Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Nemati als Vorsitzende sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Ladner-Walch und den Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei B* GmbH , vertreten durch Achammer Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, wegen (ausgedehnt und eingeschränkt) EUR 27.908,-- s.A. und Feststellung (Streitinteresse EUR 10.000,--) über I. die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 16.737,--) sowie II. die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 16.737,--) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 30.12.2024, **-64, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
I. Beiden Berufungen wird n i c h t Folge gegeben.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Wert des Entsch eidungsgegenstands übersteigt insgesamt EUR 30.000,--.
IV. Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgegenständlich sind Schadenersatzansprüche des Klägers aus dem Unfall vom 24.10.2022.
Der Kläger ist ausgebildeter Baumeister. Er ist Gesellschafter (offenes Firmenbuch) und Geschäftsführer einer GmbH (in der Folge kurz: GmbH des Klägers), die bei einem Bauprojekt in ** mit Abbruch-, Aushub- und Hinterfüllungsarbeiten beauftragt worden war.
Am 24.10.2022 zur Mittagszeit erlitt der Kläger aufgrund eines Unfalls auf dieser Baustelle schwere Verletzungen.
Die GmbH des Klägers wurde direkt vom Bauherrn beauftragt und war in keiner Weise in die Unternehmensstruktur der Beklagten eingegliedert.
Dem Bauherrn dieses Bauprojekts kam die Funktion als örtliche Bauaufsicht (ÖBA) zu.
Die Beklagte war vom Bauherrn mit der Baukoordination und den Baumeisterarbeiten beauftragt worden. In ihrer Funktion als Baustellenkoordinatorin war sie zuständig für die Kontrolle des Arbeitnehmerschutzes. Die Beklagte delegierte die Aufgaben der Baustellenkoordination unternehmensintern an ihren Geschäftsführer, wohingegen [1] ein Arbeitnehmer der Beklagten (in der Folge: Bauleiter) die Aufgabe der Bauleitung übernahm.
Die Beklagte gab den agierenden Bauarbeitern bezüglich der Baustelle keine baustellenspezifische Sicherheitseinweisung.
Der Bauleiter klärte wenige Tage vor dem Unfall telefonisch mit der GmbH des Klägers ab, dass die Hinterfüllungsarbeiten am 24.10.2022 erst ab 13:00 Uhr beginnen sollen. Auch der Bauherr teilte dem Kläger wenige Tage vor dem Unfall telefonisch mit, dass die Arbeiter des Klägers am 24.10.2022 erst zu Mittag zur Baustelle kommen können. In diesem Gespräch brachte der Kläger zum Ausdruck, dass er vorhabe, bereits am Vormittag Vorarbeiten zu erledigen. Der Bauherr informierte den Bauleiter zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 24.10.2022 davon, dass die GmbH des Klägers beabsichtige, am 24.10.2022 bereits vormittags mit ihren Arbeiten zu beginnen. Daraufhin erwiderte der Bauleiter, dass es ihm lieber sei, wenn dies erst am Nachmittag geschehe.
Am Montag, den 24.10.2022, begannen die Arbeiter der Beklagten – darunter der Vorarbeiter – mit dem Ausschalen der am Freitag zuvor betonierten Erdgeschosswände und der weiteren Gerüstteile. Die Ausschalungsarbeiten sollten gemäß der Anweisung des Bauleiters bis ca. 13:00 Uhr abgeschlossen sein, damit anschließend die GmbH des Klägers ihre Hinterfüllungsarbeiten ausführen könne.
[2] Der Kläger erschien am Unfallstag bereits gegen 7:30 Uhr auf der Baustelle. Der Vorarbeiter, der nur gebrochen Deutsch spricht, bat den Kläger, erst zu Mittag wiederzukommen und verständigte den Bauleiter anlässlich eines Telefonats von der Anwesenheit des Klägers.
Der Bauleiter setzte daraufhin keine Handlung. Weder der Geschäftsführer der Beklagten noch der Bauleiter forderten den Kläger am Unfalltag explizit auf, die Baustelle zu verlassen.
[3] Der Bauleiter veranlasste auch kein Einschreiten des Bauherrn.
Der Kläger blieb auf der Baustelle, legte Noppenmatten aus und begann im südlichen Teil der Baustelle mit den Hinterfüllungsarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Baustelle aufgrund des andauernden Ausschalungsvorgangs und der Entfernung von Absturzsicherungen in „Phase drei“ der Gerüstarbeiten, daher im Abbau. In „Phase drei“ besteht eine Gefahrenlage. Für den Kläger als Baumeister war sowohl erkennbar, dass sich die Baustelle in „Phase drei“ befand, als auch, dass dies eine Gefahrenlage begründete.
An der östlichen Seite der Baustelle wurden von einer Betonwand entgegen den vorgesehenen Ausschalungsabläufen die haltgebenden Unterstellungen/Abstützungen (Steher) eines Schalungselements vorzeitig entfernt. Wer die Steher entfernte, kann nicht festgestellt werden. Auf dem Schalungselement, das sich in ca. drei Metern Höhe über dem Boden der Baugrube befand, lag ein hölzernes Gerüstbrett mit einer Breite von ca. 30 Zentimetern und einer Länge von ca. zwei bis drei Metern. Eine sonstige Absturzsicherung dieser Stelle, wie etwa ein Handlauf, waren zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden. Die Gefahrenlage war für den Kläger erkennbar. Der Kläger musste diese Umstände erkannt und um die davon ausgehende Gefahrenlage gewusst haben.
