Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer und die Hofräte Mag. Eder sowie Mag. Pichler als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtsache der Revision des A A, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2025, W144 23109201/3E, betreffend Auftrag zur Bescheiderlassung gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.069,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1Der aus Syrien stammende Revisionswerber stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 2. Oktober 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Entscheidung über diesen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten erlassen hatte, brachte der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 2. April 2025 eine Säumnisbeschwerde ein, die von der Behörde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.
3Mit dem angefochtenen Erkenntnis trug das Bundesverwaltungsgericht der Behörde gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG auf, den versäumten Bescheid innerhalb von acht Wochen ab Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses unter Zugrundelegung der in dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes festgelegten Rechtsanschauung zu erlassen. Des Weiteren erklärte es die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
In den Entscheidungsgründen gab das Bundesverwaltungsgericht gesetzliche Bestimmungen des AVG, des VwGVG und des AsylG 2005 sowie allgemeine Rechtssätze aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wieder, unter welchen Voraussetzungen einer Person der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen sei. Weiters enthält die Begründungnach Wiedergabe des § 8 AsylG 2005 und von Bestimmungen der EMRKallgemein gehaltene Rechtssätze zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung des Art. 3 EMRK anzunehmen sei. Auch merkte das Bundesverwaltungsgericht nach Auflistung weiterer gesetzlicher Bestimmungen an, bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme könne ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatund Familienlebens des Fremden im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Es müsse daher überprüft werden, ob eine solche Maßnahme einen Eingriff und wenn ein solcher gegeben sei eine Verletzung des Privat und Familienlebens des Fremden darstelle. Als Erwägungen zur „Frage der Zulässigkeit der Abschiebung“ gab das Bundesverwaltungsgericht in zusammengefasster Weiseallein den Wortlaut des § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wieder. Auf Basis dieser vom Bundesverwaltungsgericht geäußerten Rechtsansicht werde so das Verwaltungsgericht abschließend das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seiner Entscheidung eine aktuelle Lagebeurteilung zu den Verhältnissen in Syrien und im Speziellen der Herkunftsregion des Revisionswerbers zugrunde zu legen haben, wie beispielsweise den eben erschienenen Bericht COI CMS, Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zu Syrien vom 8. Mai 2025, Version 12. Zu berücksichtigen und dem Revisionswerber im Rahmen einer Vernehmung vorzuhalten werde auch sein so das Verwaltungsgericht weiter , dass er sich seit dem Jahr 2021 nicht mehr in Syrien aufgehalten habe, sodass eine individuell konkrete Verfolgungsgefahr durch die neuen Machthaber prima vista nicht naheliegend erscheine. Die Behörde habe „den hier vorliegenden Sachverhalt“ innerhalb einer Frist von acht Wochen auf Basis der vom erkennenden Gericht geäußerten Rechtsansicht zu entscheiden. Abschließend begründete das Bundesverwaltungsgericht, warum es keine mündliche Verhandlung habe durchführen müssen. Dieses Erkenntnis wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13. Mai 2025 im Weg der elektronischen Zustellung zugestellt.
4 Dagegen richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Revision samt den Verwaltungsakten dem Verwaltungsgerichtshof vor, der mit verfahrensleitender Anordnung vom 3. Juli 2025 das Vorverfahren einleitete.
5Mit Eingabe vom 22. Juli 2025 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Verwaltungsgerichtshof bekannt, dass eine Bescheiderlassung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht erfolgt und der Akt dem Bundesverwaltungsgericht wieder vorgelegt worden sei. Weitere Schriftsätze wurden innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 1 VwGG gesetzten Frist nicht erstattet.
6Der Verwaltungsgerichtshof gab dem Revisionswerber mit verfahrensleitender Anordnung vom 3. September 2025 Gelegenheit zur Frage einer etwaigen Gegenstandslosigkeit der Revision Stellung zu nehmen, weil sich aus der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergebe, dass die Zuständigkeit, in der Sache zu entscheiden, mittlerweile gemäß § 28 Abs. 7 letzter Satz VwGVG wieder auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen sei.
7In seiner Stellungnahme vom 6. September 2025 führte der Revisionswerber aus, dass das Rechtsschutzziel der Säumnisbeschwerde „offenkundig weiterhin nicht erreicht“ sei, weil über den Antrag des Revisionswerbers vom 2. Oktober 2022 noch immer nicht entschieden worden sei, weshalb das angefochtene Erkenntnis weiterhin aufzuheben sei. Andernfalls sei nämlich kein Fall denkbar, in dem der Verwaltungsgerichtshof über eine Revision gegen eine rechtswidrige Entscheidung gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG meritorisch entscheiden könne. Sofern die Behörde einen Bescheid erlasse, sei das Rechtsschutzziel eine Entscheidung über den Antrag herbeizuführen erreicht. Würde es auch in jenen Fällen zu einer Einstellung des Revisionsverfahrens kommen, in denen die Behörde keinen Bescheid erlassen habe, wäre eine Entscheidung gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG „niemals“ vom Verwaltungsgerichtshof überprüfbar. Die Behörde könne durch eine bloße fortgesetzte Untätigkeit ein Revisionsverfahren „niederschlagen“, indem sie dem Verwaltungsgerichtshof mitteile, keinen Bescheid erlassen zu haben. Der Verwaltungsgerichtshof könne sich auch nicht auf seinen Beschluss vom 30. Juni 2025, Ra 2025/20/0073, stützen, weil dem dortigen Verfahren eine Amtsrevision zu Grunde gelegen und außerdem im dortigen Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht nach erfolgtem Zuständigkeitsübergang über den Antrag des Fremden bereits entschieden worden sei. Für den Fall der Einstellung des Revisionsverfahrens begehre der Revisionswerber, ihm jedenfalls gemäß § 58 Abs. 2 VwGG Aufwandersatz zuzusprechen.
8Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.
9Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Prozessvoraussetzung für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses an der inhaltlichen Erledigung. Ein solches ist immer dann zu verneinen, wenn es (etwa auf Grund geänderter Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben, wenn also durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an der Entscheidung wegfällt. Liegt das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht vor, ist diese unzulässig (§ 34 Abs. 1 VwGG), fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens als gegenstandslos nach § 33 Abs. 1 VwGG (vgl. VwGH 30.6.2025, Ra 2025/20/0073, mwN).
10Der Revisionswerber vertritt die Auffassung, eine Gegenstandslosigkeit könne im vorliegenden Fall, in dem innerhalb der der Behörde gesetzten Frist kein Bescheid erlassen worden sei und auch das Bundesverwaltungsgericht über den Antrag des Revisionswerbers noch nicht entschieden habe, nicht eintreten, weil das Rechtsschutzziel des Säumnisverfahrens, nämlich die Herbeiführung einer inhaltlichen Entscheidung über den Antrag des Revisionswerbers vom 2. Oktober 2022, noch nicht erreicht worden sei. Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Revisionswerber nicht aufzuzeigen, dass weiterhin ein rechtliches Interesse an einer inhaltlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof über die hier gegenständliche Revision bestünde. Das angefochtene Erkenntnis, mit dem dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine achtwöchige Frist zur Nachholung des Bescheides gesetzt worden war, wurde der Behörde am 13. Mai 2025 zugestellt. Die der Behörde mit diesem Erkenntnis gesetzte Frist endete daher am 8. Juli 2025. Damit besteht seit dem 9. Juli 2025 gemäß § 28 Abs. 7 letzter Satz VwGVG wieder die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes, über den Antrag des Revisionswerbers vom 2. Oktober 2022 zu entscheiden, weil mit Ablauf der Frist die Zuständigkeit ex lege wieder auf das Verwaltungsgericht übergegangen ist (vgl. VwGH 28.5.2019, Ra 2018/22/0060).
11Wenn der Revisionswerber als weiter vorhandenes Rechtschutzinteresse vorbringt, dass über seinen Antrag auf internationalen Schutz noch nicht abgesprochen worden sei, ist dem zu entgegnen, dass eine solche Entscheidung auch im Fall einer inhaltlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die hier gegenständliche Revision nicht herbeigeführt werden würde. Damit im Fall der Säumnis des Bundesverwaltungsgerichts der Revisionswerber die Erlassung einer Entscheidung durch dieses Gericht betreiben kann, steht ihm der Rechtsbehelf des Fristsetzungsantrages (§ 38 VwGG) zur Verfügung.
12Dass es aber stets im Fall der Bekämpfung eines nach § 28 Abs. 7 VwGVG getroffenen Erkenntnisses zu keiner inhaltlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes käme, trifft angesichts der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung nicht zu (vgl. etwa VwGH 8.9.2025, Ra 2025/20/0211, mwN).
13 Im vorliegenden Fall ist mithin nicht zu sehen, dass es für die Rechtsstellung des Revisionswerbers einen Unterschied machen würde, wenn das angefochtene Erkenntnis aufgehoben werden würde oder im Rechtsbestand bliebe. Jener Rechtszustand, den der Revisionswerber mit seiner Revision zu erreichen trachtet, nämlich die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über den von ihm gestellten Antrag, ist aufgrund der zeitlich nach Revisionserhebung eingetretenen weiteren Ereignisse bereits seit dem 9. Juli 2025 hergestellt.
14Die Revision war somit als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren nach Anhörung des Revisionswerbers gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.
15Fällt bei einer Revision oder einem Fristsetzungsantrag das Rechtsschutzinteresse nachträglich weg, so ist dies gemäß § 58 Abs. 2 VwGG bei der Entscheidung über die Kosten nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.
16 Der Revision wäre unter Außerachtlassung des zwischenzeitlichen Wegfalls des RechtsschutzinteressesErfolg beschieden gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat im bereits zitierten Beschluss vom 30. Juni 2025, Ra 2025/20/0073, unter Hinweis auf bisherige dazu ergangene Judikaturhinsichtlich einer der gegenständlichen Entscheidung vergleichbaren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die maßgeblichen Voraussetzungen einer Entscheidung im Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG dargelegt. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG kann daher auf die Entscheidungsgründe dieses Beschlusses verwiesen werden.
17 Den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien hat das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall schon deshalb nicht entsprochen, weil es maßgebliche Rechtsfragen im Spruch nicht angeführt und auch in den nachstehenden Entscheidungsgründen nicht dargelegt hat. Es hat ohne im konkreten Fall zu lösende Rechtsfragen zu entscheiden einzig unter Wiedergabe von Rechtsvorschriften und Rechtssätzen aus der Judikatur der Verwaltungsbehörde die Erlassung des versäumten Bescheides unter Setzung einer Nachfrist aufgetragen. Damit hat es den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprochen.
18Dem Revisionswerber war somit der Ersatz der Aufwendungen gemäß § 58 Abs. 2 VwGG unter Berücksichtigung der §§ 47 ff, insbesondere des § 55 zweiter Satz VwGGdas rechtliche Interesse infolge materieller Klaglosstellung ist nach Einbringung der Revision und Einleitung des Vorverfahrens, aber noch innerhalb der gemäß § 36 Abs. 1 VwGG gesetzten Frist weggefallen in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2014 zuzuerkennen (vgl. VwGH 4.9.2024, Ra 2023/19/0091).
Wien, am 3. November 2025
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