Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* GmbH, *, vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in Wien, der Nebenintervenientinnen auf Seite der klagenden Partei 1. G* GmbH, *, 2. U* GmbH, *, und 3. a* gmbh, *, alle verteten durch die Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 4. G* GmbH, *, vertreten durch die KESCHMANN Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K* GmbH, *, vertreten durch die Georges Leser Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 7.000 EUR sA, hier wegen Ablehnung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 14. März 2025, GZ 4 R 11/25d 16, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 24. April 2025, GZ 4 R 11/25d 22, mit dem der Rekurs der Erst , Zweit und Drittnebenintervenientinnen auf Seite der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 29. November 2024, GZ 50 Nc 17/24a 9, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Im Anlassverfahren begehrt die Klägerin von der Beklagten 7.000 EUR sA an Schadenersatz.
[2] Das Erstgericht wies den von den Erst , Zweit- und Drittnebenintervenientinnen auf Seite der Klägerin gegen die Erstrichterin im Ausgangsverfahren erhobenen Ablehnungsantrag mangels Berechtigung der geltend gemachten Ablehnungsgründe ab.
[3] Dagegen erhoben die Ablehnungswerberinnen Rekurs, dem die Klägerin mit einer als „Rekursbeantwortung“ bezeichneten Eingabe entgegentrat. Darin führte sie aus, abgesehen von der bereits eingetretenen Präklusion des Ablehnungsrechts sei der Ablehnungsantrag auch inhaltlich unberechtigt, und beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
[4] Das Rekursgericht wies den Rekurs als unwirksam zurück und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei.
[5] Prozesshandlungen des einfachen Nebenintervenienten seien nur insoweit für die Hauptpartei rechtlich wirksam, als sie nicht deren eigenen Prozesshandlungen widersprächen. Ein – nach Belieben möglicher – Widerspruch der Hauptpartei könne entweder ausdrücklich oder durch eine Prozesshandlung erfolgen, die mit jener des Nebenintervenienten in Widerspruch stehe. Die Hauptpartei könne dessen selbständig erhobenes Rechtsmittel zurückziehen oder (auch einen erst nachträglich möglichen) Rechtsmittelverzicht erklären; beides führe zur Zurückweisung des Rechtsmittels. Diese Grundsätze würden auch im Ablehnungsverfahren gelten. Die Rekursbeantwortung der Klägerin mit ihrem Antrag, dem Rekurs der Nebenintervenientinnen nicht Folge zu geben, stehe im unauflösbaren Widerspruch zum Rekurs. Dies führe zu dessen Unwirksamkeit und komme seiner Zurückziehung durch die Hauptpartei gleich, was einer sachlichen Erledigung des Rechtsmittels entgegenstehe.
[6] Gegen diese Entscheidung richtet sich der – von der Beklagten beantwortete – Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
[7] Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig .
[8]1. Nach ständiger Rechtsprechung ist vom Rechtsmittelausschluss des § 24 Abs 2 JN ein Beschluss ausgenommen, in dem das Rekursgericht – wie hier – eine meritorische Behandlung des gegen die erstgerichtliche Sachentscheidung über den Ablehnungsantrag gerichteten Rekurses aus formellen Gründen ablehnte ( RS0044509 ; RS0098751 [T9]; RS0122963[T3]). Im gegenständlichen Fall steht der Rechtszug unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO offen ( RS0044509 ; RS0046065 ).
[9]2. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zeigt die Klägerin indes nicht auf.
[10]2.1. Im Verfahren steht nicht in Zweifel, dass es sich bei den Ablehnungswerberinnen jeweils bloß um einfache, nicht jedoch um streitgenössische Nebenintervenientinnen im Sinn des § 20 ZPO handelt.
[11]2.2. Das Rekursgericht hat die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Wirksamkeit von Prozesshandlungen des einfachen Nebenintervenienten zutreffend wiedergegeben: Gemäß § 19 Abs 1 Satz 2 ZPO ist auch der einfache Nebenintervenient als Streithelfer berechtigt, zur Unterstützung „seiner“ Hauptpartei Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und Prozesshandlungen vorzunehmen. Dazu gehört etwa auch die Erhebung eines – auch eigenständigen – Rechtsmittels gegen eine Entscheidung durch den Nebenintervenienten ( RS0035520). Gemäß § 19 Abs 1 Satz 3 ZPO sind solche Prozesshandlungen aber nur wirksam, soweit sie nicht mit Prozesshandlungen der Hauptpartei im Widerspruch stehen; es gelten sonst die Handlungen der Hauptpartei, die widersprechenden Handlungen des Nebenintervenienten sind unwirksam ( RS0035472 ). So bindet etwa ein Rechtsmittelverzicht der Hauptpartei den Nebenintervenienten; die Hauptpartei darf ferner ein vom Nebenintervenienten eingebrachtes Rechtsmittel zurücknehmen ( RS0035472 [T1]; RS0035520 ; zuletzt ua 1 Ob 21/25g Rz 14).
