; 8 Ob 337/97k).
Diesen Anforderungen genügt die Beweisrüge nur teilweise.
2.4. Die Ersatzfeststellung sagen nur etwas über eine (potentiell mögliche) Tätigkeit als Dachdecker und Dachspengler aus. Die Feststellungen des Erstgerichts beziehen sich aber auch auf den Beruf eines Spenglers und eines Zimmerers, und zwar insofern, dass diese Berufe dem Kläger unfallkausal nicht mehr möglich sind. Insofern beantragen die Beklagten daher lediglich den ersatzlosen Entfall dieser Feststellungen, was wie ausgeführt unzulässig ist.
2.5. Den zu (B2) angeführten Feststellungen setzt die Beweisrüge überhaupt keinen Alternativsachverhalt gegenüber, sodass auch diese als unbekämpft zu werten und der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen sind.
2.6. Damit bleibt die Prüfung der Frage, ob der Kläger unfallkausal tatsächlich nicht mehr in der Lage ist, seinen Beruf als Dachdecker und Dachspengler auszuüben. Die Berufungswerber argumentieren insofern lediglich mit dem Observationsbericht und dem muskulösen Körperbau des Klägers.
Das Berufungsgericht hat keine eigene Würdigung der Beweisergebnisse vorzunehmen, sondern nur zu überprüfen, ob das Erstgericht die ihm vorgelegenen Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat ( Pochmarski/Lichtenberg/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO³ 150 mwN). Eine Beweisrüge kann nur dann erfolgreich sein, wenn stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung rechtfertigen. Dazu ist darzulegen, dass wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen ( Klauser/Kodek JN-ZPO 18§ 467 ZPO E 39 ff). Wie bereits ausgeführt, ist auch darzulegen, inwiefern die Beweiswürdigung unrichtig ist.
2.7. Die Berufungswerber setzen sich mit keinem Wort mit den medizinischen Gutachten auseinander. Im Verfahren wurden allein 13 schriftliche Gutachten (ON 25, 28, 98, 116, 121, 126, 136, 160, 181, 200, 212, 243, 250) aus den Bereichen Medizin und Berufskunde eingeholt, die teilweise auch umfassend erörtert worden (ON 85, 202, 228, 235, 280). Inwiefern sich aus den Ergebnissen der Sachverständigen eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit als Dachdecker und Dachspengler ergeben soll, versuchen die Berufungswerber nicht einmal darzulegen. Die Beweisrüge ist daher auch insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Die Berufungswerber zeigen auch nicht auf, aus welchen Beweisergebnissen sich ein „muskulöser Körperbau“ des Klägers ergibt. Nur am Rande ist festzuhalten, dass der Kläger in Gutachten zu Beginn des Verfahrens als „eher athletisch wirkend“ (ON 25, S 43) beschrieben wurde, wobei aber auch damals schon Übergewicht konstatiert wurde (ON 25, S 23), das auch in späteren Untersuchungen festgehalten wurde, und zwar teilweise sogar an der Grenze zu krankhaftem Übergewicht (Gutachtenserörterung Dr. E*, ON 202, S 13). Der Körperbau des Klägers spricht daher nicht gegen unfallkausale Einschränkungen.
2.8. Selbst wenn man von einer gesetzmäßig ausgeführten Beweisrüge ausginge, bestehen keine erheblichen Bedenken an der festgestellten Arbeitsunfähigkeit im erlernten Beruf des Klägers. Es mag sein, dass die vorgelegten (und vom Erstgericht ohnehin bedachten, vgl Beweiswürdigung S 13) Observationsberichte ein gewisses Aggravationsverhalten des Klägers nahelegen (vgl etwa Erörterung Dr. D* ON 85, S 14; GA Dr. F* ON 160, S 10 und S 13; GA Dr. E*, S 2; Erörterung Dr. F*, S 5, Erörterung Dr. E*, S 11, GA Dr. G* ON 212, S 2; Erörterung Dr. G* ON 235, S 2). Dass Beschwerden und Beeinträchtigungen allenfalls (bewusst oder unbewusst) übertrieben dargestellt wurden, bedeutet aber nicht, dass der Kläger uneingeschränkt leistungsfähig ist. Dabei darf nicht übersehen werden, dass der erlernte Beruf des Klägers hohe körperliche Leistungsfähigkeit voraussetzt (vgl die Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen in ON 136). Das Erstgericht berief sich insofern insbesondere auf dieses Gutachten (ON 136). Die kritisierten Feststellungen bedeuten nur, dass dem Kläger diese anspruchsvollen Tätigkeiten im konkreten Berufsbild nicht mehr möglich sind. Dass er beim Verkehrsunfall schwer verletzt wurde, steht außer Frage. Auch in der späteren Phase des Verfahrens hielt der Sachverständige Dr. E*, dem die thematisierten Observationsberichte auch vorlagen (vgl ON 202, S 9) und der selbst von Ungereimtheiten in den Schilderungen des Klägers ausging (vgl etwa ON 