Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Vetter als Vorsitzende, die Richterinnen des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und Mag. Grössl sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Mag. Oswald Wolkenstein (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und AD in RR in Sabine Weber (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Mitglieder des Senats in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , dzt. nicht in Beschäftigung, CH-**, vertreten durch Advokaten Keckeis Fiel Scheidbach OG in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse , Landesstelle **, vertreten durch ihren Mitarbeiter B*, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 18.3.2025, **-24, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet im Berufungsverfahren nicht statt.
Die (ordentliche) Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe :
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage der Gewährung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld gemäß § 2 KBGG an die Klägerin für ihre zweite Tochter. Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang .
Die Klägerin war ab 2012 bis zur Geburt ihres ersten Kindes in Österreich unselbständig beschäftigt. Sie, der Zweitelternteil und ihre beiden Kinder haben ihren gemeinsamen Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt in der Schweiz; das war bereits zum Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes so.
Nach der Geburt des ersten Kindes am ** bezog die Klägerin von ** bis ** einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld im zeitlichen Höchstausmaß. Anlässlich der Geburt ihres ersten Kindes vereinbarte die Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin für den Zeitraum ** bis ** (zwei Jahre ab der Geburt des Kindes) eine Karenz iSd § 15 Abs 1 MSchG. Im August 2022 vereinbarten die Klägerin und ihre Dienstgeberin über Ersuchen der Klägerin die Verlängerung der Karenz um weitere sechs Monate, sohin von ** bis **, weil sich die Klägerin und ihr Ehemann ein zweites Kind wünschten und die Klägerin bei ihrem ersten Kind zu Hause bleiben wollte.
Die zweite Tochter der Klägerin wurde am ** geboren.
Am 6.6.2023 vereinbarte die Klägerin aufgrund der Geburt ihrer zweiten Tochter mit ihrer Arbeitgeberin die Inanspruchnahme von Karenz gemäß § 15 Abs 1 MSchG für den Zeitraum ** bis ** (zwei Jahre ab der Geburt des Kindes).
Die Klägerin ist seit dem ** bis laufend gemäß § 16 ASVG bei der Beklagten freiwillig in der Krankenversicherung selbstversichert. Im Zeitraum ** bis ** bezog sie keine Geldleistungen der Republik Österreich. In dieser Zeit erbrachte sich keine Arbeitsleistungen für ihre Arbeitgeberin und bezog dementsprechend auch kein Entgelt von dieser.
Die Schweiz gewährt keine dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld vergleichbare Leistung. Der in der Schweiz erwerbstätige Vater bezieht seit 1.5.2023 für die zweite Tochter die Schweizer Kinderzulage in der Höhe von CHF 230,-- monatlich.
Aus dem für die Klägerin anwendbaren Kollektivvertrag ergibt sich kein Karenzanspruch über die Dauer von 2 Jahren hinaus.
Die Klägerin bezieht für ihre zweite Tochter keine Familienbeihilfe aus Österreich. Am 26.1.2024 stellte sie beim Finanzamt Österreich einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihre zweite Tochter. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 6.8.2024 für den Zeitraum ab Mai 2023 mit folgender – wörtlich wiedergegebener – Begründung abgewiesen:
„Eine Familienleistung steht nur für jene Monate zu, in denen Sie in Österreich unselbständig oder selbständig beschäftigt sind bzw. eine Geldleistung wie zum Beispiel Arbeitslosengeld oder Krankengeld erhalten (Verordnung (EG) Nr. 883/2004).
Der Familienwohnsitz liegt in der Schweiz. Der Kindesvater ist in der Schweiz beschäftigt. Die Schweiz ist zuständig für die Gewährung von Familienleistungen. Wenn zusätzlich eine Erwerbstätigkeit in Österreich vorliegt, können Familienbeihilfe/Differenzzahlungen beantragt werden. Uns liegt nur eine Selbstversicherung § 16 Abs. 1 ASVG von Ihnen vor, aber keine Beschäftigung. Der Antrag wird abgewiesen.“
Die Klägerin erhob kein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid. Der Bescheid ist rechtskräftig.
Dieser verkürzt wiedergegebene Sachverhalt ist im Berufungsverfahren nicht strittig.
Mit dem am 12.6.2023 bei der Beklagten eingelangten Antrag vom 9.6.2023 beantragte die Klägerin die Gewährung des pauschalen Kinderbetreuungsgelds in der Variante 851 Tage für den Zeitraum vom ** bis ** für ihre zweite Tochter.
