Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. Februar 2025, GZ **-35.1, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Salfelner, LL.M., des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Ernst Schillhammer durchgeführten Berufungsverhandlung am 16. September 2025 zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Berufungswerbers enthaltenen Urteil wurde der am ** geborene syrische Staatsangehörige A* des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (I.) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 105 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.
Darnach hat er B* zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Ende März 2024 durch die fernmündliche sinngemäße Äußerung
I./ sie solle sich von ihrem Freund trennen und diesem den Zugang zur Wohnung verbieten, andernfalls werde er ihren Freund umbringen, sohin durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper einer Sympathieperson, zur Beendigung der Beziehung zu ihrem Freund und Verhinderung von dessen Aufenthalt in ihrer Wohnung, zu nötigen versucht;
II./ er werde sie, ihre Eltern, ihren Bruder und ihr ungeborenes Kind umbringen, mit zumindest einer Verletzung am Körper sowie einer Verletzung am Körper einer Sympathieperson gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Bei der Strafzumessung wurden erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen und die Tatbegehung gegen nahe Angehörige (Kindesmutter), mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel und der teilweise Versuch gewertet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerecht angemeldete (ON 38) und zu ON 41 ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 erster und vierter Fall, Z 9 lit a StPO), Schuld und Strafe.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Was die Reihenfolge der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe anbelangt, geht eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen der Z 9 bis 10a des § 281 Abs 1 (§ 468 Abs 1 Z 4) StPO vor, jener wegen formeller Nichtigkeitsgründe jedoch nach (vgl Ratz, WK-StPO § 476 Rz 9). Der vom Angeklagten geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO (in Verbindung mit § 489 Abs 1 StPO) liegt nicht vor. Indem die Mängelrüge (Z 5) die Feststellungen zu den inkriminierten Äußerungen als „undeutlich“ beurteilt, wird sie dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung der Nichtigkeit begründenden Tatumstände nicht gerecht (vgl § 285 Abs 1, § 285d Abs 1 Z 1 erster Fall StPO) und macht der Berufungswerber nicht deutlich, inwiefern es erforderlich sein sollte, den exakten Wortlaut der getätigten Äußerungen wiederzugeben, um zuverlässig beurteilen zu können, ob eine gefährliche Drohung vorliege. Mit seinem weiteren Einwand, wonach sich die arabische Sprache durch eine bildhafte und expressive Ausdrucksweise auszeichne, die in der deutschen Übersetzung drastisch oder gewalttätig erscheinen möge, vermag er ebenfalls keinen Begründungsmangel aufzuzeigen, spricht doch das Opfer dieselbe Sprache (US 4) und war somit ohne Weiteres in der Lage, den Bedeutungsinhalt der Äußerungen zu verstehen. Wenn der Angeklagte solcherart die Annahme der subjektiven Tatseite kritisiert und eine milieubedingte bzw. erregungsbedingte Unmutsäußerung in den Raum stellt, ist er darauf zu verweisen, dass die Frage der Ernsthaftigkeit einer ihrem Wortlaut nach drohenden Äußerung ebenso wie deren Sinn- und Bedeutungsgehalt ausschließlich eine im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage darstellt (vgl Mayerhofer, StPO 5 , § 281 E 46 und 47). Die Ernstlichkeit der Drohung wurde vom Erstgericht logisch einwandfrei begründet (US 9), sodass die diesbezüglichen Berufungsausführungen, welche bloß die aufgenommenen Beweise anders interpretieren, in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässiger Weise die Beweiswürdigung bekämpfen.
Im Übrigen ist die Ableitung von Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten aus dem objektiven Tatgeschehen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden und rechtsstaatlich bei einem leugnenden Angeklagten auch gar nicht anders möglich (RIS-Justiz RS0098671 und RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452). Die Erstrichterin hat sich ausdrücklich mit der Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt (US 8f). Von einem Begründungsmangel kann daher nicht die Rede sein. Sucht der Angeklagte aus seiner Verantwortung für ihn günstigere Beweisergebnisse herzuleiten, führt er die Berufung wegen Nichtigkeit nicht prozessordnungsgemäß aus, weil er sich in Wahrheit gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung richtet.
