Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Guggenbichler als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. a Aigner und den Kommerzialrat Eppler in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde A* (Stadt A*) vertreten durch den B*, **, vertreten durch die Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei C* , **, Deutschland, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 25.000), über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18.2.2025, GZ **-41, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.744,82 (darin EUR 457,47 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 5.000, nicht jedoch EUR 30.000.
Die Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte veröffentlichte als Verantwortlicher für die Website D* am 18.7.2024 folgenden (auszugsweise wiedergegebenen) Beitrag über den B*:
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Zwar entfernte der Beklagte inzwischen den Begriff „Tötungs-KZs“, doch enthält der Beitrag immer noch folgende Passagen:
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Nicht festgestellt werden kann, dass es der Klägerin um die wirtschaftliche Vernichtung des Beklagten ginge.
Der Beklagte verlor 2018 mehrere Verfahren vor dem EGMR, nachdem er Abtreibungen mit dem Holocaust verglichen hatte.
Die Klägerin begehrte mit der am 4.9.2024 eingebrachten Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, (1.) die Behauptung und/oder Verbreitung der Äußerung, die von der Klägerin betriebenen ** Kliniken seien „Tötungs-KZs“ , und/oder sinngleicher Äußerungen zu unterlassen. Zugleich beantragte sie die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung. Mit Schriftsatz vom 15.11.2024 dehnte die Klägerin die Klage dahin aus, den Beklagten weiters schuldig zu erkennen, (2.) die Behauptung und/oder Verbreitung der Äußerung, die von der Klägerin betriebenen ** Kliniken, insbesondere die Kliniken E*, F*, G* und H*, seien „Hinrichtungsstätten“ und/oder „Tötungskliniken“ , und oder gleichsinniger Äußerungen zu unterlassen. Auch dazu beantragte sie die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung.
Der Beklagte betreibe die Online-Plattform D* und sei als Medieninhaber für die Inhalte verantwortlich. Er veröffentliche dort Beiträge insbesondere zum Thema Abtreibungen, die er „Tötungen“ nenne. Seit 18.7.2024 halte der Beklagte auf seiner Website einen Beitrag mit dem Titel „B* – das Geschäft mit dem Tod“ abrufbar. Mit der Formulierung „ Und soll einer mal sagen, wir hätten heute, Anno 2024, keine staatlichen Tötungs-KZs!“ habe er die ** Kliniken der Klägerin mit Konzentrationslagern der Nationalsozialisten gleichgesetzt. Außerdem bezeichne der Beklagte im genannten Beitrag die Krankenhäuser der Klägerin als „Hinrichtungsstätten“ und „Tötungskliniken“ . Die ursprüngliche inkriminierte Passage habe er inzwischen abgeändert, den augenscheinlichsten NS-Vergleich entfernt und spreche nun von „staatlichen Tötungs-Kliniken“ mit dem Zusatz „f.u.K.“ , welcher „für ungeborene Kinder“ abkürze. Der herabsetzende Beisatz „Sie werben für`s Töten und sprechen von Gesundheit ... auf diese Idee kamen nicht einmal die N.....!“ sei nach wie vor abrufbar. Dass hier mit den „N ....“ die Nationalsozialisten gemeint seien, liege auf der Hand. Selbst nach Erlassung der Einstweiligen Verfügung in diesem Verfahren sei der verfahrensgegenständliche Beitrag weiterhin online abrufbar.
Der Vorwurf sei unwahr und ehrenrührig. Er könne den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin gefährden, weil Patientinnen die Kliniken der Klägerin meiden könnten. Er wirke sich auch negativ auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und des Sicherungsantrags und wandte ein, dass er ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung die beanstandete Wortkombination „Tötungs-KZ“ gestrichen und abgeändert habe. Seine Aussage habe einen wahren Tatsachenkern und sei im Rahmen der freien Meinungsäußerung zulässig. Schließlich würde bei einer Abtreibung ein ungeborenes Kind getötet. Er habe sich auch ausschließlich auf die Tötung ungeborener Kinder bezogen, was bei der Bezeichnung „Tötungs-Klinik f.u.K" aus dem Zusatz „f.u.K“ , der „für ungeborene Kinder“ stehe, erkennbar sei. Es finde sich kein Hinweis für eine Behauptung, in den von der Klägerin betriebenen Kliniken würden geborene Menschen getötet. Es sei sprachlich auch korrekt, die Tötung eines wehrlosen Menschen wie eines ungeborenen Kindes als „Hinrichtung“ zu bezeichnen. Der Beklagte habe die Klägerin nicht als nationalsozialistische Organisation bezeichnet, sondern – im Rahmen des Meinungswettstreits – Parallelen zwischen dem Handeln von einzelnen ihrer Organe und den Nationalsozialisten aufgezeigt.