202, S 8 und 11), fest, dass er beim Kläger (weiter) ua von Sensibilitätsstörungen und Symptomen eines organischen psychischen Syndroms ausgehe. Im schriftlichen Gutachten verwies der Sachverständige Dr. E* auf das von Dr. D* ermittelte Leistungskalkül (ON 181, S 105), der ua auch eine grenzwertige Tonussituation an beiden oberen Extremitäten festhielt (ON 25, S 45), ein Erschöpfungssyndrom bestätigte (ON 85, S 15) und betonte, dass dem Kläger Arbeiten am Dach „natürlich nicht möglich“ seien (ON 85, S 13) und er nur leichte Arbeiten hätte machen können, also keine Arbeit auf Leitern, Gerüsten oder exponierten Stellen, keine Akkord- oder Fließarbeiten (ON 85, S 16). Diese Einschätzung wurde auch vom Sachverständigen Dr. E* nie relativiert oder in Frage gestellt. Selbst wenn man (mit durchaus guten Gründen) davon ausginge, dass der Kläger einzelne seiner Beschwerden (wie insbesondere im Bereich des Beins) übertrieben dargestellt hätte, bleiben damit doch genügend Beweisergebnisse, die die Feststellung einer unfallskausalen Arbeitsunfähigkeit im erlernten Beruf des Klägers als zumindest vertretbar erscheinen lassen.
Nur der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass die Feststellung des Erstgerichts, wonach der Kläger ohne Unfall weiter bei seinem bisherigen Arbeitgeber gearbeitet hätte (Urteil S 11), unbekämpft blieb.
Die Beweisrüge bleibt daher erfolglos.
3.1. Weiters bekämpfen die Berufungswerber die zu (C1) und (C2) angeführten Feststellungen und wünschen an ihrer Stelle folgende:
„Der Kläger erlitt im Zeitraum 10.1.019 bis 31.8.2019 bei Gegenüberstellung seines fiktiven Einkommens bei der H* GmbH und seines tatsächlich erhaltenen Lohns einen Nettoverdienstentgang von EUR 3.063,57. Ein weiterer Verdienstentgang steht dem Kläger nicht zu.“
Sie führen aus, dem Kläger stehe aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens kein weiterer Verdienstentgang mehr zu. Er hätte den erlernten Beruf weiter ausüben können. Festgestelltermaßen wäre es ihm möglich gewesen, am allgemeinen Arbeitsmarkt eine Stellung in Vorarlberg zu finden, wie sich aus dem berufskundlichen Gutachten (ON 136) ergebe. Außerdem gehe das Gericht nicht auf den vom buchhalterischen Sachverständigen errechneten Verdienst unter der Prämisse, dass die Notstandshilfe als tatsächliches Einkommen anzurechnen sei, ein. In diesem Fall betrüge der unfallskausale fiktive Verdienstentgang EUR 78.945,-- und unter Berücksichtigung der Einkommensteuer EUR 130.639,--. Bei der Berechnung des tatsächlichen Verdienstentgangs seien sämtliche Einkünfte zu berücksichtigen.
3.2. Auch insofern ist die Beweisrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Der Verdienstentgang vom 10.1.2019 bis 31.8.2019 steht in der in der Ersatzfeststellung (1. Satz) angeführten Höhe ohnehin (unbekämpft) fest (Urteil Seite 11, 4. Absatz, 1. Satz).
3.3.Ob Verdienstentgang „zusteht“, ist keine Tat-, sondern eine nicht feststellungsfähige Rechtsfrage (vgl RS0111996, (RS0111996 [T3]). Dass das Arbeitsverhältnis des Klägers beendet wurde und er deshalb weniger verdiente als vorher, ist unstrittig. Insofern ist auch offensichtlich, dass er tatsächlich einen Verdienstentgang erlitt. Eine gesetzmäßig ausgeführte Beweisrüge müsste anführen, dass der Kläger tatsächlich ein (und in welcher Höhe!) niedrigeres Einkommen als vom Erstgericht festgestellt hatte. Die Beweisrüge setzt den umfassenden Feststellungen des Erstgerichts aber überhaupt keinen Alternativsachverhalt gegenüber, sodass sie nicht weiter zu behandeln ist.
3.4. Ob Notstandshilfe als Einkommen zu werten ist, ist ebenfalls keine Tatfrage.
4.1. In der Rechtsrüge kritisieren die Berufungswerber zunächst den Schmerzengeldzuspruch. Dass das Erstgericht diesen mit insgesamt EUR 26.000,--bemessen habe, werde nicht beeinsprucht. Der Verstoß gegen die Gurtenpflicht werde von der Rechtsprechung grundsätzlich mit einer Mitverschuldensquote von 25 % bemessen. Die auf das Schädel-Hirn-Trauma zurückzuführenden Schmerzen, die mit EUR 23.500,-- zu bemessen seien, seien um diese Mitverschuldensquote von einem Viertel, daher um EUR 5.875,--zu kürzen. Es verbleibe daher ein Gesamtschmerzengeldanspruch in Höhe von EUR 20.125,--, nach Abzug der geleisteten Zahlungen also nur noch von EUR 125,--. Bereits das Erstgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die Zahlung von EUR 20.000,-- auf Schmerzengeld gewidmet gewesen sei.
