Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Schaller als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Mag. Klenk und Mag. Schmied in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. **, **, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* N.V., **Niederlande, vertreten durch Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen EUR 25.246,79 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24.2.2025, ** 26,
I.in nicht öffentlicher Sitzung gemäß § 473 Abs 1 ZPO den
B e s c h l u s s
gefasst:
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen .
II.in nicht öffentlicher Sitzung gemäß § 480 Abs 1 ZPO zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.744,82 (darin EUR 457,47 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz auf Curacao und betreibt dort ein OnlineCasino. Sie ist Inhaberin einer aufrechten Glücksspiellizenz Nr. ** und unterliegt der Aufsicht und Kontrolle der Behörden von Curacao. Sie hat keine Konzession im Sinne des § 14 GSpG für ihre Tätigkeiten in Österreich. Sie bietet auf ihrer Homepage C* Casinospiele auch in Österreich an.
Der in Österreich wohnhafte Kläger richtete sich einen Online Account bei der Beklagten ein, auf die er durch Werbung im Internet, insbesondere YouTube aufmerksam geworden war. Im Zuge dessen stimmte er den AGB der Beklagten zu. E spielte auch auf anderen Online-Glücksspiel-Plattformen. Er wusste vor dem Spielen, dass man verlieren kann. Es war ihm jedoch nicht bewusst, dass die Beklagte aufgrund der fehlenden Konzession kein Online-Glücksspiel in Österreich anbieten darf. Er war während des Spielzeitraums 10.2.2016 bis 28.12.2022 teilweise berufstätig und spielte auf der Website der Beklagten zur Unterhaltung in seiner Freizeit und insbesondere nach Erstellung des zweiten Spielerkontos, um bereits erlittene Glücksspielverluste auf der Website der Beklagten durch Gewinne wieder auszugleichen. Er ist Verbraucher und spielte nur von Österreich aus Slots (Automatenspiele bzw. Walzenspiele). Er ließ das erste Spielerkonto „D*“ infolge von Verlusten sperren. Das zweite Spielerkonto „E*“ erstellte er, um die Verluste wieder „zurückzugewinnen“.
Der Kläger begehrt die Rückzahlung von EUR 25.246,79 sA und brachte zusammengefasst vor, er habe im Zeitraum vom 10.2.2016 bis 28.12.2022 beim Online Glücksspiel der Beklagten insgesamt EUR 25.246,79 verloren. Die Verluste habe er in Kryptowährung erlitten. Der Betrag setze sich aus allen getätigten Einzahlungen (EUR 44.287,01) abzüglich der getätigten Auszahlungen (EUR 19.040,22) in diesem Zeitraum zusammen.
Die Beklagte richte ihre Tätigkeit des Onlineglücksspiels insbesondere durch eine Domain mit internationaler Endung, die Auswahl verschiedener Sprachen, unter anderem auch Deutsch, und das Angebot eines deutschsprachigen Supports auf Österreich aus.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass das angerufene Gericht weder international noch örtlich zuständig sei, weil der Kläger einen gesetzlichen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend mache und er sich nicht auf die Art 17 und 18 EuGVVO stützen könne. Es sei nicht österreichisches Recht, sondern curacaoisches Recht anwendbar. Es fehle beim Kläger die für den Verbraucher notwendige Schutzbedürftigkeit. Es werde bestritten, dass er einen Betrag von EUR 25.246,79 auf ihrer Website Beklagten beim Online-Glücksspiel verspielt habe. Die Beklagte beantragte die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH C 440/23, weil die dort zu klärende Rechtsfrage präjudiziell für das Verfahren sei.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt (Spruchpunkt II.) und verband damit die Beschlüsse auf Abweisung des Antrags auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C 440/23 (Spruchpunkt I.1.) sowie auf Verwerfung der Einrede der fehlenden internationalen und örtlichen Zuständigkeit (Spruchpunkt I.2.). Es legte seiner Entscheidung neben dem eingangs dargestellten Sachverhalt im Wesentlichen nachstehende Feststellungen zugrunde, die von der Beklagten bekämpft und vom Berufungsgericht durch Fettdruck hervorgehoben werden:
„ Er (Anm des Berufungsgerichts: Der Kläger) zahlte dabei auf die von ihm bei der Beklagten unter den E-Mail- Adressen „D*“ und „E*“ eingerichteten Spielerkonten folgende Kryptowährungen ein:
8,36 BTC 2,69 BCH 7,52 ETH 0,13 LTC
Dies entspricht unter Heranziehung des jeweiligen Tagestiefstkurses der jeweiligen Kryptowährung Einzahlungen in Höhe von € 44.287,01.