Am Unfalltag herrschte Regen. Die Mitarbeiter der Beklagten beabsichtigten am Nachmittag „Wetterschicht“ zu machen, also nicht zu arbeiten. Gegen 11:53 Uhr reklamierte der Kläger beim Vorarbeiter, dass nicht alle Ausschalungsarbeiten für die Hinterfüllungsarbeiten erledigt seien. Daraufhin gingen der Kläger und der Vorarbeiter gemeinsam über eine Betondecke zur oben beschriebenen Stelle. Der Vorarbeiter betrat das lose Gerüstbrett, der Kläger folgte ihm darauf. Das Brett kippte aufgrund der fehlenden Absturzsicherung weg und der Vorarbeiter sowie der Kläger stürzten in die Baugrube. Der Kläger betrat das Brett, weil er meinte bzw den Eindruck hatte, der Vorarbeiter wolle wissen, was er wegtun muss.
Das Brett, von dem der Kläger fiel, war eine Gerüstdiele. Es handelte sich um ein Hilfsgerüst für eine Schalung. Das Gerüst war für das Betonieren erforderlich. Man nutzte das Gerüst, um die Ankerstäbe der Schalungsteile zu montieren. Es war erforderlich, dass dieses Gerüst vor Beginn der Hinterfüllungsarbeiten, mit denen der Kläger beauftragt worden war, entfernt wird. Jeder, der das Brett, von dem der Kläger stürzte, betrat, machte das im Bewusstsein, dass er in eine Gefahrenzone geht. Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, sich vor Betreten des Bretts genauer zu versichern, wie das Brett aufliegt. Ein einzelnes Brett ist generell laut Arbeitnehmerschutz nicht zum Betreten erlaubt.
Die Unfallursache ist das nicht standfest gesicherte Gerüstbrett ohne Haltemöglichkeit. Die Unterstellung war schon entfernt, dies ist ein Fehler im Arbeitsablauf der Ausschalung.
Zur Vermeidbarkeit des Unfalls:
Im Zuge der Arbeit brachte der Kläger am Vormittag des Unfalltags selbst die Noppenbahn an. Er war also vorab im Unfallbereich unterwegs und hätte die Gefahrensituation erkennen müssen.
Der Kläger muss mit seiner Ausbildung als Baumeister die Sicherheitsvorschriften kennen und wissen, dass er das 30 cm breite Gerüstbrett nicht betreten darf (es befindet sich auch kein Geländersteher an der Unfallstelle). Als ausgebildeter Baumeister und mit Kenntnis der „Blauen Mappe“ musste der Klägers wissen, dass er sich in eine große Gefahr begibt. Von Seiten des Klägers wäre der Unfall daher vermeidbar gewesen, wenn er sich an die ihm bekannten Sicherheitsvorschriften gehalten und das Brett nicht betreten hätte.
[4a] Von Seiten der Beklagten wäre der Unfall vermeidbar gewesen, wenn die Beklagte im Vorfeld keine organisatorischen Fehler, Bauleitungsfehler gemacht hätte. Sie hat die Arbeiten ablauftechnisch nicht entsprechend eingetaktet und sich dann aus dem Tagesablauf herausgehalten.
Die Beklagte (im konkreten Fall der Bauleiter und der Geschäftsführer/Baustellenkoordinator) hat den nicht ausreichend sprachkundigen und ausgebildeten Vorarbeiter besonders im Hinblick auf die Arbeitssicherheit nicht ausreichend unterstützt. [4b] Die sicherheitstechnischen Aufgaben nach dem Baukoordinationsgesetz hat sie nicht ausreichend erfüllt.
Die dem Kläger durch den Unfall entstandenen Schadenspositionen in Höhe von (ungekürzt) EUR 23.474,-- s.A. (Schmerzengeld, Haushaltshilfe- und Pflegekostenersatz sowie Spesen) sind der Höhe nach ebenso wie die Tatsache, dass unfallkausale Spät- und Dauerfolgen beim Kläger nicht ausgeschlossen werden können, kein Streitpunkt mehr. Im Berufungsverfahren sind lediglich noch die Haftung der Beklagten dem Grunde nach und ein allfälliges Mitverschulden des Klägers strittig.
Der Klägerbegehrte zuletzt die Zahlung eines Schadenersatzbetrags von EUR 27.908,-- s.A. und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden aus diesem Unfall. Dazu brachte er – soweit im Berufungsverfahren relevant – vor, dass die Beklagte durch das unzureichend abgesicherte und unzureichend befestigte Gerüstbrett die ihr obliegenden Schutzvorkehrungen nicht getroffen bzw. eine von ihr allein zu vertretende Gefahrenquelle geschaffen habe. Der Kläger habe von der Gefährlichkeit des Bretts nichts gewusst. Das Alleinverschulden am Sturz des Klägers treffe die Beklagte. Ein allfälliges – bestrittenes – Mitverschulden des Klägers sei verschwindend gering, da er vor dem Unfall gesehen habe, dass der Vorarbeiter gefahrlos über das Brett gegangen sei. Es sei nur eine verständliche, reflexartige Handlung des Klägers gewesen, dieses Brett auch zu betreten. Die Beklagte sei weder Baustellenkoordinatorin noch Aufseherin im Betrieb gewesen. Auf einer Baustelle tätige Selbständige wie der Kläger fielen nicht in den Schutzbereich des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (BauKG). Der Kläger sei weder Dienstnehmer noch Weisungsempfänger der Beklagten, er habe auch keine Weisungen erhalten. Das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG gelange daher nicht zur Anwendung.