Das Erstgericht erließ am 7.10.2024 (ON 8) die Einstweilige Verfügung zur Sicherung des ersten, am 4.12.2024 (ON 24) jene zur Sicherung des zweiten Unterlassungsbegehrens. Dem vom Beklagten nur gegen die Erlassung der Einstweiligen Verfügung vom 4.12.2024 erhobenen Rekurs gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 25.2.2025 (ON 44) keine Folge.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt.
Dabei traf es die oben wiedergegebenen Feststellungen.
In rechtlicher Hinsichtführte es, nach Darstellung des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB und des Art 10 MRK sowie dazu ergangener Rechtsprechung, aus, der Schwangerschaftsabbruch sei mit §§ 96 ff StGB grundsätzlich mit Strafe bedroht, unter bestimmten Bedingungen aber straffrei. Ein von einem Arzt durchgeführter Schwangerschaftsabbruch sei ein medizinischer Eingriff. Der Vorwurf, die von der Klägerin betriebenen Kliniken seien „Tötungs-KZs“ , sei unwahr. Der Beklagte habe dazu weder Tatsachen vorgebracht noch Bescheinigungsmittel angeboten. Der Vorwurf sei auch eine herabsetzende Äußerung und gerade bei Krankenhäusern nicht nur ruf-, sondern auch geschäftsschädigend, weil in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern Menschen in großer Zahl und grausam getötet worden seien. Die Bezeichnung „Tötungskliniken“ statt „Tötungs-KZs“ ändere wenig. Zwar falle die nationalsozialistische Konnotation auf den ersten Blick weg, doch habe der Beklagte diese nur in den Satz „auf diese Idee kamen nicht einmal die N...!“ verschoben. Jedenfalls erwecke er weiter den falschen Eindruck, als ginge es primär um die Vernichtung von Leben in verbotener Weise. Gleiches bringe er mit dem Begriff „Hinrichtungsstätte“ zum Ausdruck. Damit sei der Beitrag weiterhin ruf- und geschäftsschädigend. Die Gefahr sei weiterhin offensichtlich, weil der Beklagte mit seinen Äußerungen keinerlei Einsicht gezeigt habe und nach wie vor behaupte, der Bezug zu den Nationalsozialisten wäre zulässig. Gerade bei einem – wie die EGMR-Urteile gezeigt hätten – vorsätzlich agierenden Wiederholungstäter bedürfte es einer exequierbaren Unterlassungsverpflichtung, wollte er die Gefahr beseitigen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem auf Klagsabweisung gerichteten Abänderungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1.Das Berufungsgericht erachtet die Rechtsausführungen des Erstgerichts für zutreffend, sodass grundsätzlich darauf verwiesen werden kann (§ 500a ZPO). Ergänzend ist den Argumenten der Berufung entgegenzuhalten:
2. Der Beklagte vermeint, es sei eine wahre Tatsachenbehauptung, dass in den von der Klägerin betriebenen Kliniken ungeborene Kinder getötet würden. Aus dem bescheinigten Sachverhalt ergebe sich, dass der Beklagte nur von der Tötung ungeborener Kinder spreche und sich kein Hinweis für eine Behauptung finde, es würden auch geborene Menschen getötet. Jeder verständige Betrachter könne keinen Zweifel haben, dass sich die Bezeichnung „Tötungs-Klinik f.u.K“ auf die in den Kliniken vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche beziehe. Dies insbesondere aufgrund der in unmittelbarer Nähe zu findenden Erklärung „(f.u.K = für ungeborene Kinder)“ .
Weiters argumentiert der Beklagte, die Tötung eines wehrlosen Menschen werde gemeinhin als „Hinrichtung“ bezeichnet, dies auch und gerade wenn sie mit gesetzlicher Deckung erfolge.
Es sei ferner auch zulässig, die frappierenden Ähnlichkeiten zu „Tötungs-KZs“ aufzuzeigen, in denen Menschen in großer Zahl und grausam getötet worden seien, da in den Kliniken der Klägerin ungeborene Kinder im Mutterleib in großer Zahl getötet würden, was eine offenkundige Tatsache sei.
Die Bezeichnung der Kliniken als Hinrichtungsstätten und Tötungskliniken für ungeborene Kinder sowie als Tötungs-KZs stelle somit eine wahre Tatsachenbehauptung dar.
3.Unter Heranziehung der vom Erstgericht zutreffend aufgezeigten (§ 500a ZPO) Grundsätze zur Auslegung von Äußerungen kann – wie bereits in der im Provisorialverfahren zu 5 R 1/25s ergangenen Rechtsmittelentscheidung ausgeführt - der Ansicht des Beklagten, es lägen wahre Tatsachenbehauptungen vor, nicht gefolgt werden. Mit dem Vorwurf, die Klägerin betreibe „Tötungskliniken“ und „ Hinrichtungsstätten“ wird in einem Gesamtzusammenhang etwas ganz anderes ausgedrückt, als der Beklagte in seinem Rekurs zu argumentieren versucht.
