Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des A A, vertreten durch Mag. Hilal Kafkas, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2025, L506 2290475 1/50E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein libanesischer Staatsangehöriger, stellte am 28. Dezember 2000 einen Antrag auf Gewährung von Asyl, der im November 2008 im Beschwerdeweg rechtskräftig abgewiesen wurde. Nachdem er unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben war, wurden ihm schließlich ab März 2010 Aufenthaltstitel, zuletzt im Dezember 2015 der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“, erteilt. Über einen solchen Aufenthaltstitel in Österreich verfügen auch die zwei minderjährigen (2013 und 2018 geborenen) Kinder des geschiedenen Revisionswerbers, beide libanesische Staatsangehörige, sowie die Kindesmutter und frühere Ehefrau des Revisionswerbers, eine argentinische Staatsangehörige. Im Libanon leben die Eltern und Geschwister des Revisionswerbers.
2Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 21. März 2022 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall StGB, 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 2 und Z 3 SMG zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Im Berufungsweg erhöhte das Oberlandesgericht Linz das Strafausmaß auf fünfeinhalb Jahre. Dem Schuldspruch lag zugrunde, der Revisionswerber habe als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen ab einem unbekannten Zeitpunkt vor Juni 2016 bis zumindest Ende August 2018 zur vorschriftswidrigen Ein- und Ausfuhr von Suchtgift in einer das 25Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 3,323.530 Stück Captagon Tabletten wiederholt durch grenzüberschreitenden Transport vom Libanon über Belgien, Dänemark und Deutschland nach Österreich und nach Umverpackung der Captagon Tabletten in Pizzaöfen, Industriewaschmaschinen und Industriewäschetrockner weiter nach Saudi Arabien beigetragen, indem er Fahrzeuge mit Suchtgiftlieferungen in Empfang genommen und zu einem Lager begleitet habe, am Befüllen von Industriewaschmaschinen und wäschetrocknern mit Captagon Tabletten mitgewirkt habe, die mit diesen Tabletten befüllten Plastikrollen zum Umverpacken weitertransportiert und die mit den Tabletten befüllten Geräte für den Weitertransport nach Saudi Arabien in die entsprechenden Transportmittel verladen habe.
3 Ferner wurde der Revisionswerber, der sich vom 23. März 2021 bis 20. September 2024 zunächst in Untersuchungsund dann in Strafhaft befand, mit Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 23. Februar 2023 wegen versuchter Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt, weil er im September 2022 einen Mithäftling durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht habe.
4Wegen seiner Straffälligkeit erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 29. Februar 2024 gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFAVG eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Libanon zulässig sei, und verhängte über den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Ferner gewährte es gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA VG die aufschiebende Wirkung ab.
5 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), das der Beschwerde mit Beschluss vom 23. April 2024 gemäß § 18 Abs. 5 BFAVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. Juli 2025 insofern statt, als es die Frist zur freiwilligen Ausreise mit vierzehn Tagen festlegte. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende nach Ablehnung der Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und ihrer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 12.8.2025, E 2261/2025 7) fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich die Zulässigkeitsbegründung der Revision zunächst gegen die Gefährdungsprognose des BVwG, die nach Ansicht des Revisionswerbers angesichts seiner in der mündlichen Verhandlung geäußerten Schuldeinsicht, des erstmaligen Verspürens des Haftübels und der Entscheidung des Vollzugsgerichts über die bedingte Haftentlassungpositiv hätte ausfallen müssen. Das BVwG habe übersehen, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses mehr als sieben Jahre seit Begehung der Straftat verstrichen seien und richtigerweise auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Tatbegehung und nicht auf den deutlich späteren Zeitpunkt der Haftentlassung abzustellen gewesen wäre. Zudem habe das BVwG die aktuell volatile Sicherheitslage im Libanon nicht beachtet und diesbezügliche Ermittlungspflichten verletzt, andernfalls die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zugunsten des Revisionswerber ausgefallen wäre.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 BVG. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. etwa VwGH 31.7.2025, Ra 2025/21/0053, Rn. 11, mwN).
11Der Zulässigkeitsbegründung der Revision ist zum einen die (auch vom BVwG zitierte) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, wonach das Fehlverhalten eines Fremden und die daraus abzuleitende Gefährlichkeit ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts, also (auch) unabhängig von gerichtlichen Erwägungen über bedingte Strafnachsichten oder eine bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug, zu beurteilen ist (vgl. etwa VwGH 21.8.2025, Ra 2024/21/0063, Rn. 16, mwN).
