Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision der A K, vertreten durch DDr. Gernot Satovitsch und Mag. Claus Steiner, Rechtsanwälte in Baden, gegen das am 15. Mai 2025 mündlich verkündete und am 1. Juli 2025 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. Juli 2025, L518 23106721/11E, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Die im Jahr 2002 geborene Revisionswerberin, eine syrische und armenische Staatsangehörige, reiste gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder mit dem Flugzeug von Armenien kommend am 10. Juli 2013 in das Bundesgebiet ein. Sie stellte (durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin), wie ihre Mutter und ihr Bruder auch, am 11. Juli 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), wobei sie lediglich angab, aus Syrien zu stammen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannte ihr mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 8. August 2014 den Status der Asylberechtigten zu und stellte fest, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
2Mit Bescheid vom 24. Februar 2025 nahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das aufgrund des Antrags der Revisionswerberin rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder auf.
3 Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, die durch ihre Mutter vertretene Revisionswerberin habe sich den Status einer Asylberechtigten erschlichen, indem sie ihre armenische Staatsangehörigkeit wissentlich verschwiegen habe.
4 Die von der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Die Behandlung der dagegen an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 12. August 2025, E 1836/2025 8, abgelehnt und diese unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongesondert gemäß § 28 Abs. 3 VwGG vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
9 Die Revisionswerberin wendet sich gegen die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach sie den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8. August 2014, mit welchem ihr, wie auch den Familienmitgliedern, der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, erschlichen habe, weil sie gegenüber der Behörde im Rahmen des damaligen Asylverfahrens absichtlich verschwiegen habe, neben der Staatsangehörigkeit der Syrischen Arabischen Republik auch jene der Republik Armenien zu besitzen.
10Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein „Erschleichen“ im Sinn von § 69 Abs. 1 Z 1 AVG vor, wenn die betreffende Entscheidung in einer Art zustande gekommen ist, dass die Partei gegenüber der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat oder maßgebliche Angaben unterlassen hat und der so festgestellte Sachverhalt dann der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, sofern die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen ist und ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Erhebungen durchzuführen. Von einem „Erschleichen“ kann daher nicht gesprochen werden, wenn die Behörde es verabsäumt hat, von den ihr ohne besondere Schwierigkeiten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung Gebrauch zu machen (vgl. etwa VwGH 4.7.2025, Ra 2025/22/0076, mwN). Dem betreffenden Verfahren darf also kein ein „Erschleichen“ ausschließender relevanter Ermittlungsmangel anhaften (vgl. VwGH 28.8.2024, Ra 2024/22/0070, mwN).
11Die Frage, ob im konkreten Fall sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für ein „Erschleichen“ im Sinn von § 69 Abs. 1 Z 1 AVG vorliegen, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre, was in der Zulässigkeitsbegründung der Revision darzustellen ist (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 16.11.2023, Ra 2023/06/0207, mwN).
12 Dass das Verwaltungsgericht von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre, zeigt die Revisionswerberin nicht auf.
13 Fallbezogen nahm das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine ausführliche Beweiswürdigung vor und gelangte auf Basis nicht als unschlüssig zu erkennender Überlegungen zum Ergebnis, dass die Revisionswerberin ihre armenische Staatsangehörigkeit gekannt habe und diese vor der Behörde im Hinblick auf den erhofften Verfahrensausgang bewusst in Irreführungsabsicht verschwiegen habe. Dass der Behörde im damaligen Verfahren maßgebliche Ermittlungsmängel unterlaufen wären, nahm das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung nicht an. Unter anderem führte es auch aus, dass die Revisionswerberin vertreten durch ihre gesetzliche Vertreterin , trotz zahlreicher Fragen angegeben habe, ausschließlich Staatsangehörige von Syrien zu sein.
14 Vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird eine Unvertretbarkeit der rechtlichen Schlussfolgerungen des Bundesverwaltungsgerichtes in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt.
15Die Revisionswerberin richtet sich weiters gegen die vom Bundesverwaltungsgericht den Feststellungen zugrunde gelegten Ausführungen von MMag. Dr. h.c. M., der zur Frage der Innehabung der armenischen Staatsangehörigkeit der Revisionswerberin von der Behörde im Verfahren zur Wiederaufnahme mit Recherchen in Armenien beauftragt worden war. Hier genügt es darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass die Stellungnahme einer Vertrauensperson oder eines Vertrauensanwalts, so wie auch von MMag. Dr. h.c. M., kein Sachverständigengutachten, sondern ein sonstiges Beweismittel ist, das der freien Beweiswürdigung unterliegt (vgl. ausführlich VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, 0101; weiters auch VwGH 1.9.2021, Ra 2021/19/0233, jeweils mwN). Somit kommt es auf die in der Revision behaupteten vorwiegend methodischen Mängel im „Sachverständigengutachten“ nicht weiter an.
16Soweit mit dem in diesem Zusammenhang erstatteten Vorbringen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Frage der armenischen Staatsangehörigkeit der Revisionswerberin angesprochen wird, zeigt die Revisionswerberin mit den in weiten Strecken gegen die in der Person des Beauftragten gerügten Umständen keine Unvertretbarkeit der beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes auf (vgl. zum im Revisionsverfahren anzulegenden Maßstab bei der Überprüfung der Beweiswürdigung VwGH 15.9.2025, Ra 2025/20/0361 bis 0363, mwN).
17 In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 17. November 2025