Die Beklagtewandte ein, dass ihr als Baukoordinatorin das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG zugute käme, da sie bzw. ihre Mitarbeiter als Vorgesetzte des Klägers anzusehen seien. Sie sei gegenüber dem Kläger weisungsbefugt gewesen. Der Kläger sei entgegen der Anweisung, erst nachmittags seine Arbeit aufzunehmen, bereits vormittags auf der Baustelle erschienen. Der Vorarbeiter der Beklagten habe den Kläger darauf hingewiesen, dass wesentliche Schalungsteile noch angebracht und vor Beginn der Hinterfüllungsarbeiten zu entfernen seien. Gleichzeitig habe er angeordnet, dass der Kläger mit den Hinterfüllungsarbeiten bis zur Entfernung sämtlicher Schalungsteile zuwarten solle. Der Kläger habe gegen diese Anweisung verstoßen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei der Unfall nicht auf Koordinationsprobleme zurückzuführen, sondern darauf, dass sich der Kläger den Anweisungen der Baukoordinatorin widersetzt habe. Hätte er dies nicht getan, wäre es nicht zum Unfall gekommen. Der Kläger sei Baufachmann und hätte die Gefahr, in die er sich begeben habe, erkennen müssen. Dennoch habe er sich bewusst in diese Gefahrensituation begeben. Der Kläger habe gewusst bzw. hätte er wissen müssen, dass sich dieses Gerüst gerade im Abbau befunden habe. Zudem habe der Vorarbeiter das Gerüstbrett betreten. Allein schon aus diesem Grund hätte der Kläger aufgrund der beengten Verhältnisse und einer Art „Sackgasse“ dem Vorarbeiter nicht folgen dürfen. Er habe vor Betreten der Sturzstelle nicht überprüft, ob das Betreten auch gefahrlos möglich sei. Der Kläger hätte eine Sichtkontrolle, ob sämtliche Steher noch vorhanden seien, durchführen oder durch Schlagen auf das Brett die Festigkeit überprüfen müssen. Der Kläger als Baumeister habe auch die Sicherheitsbestimmungen am Bau, insbesondere die „Blaue Mappe“ gekannt und gewusst, dass man sich daran zu halten habe. Ihn treffe daher die alleinige Verantwortung am Unfall, ein etwaiges – bestrittenes – Verschulden der Beklagten sei zu vernachlässigen. Die Beklagte sei auch nicht passivlegitimiert, da die ÖBA nicht der Beklagten, sondern dem Bauherrn zugekommen sei. Dieser hätte dem Kläger vorweg die Anwesenheit auf der Baustelle untersagen müssen, da die Beklagte noch mit Abschlussarbeiten, insbesondere dem Abbau des Gerüsts, befasst gewesen sei.
Das Erstgericht verpflichtete mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte zur Zahlung von EUR 11.737,-- s.A. (Spruchpunkt 1.), gab dem Feststellungsbegehren zur Hälfte statt (Spruchpunkt 2.) und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer EUR 16.171,-- s.A. sowie das Feststellungsmehrbegehren ab (Spruchpunkt 3.).
Das Erstgericht legte seiner Entscheidung den eingangs verkürzt wiedergegebenen Sachverhalt sowie die auf den Seiten 4 bis 8 des Urteils enthaltenen Feststellungen zugrunde, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst verwiesen wird.
In rechtlicher Hinsichtführte das Erstgericht – den Grund des Anspruchs betreffend – aus, dass der Kläger weder Dienstnehmer noch dienstnehmerähnliche Person der Beklagten gewesen sei und auf die Beklagte daher nicht das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG zur Anwendung gelange. Der Kläger (bzw. dessen GmbH) sei kein Subunternehmer der Beklagten und auch sonst nicht in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen. Der Beklagten komme als Baukoordinatorin auch Weisungsbefugnis gegenüber dem Kläger zu.
Der Baustellenkoordinator sei für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz in der Ausführungsphase einer Baustelle zuständig. Ihm obliege die Zusammenarbeit und Koordination der Tätigkeiten zum Schutz der Arbeitnehmer und zur Verhütung von Unfällen und berufsbedingten Gesundheitsgefährdungen sowie die Veranlassung der erforderlichen Maßnahmen, damit nur befugte Personen die Baustelle betreten. Stelle der Baustellenkoordinator bei Besichtigung der Baustelle Gefahren für die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer fest, habe er unverzüglich den Bauherrn oder den Projektleiter sowie die Arbeitgeber ua zu informieren.
Der Kläger falle als auf der Baustelle arbeitender Unternehmer in den Schutzbereich des Werkvertrags zwischen der Beklagten und dem Bauherren. Die Beklagte, welche für ihre Arbeiter als Erfüllungsgehilfen hafte, habe ihre Verpflichtungen als Baustellenkoordinatorin nicht erfüllt. Sie habe nicht verhindert, dass der Kläger erst später mit seinen Arbeiten beginne, außerdem habe sie die baustellenspezifische Sicherheitsunterweisung gemäß § 5 Abs 3 Z 1 BauKG unterlassen.
Die Beklagte sei zudem als mit den Ausschalungsarbeiten beauftragte Unternehmerin für die – von ihr nicht ordnungsgemäß gesicherte – Gefahrenquelle verantwortlich. Sie hätte dafür sorgen müssen, dass in „Phase drei“ die Gefahren- und Unfallstelle nicht mehr betreten werde.