Der Kläger ließ sich folgende Beträge in Kryptowährungen auszahlen:
7,35 BTC 0,00 BCH 6,20 ETH 0,00 LTC
Dies entspricht unter Anwendung des jeweiligen Tagestiefstkurses der jeweiligen Kryptowährung Auszahlungen in Höhe von € 19.040,22.Dadurch ergibt sich durch die Saldierung der Ein- und Auszahlungen ein Gesamtverlust in Höhe von € 25.246,79 in folgenden Kryptowährungen:
1,01 BTC 2,69 BCH 1,32 ETH 0,13 LTC.
Über Ansuchen der Rechtsanwälte des Klägers übermittelte die Beklage diesen die Aufstellungen auf den Seiten 2 bis 11 der Beilage ./G. Zur Errechnung der Verluste berücksichtigte der Kläger nur jene Transaktionen, bei welchen Kryptowährungen ein- bzw. ausgezahlt worden waren.“
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht auf Grundlage der Art 17 ff EuGVO die internationale Zuständigkeit. Zum anwendbaren Recht verwies es auf Art 6 Abs 1 der Rom I VO. Da der Glücksspielvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten als Verbrauchervertrag zu qualifizieren sei und die Beklagte gemäß den Feststellungen ihre Werbung auf Österreich ausrichte, sei österreichisches Recht anzuwenden. In der Sache verneinte das Erstgericht die Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols mit ausführlicher Darstellung der Rechtsprechung. Der EuGH habe sich zudem bereits mit der Frage der Zulässigkeit der unterschiedlichen Regelungen von herkömmlichen Spiel-automaten und Videolotterieterminals beschäftigt, sodass auf diese Entscheidungen verwiesen werden könne. Es sei kein Grund gegeben, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH zu C440/23 zu unterbrechen. Die Beklagte habe auf ihrer Website Glücksspiele im Sinne des § 1 Abs 1 GSpG angeboten, obwohl sie über keine Konzession für Glücksspiele verfügt habe. Der Glücksspielvertrag sei somit nichtig. Der Kläger sei berechtigt, seine Verluste von der Beklagten zurückzufordern, ohne dass § 1174 Abs 1 erster Satz ABGB oder § 1432 ABGB diesem Rückersatz entgegenstehe. Die Leistung sei nicht zur Bewirkung der unerlaubten Handlung, sondern als Einsatz erbracht worden. Der Klagsanspruch sei bereits auf bereicherungsrechtlicher Grundlage berechtigt, sodass sich eine Prüfung nach Schadenersatzrecht erübrige. Was auf Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrages gezahlt worden sei, sei gemäß § 877 ABGB rückforderbar. Einen Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote. Selbst bei wissentlicher Teilnahme an illegalem Glücksspiel könne der Verlust zivilrechtlich zurückgefordert werden. Sofern die Beklagte beanstande, dass die Aufstellung über getätigte Ein und Auszahlungen (Beilage ./G) vom Kläger nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt worden sei, sei darauf zu verweisen, dass diese Urkunde von der Beklagten selbst stamme. Eine Benachteiligung der Beklagten infolge Vorlage einer englischsprachigen Tabelle, die von ihr selbst stamme, bestehe nicht. Dem Gericht sei außerdem geläufig, was die einzelnen englischen Ausdrücke bedeuten würden und wie die Tabelle zu lesen sei. Sie habe daher ohne Bedenken als Beweismittel verwendet werden können.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil und das Verfahren erster Instanz als nichtig aufzuheben und das Klagebegehren zurückzuweisen, in eventu, das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Darüber hinaus enthält das Rechtsmittel auch einen Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-440/23 sowie die Anregung der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens.