Mit dem bekämpften Bescheid wies die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung des pauschalen Kinderbetreuungsgelds für ihre zweite Tochter mit der Begründung ab, die Anspruchsvoraussetzungen nach Art 1 lit a VO (EG) 883/2004 iVm § 24 Abs 2 und 3 KBGG seien nicht erfüllt, weil die Klägerin nach Ablauf des zweiten Lebensjahrs ihrer ersten Tochter ihre Beschäftigung in Österreich nicht wieder aufgenommen habe.
Diesen Bescheid bekämpfte die Klägerin mit rechtzeitiger Bescheidklage . Darin wiederholte sie ihr Begehren auf Zuerkennung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld für den oben genannten Zeitraum. Anspruchsbegründend brachte sie zusammengefasst vor, Österreich sei aufgrund des mit ihrer Arbeitgeberin vereinbarten Sonderurlaubs während aufrechten Dienstverhältnisses als Beschäftigungsstaat nach Art 11 Abs 3 lit a VO (EG) 883/2004 leistungszuständig und nach Art 67 VO (EG) 883/2004 verpflichtet, das Kinderbetreuungsgeld in die Schweiz zu exportieren. § 24 Abs 2 und 3 KBGG sei im gegebenen Zusammenhang unionsrechtswidrig, weil die Klägerin gegenüber einer in Österreich wohnhaften Person in der gleichen Situation benachteiligt werde; dies widerspreche Art 7 VO (EG) 883/2004.
Die Beklagtebestritt und beantragte Klagsabweisung. Die VO (EG) 883/2004 gelange zwar zur Anwendung. Aufgrund des in § 24 Abs 2 und 3 KBGG definierten Beschäftigungsbegriffs sei Österreich jedoch nicht Beschäftigungsstaat iSd Art 11 Abs 3 lit a VO (EG) 883/2004 und daher nicht leistungszuständig; dies sei vielmehr gemäß Art 11 Abs 3 lit e VO (EG) 883/2004 der Wohnsitzstaat. Bei der von der Klägerin mit ihrer Dienstgeberin ab dem 9.1.2023 vereinbarten Karenz handle es sich nicht um eine Karenz iSd MSchG; es liege daher keine einer Beschäftigung gleichgestellte Situation iSd österreichischen Rechtsvorschriften vor. Die Klägerin habe – anders als die Anspruchswerberinnen in den von der Rechtsprechung in der Vergangenheit zu beurteilenden ähnlich gelagerte Sachverhalten – nach dem Ende ihrer Karenz nach § 15 Abs 1 MSchG bzw dem Bezug von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld aufgrund der Geburt ihres ersten Kindes auch keine Geldleistungen (etwa Kinderbetreuungs-, Kranken- oder Weiterbildungsgeld) aus Österreich bezogen. Es könne nicht der Privatautonomie überlassen werden, durch eine rein arbeitsrechtliche Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer die Leistungszuständigkeit Österreichs nach der VO (EG) 883/2004 zu begründen.
Da die Schweiz keine dem Kinderbetreuungsgeld vergleichbare Leistung gewähre, erfolge zudem keine Sachverhaltsgleichstellung und Familienbetrachtungsweise iSd VO (EG) 883/2004, sondern seien die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Kinderbetreuungsgelds ausschließlich nach österreichischem Recht zu prüfen. Da die Klägerin aber weder ihren Wohnsitz in Österreich habe, noch Familienbeihilfe aus Österreich beziehe, seien hier auch die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 Z 1 und 4 KBGG nicht erfüllt.
Nachdem das Erstgericht die Klage im ersten Rechtsgang mit der Begründung der mangelnden Leistungszuständigkeit Österreichs iSd VO (EG) 883/2004 abgewiesen hatte, gab das Berufungsgericht der von der Klägerin dagegen erhobenen Berufung mit Beschluss vom 22.10.2024, 23 Rs 28/24z, Folge, hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
Das Berufungsgericht bejahte in dieser Entscheidung die im ersten Rechtsgang primär strittige Leistungszuständigkeit Österreichs iSdVO (EG) 883/2004 und nahm Stellung zu den in § 2 KBGG geregelten Voraussetzungen für die Gewährung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld. Da insbesondere noch Feststellungen zu dem in § 2 Abs 1 Z 1 KBGG geregelten Erfordernis des Anspruchs auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376, fehlten, war eine abschließende Entscheidung über das Begehren der Klägerin auf Gewährung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld noch nicht möglich, weshalb das im ersten Rechtsgang angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des Berufungsgerichts im Beschluss vom 22.10.2024, 23 Rs 28/24z, verwiesen.