Den Kläger treffe jedoch auch ein Mitverschulden. Als Baumeister hätte er erkennen müssen, dass das Gerüstbrett nicht den Sicherheitsvorschriften entsprochen habe. Da er das Brett dennoch gemeinsam mit dem Vorarbeiter betreten habe, habe er eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten zu vertreten, welche vom Erstgericht mit 50% angesetzt wurde.
Das Urteil ist in seinem klagsabweisenden Teil im Umfang von EUR 4.434,-- s.A. in Teilrechtskraft erwachsen.
Gegen die darüber hinaus erfolgte Entscheidung des Erstgerichts richten sich die Berufungen des Klägers und der Beklagten .
Die Berufung des Klägers richtet sich gegen die über die Teilrechtskraft hinausgehende (weitere) Abweisung der Klagebegehren. Er strebt – gestützt auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinn einer weiteren Stattgebung der restlichen Klagebegehren an.
In ihren Berufungsbeantwortungen beantragen die Parteien, dem jeweils gegnerischen Rechtsmittel einen Erfolg zu versagen.
Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Aus Zweckmäßigkeitsgründen wird zunächst auf die Beweisrüge der Beklagten eingegangen. Im Anschluss werden die Rechtsrügen in den beiden Berufungen nicht jeweils getrennt behandelt, sondern nach den noch strittigen Rechtsfragen thematisch gegliedert.
I. Zur Beweisrüge der Beklagten:
Die Beklagte bekämpft die oben bei der Wiedergabe des Sachverhalts mit [1] bis [4a,b] in Fettdruck hervorgehobenen Feststellungen und begehrt an deren Stelle folgende Ersatzfeststellungen:
zu [1]: „Der Bauleiter übernahm als Arbeitnehmer der Beklagten die Aufgaben der Bauleitung betreffend die von der Beklagten zu errichtenden Gewerke, nicht aber hinsichtlich der gesamten Baustelle. Diesbezüglich hatte der Bauherr die Funktion der örtlichen Bauaufsicht, sohin auch der Bauleitung. Die Aufgaben des Bauleiters als Bauleitung für die Gewerke der Beklagten betraf ausschließlich die eigenen Gewerke und umfasste nicht die Bauleitung anderer auf der gegenständlichen Baustelle tätigen Bauunternehmer.“
zu [2]: „ Der Vorarbeiter wies den Kläger an, erst zu Mittag wiederzukommen.“
zu [3]: „Der ausschließlich für die Gewerke der Beklagten zuständige Bauleiter veranlasste, nachdem er vom Vorarbeiter Kenntnis erhielt, dass der Kläger schon anwesend war, kein Einschreiten der örtlichen Bauaufsicht des Bauherrn.“
zu [4]: „Von Seiten der Beklagten wäre der Unfall nicht vermeidbar gewesen. Organisatorische Fehler im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Vorfall sind der Beklagten nicht anzulasten, sie hatte auch die Bauleitung nicht inne. Die Beklagte hat die Arbeiten auch ablauftechnisch richtig eingetaktet, indem sie anwies, dass zuerst die Schalungselemente und deren Absicherung zu entfernen sind und der Kläger bzw dessen Unternehmen erst nach Erledigung dieser Arbeiten mit den Hinterfüllungsarbeiten beginnen darf. Die Beklagte hat ihre sicherheitstechnischen Aufgaben nach dem Baukoordinationsgesetz betreffend den gegenständlichen Vorfall ausreichend erfüllt.“
Begründend führte die Beklagte zur unter [1] bekämpften Feststellung aus, dass jegliche Beweise für die bekämpfte Feststellung fehlten. Vielmehr sei dem Bauherrn die Funktion der ÖBA zugekommen.
Zur unter [2] bekämpften Feststellung vertritt die Beklagte den Standpunkt, dass die Ausführungen des Vorarbeiters nicht als Bitte, sondern als klare Weisung zu verstehen gewesen seien, da insbesondere auch die Baukoordination die Arbeiten im richtigen Zeitablauf eingetaktet habe, also zuerst die Ausschalungen entfernt und erst danach ab Freitagmittag mit den Hinterfüllungsarbeiten begonnen werden hätte müssen.
Zur unter [3] bekämpften Feststellung bleibt die Beweisrüge inhaltsleer.
Zu den unter [4a] und [4b] bekämpften Feststellungen führt die Beklagte aus, dass diese jeder Grundlage entbehrten. Im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Unfall sei die Beklagte ihren sicherheitstechnischen Aufgaben nach dem BauKG vollumfänglich nachgekommen; sie habe die Arbeiten zeitlich richtig eingetaktet. Ein diesen Anweisungen widersprechendes Verhalten des Klägers sei der Beklagten nicht als Verstoß gegen das BauKG anzulasten.
Das Berufungsgericht hat dazu erwogen:
1. Die gesetzmäßige Geltendmachung des Berufungsgrunds der unrichtigen Beweiswürdigung erfordert die bestimmte Angabe,
• welche konkrete Feststellung bekämpft wird,
• infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde,
• welche Feststellung stattdessen begehrt wird und
• aufgrund welcher Beweisergebnisse die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RS0041835).