Der Kläger beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.
I. Zur Berufung wegen Nichtigkeit:
Die Beklagte macht die Nichtigkeitdes erstinstanzlichen Verfahrens geltend, weil das Erstgericht ihren Einwand der fehlenden internationalen Zuständigkeit zu Unrecht verworfen habe. Dabei stützt sie sich auf den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 3 ZPO, der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit im Sinne von fehlender internationaler Zuständigkeit.
Nach den unbekämpften Feststellungen schloss der Kläger die Glücksspielverträge nicht zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken ab und hat seinen Wohnsitz in Österreich, während die Beklagte ihre Tätigkeit auch auf Österreich ausgerichtet hat. Damit sind die Voraussetzungen des Art 17 EuGVVO 2012 erfüllt.
Nach der Rechtsprechung des OGH ist für Rückabwicklungsansprüche aus nichtigen Glücksspielverträgen der Anwendungsbereich nach Art 17 f EuGVVO eröffnet:
Der Begriff „Vertrag“ setzt nicht die Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs im engeren Sinn voraus, vielmehr liegen bei autonomer Auslegung vertragliche Ansprüche ua dann vor, wenn eine Partei gegenüber der anderen freiwillig eine Verpflichtung eingegangen ist. Der EuGH hat auch bereits ausgesprochen, dass am Verbrauchergerichtsstand Ansprüche geltend gemacht werden können, welche untrennbar mit einem Verbrauchervertrag verbunden sind. Von den Regelungen der Art 17 ff EuGVVO sind daher auch Streitigkeiten über das Zustandekommen eines Vertrages sowie vertragliche (Rückabwicklungs-) ansprüche umfasst.
Untrennbar mit einem Verbrauchervertrag sind aber auch die vom Verbraucher der Rückabwicklung eines unwirksamen (nichtigen) Vertrags dienenden bereicherungsrechtlichen Ansprüche verbunden. Sie unterfallen daher ebenfalls den Art 17 ff EuGVVO 2012. Damit ist auch die vom EuGH betonte notwendige Kohärenz von anwendbarem Recht und Gerichtsstand gegeben (vgl 9 Ob 75/22 b [Rz 13 f]).
Die Berufung wegen Nichtigkeit war daher zu verwerfen .
II. In der Sache :
Die übrige Berufung ist nicht berechtigt.
1.1. In ihrer Mängelrüge vertritt die Beklagte den Standpunkt, das Erstgericht habe die (bei Wiedergabe des Sachverhalts durch Fettdruck hervorgehobenen) Feststellungen nicht nachvollziehbar begründet und sich mit einem großen Teil der Beweisergebnisse nicht auseinandergesetzt.
Die Beklagte habe die Beilage ./G inhaltlich bestritten und insbesondere vorgebracht, dass sich daraus weder ergäbe, ob das Spielerkonto tatsächlich vom Kläger zum Konsumieren von Online-Glücksspielen in einem von der Beklagten betriebenen Online-Casino genützt worden sei, noch gehe aus der Beilage ./G hervor, wie sich der Klagsbetrag errechnen soll. Auch fehle eine Beweiswürdigung dahingehend, dass die Beilage tatsächlich von der Beklagten an den Kläger übermittelt worden wäre. Die Beilage ./G scheide daher als tragfähige Grundlage für die Klagsstattgebung aus. Dem Ersturteil hafte ein Begründungsmangel an.
Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO kann zwar auch in einem Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 272 Abs 3 ZPO liegen. Ein solcher liegt in diesem Zusammenhang jedoch nur dann vor, wenn dem angefochtenen Urteil nicht die Erwägungen zu entnehmen sind, die zu den getroffenen Feststellungen geführt haben (vgl dazu Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka 5§ 272 ZPO Rz 3), wenn die Beweiswürdigung offensichtlich leichtfertig, oberflächlich oder willkürlich erfolgte, oder wenn sich das Erstgericht mit wesentlichen Beweisergebnissen überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Nach der Rechtsprechung genügt es aber, wenn der Richter in knapper, aber überprüfbarer und logisch einwandfreier Form darzulegen vermag, warum er aufgrund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen festgestellt hat, und wenn sowohl die Parteien als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit dieser Werturteile zu überprüfen in der Lage sind (RS0040122).