Unter Vorlage des eingangs in seinem wesentlichen Inhalt dargestellten Bescheids des Finanzamts Österreich vom 6.8.2024 brachte die Klägerin im zweiten Rechtsgangvor, der Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe ungeachtet dieses abweisenden Bescheids, weshalb die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG erfüllt sei.
Die Beklagte bestritt zunächst die vom Berufungsgericht im Aufhebungsbeschlussvom 22.10.2024, 23 Rs 28/24z, vertretene Rechtsansicht zur Leistungszuständigkeit Österreichs iSd VO (EG) 883/2004, erstattete jedoch im Hinblick auf die Bindung des Erstgerichts gemäß § 499 Abs 2 ZPO hiezu kein weiteres Vorbringen. Im Übrigen vertrat sie den Standpunkt, dass aufgrund des die Gerichte bindenden abweisenden Bescheids des Finanzamts die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG nicht erfüllt sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage auf Basis des eingangs zusammengefasst dargestellten Sachverhalts neuerlich ab und sprach aus, dass ein Kostenersatz nicht stattfindet.
Rechtlich sah sich das Erstgericht an die Beurteilung des Berufungsgerichts betreffend die Leistungszuständigkeit Österreichs iSd VO (EG) 883/2004 ebenso gebunden wie an den abweisenden Bescheid des Finanzamts Österreichs. Nach dem dortigen Spruch werde der Antrag bereits dem Grunde nach abgewiesen , „obwohl die Klägerin – unter Zugrundelegung der Ergebnisse und rechtlichen Einordnungen in diesem Verfahren – die Voraussetzungen zumindest dem Grunde nach dafür erfüllen würde“.Aufgrund der Bindung an diesen Bescheid sei die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG nicht erfüllt und das Klagebegehren daher abzuweisen. Da die Voraussetzungen des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG nicht erfüllt seien, scheide ein Kostenersatz an die Klägerin aus.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin . Aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beantragt sie die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinn einer vollumfänglichen Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Mit ihrer Berufung in der Hauptsache verbindet die Klägerin eine „Berufung im Kostenpunkt“.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung , dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben. Zudem wendet sie sich gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zur Leistungszuständigkeit Österreichs iSd VO (EG) 883/2004.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. In Bezug auf die Hauptsache wendet sich die Klägerin unter beiden Rechtsmittelgründen gegen die vom Erstgericht angenommene Bindung an den Bescheid des Finanzamts vom 6.8.2024. Da nach Ansicht des Berufungsgerichts eine Beschäftigung iSd VO (EG) 883/2004 vorliege, sei die mit der gegenteiligen Begründung erfolgte Abweisung des Antrags auf Zuerkennung der Familienbeihilfe durch das Finanzamt verfehlt. Damit handle es sich um einen unzulässigen Bescheid, an den das Gericht nicht gebunden sei. Durch die dennoch vom Erstgericht angenommenen Bindung sei der Verfahrensmangeldes § 496 Abs 1 Z 2 ZPO verwirklicht. In der Rechtsrüge vertritt sie die Auffassung, die Anspruchsvoraussetzung des§ 2 Abs 1 Z 1 KBGG sei bereits durch den Bezug der die Höhe der österreichischen Familienbeihilfe übersteigenden Schweizer Kinderzulage erfüllt. Die Klägerin habe daher dem Grunde nach jedenfalls einen Anspruch auf Familienbeihilfe. Zudem sei der Bescheid des Finanzamts – wie nationale Normen – europarechtskonform auszulegen. Die Klägerin habe auch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Finanzamt Österreich gestellt, damit die Rechtsansicht des Berufungsgerichts auch im dortigen Verfahren seinen Niederschlag finden könne. Im Falle eines in diesem Verfahren ergehenden entsprechenden Bescheids läge der Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO vor.
2.1. Als eine von mehreren Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld ist im (rückwirkend mit 1.2.2023 in Kraft getretenen) § 2 Abs 1 Z 1 KBGG idF BGBL I 115/2023 normiert, dass für das Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr. 376, besteht und Familienbeihilfe für dieses Kind tatsächlich bezogen wird oder nur deswegenkein Anspruch besteht, weil Anspruch auf eine gleichartige Leistung aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz besteht und diese tatsächlich bezogen wird. Der Kinderbetreuungsgeldanspruch knüpft somit grundsätzlich an den Familienbeihilfeanspruch nach dem FLAG an.