Die bekämpfte und die an deren Stelle angestrebte Feststellung müssen denselben tatsächlichen Gesichtspunkt in unterschiedlicher Weise beleuchten, also in einem sogenannten Austauschverhältnis zueinander stehen (OLG Innsbruck 3 R 165/24z, 3 R 26/24h; RI0100145).
1.1. Zu allen vier bekämpften Feststellungen führt die Beklagte lediglich – unter prinzipieller Wiederholung ihres Prozessstandpunkts – pauschal aus, dass „diese jeder Grundlage entbehrten“. Wenn damit zum Ausdruck kommen soll, dass keine erstgerichtliche Beweiswürdigung vorgenommen wurde, ist dem entgegenzuhalten, dass das Erstgericht zu jeder der bekämpften Feststellungen auch beweiswürdigende Ausführungen getätigt hat.
1.1.1. Die unter [1] und [4a,b] bekämpften Feststellungen stützte das Erstgericht auf das seiner Ansicht nach logische und nachvollziehbare bautechnische Sachverständigengutachten. Die Feststellung [1] stützte es überdies auf die übereinstimmenden Angaben des Geschäftsführers der Beklagten und des Bauleiters.
Die unter [2] und [3] bekämpften Feststellungen stützte das Erstgericht auf die jeweils in Klammern angeführten Zeugenaussagen.
1.1.2. Ein Begründungsmangel liegt daher nicht vor.
1.2. Die Beklagte unterlässt es darüber hinaus sowohl anzuführen, aufgrund welcher – seiner Meinung nach unrichtigen – Beweiswürdigung das Erstgericht die bekämpften Feststellungen getroffen habe, als auch darzulegen, aufgrund welcher Beweisergebnisse die begehrten Ersatzfeststellungen zu treffen gewesen wären.
Lediglich zum Beweis dafür, dass es der Kläger gewesen sei, der sich nicht an die Bauabläufe gehalten hätte, werden konkrete Zeugenaussagen angeführt. Eine Ersatzfeststellung, wonach sich der Kläger nicht an die Bauabläufe gehalten hätte, wird aber nicht begehrt.
1.3. Die Beweisrügen der Beklagten sind daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.
2.1.Gemäß § 272 ZPO obliegt die Beweiswürdigung primär dem Erstgericht. Dieses hat nach sorgfältiger Überlegung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht. Dabei kommt dem persönlichen Eindruck, den die Tatsacheninstanz von den vernommenen Personen gewinnt, naturgemäß besondere Bedeutung zu. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts kann nur dann erfolgreich angefochten werden, wenn der Berufungswerber stichhaltige Gründe ins Treffen führt, die erhebliche Zweifel an den vom Erstgericht genommenen Schlussfolgerungen rechtfertigen können (vgl. 9 Ob 104/22t Rz 7).
Eine Beweisrüge muss überzeugend darlegen, dass die getroffenen Feststellungen entweder überhaupt zwingend unrichtig sind oder wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen (RI0100099). Keinen Mangel der Beweiswürdigung stellt es dar, wenn bei dieser Begründung Umstände nicht erwähnt wurden, die noch hätten erwähnt werden können, oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die noch hätte angestellt werden können. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit allen Einzelheiten des Verfahrens und allen nur denkbaren Erwägungen auseinanderzusetzen. Wesentlich ist, dass es erkennbar ist, aus welchen Erwägungen das Gericht zum Ergebnis kam, die vorgenommenen Feststellungen treffen oder andere Feststellungen nicht treffen zu können (RS0040165 [T1]).
2.2.Selbst ungeachtet der fehlenden gesetzmäßigen Ausführung der Beweisrüge ist zu betonen, dass die von der Beklagten vorgetragenen pauschalen Verweise nicht geeignet sind, Bedenken an der Richtigkeit des vom Erstgericht insoweit festgestellten Sachverhalts auszulösen. Zum Wesen der Beweiswürdigung gehört es, dass sich die Tatsacheninstanz für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen aufgrund ihrer Überzeugung, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, entscheidet (RS0043175). Naturgemäß kommt dabei dem anlässlich der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck des Gerichts von der Glaubwürdigkeit der vernommenen Personen maßgebliche Bedeutung zu (RS0110701).
Wie bereits unter Punkt I.1.1.1. ausgeführt wurde, stützte das Erstgericht die unter [4a, b] bekämpften Feststellungen auf das bautechnische Sachverständigengutachten, welches im Übrigen von den Streitteilen nach durchgeführten Ergänzungen auch unbekämpft blieb. Die unter [1], [2] und [3] bekämpften Feststellungen stützte es (auch) auf die angeführten Zeugen- und Parteienaussagen. Gerade weil sich das Erstgericht einen persönlichen Eindruck von den beteiligten Personen verschaffen konnte, sieht das Berufungsgericht keinen Anlass, dessen Kompetenz, was die Einschätzung des Wahrheitsgehalts der Aussagen der Parteien und der Zeugen betrifft, in Frage zu stellen.
Lediglich der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass das Berufungsgericht bei der unter [1] bekämpften Feststellung mangels gegenteiliger Behauptungen ohnehin davon ausgeht, dass der Bauleiter nicht für die gesamte Baustelle, sondern lediglich für die von der Beklagten zu errichtenden Gewerke zuständig war.
2.3. Die Beweisrüge der Beklagten ist daher nicht berechtigt und legt da s Berufungsgericht seiner Entscheidung die Urteilsannahmen des Erstgerichts zugrunde.