Dies ist vorliegend der Fall, nahm doch das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung sowohl auf die Beilage ./G und insbesondere auch auf die Aussage des Klägers Bezug. Ob diese Begründung zu überzeugen vermag, stellt eine Frage der Beweiswürdigung dar, ein Begründungsmangel ist jedenfalls nicht gegeben.
1.2. Die Beklagte beanstandet die Verwertung der vom Kläger in englischer Sprache vorgelegten Beilage ./G als unzulässig.
Das Argument, das Erstgericht hätte ohne Verwertung dieser Urkunde zu keinen positiven Feststellungen über die Spielverluste des Klägers kommen können, ist allerdings zu kurz gegriffen. Ein Verfahrensmangel könnte nämlich nur darin liegen, dass das Erstgericht die Urkunde ohne Übersetzung verwertet hat (vgl Kodek in Fasching/Konecny 3§ 85 ZPO Rz 99). Dieser Mangel wäre jedoch nur dann geeignet, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen (vgl RS0043027; RS0043049), wenn es durch das Erstgericht zu einer fehlerhaften Übersetzung gekommen wäre (4 Ob 138/06g). Die Beklagte behauptet allerdings nicht einmal, dass das Erstgericht die Urkunde unrichtig übersetzt oder infolge eines falschen Verständnisses der in der Urkunde vorkommenden fremdsprachigen Begriffe für seine Tatsachenfeststellungen unrichtige Schlüsse gezogen hätte. Für die Saldierung der in Beilage ./G genannten Beträge kommt es im Übrigen auf den wörtlichen Inhalt der Urkunde gar nicht an. Insofern ist die Übersetzung auch nicht von Bedeutung (vgl Kodek in Fasching/Konecny 3§ 85 ZPO Rz 99). Der gerügte Verfahrensmangel ist daher insgesamt ohne Relevanz für den Verfahrensausgang.
2. In ihrer Beweisrüge wendet sich die Beklagte gegen die durch Fettdruck hervorgehobenen Feststellungen und strebt die Ersatzfeststellungen an, es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei Glücksspielen auf C* im Zeitraum 10.2.2016 bis 28.12.2022 einen Betrag in Höhe von EUR 25.246,79 an Spielverlusten erlitten habe.
Die Beklagte habe ausdrücklich bestritten, dass der Kläger den von ihm behaupteten Betrag im behaupteten Spielzeitraum auf einer Website der Beklagten verspielt habe. Insbesondere sei aus der Beilage ./G nicht ersichtlich, um welche Transaktionen es sich gehandelt habe, ob der Kläger tatsächlich bei der Beklagten gespielt habe, ob er die Einsätze tatsächlich nur im Inland getätigt habe und wie sich der Klagsbetrag errechnen soll. Ebenso sei aus der Beilage nicht ersichtlich, woher diese überhaupt stamme. Die Beklagte habe im Rahmen ihrer Urkundenerklärung hinsichtlich der Beilage ./G keine Erklärung abgegeben, da dieser kein Aussteller zu entnehmen sei.
Diese Ausführungen überzeugen nicht.
Der Klagevertreter brachte im Zusammenhang mit Beilage ./G vor, dass Seite 1 den Saldo zeige, der vom KV erstellt worden sei. „Diese Salden ergeben sich aus den offiziellen Listen, die die Beklagtenseite zur Verfügung gestellt habe, auf den Seiten 2 bis 11.“ (ON 24.1, S 2)
Dem Vorbringen zur Herkunft der Listen trat die Beklagte nicht substanziiert entgegen, sondern verwies pauschal auf ihr bisheriges Vorbringen und wies explizit auf Themen der Schlüssigkeit hin.