2.2. Dass die hier vom Vater in einem Betrag von monatlich CHF 230,-- bezogene Schweizer Kinderzulage und die österreichische Familienbeihilfe gleichartige, nach der VO (EG) 883/2004 zu koordinierende Familienleistungen sind, wurde im Aufhebungsbeschluss vom 22.10.2024, 23 Rs 28/24z, bereits dargelegt (vgl Rz 54). Da zum damaligen Zeitpunkt aber noch nicht geklärt war, ob für die zweite Tochter der Klägerin in Österreich ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und diese nur aufgrund der (höheren) Schweizer Kinderzulage nicht ausbezahlt wird, war die Aufhebung der Entscheidung und Fortsetzung des Verfahrens erforderlich. Die Klägerin hatte bereits in der Tagsatzung vom 23.1.2024 auf ihre diesbezügliche Antragstellung beim Finanzamt verwiesen und um Einräumung einer Frist zur Vorlage eines entsprechenden Bescheids bzw einer Mitteilung des Finanzamts ersucht (ON 7 S 5). Aufgrund der vom Erstgericht im ersten Rechtsgang vertretenen Auffassung, wonach das Klagebegehren bereits mangels der Leistungszuständigkeit Österreichs abzuweisen sei, räumte es diese Frist nicht ein.
2.3. Wie eingangs dargestellt liegt zwischenzeitig die – mangels Anfechtung durch die Klägerin rechtskräftige – abweisende Entscheidung des Finanzamts Österreich vor. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist diese Entscheidung für die hier vorzunehmende Beurteilung der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung nach § 2 Abs 1 Z 1 KBGG bindend.
Zu 10 ObS 21/17m hielt der Oberste Gerichtshof ua unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien fest, dass durch das Abstellen des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG auf den tatsächlichen Bezug der Familienbeihilfe klargestellt ist, dass die Gerichte an die rechtskräftigen Entscheidungen der zuständigen Finanzbehörde gebunden sind (RS0036880; RS0036981; RS0036864) und die Frage der Reichweite der Rechtskraftwirkung eines Bescheids einer Verwaltungsbehörde von den Gerichten selbstständig zu beurteilen ist, wobei nur das was die Verwaltungsbehörde verfügt hat, also der Spruch des Bescheids, für das Gericht verbindlich ist, nicht aber die (rechtliche) Begründung des Bescheids (RS0037015; RS0036948; RS0036981 [T8, T9]). In den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 229 BlgNR 23. GP 4) ist dazu Folgendes festgehalten: „Eine wesentliche Anspruchsvoraussetzung für das Kinderbetreuungsgeld ist derzeit der Anspruch auf Familienbeihilfe. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die für das Kinderbetreuungsgeld zuständigen Arbeits- und Sozialgerichte damit begonnen haben, die Anspruchsvoraussetzungen für Familienbeihilfe selbstständig zu prüfen, ohne die Entscheidungen der für die Familienbeihilfe zuständigen Behörden abzuwarten. Dadurch besteht die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen für den Bereich der Familienbeihilfe – bezogen auf das Kinderbetreuungsgeld – durch Behörden und Gerichte. Durch das Abstellen auf den tatsächlichen Bezug der Familienbeihilfe ist klargestellt, dass die Gerichte an die Entscheidungen der zuständigen Finanzbehörden gebunden sind. Verfahren vor den – für die Familienbeihilfe zuständigen – Finanzbehörden sind daher abzuwarten.“
2.4. Dem Erstgericht ist darin beizupflichten, dass nach dem Inhalt des finanzbehördlichen Bescheids der Anspruch der Klägerin bereits dem Grunde nach abgewiesen wurde. Weder aus dessen Spruch noch aus der Begründung, aber auch nicht aus der Zusammenschau beider, kann abgeleitet werden, dass die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch auf Familienbeihilfe hätte und diese nur wegen des Bezugs der (betraglich höheren) Schweizer Kinderzulage nicht ausbezahlt wird. Wie bereits das Erstgericht ausgeführt hat, wurde der Anspruch dort vielmehr bereits dem Grunde nach – und ohne jede Bezugnahme auf die Schweizer Kinderzulage – verneint. Ob – wovon das Erstgericht angesichts seiner Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auszugehen scheint – diese Entscheidung allenfalls inhaltlic h unrichtig ist, muss im Hinblick auf die nach den Gesetzesmaterialien vom Gesetzgeber zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen der Finanzbehörden und der Gerichte im Bereich der Familienbeihilfe intendierte Bindung der Gerichte an die Entscheidung der