II. Zu den Rechtsrügen des Klägers und der Beklagten:
Der Klägerwendet sich gegen das vom Erstgericht angesetzte Mitverschulden. Die Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt und ihre Aufgaben nach dem BauKG nicht ausreichend erfüllt. Sie hätte zudem dafür sorgen müssen, dass die von ihr geschaffene Gefahrenstelle nicht betreten werde. Ein – bestrittenes – Mitverschulden des Klägers sei zu vernachlässigen, allenfalls mit einem Viertel zu bewerten.
Die Beklagtevertritt den Standpunkt, dass das Haftungsprivileg nach dem ASVG jedenfalls zur Anwendung gelange. Da die Aufgabe des Baustellenkoordinators einzig im Arbeitnehmerschutz auf der Baustelle liege, sei es irrelevant, ob der Baukoordinator ein direktes Weisungsrecht habe. Dem Bauleiter sei in seiner Doppelrolle, unter anderem eben als Baukoordinator, Weisungsbefugnis zugekommen. Im Ergebnis sei somit das Haftungsprivileg auf die Beklagte anzuwenden.
Zudem habe die Beklagte ihre Verpflichtungen als Baukoordinatorin zur Gänze erfüllt. Der Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, dass in „Phase drei“ keine Absturzsicherung mehr vorhanden gewesen sei. Selbst wenn – unberechtigterweise – ein Verschulden der Beklagten anzunehmen wäre, sei dieses angesichts des krass überwiegenden Verschuldens des Klägers jedenfalls zu vernachlässigen.
Das Berufungsgericht hat dazu erwogen:
1.Zum Haftungsprivileg nach § 333 ASVG:
1.1.Eingangs ist festzuhalten, dass die Sonderregelung des § 333 ASVG nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung alle anderen Haftungsgründe ausschließt (RS0028584). Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Fälle der deliktischen oder vertraglichen Verschuldens-, der Gefährdungs- oder Eingriffshaftung handel (vgl. Auer-Mayer in Mosler/Müller/Pfeil,Der SV-Komm § 333 ASVG Rz 6 mwN).
1.2.Nach § 333 Abs 1 ASVG ist der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, den dieser durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls erlitten hat, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat. Dies gilt nach § 333 Abs 4 ASVG auch für Ersatzansprüche gegen Aufseher im Betrieb. Die Anwendung des Haftungsprivilegs nach § 333 ASVG würde allerdings voraussetzen, dass der Kläger in den Betrieb der Beklagten eingegliedert war (RS0119378; RS0084993; 2 Ob 153/24z).
1.3.Eine Eingliederung in den Betrieb kann auch vorliegen, wenn mehrere Unternehmer zur Erzielung eines gemeinsamen Arbeitserfolgs zusammenwirken. Dies setzt allerdings voraus, dass dem fremden Unternehmer bei der Ausführung der Gemeinschaftsarbeit eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Bediensteten des anderen Unternehmens wie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusteht (RS0085019; RS0085043; RS0128707). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs muss das Weisungsrecht über bloß technische oder organisatorische Anweisungen hinausgehen, sodass Weisungen bloß in Bezug auf Sicherheitsfragen oder den ungestörten Betriebsablauf keine Eingliederung des Dienstnehmers in den Betrieb zur Folge haben (3 Ob 23/07i = RS0085043 [T1, T2]; 2 Ob 238/17i = RS0085199 [T1]).
1.4.Dem Baustellenkoordinator kommt keine formelle Weisungsbefugnis zu (2 Ob 272/03v, 7 Ob 218/19p).
Selbst wenn die Beklagte als Baukoordinatorin dennoch berechtigt gewesen sein sollte, den auf der Baustelle tätigen Arbeitern im Zusammenhang mit den Sicherheitsbestimmungen Anweisungen zu geben, bedeutet dies daher im Sinn obiger Ausführungen noch keine Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten.
1.5. Nach den – teilweise disloziert in der rechtlichen Beurteilung getroffenen (US 12 und 13) – unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts (US 5) wurde der Kläger direkt vom Bauherrn beauftragt, war kein Subunternehmen der Beklagten und auch sonst nicht in den Betrieb der Beklagten eingegliedert.
1.6.Eine direkte Anwendung des Haftungsprivilegs nach § 333 ASVG scheidet daher mangels Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten aus.
2.Zur Haftung nach dem BauKG:
2.1.Die früher auf die Fürsorgepflicht des Werkbestellers gemäß § 1169 ABGB gestützte Koordinationspflicht des Bauherrn wird nunmehr im Regelungsbereich des BauKG durch dieses als Schutzgesetz konkretisiert. Das BauKG als lex specialis verdrängt insoweit den bisherigen Ansatz bei § 1169 ABGB (RS0123294).
Hat der Bauherr einen Baustellenkoordinator bestellt, so trifft ihn keine Gehilfenhaftung und der Bauherr haftet dann nur für Auswahlverschulden. Die Haftung gegenüber den auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmern trifft dann unmittelbar den Baustellenkoordinator (RS0015253).
2.2.Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung 1 Ob 174/16v (RS0131249) eingehend mit der Frage beschäftigt, ob die Bestimmungen des BauKG und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen auch dann (sinngemäß) anzuwenden sind, wenn ein auf der Baustelle tätiger Selbständiger – wie hier der Kläger – aufgrund unzureichender Sicherungsmaßnahmen zu Schaden kommt.