Zur der Reihenfolge nach nun zu behandelnden Berufung wegen Schuld ( Ratz aaO § 476 Rz 9) ist vorweg festzuhalten, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Mayerhofer, StPO 6 § 258 E 30f; Kirchbacher, StPO 15§ 258 Rz 8). Die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Selbst der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336). Angesichts dieser Prämissen ist die erstrichterliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden: Denn die Erstrichterin hat – nachdem sie sich in der Hauptverhandlung vom Angeklagten und (mittels Abspielens von Teilen der kontradiktorischen Einvernahme) auch der Zeugin einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte - in ihrer Beweiswürdigung schlüssig und empirisch einwandfrei, zugleich aber auch in vom Gesetz geforderter gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) dargelegt, aufgrund welcher Verfahrensergebnisse sie zur Überzeugung vom konstatierten objektiven Handlungsablauf und der darauf gerichteten subjektiven Tatseite des Angeklagten gelangt ist. Dabei gründete sie ihre Feststellungen zu den objektiven Handlungsabläufen des Schuldspruchs im Wesentlichen auf den Abschlussbericht der Polizeiinspektion C* in ON 4, die für glaubwürdig, lebensnah und in den wesentlichen Punkten als widerspruchsfrei erachteten Angaben der Zeugin B* (ON 4.9; ON 18, 5; US 7f) im Verein mit der Lichtbildbeilage (ON 8.3). Demgegenüber wertete sie die teils widersprüchliche Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdige Schutzbehauptung (US 6 und 8f; ON 4.8; ON 35). Die subjektive Tatseite leitete die Erstrichterin - gerade bei leugnenden Tätern ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar und methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz ;
Indem der Berufungswerber in der Berufungsausführung erneut behauptet, von der Zeugin verleumdet bzw. bestraft zu werden, um ihm den Kontakt zu den gemeinsamen Kindern zu verunmöglichen, bringt er nichts vor, was geeignet wäre, die kritische erstrichterliche Beweiswürdigung sowie die darauf gegründeten Feststellungen zu erschüttern.
Die Erstrichterin hat aus den vorliegenden Beweisergebnissen den Denkgesetzen nicht widersprechende Schlussfolgerungen gezogen und hegt auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wird mangels Orientierung am festgestellten Sachverhalt nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, ignoriert sie doch die tatrichterlichen Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen zur subjektiven Tatseite und kann davon, dass es an einem konkreten Sachverhaltsbezug mangle oder ein substanzloser Gebrauch der verba legalia vorliege (siehe dazu bereits oben), keine Rede sein, sodass es darüberhinausgehender Feststellungen nicht bedurfte. Insofern Feststellungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Beeinträchtigung der Zeugin vermisst werden, vermag die Rechtsrüge einen nichtigkeitsbegründenden Feststellungsmangel nicht aufzuzeigen, weil die Eignung der Drohung, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, eine (nicht durch Feststellungen zu klärende) Rechtsfrage darstellt (vgl RIS-Justiz RS0092160 [T1]) und für die Annahme einer Drohung nicht entscheidend ist, ob (hier) die Bedrohte tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde; vielmehr genügt nach ständiger Rechtsprechung, dass bei einem besonnenen Durchschnittsmenschen der Eindruck entstehen konnte, der Täter sei in der Lage und willens, das angedrohte Übel zu verwirklichen (RIS-Justiz RS0092102). Soweit der Berufungswerber mit seinen weiters – bereits in der Mängelrüge – vorgebrachten Annahmen zur Situation, Schicht und Umgangsformen offenbar die Wertung seiner Handlungen als „milieubedingte Unmutsäußerungen“ anstrebt, ignoriert er neuerlich die eindeutigen erstgerichtlichen Konstatierungen. Solcherart verfehlt er den gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Zur Straffrage gelingt es dem Berufungswerber nicht, zusätzlich mildernde Umstände ins Treffen zu führen. Den bisher ordentlichen Lebenswandel („Unbescholtenheit“) hat das Erstgericht ohnehin mildernd bei der Sanktionsfindung berücksichtigt. Dass die Taten in einem auffallenden Widerspruch zu seinem sonstigen Lebenswandel stehen, geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, gab er doch selbst an, in der Vergangenheit in Bezug auf die Kinder und die Zeugin jeweils mit einem Kontaktverbot belegt worden und vom Jugendamt angezeigt worden zu sein (ON 35, 3fff).
Der Milderungsgrund der Unbesonnenheit (§ 34 Abs 1 Z 7 StGB) verlangt, dass die Tathandlung auf einen Willensimpuls zurückzuführen ist, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen gewesen und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre (RIS-Justiz RS0091026). Warum in Anbetracht der konstatierten Tatumstände mit Rücksicht auf die Tatbegehung sowie das Opfer (Mutter der gemeinsamen Kinder) auch ein ansonsten rechtstreuer Mensch der Tatversuchung unterliegen könnte, mithin eine besonders verlockenden Gelegenheit vorgelegen hat (RIS-Justiz RS0091076), macht die Berufung nicht klar.
Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwert liegen jeweils im Deliktsdurchschnitt; weshalb diese deutlich darunter liegen sollen, bleibt der Berufungswerber zu erklären schuldig.
Bei objektiver Abwägung der solcherart zum Nachteil des Angeklagten korrigierten Strafzumessungslage erweist sich die über ihn verhängte – bedingt nachgesehene – Freiheitsstrafe als dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten durchaus angemessen und damit einer Korrektur nicht zugänglich.
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