Finanzbehörden dahingestellt bleiben (die Bindung ua unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien ebenfalls bejahend: Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG 4§ 2 Rz 15; Weißenböck in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG² § 2 Seite 57f; Burger-Ehrnhofer, KBGG § 2 Rz 23). Die von der Klägerin angestrebte eigenständigen Prüfung des Familienbeihilfeanspruchs durch das Gericht würde dieser gesetzlichen Intention entgegenstehen. Vielmehr wäre es Sache der Klägerin gewesen, diesen Anspruch im Rahmen des finanzrechtlichen Instanzenzugs zu klären. Dies umso mehr, wenn sie wie nunmehr in der Berufung auf dem Standpunkt steht, es handle sich um einen „zweifellos unzulässigen Bescheid“. Anzumerken ist, dass sie über die Bedeutung der finanzbehördlichen Entscheidung für den hier zu beurteilenden Anspruch auf Gewährung des Kinderbetreuungsgelds auch in Kenntnis war, beantragte sie doch bereits im ersten Rechtsgang die Einräumung einer Frist für deren Vorlage.
2.5. Auch aus dem Verweis auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts und das Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung ist für die Klägerin nichts zu gewinnen, gelten diese Grundsätze doch nur für generelle Rechtsakte wie Gesetze und Verordnungen, nicht aber für den hier entscheidungswesentlichen finanzbehördlichen Bescheid. Dabei handelt es sich „nur“ um einen individuellen Rechtsakt.
2.6. Der von der Klägerin – in der Berufung erstmals – angesprochene Wiederaufnahmeantrag im Verfahren vor dem Finanzamt steht obiger Beurteilung nicht entgegen. Sollte sich dadurch nachträglich eine Änderung der Sachlage ergeben, wird der Einfluss einer solchen Entscheidung auf den von der Beklagten bzw den Gerichten zu beurteilenden Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld im Fall einer entsprechenden Antragstellung durch die Klägerin nach den in diesen Verfahren anzuwendenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen zu prüfen sein.
3. Damit hat das Erstgericht das Begehren auf Zuerkennung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld mangels Erfüllung der Voraussetzung des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG zu Recht und ohne Verwirklichung des von der Berufung vermeinten Verfahrensmangels abgewiesen. Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
4. Aufgrund dieses Ergebnisses bedarf es auch keiner weiteren Auseinandersetzung mit den von der Beklagten in der Rechtsmittelbeantwortung gegen die vom Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss vom 22.10.2024, 23 Rs 28/24z, vertretene Rechtsansicht zur Leistungszuständigkeit Österreichs iSd VO (EG) 883/2004. Es genügt ein Verweis auf die dortigen Ausführungen und die Bindung des Berufungsgerichts an seine Beurteilung gemäß § 499 Abs 2 ZPO.
5.1. In der Berufung im Kostenpunkt steht die Klägerin auf dem Standpunkt, ihr würde entgegen der Ansicht des Erstgerichts aufgrund der im vorliegenden Verfahren gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten ein Kostenersatz iSd§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG gebühren.
5.2. Ein Kostenersatz nach der zitierten Gesetzesstelle scheitert schon daran, dass die Klägerin ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Verfahren nicht dargelegt hat. Allein das Vorliegen von tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten reicht für einen Billigkeitskostenersatz nicht aus. Vielmehr muss ein solcher auch durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten gerechtfertigt sein. Der Versicherte hat diese – sofern sie sich wie hier nicht aus dem Akt ergeben – aus eigenem darzulegen (RS0085829; RI0100210). Die im Gesetz genannten Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein (RI0100107; Sonntag in Köck/SonntagASGG § 77 Rz 21f ).
5.3. Damit dringt die Klägerin auch mit ihrer Berufung im Kostenpunkt nicht durch.
6. Aus den selben Erwägungen war auszusprechen, dass auch im Berufungsverfahren ein Kostenersatz nicht stattfindet. Für die obsiegende Beklagte gilt § 77 Abs 1 Z 1 ASGG.
7. Da im vorliegenden Berufungsverfahren keine Rechtsfragen in der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zu lösen waren, war der weitere Rechtszug an das Höchstgericht nicht zuzulassen.
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