Der Kläger sagte dazu in seiner Parteienvernehmung aus: „Ich kann ungefähr einschätzen, wie hoch die Verluste waren, weil ich wusste, was ich eingezahlt hatte. Die genaue Liste wurde mir dann von der KV zur Verfügung gestellt. Ich habe versucht, bei der Beklagten eine Liste zu erhalten, war da aber erfolglos. (…) Unter Vorhalt der Beilage ./G, gebe ich an, dass diese Verluste und Auszahlungen stimmen.“ (ON 24.1, S 3)
Im Zusammenhalt mit der Aussage des Klägers, der somit nicht nur bekräftigte, die genaue Liste von seiner Vertreterin erhalten zu haben, sondern auch die Höhe der Ein- und Auszahlungen bestätigte, ist kein Grund ersichtlich daran zu zweifeln, dass die Beilage ./G den Klagevertretern über deren Ansuchen von der Beklagten übermittelt wurde.
Wieso die Aussage des Klägers, der seine Einzahlungen noch wusste und damit seine Verluste ungefähr einschätzen konnte, in Zusammenhalt mit der Beilage ./G nicht geeignet sein soll, die getroffenen Feststellungen zu tragen, vermag die Beklagte nicht schlüssig darzulegen.
Die Argumente der Beklagten sind insgesamt nicht geeignet, die für eine erfolgreiche Beweisrüge erforderlichen erheblichen Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts aufzuzeigen.
Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und legt sie seiner Entscheidung zugrunde (§ 498 ZPO).
3.Auf Basis der getroffenen Feststellungen hat das Erstgericht die Rechtslage richtig wiedergegeben und die Sache richtig entschieden. Zu sämtlichen in der Berufung aufgeworfenen Rechtsfragen besteht umfangreiche und aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die das Erstgericht zutreffend dargelegt hat (§ 500a ZPO). Den Berufungsausführungen, die das Berufungsgericht als nicht stichhältig erachtet, ist – in der Reihenfolge der in der Berufung aufgeworfenen Themen - entgegenzuhalten:
3.1. Die Beklagte erblickt eine Unschlüssigkeit des Klagebegehrensund beanstandet, dass das Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO nicht erfüllt sei. Die Vorlage der Beilage ./G stelle kein Prozessvorbringen dar und könne solches nicht ersetzen. Jeder von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen müsse ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein. Werde ein Pauschalbetrag ohne Aufschlüsselung verlangt, müsse das Klagebegehren mangels Individualisierung erfolglos bleiben. Der Kläger habe die Rückforderung von Spielverlusten im Gesamtumfang geltend gemacht, ohne die einzelnen Verluste nach Zeitpunkten und Art des Spiels näher zu präzisieren. Ein einheitlicher Anspruch liege nicht vor.
Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den von ihm zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Die Schlüssigkeit verlangt nicht, dass der gesamte „Tatbestand“ vorgetragen wird, sondern es genügt, wenn die rechtserzeugenden Tatsachen vollständig und knapp angeführt werden (RS0036973 [T15]). Setzt sich ein Anspruch aus zahlreichen Einzelforderungen zusammen, kommt es (auch) auf die Zumutbarkeit einer Aufgliederung an (vgl 1 Ob 94/20k). Gegebenenfalls reicht ein Verweis auf dazu vorgelegte Urkunden aus. Die einzelnen Positionen und die ihnen zugeordneten Beträge müssen dann nicht auch in der Klagserzählung ziffernmäßig angeführt werden (vgl RS0037907 [T14], RS0037420 [T4], RS0036973 [T16]; 1 Ob 153/19k; 1 Ob 97/21b ua).
