Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. H* M*, und 2. G* F*, beide vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim bei Wels, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Parteien J* K*, vertreten durch die Dax Wutzlhofer Partner Rechtsanwälte GmbH in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Mag. Udo Hansmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 18.757,77 EUR, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. März 2025, GZ 2 R 18/25t 40, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 13. November 2024, GZ 70 Cg 65/23t-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.655,63 EUR (darin enthalten 275,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Kläger sind Eigentümer eines Mehrparteienwohnhauses, für das sie bei der Beklagten am 12. 12. 2019 einen Versicherungsvertrag der Sparte Feuerversicherung mit einer (baukostenindexierten) Versicherungssumme von 900.000 EUR abgeschlossen haben. Das Objekt samt Inventar wurde durch einen Brand am 23. 12. 2022 beschädigt. Im Zuge der Schadensabwicklung bewertete der von der Beklagten beigezogene Sachverständige den Versicherungswert mit 1.681.200 EUR. Der Schaden betrug 54.885,05 EUR, die Beklagte hat 36.127,28 EUR aus dem Versicherungsvertrag geleistet.
[2] Die Kläger begehren 18.757,77 EUR sA. Für eine allfällige Unterversicherung sei die Beklagte verantwortlich. Ihr sei die Verletzung vorvertraglicher Schutz und Aufklärungspflichten vorzuwerfen.
[3] Der Nebenintervenient schließt sich dem Vorbringen der Kläger an.
[4] Die Beklagte wendet – soweit im Revisionsverfahren wesentlich – ein, es sei eine Unterversicherung vorgelegen.
[5] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 9.378,89 EUR sA und wies das Mehrbegehren ab. Die Beklagte wäre trotz der Vertretung der Kläger durch einen Versicherungsmakler zu einem allgemeinen, formelhaften Hinweis hinsichtlich einer allfälligen Unterversicherung verpflichtet gewesen. Die Kläger hätten sich aber das pflichtwidrige Verhalten des Nebenintervenienten, der als Fachmann zur Aufklärung der Kläger verpflichtet gewesen wäre, als Mitverschulden anrechnen zu lassen.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger keine Folge, jener der Beklagten hingegen Folge und wies das Klagebegehren ab. Eine Verletzung von Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten sei der Beklagten nicht vorzuwerfen.
[7] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision – nachträglich – zur Frage zu, wer im Dreipersonenverhältnis Versicherer – Makler – Versicherungsnehmer für die richtige Ermittlung der Versicherungssumme einzustehen habe.
[8] Die Kläger zeig en mit ihrer Revisionkeine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Da siedas Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen verm ögen, ist die Revision – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[9] 1. Die Versicherungssumme wird von den Vertragsparteien im Versicherungsvertrag mit einem bestimmten Geldbetrag vereinbart. Für dessen Höhe besteht – von hier nicht maßgeblichen Ausnahmen abgesehen – kein gesetzlich festgelegter Mindestbetrag ( Höllwerth in Fenyves/Perner/Riedler ,VersVG [2021] § 50 VersVG Rz 6). Ist die Versicherungssumme niedriger als der Versicherungswert zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls, so haftet der Versicherer nach § 56 VersVG für den Schaden nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zu diesem Wert.
[10] 2. Entgegen den Ausführungen in der Revision stellt sich hier nicht die Frage, wer das wirtschaftliche Risiko einer Unterversicherung zu tragen hat, sondern ob die Beklagte, insbesondere bei der Ermittlung der Versicherungssumme, gegen vorvertragliche Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten verstoßen hat.
