Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des P N, und 2. der T N, beide vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes je vom 12. Mai 2025, 1. G307 2309708 1/7E und 2. G307 23097101/7E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet. Beide sind kosovarische Staatsangehörige. Die Revisionswerber stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 5. Oktober 2023 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden jeweils vom 27. Februar 2025 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen beide eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in den Kosovo jeweils zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Beide Revisionswerber wurden am 23. Juli 2025 in ihren Herkunftsstaat abgeschoben.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisionnach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
8 In den vorliegenden Revisionen wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei durch die unterlassene Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht abgewichen, weil sich das Bundesverwaltungsgericht nicht mit dem Vorbringen der Revisionswerber befasst habe, wonach die ihnen drohende Gefahr im Rahmen der Blutrache aufgrund des verbrecherischen Umfeldes der „gegnerischen“ Familie ein weit überdurchschnittliches Ausmaß erreicht habe und daher der kosovarische Staat nicht in der Lage sei, die Revisionswerber zu schützen. Auch komme der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen besondere Bedeutung zu. Im Fall der Revisionswerber liege seit ihrer im Jahr 2023 erfolgten Einreise eine soziale und berufliche Integration vor.
9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß dem - hier maßgeblichen - ersten Tatbestand des ersten Satzes des § 21 Abs. 7 BFA VG („wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“) dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 23.6.2025, Ra 2024/20/0638 bis 0641, mwN).
10Es trifft zwar zu, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer Verhandlung bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen besondere Bedeutung zukommt. Daraus ist aber noch keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. erneut VwGH 23.6.2025, Ra 2024/20/0638 bis 0641, mwN).
11 Soweit sich die revisionswerbenden Parteien gegen die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes wenden, es sei in Bezug auf die von ihnen vorgebrachte Verfolgung aufgrund der Blutrache in der Familie der Revisionswerber davon ausgegangen, dass der kosovarische Staat schutzfähig und schutzwillig sei, lassen sie außer Acht, dass das Bundesverwaltungsgericht aufgrund nachvollziehbarer beweiswürdigender Überlegungen den Angaben zu einer drohenden Verfolgung durch die Familie des angeblich getöteten Nachbarn durch den Bruder des Erstrevisionswerbers keinen Glauben geschenkt hat.
12Dass aber die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. zum Maßstab im Revisionsverfahren bei der Prüfung der Beweiswürdigung etwa VwGH 27.2.2025, Ra 2025/20/0048, mwN), wird von den Revisionswerbern nicht dargetan. Diese legen ihren Ausführungen lediglich als Prämisse die mangelnde Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit ihres Herkunftsstaates zugrunde (dieses Land gilt im Übrigen gemäß § 1 Z 2 der Herkunftsstaaten Verordnung als sicherer Herkunftsstaat), ohne auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichtes, nach denen schon ihre Angaben zum behaupteten Verfolgungsszenario als unglaubwürdig eingestuft wurden, in substantiierter Weise einzugehen.
13 Demnach kommt es im vorliegenden Fall auf die Frage der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit staatlicher Institutionen des Herkunftsstaates nicht mehr an. Beruht eine Entscheidung wie hier auf alternativen Begründungen und wird in Ansehung einer tragfähigen Begründungsalternative im Zulässigkeitsvorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG aufgezeigt, so erübrigt es sich, auf die zusätzlich angesprochenen Fragen einzugehen, weil das rechtliche Schicksal der Revision von der Beantwortung der insoweit aufgeworfenen Rechtsfragen nicht abhängt (vgl. VwGH 23.6.2025, Ra 2025/20/0179, mwN).
14 Die Revisionswerber rügen auch die unterlassene mündliche Verhandlung in Bezug auf die Erlassung der Rückkehrentscheidungen.
15 Das Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen der durchgeführten Interessenabwägung die Art und Dauer des Aufenthalts der Revisionswerber in Österreich einbezogen und sodann zu Recht in seine Erwägungen miteinfließen lassen, dass keine hinreichende Integration der Revisionswerber vorliege. Darüber hinaus würdigte das Bundesverwaltungsgericht alle für die Interessenabwägung maßgeblichen Umstände, insbesondere die Bindungen zum Herkunftsstaat als auch das fehlende Abhängigkeitsverhältnis zur in Österreich lebenden Schwester des Erstrevisionswerbers. Dass das Bundesverwaltungsgericht nicht von einem eindeutigen Fall ausgehen durfte, zeigen die Revisionswerber in den Revisionen nicht auf. Die revisionswerbenden Parteien legen mit ihrem Vorbringen nicht dar, dass das Bundesverwaltungsgericht von den oben dargestellten, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre. Dies gilt umso mehr, als den von ihnen angeführten Umständen angesichts der sonstigen Feststellungen keine für die Entscheidung wesentliche Bedeutung zuzumessen ist.
16 In den Revisionen wird sohin keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 8. September 2025
Rückverweise
Keine Verweise gefunden