Zur Frage der Notwendigkeit der Aufschlüsselung von Spielverlusten aus über einen längeren Zeitraum hinweg abgeschlossenen Glücksspielverträgen hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 4 Ob 199/16t Stellung genommen. Wenngleich grundsätzlich jeder von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein muss (vgl RS0031014 [T29]), hat es der Oberste Gerichtshof in Fällen, in denen sich ein Begehren aus zahlreichen Einzelforderungen zusammensetzte, die während eines längeren Zeitraums aufgelaufen sind, als Überspannung des Gebots nach einer Präzisierung des Vorbringens angesehen, würde man für jeden einzelnen von unter Umständen hunderten Fällen ein gesondertes, detailliertes Vorbringen fordern (RS0037907). Nicht nur ein einheitlicher Anspruch (vgl dazu RS0037907 [T9]), sondern auch gleichartige Ansprüche können zu einem einheitlichen Begehren zusammengefasst werden, sodass etwa bei Geldleistungsansprüchen nur mehr die Gesamtsumme im Klagebegehren aufscheint (RS0037907 [T1]). Dabei wird wesentlich auf das Kriterium der Zumutbarkeit einer Aufgliederung abgestellt (vgl RS0037907 [T13]).
Auch hier würde es im Hinblick auf die Vielzahl der Transaktionen laut Beilage ./G eine Überspannung des Gebots der Präzisierung des Vorbringens darstellen, würde man für jeden einzelnen der zahlreichen Glücksspielverträge ein gesondertes, detailliertes Vorbringen fordern. Eine Aufschlüsselung des Klagsbetrages nach einzelnen Glücksspielen in der Klage war daher nicht erforderlich. Dies hindert auch nicht die Beurteilung des Rechtskraftumfangs. Vielmehr macht der Kläger die Differenz zwischen sämtlichen von ihm als Gesamtsummen bezifferten Ein- und Auszahlungen in einem klar definierten Zeitraum geltend.
3.2. Die Berufungswerberin meint, es sei nach Art 6 Abs 4 lit a Rom I-VO curacaoisches Recht anzuwenden.
Der Oberste Gerichtshof hat zu 7 Ob 155/23d im Rahmen eines Verfahrens auf Rückforderung von Glücksspielverlusten gegenüber einem in Malta ansässigen Anbieter von Online-Glücksspiel die in der Entscheidung 7 Ob 213/21f vertretene Ansicht, eine Dienstleistung werde nur dann im Sinn des Ausnahmetatbestands des Art 6 Abs 4 lit a Rom I-VO „ausschließlich“ außerhalb des Mitgliedstaats erbracht, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn dieser keine Möglichkeit hat, sie in seinem Aufenthaltsstaat in Anspruch zu nehmen und sich zu diesem Zweck ins Ausland begeben muss, bestätigt. Der Oberste Gerichtshof hat diesbezüglich seine Rechtsprechung nicht geändert. In der Entscheidung 10 Ob 56/22s setzte er sich nicht mit Art 6 Rom I-VO, sondern (detailliert) mit dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art 7 Nr 1 EuGVVO auseinander. Lediglich im Zusammenhang mit Art 7 Nr 1 lit b EuGVVO führt der Oberste Gerichtshof aus, dass sich der Leistungsort im Zweifel parallel zu Art 4 Abs 1 lit b Rom I-VO am gewöhnlichen Aufenthalt des Dienstleisters befinde. Das Vorabentscheidungsverfahren zu C 429/22, N1 Interactive , betraf die Frage, ob das nach Art 6 Abs 1 Rom I-VO anwendbare Recht selbst dann maßgeblich bleibt, wenn das nach Art 4 Rom I-VO anwendbare Recht für den Verbraucher günstiger wäre. Diese – vom EuGH mit Beschluss vom 14.3.2024 bejahte – Frage stellt sich in der vorliegenden Rechtssache nicht.
Im Übrigen ist das Verbot nicht konzessionierter Glücksspiele als Eingriffsnorm nach Art 9 Abs 2 Rom I-VO zu qualifizieren, die unabhängig von dem auf das Vertragsverhältnis anzuwendenden Recht Geltung beansprucht. Auch deshalb ist die Frage, ob die Beklagte einen Verstoß gegen das Glücksspielmonopol verantwortet, nach österreichischem Recht zu beurteilen.