[12] 2.3. Wenn nun das Rekursgericht ausgehend von diesen Leitlinien zum Ergebnis gelangte, dass die als „Rekursbeantwortung“ bezeichnete Eingabe in der konkreten Fallkonstellation nach ihrem objektiven Erklärungswert als Widerspruch gegen die vorgenommene, von der Klägerin nicht gebilligte Prozesshandlung ihrer Streithelferinnen – und damit in der Sache als Zurückziehung des Rekurses – zu werten sei, dann bedarf diese rechtliche Beurteilung keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof:
[13] Die Auslegung von Prozesserklärungen ist eine Frage des Einzelfalls, der grundsätzlich keine zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt ( RS0042828 [T16, T23]; RS0044273 [T14, T41, T50]). Anderes gilt nur, wenn es sich um eine aufzugreifende Fehlbeurteilung handelt ( RS0042828 [T15]; RS0044273 [T47]). Das ist der Fall, wenn die Auslegung mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstößt ( RS0042828 [T11, T31]; RS0044273 [T56]). Die Klägerin vermag nicht darzutun, inwieweit dem Rekursgericht eine solche im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen sein sollte.
[14] Dass sie in ihrer „Rekursbeantwortung“ nicht nur dem im Ablehnungsverfahren vertretenen Prozessstandpunkt der auf ihrer Seite dem Rechtsstreit beigetretenen Nebenintervenientinnen, sondern auch dem Rekursantrag selbst ausdrücklich entgegentreten ist, stellt die Klägerin im Revisionsrekurs zutreffend nicht in Abrede. Sie führt allerdings sinngemäß ins Treffen, das Rekursgericht habe ihre Prozesserklärung unvertretbar in eine Zurückziehung des Rekurses umgedeutet, obwohl aus ihrem auf meritorische Entscheidung gerichteten Sachantrag „in einer jede Umdeutung ausschließenden Deutlichkeit“ hervorgehe, dass sie gerade eine inhaltliche Klärung des erhobenen Vorwurfs der Befangenheit der Erstrichterin im Ausgangsverfahren angestrebt und sich damit auf eine ganz bestimmte Art der Prozesshandlung festgelegt habe.
[15] Diese Argumentation übergeht, dass die grundsätzlich zulässige Umdeutung von (fehlerhaften) Prozesserklärungen (auch von Sachanträgen) zwar vom zu ermittelnden objektiven Erklärungswert unter Bedachtnahme auch auf das in der Prozesserklärung enthaltene Vorbringen abhängt (vgl RS0106420 ). Die Auslegung darf sich jedoch nicht auf den bloßen Wortlaut des konkreten Vortrags beschränken. Vielmehr kommt es darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozesszwecks und der dem Gericht und Gegner bekannten Prozess und Aktenlage objektiv zu verstehen ist ( RS0017881 ; RS0037416 ).
[16]Mit Blick darauf, dass eine Rechtsmittelgegenschrift, die der Widerlegung der Rechtsmittelgründe und der Gegenantragstellung dient, ausschließlich vom Prozessgegner des Rechtsmittelwerbers erstattet werden kann (vgl § 468 Abs 2, § 507 Abs 4, § 521a Abs 1 ZPO), kann aber keine Rede davon sein, dass die „Rekursbeantwortung“ der Klägerin (in Entgegnung des Rekurses ihrer eigenen Streithelferinnen) nach dem damit erkennbar verfolgten Prozesszweck mit „einer jede Umdeutung ausschließenden Deutlichkeit“ gerade auf die inhaltliche Klärung der (von Hauptpartei und Streithelferinnen unterschiedlich beurteilten) Frage der Befangenheit in einem weiteren Rechtszug abzielte.
[17] Ausgehend davon ist die beanstandete Auslegung des Rekursgerichts, die Klägerin habe mit ihrer „Rekursbeantwortung“ der Erhebung des Rekurses selbst widersprechen wollen, jedenfalls vertretbar.
[18] 2.4. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
[19]3. Der Revisionsrekurs wurde der Rechtsvertreterin der Beklagten am 14. 7. 2025 zugestellt. Die Rechtsmittelbeantwortungsfrist von 14 Tagen (§ 521a Abs 1 ZPO) endete – mangels Fristenhemmung im Ablehnungsverfahren (§ 222 Abs 2 Z 10 ZPO) – mit Ablauf des 28. 7. 2025. Die erst am 4. 8. 2025 eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung ist daher als verspätet zurückzuweisen.
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