Diese Beurteilung kann auch nicht mit dem Argument widerlegt werden, durch den Beisatz „f.u.K.“ erfolge eine Klarstellung. Dabei handelt es sich um eine vollkommen ungebräuchliche Abkürzung, die – auch ausgeschrieben - die mit dem Begriff „Tötungsklinik“ hervorgerufenen Assoziationen nicht beseitigt. Außerdem verwendet der Beklagte den Begriff „Tötungsklinik“ – wie von der Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung aufgezeigt – nach den Feststellungen auch ohne diesen Zusatz in seiner Veröffentlichung.
3.1. Schon mit dem Begriff „Tötungskliniken“ wird für den unbefangenen Durchschnittsadressaten ein unmittelbarer Zusammenhang mit den nationalsozialistischen Verbrechen hergestellt, bei denen systematisch Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen in Kliniken und Krankenanstalten getötet wurden. Diese Einrichtungen werden nämlich in der Berichterstattung und Aufarbeitung dieser Gräueltaten als Tötungskliniken oder Tötungsanstalten bezeichnet.
Die Verbindung zu den Verbrechen des Nationalsozialismus wird – wie vom Erstgericht betont – daher auch nicht durch die Änderung der Bezeichnung von „Tötungs-KZs“ auf „Tötungskliniken“ beseitigt. Im Übrigen hat der Beklagte diese Verbindung vielmehr an anderer Stelle hervorgehoben, indem er ausführt: „... auf diese Idee kamen nicht einmal die N....!“.Der angesprochene Durchschnittsadressat wird bei ungezwungener Auslegung (vgl 6 Ob 244/09i mwN; RS0031883, RS0032489) in diesem Satz einen Bezug zu den Nationalsozialisten herstellen. Dass diese Äußerung anders verstanden werden könnte, bringt der Beklagte nicht einmal selbst vor. Vielmehr rechtfertigt er auch noch in der Berufung seinen Vergleich zum Nationalsozialismus als zulässig.
3.2. Nicht überzeugend ist auch die Argumentation zum Begriff „Hinrichtungsstätten“ . Zunächst ist festzuhalten, dass es in Österreich keine Todesstrafe gibt und somit die Begründung, unter Hinrichtung werde eine im Rahmen der Gesetze zulässige Tötung eines wehrlosen Menschen verstanden, schon deshalb keine Rechtfertigung für die gegen die Klägerin verwendete Behauptung darstellt.
Zudem enthält die Verwendung des Begriffs „Hinrichtungsstätte“ aus Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers den Vorwurf, dass in den von der Klägerin betriebenen Kliniken in systematischer und abschreckender Weise die Tötung von Menschen erfolgt bzw sogar im Vordergrund der Tätigkeit der genannten Kliniken steht.
3.3. Ausgehend vom eben dargelegten Bedeutungsgehalt der Begriffe „Tötungskliniken“ und „Hinrichtungsstätten“ beinhaltet die Veröffentlichung somit den unwahren Vorwurf, die Klägerin betreibe Kliniken, in denen Verbrechen begangen werden, die jenen des Nationalsozialismus vergleichbar sind oder diese sogar noch überschreiten.
Auch das Begehren auf Unterlassung der Äußerung, die von der Klägerin betriebenen ** Kliniken seien „Tötungs-KZs“, und/oder sinngleicher Äußerungen ist trotz zwischenzeitig erfolgter Entfernung des Ausdrucks „Tötungs-KZs“ aus der Veröffentlichung berechtigt. Einerseits stellt der Beklagte durch die Äußerung „... auf diese Idee kamen nicht einmal die N....!“ weiterhin einen Bezug zum Nationalsozialismus her. Andererseits betont er noch in der Berufung seine Überzeugung der Zulässigkeit eines Vergleichs mit nationalsozialistischen Konzentrationslagern.
3.4. Unwahre, diffamierende Tatsachenbehauptungen oder auf unwahren bzw nicht hinreichenden Tatsachenbehauptungen beruhende negative Werturteile oder Wertungsexzesse fallen nicht unter den Schutzbereich des Art 10 MRK (RS0032201 [T24]). An deren Verbreitung besteht damit auch kein von der Meinungsäußerungsfreiheit gedecktes Interesse (RS0008987 [T7]; vgl auch RS0107915; RS0032201; RS0054817 [T31, T42, T45]; RS0075601 ).
4. Gegen die zutreffende Beurteilung des Erstgerichts, dass die Äußerungen ehrenrührig und kreditschädigend nach § 1330 Abs 1 und 2 ABGB sind, wendet sich die Berufung nicht.
5.Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Bewertungsausspruch stützt sich auf § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO und orientiert sich an der unbedenklichen Streitwertangabe der Klägerin.
6.Die Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
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