[11] 2.1 Der Versicherer ist nach der Rechtsprechung zwar nicht zur Überprüfung verpflichtet, ob das angebotene Versicherungsprodukt das Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers vollständig abdeckt. Doch muss der Versicherer Fehlvorstellungen, die der Versicherungsnehmer über den Deckungsumfang äußert, richtigstellen ( 7 Ob 33/15a [Punkt 5.2]; RS0080898 ). Der Versicherungsnehmer muss vielmehr die von ihm für aufklärungsbedürftig erachteten Punkte bezeichnen oder erkennbar eine irrige Vorstellung haben ( RS0080130 ). Es besteht daher zB eine Aufklärungspflicht des Versicherers über einen Risikoausschluss, wenn erkennbar ist, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt. Umso eher liegt ein pflichtwidriges Verhalten vor, wenn der Versicherungsnehmer in seinen irrigen Vorstellungen über den Inhalt des Versicherungsprodukts noch bestärkt wird ( RS0106980 ), ebenso, wenn dem Versicherungsagenten aus den Äußerungen des Versicherungsinteressenten klar erkennbar ist, dass dieser über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt, wie etwa über den angestrebten ehesten Haftungsbeginn, eine irrige Vorstellung hat ( RS0080141 ). Die Belehrungspflicht des Versicherers oder seines Agenten darf aber nicht überspannt werden und erstreckt sich nicht auf alle möglicherweise eintretende Fälle ( RS0080386 [T2]).
[12]2.2 Der Nebenintervenient ist als Versicherungsmakler der Sphäre der Kläger zuzurechnen und hatte deren Interesse zu wahren (§ 27 Abs 1 MaklerG; RS0114041 ). Als Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungswesens ist es Hauptaufgabe des Versicherungsmaklers, dem Klienten mit Hilfe seiner Kenntnisse und Erfahrung bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen. Er hat für seinen Kunden ein erfolgreiches Risk Management bei möglichst günstiger Deckung im Einzelfall durchzuführen ( RS0118893 ). Die Aufklärungspflichten des Versicherers sind einem Versicherungsmakler gegenüber aufgrund dessen eigenen Fachwissens geringer als gegenüber einem unvertretenen Versicherungsinteressenten ( 7 Ob 33/15a [Punkt 5.3]).
[13] 2.3 Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach betont hat, dass das Versicherungsverhältnis in besonderem Maße von Treu und Glauben beherrscht wird ( RS0018055 ), welchen Grundsatz der Versicherungsnehmer ebenso gegen sich gelten lassen muss wie der Versicherer. Die Frage, ob eine Vertragspartei gegen Treu und Glauben verstieß, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und bildet keine erhebliche Rechtsfrage, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste ( RS0118180 [T3]). Das ist hier aber nicht der Fall.
[14] 3. Das Berufungsgericht ist auf Basis der getroffenen Feststellungen ohne Korrekturbedarf davon ausgegangen, die Beklagte habe aufgrund der übermittelten Unterlagen, insbesondere der Vorpolizze mit einer deutlich (bzw der Verkehrswertberechnung aus 2018) geringeren Versicherungssumme und den im Verkaufsexposé angeführten Werten, davon ausgehen können, die Versicherungssumme von 900.000 EUR sei ausreichend. Da die Beklagte weder den Anschein erweckt habe, den Wert mit einem Sachverständigen ermittelt zu haben, noch für sie Anhaltspunkte für einen höheren Wert der Liegenschaft vorgelegen seien, sei der Beklagten keine Verletzung von Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten anzulasten, selbst wenn sie gewusst habe, dass die Kläger eine volle Deckung anstrebten.
[15] Die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, gegenüber einem Versicherungsmakler bestehe keine Verpflichtung, die Bedeutung einer Unterversicherung zu erklären, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
[16]4. Die Kläger zeigen mit ihren Revisionsausführungen auch unter Berücksichtigung des erstmals in der Revision angeführten § 5 Abs 2 KSchG keine grobe Unrichtigkeit auf. Inwiefern eine Gesetzeslücke vorliegt, die die analoge Anwendung des § 5 Abs 2 KSchG erforderlich machen würde (RS0098756), legt die Revision nicht dar.
[17] 5. Dass der Einwand der Unterversicherung rechtsmissbräuchlich erfolgt sei, wurde von den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht. Das dahingehende Revisionsvorbringen verstößt gegen das Neuerungsverbot (vgl RS0042025 ; RS0037612 ).
[18] 6. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
[19] 7. Die Kostenentscheidunggründet auf § 41 iVm § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen. Für die Revisionsbeantwortung gebührt aber der Streitgenossenzuschlag nur in Höhe von 10 %, weil sich der Nebenintervenient am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat (RS0036223).
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