2.2.1.Er gelangte in dieser Entscheidung unter ausführlicher Begründung mit Verweis auf Lehre und Rechtsprechung sowie in richtlinienkonformer Auslegung der Richtlinie 92/57/EWG des Rats vom 24. Juni 1992 über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zum Schluss, dass sich der Schutz des BauKG nicht auf am Bau selbständige Unternehmer erstreckt.
2.2.2.Dieser Entscheidung 1 Ob 174/16v lag – wie hier – ein Fall zugrunde, in dem der Kläger Gesellschafter und Geschäftsführer der vom Bauherrn mit bestimmten Bauleistungen beauftragten GmbH war.
2.3.Im Licht dieser Rechtsprechung handelt es sich beim Kläger um keinen Arbeitnehmer im Sinn des BauKG, sondern vielmehr um einen Selbständigen gemäß § 2 Abs 8 BauKG.
Damit ist der Kläger vom unmittelbaren Anwendungsbereich des BauKG nicht erfasst.
2.4.Es scheidet daher einerseits eine – allein auf dieser Basis begründete – Anwendung des Haftungsprivilegs nach § 333 ASVG aus.
Andererseits haftet die Beklagte dem Kläger auch nicht direkt aus dem zwischen ihr und dem Bauherrn abgeschlossenem Baukoordinationsvertrag.
3. Vielmehr ist für dieHaftung des Werkbestellers gegenüber dem Werkunternehmer nach § 1169 ABGBeinschlägig, der die sinngemäße Anwendung des § 1157 ABGB auf den Werkvertrag anordnet.
3.1. Der Kläger steht in keinem Vertragsverhältnis zum Kläger.
In den Schutzbereich des Werkvertrags sind auch die absolut geschützten Rechtsgüter von Personen aus der Sphäre des Bestellers (zB Familienmitglieder), anderer Unternehmer und ihrer Leute einbezogen (Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.04§ 1169 ABGB Rz 12 mwN; Krejci/Böhler in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB 4§ 1169 ABGB Rz 5 mwN). Betraut ein Besteller mehrere Unternehmer, bestehen die Schutzpflichten jedes Unternehmers auch gegenüber den übrigen Unternehmern und deren Leuten (Krejci/Böhler aaO Rz 11).
Der Werkunternehmer hat daher auch die absolut geschützten Rechtsgüter von Personen aus der Sphäre des Werkbestellers, anderer Werkunternehmer sowie ihrer Leute zu wahren. Werden – wie hier – vom Werkbesteller mehrere Personen mit der Werkherstellung beauftragt, so hat sich jeder Unternehmer so zu verhalten, dass die anderen Unternehmer und ihre Leute nicht zu Schaden kommen. Dasselbe gilt für ihre Erfüllungsgehilfen. Ein Geschädigter kann vom Werkunternehmer direkt Ersatz erlangen (Schopper in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), ABGB: Großkommentar zum ABGB - Klang-Kommentar - §§ 1165 bis 1174, Werkvertrag 3(2020) zu § 1169 ABGB Rz 22). Hinsichtlich dieser Schutzpflichten des Unternehmers greifen § 1313a sowie § 1298 ABGB (Krejci/Böhler aaO Rz 10 mwN).
3.2.Die Gewährleistung der Sicherheit auf einer Baustelle ist eine vertragliche Nebenverpflichtung des Werkvertrags (8 Ob 84/02i mwN). Mehrere auf einer Baustelle tätige Unternehmer haften für die Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten. In den Schutzkreis der einzelnen Werkverträge sind jeweils auch die bei einem anderen Unternehmen beschäftigten Dienstnehmer einbezogen. Diese können Schäden direkt gegen den für seinen Erfüllungsgehilfen haftenden weiteren Unternehmer geltend machen (RS0105669). Es liegt in der Natur der Sache, dass auf einer Baustelle im Zug des Baufortschritts immer wieder Gefahrenquellen geschaffen werden. Ob jeweils Warnmaßnahmen erforderlich sind, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0105669 [T2]).
3.3. Ursache des Sturzes war das – in die Sphäre der Beklagten fallende – nicht standfest abgesicherte Gerüstbrett ohne Haltemöglichkeit. Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen stellt die Entfernung der Unterstellung einen Fehler im Arbeitsablauf der – ebenfalls in die Sphäre der Beklagten fallenden – Ausschalung dar.
Die Beklagte hat dadurch eine Gefahrenquelle geschaffen und hätte grundsätzlich (entweder durch eine Warntafel oder durch zumindest mündliche Anweisungen) dafür zu sorgen gehabt, dass dieses Gerüstbrett nicht betreten wird.
Die festgestellten Fehler der Beklagten in der ablauftechnischen Eintaktung sowie der Organisation des Tagesablauf fallen nicht ins Gewicht, da nach den Urteilsannahmen die Mitarbeiter der Beklagten ohnehin wussten, dass der Kläger dennoch vor Ort war. Wenn auch der Kläger mehrmals darauf hingewiesen wurde, dass er mit seinen Arbeiten erst später beginnen solle, so war es doch vielmehr der Vorarbeiter der Beklagten, der selbst um nähere Anweisungen des Klägers bat und sodann kurz vor dem Kläger die spätere Gefahrenstelle betrat.
Dass der Vorarbeiter zum Kläger gesagt habe, er solle – im Gegensatz zu ihm selbst – nicht auf das gefährliche und ungesicherte Brett steigen, wurde gar nicht behauptet.
3.4. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist daher zu bejahen.