3.3.Ein Rückforderungsanspruch des Klägers soll nach Auffassung der Beklagten auch gemäß § 1174 Abs 1 Satz 1 sowie § 1432 ABGB ausgeschlossen sein, weil der Kläger wissentlich bei einem Anbieter ohne österreichische Konzession gespielthabe. Ihm liege damit ein Verstoß gegen den Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs 5 GSpG zur Last. Ein solches Handeln widerspreche dem Grundsatz nemo auditur turpitudinem suam allegans , demzufolge niemand aus dem eigenen rechtswidrigen Verhalten einen Vorteil ziehen darf. Der Kläger habe von vornherein beabsichtigt, allfällige Spielverluste zurückzufordern, Gewinne jedoch schweigend einzustreichen. Die Bösgläubigkeit und Schädigungsabsicht sei daher evident. Es liege daher auch ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor.
Bereits wiederholt hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein verbotenes Online-Glücksspiel nicht entgegensteht. Dies insbesondere deswegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern, um am Spiel teilzunehmen, und weil ein Belassen der Zahlung dem Zweck des Verbots des konzessionslosen Veranstaltens, Organisierens, Anbietens oder Zugänglichmachens von Glücksspiel widerspräche. Darauf, ob der Kläger durch seine Teilnahme am verbotenen Spiel selbst einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt hat, kommt es daher nicht an. Im Hinblick auf die Zielsetzung des GSpG wird der Rückforderungsanspruch des Spielers nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch durch die Kenntnis von der Nichtschuld oder einen Verstoß gegen § 52 Abs 5 GSpG nicht ausgeschlossen (3 Ob 69/23b mwN; 8 Ob 140/24g). Unbekämpft steht fest, dass der Kläger während des Spielens nicht wusste, dass er die Verluste einklagen könne.
Im Übrigen wäre es für den Kläger gar nicht möglich, Gewinne „stillschweigend einzustreifen“, geht doch die Judikatur von einer absoluten Nichtigkeit von Verträgen aus, die gegen § 2 Abs 4 GSpG verstoßen, weil dies am besten dem Zweck entspricht, verbotenes Glücksspiel hintanzuhalten. Im Falle einer Erzielung von Gewinnen wäre also der Kläger einem Rückforderungsanspruch der Beklagten ausgesetzt (siehe 8 Ob 21/24g mwN).
3.4. Soweit sich die Berufung auf einen Verstoß gegen Treu und Glaubenberufen will, weil der Kläger in Kenntnis der fehlenden österreichischen Konzession der Beklagten und dem Bewusstsein der Möglichkeit, Verluste zurückzufordern, gespielt habe, übersieht sie, dass dieser Wissensstand umso mehr auf die Anbieterin des nicht konzessionierten Spiels zutrifft. Es steht zudem gar nicht fest, dass der Kläger überwiegend mit dem Ziel gespielt hat, bei Verlust das Geld zurückzufordern (vgl 3 Ob 69/23b [Rz 10]; 8 Ob 135/22v).
Wenn die Beklagte weiters damit argumentiert, dass das Erstellen eines zweiten Spielerkontos (entgegen der AGB) wohl nur aus dem Grund erfolgt sei um allfällig erlittene Spielverluste zu einem späteren Zeitpunkt zurückfordern zu können, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt (RS0043603; RS0043312 [T12, T14]). Im Gegenteil: Es steht unbekämpft fest, dass der Kläger während des Spielens nicht wusste, dass er die Verluste einklagen kann.
3.5. Weiters soll nach Ansicht der Beklagten der Rückforderungsanspruch schon aufgrund des Normzwecks der Verbotsbestimmungendes GSpG sowie der Schutzgesetz- qualität des § 1 Abs 1 GSpG sowie des § 168 StGB ausgeschlossen sein.