12Zum anderen wird in der Revision auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes außer Acht gelassen, dass für die Frage, ob ein Einreiseverbot erlassen werden darf, auf den Zeitpunkt der hypothetischen Ausreise bzw. der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung abzustellen ist (vgl. etwa VwGH 23.5.2024, Ra 2022/21/0224, Rn. 10, mwN). In diesem Zusammenhang ist auch auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich nach dem Vollzug einer Haftstrafein Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat (vgl. etwa VwGH 6.8.2025, Ra 2024/21/0035, Rn. 17, mwN).
13Bei der für die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot anzustellenden Gefährdungsprognose ging das BVwG vorliegend davon aus, dass mit der Straffälligkeit des Revisionswerbers der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG erfüllt und deshalb die Annahme im Sinne des § 52 Abs. 5 FPG gerechtfertigt sei, dass sein weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle. Dabei hat das BVwG hinsichtlich des strafbaren Verhaltens, das zur Verurteilung des bis dahin noch nicht einschlägig vorbestraften Revisionswerbers zu einer sehr hohen unbedingten Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren führte, zu Recht den langen Tatzeitraum, die vielfache Überschreitung der Grenzmenge des § 28b SMG und die Tatbegehung als funktionell eingegliedertes Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zum Zweck des internationalen Drogentransfers zu seinen Lasten ins Treffen geführt.
14Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass grenzüberschreitender Suchtgiftschmuggel ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr besteht und bei dem selbst ein längeres Wohlverhalten in Freiheit noch nicht für die Annahme eines Wegfalls der daraus ableitbaren Gefährdung ausreicht (vgl. etwa VwGH 27.2.2025, Ra 2024/21/0085, Rn. 16, mwN). Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die Annahme des BVwG, der seit der Haftentlassung des Revisionswerbers verstrichene Zeitraum von nur rund neun Monaten sei zu kurz, um die von ihm ausgehende Gefahr auch nur als entscheidend gemindert anzusehen, keine Bedenken. Die Prognosebeurteilung des BVwG ist daher nicht zu beanstanden.
15 Was das Vorbringen zur Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Revisionswerbers betrifft, hat das BVwG im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA zur Sicherheitslage im Libanon insbesondere für Zivilisten gerichtet und die Anfragebeantwortung, die auch Berichte vom Mai 2025 enthielt, dem Revisionswerber übermittelt, der von der eingeräumten Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, Gebrauch nahm. Im angefochtenen Erkenntnis setzte sich das BVwG sowohl mit der im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sicherheitslage anhand aktueller Länderberichte als auch mit der diesbezüglichen Stellungnahme des Revisionswerbers auseinander, um mit Hinweis auf seine Aussagen zu seinen in der Heimat lebenden Familienangehörigen in der Beschwerdeverhandlung zum Schluss zu gelangen, dass weder im Libanon insgesamt noch in der Heimatregion des Revisionswerbers von einer solchen extremen Gefährdungslage gesprochen werden könne, dass gleichsam jede sich dort aufhaltende Person einer unmittelbaren Gefährdung etwa durch militärische Angriffe der israelischen Armee ausgesetzt wäre. Diesen Ausführungen tritt der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen nicht konkret entgegen. Soweit er auf teilweise auch vom BVwG ins Treffen geführteaktuell sicherheitsrelevante Umstände in seinem Herkunftsstaat Bezug nimmt, vermag er damit die Unvertretbarkeit der Beurteilung des BVwG, das von der Zulässigkeit der Abschiebung im Hinblick auf Art. 3 EMRK ausgegangen ist, nicht aufzuzeigen.
16 Allfällige Schwierigkeiten beim Aufbau einer Existenz im Libanon, wo neben den Eltern und der Schwester auch die beiden (beruflich bei der Polizei bzw. beim Militär tätigen) Brüder des Revisionswerbers leben, sind jedoch wie das BVwG bei der Interessenabwägung zutreffend angenommen hat im besonders großen öffentlichen Interesse an der Unterbindung von Straftaten der hier in Rede stehenden Art in Kauf zu nehmen.
17 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG aufgezeigt. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 16. Oktober 2025
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