4.2.Dem ist zu entgegnen, dass sich die Höhe der Mitverschuldensquote wegen Verletzung der Gurtenanlegepflicht nach den Umständen des Einzelfalls (RS0029844) richtet. Der (im Vergleich zum Auslösungsverschulden) regelmäßig geringere Schuldgehalt eines „Gurtenmitverschuldens“ des Verletzten wird in ständiger Rechtsprechung bei der Gewichtung der Verschuldensanteile dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Verletzung der Gurtenanlegepflicht in der Regel mit etwa 25 %, fallweise auch mit 20 %bewertet wird. In Ausnahmefällen kann das „Gurtenmitverschulden“ gegenüber einem schwerwiegenden Auslösungsverschulden sogar komplett zurücktreten (2 Ob 102/22x mwN).
Dass das Erstgericht das Mitverschulden im vorliegenden Fall mit einem Fünftel bewertet hat, hält sich im Rahmen des ihm bei der Gewichtung von Mitverschuldensfragen zukommenden Ermessensspielraums. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug, in dem der Kläger saß, dabei war, aus einem Parkplatz auszufahren, sich also noch nicht im fließenden Verkehr befand und noch nicht mit hoher Geschwindigkeit fuhr. Eine korrekturbedürftige Fehlentscheidung liegt daher nicht vor.
5.1. Hinsichtlich des Verdienstentgangs vertreten die Berufungswerber die Ansicht, das Erstgericht „mache es sich hier sehr einfach“. Es gehe ausgehend von den Gutachten davon aus, dass der Kläger bis auf weiteres arbeitsunfähig sei und spreche den fiktiv errechneten Verdienst bis zum Ende des Jahres 2025 brutto zu. Richtig sei, dass der Kläger keiner Arbeit mehr nachgegangen sei. Das heiße aber nicht, dass er keiner Arbeit mehr nachgehen könne. Aus medizinischer Sicht habe die durchgehende Arbeitsunfähigkeit nur bis September 2019 bestanden. Danach sei jedenfalls die Arbeitsfähigkeit wiedergegeben. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Erstgericht ausgehend von den getroffenen Feststellungen aussprechen müssen, dass dem Kläger ein tatsächlicher Nettoverdienstentgang im Zeitraum von 10.1.2019 bis 31.8.2019 von EUR 3.063,57 entstanden sei.
Als sekundärer Feststellungsmangel werde geltend gemacht, dass das Gericht nicht auf den vom buchhalterischen Sachverständigen errechneten Verdienstentgang unter der Annahme, dass die Notstandshilfe als tatsächliches Einkommen anzurechnen sei, eingehe. In diesem Fall betrüge der unfallskausale fiktive Verdienstentgang EUR 78.945,-- und unter Berücksichtigung der Einkommensteuer EUR 130.639,--. Bei der Berechnung des tatsächlichen Verdienstentgangs seien sämtliche Einkünfte zu berücksichtigen.
5.2.Damit ist auch diese Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht von den Feststellungen ausgeht, wonach der Kläger in seinem erlernten Beruf nicht mehr arbeitsfähig war. Eine Rechtsrüge ist nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn dargelegt wird, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint. Dafür ist es nicht ausreichend, die Rechtsansicht des Erstgerichts bloß zu bestreiten, ohne dies substanziell zu begründen (RS0041719; vgl auch RS0043605 [T11, T12]). Außerdem hat die Rechtsrüge von den bindenden Feststellungen des Erstgerichts auszugehen. Entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt und kann einer weiteren Behandlung nicht zugeführt werden (RS0043603 [T2, T8]; RS0041585 [T2]).
5.3.Dass Notstandshilfe nicht als Einkommen zu werten und damit beim Verdienstentgang iSd § 1325 ABGB nicht anzurechnen ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RS0031478 [T5], RS0029090, zuletzt ausführlich 8 Ob 104/21h). Damit schadet es auch nicht, dass das Erstgericht die Feststellungen zum Verdienstentgang auf dieser Grundlage, dh ohne Anrechnung der Notstandshilfe, getroffen hat.
Der Berufung ist daher keine Folge zu geben.
6.Aufgrund des vom Erstgericht angeordneten Kostenvorbehalts ist im Berufungsverfahren keine Kostenentscheidung zu treffen (§ 52 Abs 3 ZPO).
7. Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung liegen nicht vor. Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
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