4. Zum Mitverschulden des Klägers:
4.1.Hat nicht nur der Schädiger, sondern auch der Beschädigte sorglos eine Bedingung für den Schadenseintritt gesetzt, so gebührt ihm kein voller Ersatz; er muss einen Teil des Schadens selbst tragen (§ 1304 ABGB). Eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern liegt dann vor, wenn jene Sorgfalt außer Acht gelassen wird, die nach dem allgemeinen Bewusstsein der beteiligten Kreise von jedem einsichtigen und vernünftigen Menschen eingehalten worden wäre, um eine Schädigung zu verhindern (9 Ob 3/06s; 8 Ob 106/15v).
4.2.Den Schädiger trifft die Behauptungs- und Beweislast für die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt durch den Geschädigten (RS0027249 [T2]). Die Aufteilung erfolgt bei § 1304 ABGB nach dem jedem Teil zur Last fallenden Verschulden (ZVR 1989/202 uva).
4.3. Der Kläger wendet sich in seiner Rechtsrüge gegen das vom Erstgericht zu 50 % angenommene Mitverschulden. Wenn überhaupt, sei ihm ein solches lediglich im Ausmaß von 25 % anzulasten. Dieser Einschätzung ist nicht zu folgen.
4.4. Der Kläger musste als Baumeister wissen, dass er auf ein nicht gesichertes Gerüstbrett ohne haltgebende Steher steigt. Diese Gefahrenlage war für den Kläger nach den Feststellungen auch erkennbar (US 6, dritter Absatz). Er musste daher wissen, dass er in eine Gefahrenzone geht und dass sich die Baustelle in „Phase drei“ bzw. im Abbau befand und dies eine (zusätzliche) Gefahrenlage begründete. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Vorarbeiter das ungesicherte Gerüstbrett Sekunden davor betrat. Der Kläger hätte den Unfall vermeiden können, wenn er sich an die ihm bekannten Sicherheitsvorschriften gehalten und das Brett nicht betreten hätte.
4.5.In der Entscheidung 2 Ob 93/20w wurde einem Kläger, der auf ein Gerüst gesprungen war, ein Mitverschulden von 2/3 angelastet. Im dortigen Fall war nie ein Prüfprotokoll angefertigt worden. Dem dortigen Kläger musste nach den Feststellungen klar sein, dass das Gerüst weder ordnungsgemäß errichtet war noch einem derartigen Sprung standhalten würde.
In der Entscheidung 8 Ob 84/02i wurde das Mitverschulden des Klägers mit einem Drittel festgesetzt. Im dort behandelten Fall stürzte er von einem noch nicht freigegebenen und nicht ausreichend abgesicherten Gerüst ab.
In der Entscheidung 1 Ob 174/16v ging der Oberste Gerichtshof von einem 50-prozentigen Mitverschulden aus. Auch in diesem Sachverhalt war der nicht ausreichend abgesicherte Bereich als Gefahr erkennbar, außerdem wäre ein alternativer (ungefährlicher) Zugang zur Verfügung gestanden.
Im vorliegenden Fall konnte der Kläger grundsätzlich nicht von einem regelrecht errichteten Hilfsgerüst ausgehen. Andererseits wurde er auf die von der Beklagten geschaffene Gefahr auch nicht hingewiesen. Wie bereits ausgeführt, musste dem Kläger die Gefährlichkeit des Betretens bewusst sein.
Angesichts dessen erachtet auch das Berufungsgericht die vom Erstgericht angenommen Haftungsteilung von 1:1 als nicht korrekturbedürftig.
5. Beiden Rechtsrügen kommt somit keine Berechtigung zu.
III. Insgesamt war daher beiden Berufungen nicht Folge zu geben.
IV. Verfahrensrechtliches:
1.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die Bestimmungen der §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Beide Seiten waren mit ihren Berufungsbeantwortungen zur Gänze erfolgreich und haben daher Anspruch auf Ersatz der diesbezüglichen Kosten. Beide haben diese tarifgemäß und mit jeweils EUR 1.958,22 (darin enthalten EUR 326,37 USt) verzeichnet. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren daher gegeneinander aufzuheben.
2.Gegenstand des Berufungsverfahrens war unter anderem ein Feststellungsbegehren, weshalb gemäß § 500 Abs 2 ZPO eine Bewertung vorzunehmen war. Dabei bestand für das Berufungsgericht keine Veranlassung, von der vom Kläger vorgenommenen Bewertung seines (ungekürzten) Feststellungsinteresses (EUR 10.000,--), die von der Beklagten auch nicht bemängelt wurde, abzugehen. Es war daher auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt EUR 30.000,-- übersteigt. Für die Revisionszulässigkeit ist bei zwei Berufungen der Streitwert nach der Summe der mit den Rechtsmitteln angestrebten Änderungen zu beurteilen ( G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON, § 502 ZPO Rz 65; 4 Ob 221/16b, 8 Ob 133/16s).
3.Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO waren bei der vorliegenden, auf den Einzelfall abgestellten Berufungsentscheidung nicht zu lösen.
Die Frage, ob von der Eingliederung in einen fremden Betrieb auszugehen ist, richtet sich stets nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls und begründet deshalb für sich genommen keine erhebliche Rechtsfrage (RS0084209 [T9]). Fragen der Haftungs- und/oder Verschuldensteilung können regelmäßig nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Auch zur Frage des unmittelbaren Schutzbereichs des BauKG konnte auf die jeweils zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden.
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer (ordentlichen) Revision liegen daher insgesamt nicht vor.
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