Das Berufungsgericht sieht sich im Einklang mit der jüngeren Rechtsprechung des OGH (vgl 2 Ob 187/24z) nicht veranlasst, von den zu 8 Ob 21/24g vom Obersten Gerichtshof dargelegten Grundsätzen abzugehen. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (6 Ob 124/16b Pkt 5.; 2 Ob 138/22s [Rz 29]; 5 Ob 13/24h [Rz 7]; 8 Ob 21/24g [Rz 13]). Es wurde bereits mehrmals vom Obersten Gerichtshof erläutert, dass der Verbotszweck die Rückabwicklung erfordert, wenn sich das Verbot – wie hier – gegen den Leistungsaustausch an sich wendet und es den Schutz der Spieler bewirken soll (6 Ob 77/23a [Rz 5] mwN). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, dass Spieler ihre verlorenen Einsätze aus verbotenen Glücksspielen zurückverlangen können (RS0134152). Das Argument, die Verweigerung eines Rückforderungsanspruchs würde dem Spielerschutz besser gerecht werden, weil die Spieler sonst einerseits die Einsätze zurückverlangen aber andererseits auf die Auszahlung von Gewinnen vertrauen könnten, lässt die mit dem Glücksspielgesetz ebenso verfolgten ordnungspolitischen und fiskalischen Zwecke außer Acht, die eine absolute Nichtigkeit und beiderseitige Rückforderbarkeit erfordern (8 Ob 21/24g [Rz 26] – siehe oben Punkt 3.3.).
3.6. Die Beklagte meint weiters, dem Kläger stehe kein Schadenersatzanspruch zu, weil ihm gar kein Schaden entstanden sei. Er habe genau das bekommen, was er gewollt habe, nämlich die Dienstleistung „Glücksspiel“. Der Schaden sei auch nicht durch eine Handlung der Beklagten bewirkt worden, sondern durch einen eigenen Willensentschluss des Klägers.
Auf dieses Argument ist nicht mehr einzugehen, weil der Rückforderungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage jedenfalls zu Recht besteht.
3.7. Weitere Rechtsausführungen der Beklagten befassen sich mit der eingewendeten Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht das österreichische System der Glücksspielkonzession einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben und verstößt nicht gegen das Unionsrecht (stRsp, etwa 5 Ob 155/23i mwN). Auch das Argument der Beklagten, aus der Entscheidung des VfGH zu G 259/2022 sei Gegenteiliges abzuleiten, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt verworfen: Aus der Aufhebung von Teilen der Einzelregelung zum Spielerschutz in § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof kann demnach nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen unionsrechtswidrig wäre (2 Ob 23/23f, 1 Ob 25/23t, 7 Ob 44/23f, 3 Ob 69/23b). Die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols ist daher abschließend beantwortet (1 Ob 229/20p, 5 Ob 30/21d, 9 Ob 20/21p). Neue, vom Obersten Gerichtshof nicht schon behandelte Aspekte, oder relevante Änderungen des Sachverhalts seit den letzten höchstgerichtlichen Entscheidungen hat die Beklagte nicht konkret behauptet. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang vermissten Feststellungen sind daher nicht relevant.
Auch die in der Berufung wiederholte Anregung auf Einleitung eines weiteren Vorabentscheidungsverfahrenswar nicht aufzugreifen, weil der Europäische Gerichtshof die relevanten Prüfungskriterien bereits ausreichend festgelegt hat und zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie zu der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch der Höchstgerichte in Österreich vorliegt (8 Ob 140/24g).
3.8. Einer Unterbrechungdes Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen zu C-440/23 bedarf es nicht, weil die dort zu beurteilenden unionsrechtlichen Fragen bereits geklärt erscheinen (1 Ob 91/24z mwN; 8 Ob 140/24g ua).
3.9. Letztlich ist auch der in Punkt 1.5.a) des Berufungsschriftsatzes (ON 27, S 36) gerügte sekundäre Feststellungsmangel hinsichtlich der Beilage ./G nicht gegeben. Die Ausführungen hierzu stellen lediglich einen neuerlichen Versuch dar, die durch Fettdruck hervorgehobenen Feststellungen zu bekämpfen.
Der unberechtigten Berufung war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Es liegt gesicherte Rechtsprechung des OGH vor, von der das Berufungsgericht nicht abgegangen ist. Die Revision ist somit mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
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