Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des S M, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. Juni 2025, RV/7100453/2020, betreffend Rechtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Schriftsatz vom 21. März 2019 zeigte der Rechtsvertreter des Revisionswerbers einen zwischen diesem und seiner (damaligen) Lebensgefährtin im Hinblick auf ihre bevorstehende Eheschließung am 19. März 2019 abgeschlossenen „Ehevertrag“ (Ehescheidungsfolgenvereinbarung) in der Form eines Notariatsaktes beim Finanzamt Österreich an.
2 Das Finanzamt setzte nach Durchführung eines Vorhalteverfahrensfür dieses Rechtsgeschäft die Gebühr für Vergleiche gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG in näher angeführter Höhe ausgehend von der vom Revisionswerber im Vertrag übernommenen Unterhaltsleistung für den Fall der Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe fest.
3In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber im Wesentlichen vor, eine Ehescheidungsfolgenvereinbarung sei schon dem Grunde nach nicht als Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG anzusehen, weil weder ein Streit der Vertragsparteien der Vereinbarung vorangegangen sei, noch eine Ungewissheit über die Sach und Rechtslage bestanden habe. Es liege allenfalls ein nicht gebührenpflichtiges Anerkenntnis vor.
4 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin der Revisionswerber die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.
5Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass es die Gebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG mit einem niedrigeren Betrag festsetzte. Es sprach weiters aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, zwischen dem Revisionswerber und seiner (künftigen) Ehegattin sei am 19. März 2019 im Hinblick auf ihre beabsichtigte Eheschließung eine notariell beglaubigte Vereinbarung zur Regelung ihrer zukünftigen Vermögensverhältnisse (wechselseitige Rechte und Pflichten im Fall der Scheidung) geschlossen worden. Die Vereinbarungen hätten u.a. die Ehewohnung, das sonstige Liegenschaftsvermögen, die Schulden, die ehelichen Ersparnisse und das eheliche Gebrauchsvermögen, das Gesellschaftsvermögen, sowie den Unterhalt und Kindesunterhalt betroffen. Die Regelung betreffend den Unterhalt habe wie folgt gelautet:
„Für den Fall einer Scheidung verzichten die Vertragsparteien in Kenntnis der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen wechselseitig auf Unterhalt auch für den Fall geänderter Umstände im Zeitpunkt der Scheidung oder in der Zeit danach, geänderter Rechtslage und unverschuldeter Not und/oder Krankheit, sowie auf Abgeltung der Mitwirkung am Erwerb des jeweils anderen und auch für alle Fälle und Umstände, die zum Zeitpunkt der Errichtung dieser Urkunde weder vorhersehbar waren noch von beiden Vertragsparteien bedacht und überlegt werden konnten.
Soweit jedoch das eigene Vermögen der [Ehegattin des Revisionswerbers] einen Betrag von EUR [X] nicht übersteigen, verpflichtet sich [der Revisionswerber] den Differenzbetrag zwischen dem Vermögen [seiner Ehegattin] und dem vorgenannten Betrag an [seine Ehegattin] zu bezahlen.
Für den Fall, dass die vorgenannte Zahlung im Falle der Ehescheidung zu bezahlen war, verpflichtet sich [der Revisionswerber] zur Bezahlung eines Unterhalts an [seine Ehegattin] bis zur Erreichung der Volljährigkeit des jüngsten der gemeinsamen Kinder.
Dieser Ehegattenunterhalt beträgt maximal EUR [Y pro Monat] gekürzt um die Unterhaltszahlungen, die [der Revisionswerber] für gemeinsame Kinder mit [seiner Ehegattin] zu bezahlen hat.
Somit beträgt soweit ein Ehegattenunterhalt zu bezahlen ist dieser in Summe maximal die Differenz aus Kindesunterhalt für alle gemeinsamen Kinder und dem Betrag von EUR [Y]. Dieser Betrag von Euro [Y] ist jedoch wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 2015. Bezugsmonat ist das Monat der Unterfertigung dieser Urkunde.“
7 Die Gebührenschuld sei mit Vertragsunterzeichnung am 19. März 2019 entstanden. Die Ehe sei am 12. April 2019 geschlossen worden, womit die aufschiebende Bedingung der Rechtswirksamkeit des Vertrages erfüllt worden sei.
8 Das Bundesfinanzgericht traf weiters für das Revisionsverfahren nicht relevante und unstrittige Feststellungen zum Einkommen des Revisionswerbers und zum Vermögen seiner Ehegattin, jeweils im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung, zum Alter der Kinder des Revisionswerbers und seiner Ehegattin, sowie zu den im Jahr 2019 „geltenden“ Regelbedarfsätzen für (Kindes )Unterhaltsleistungen.
9 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht - mit Verweis auf die näher angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - im Wesentlichen aus, nicht nur bereits bestehende strittige vertragliche Rechtsverhältnisse könnten vergleichsweise geregelt werden, sondern auch solche Rechte, die dem Grunde oder der Höhe nach zweifelhaft seien. Ein Vergleich liege auch dann vor, wenn mit der Vereinbarung pro futuro gegensätzliche Interessen der Vertragsparteien ausgeglichen werden sollten. Die durch den Vergleich bereinigte Ungewissheit betreffe in einem solchen Fall daher zukünftige Rechts- oder Tatsachenfragen.
10 Vor Abschluss der Ehe getroffene Vereinbarungen der künftigen Gatten zur Regelung der Vermögens und Unterhaltsverhältnisse im Fall der Scheidung seien durch die Eheschließung und nachfolgende Scheidung (doppelt) bedingtewobei Bedingungen gemäß § 17 Abs. 4 GebG unbeachtlich seiengebührenpflichtige Vergleiche iSd § 33 TP 20 GebG. Da die Folgen einer Scheidung gesetzlich nicht im Einzelnen festgelegt seien und derartige Vereinbarungen grundsätzlich der Disposition der Ehegatten unterliegen würden, stehe bei Abschluss einer solchen Vereinbarung typischerweise noch nicht fest, ob und in welcher Höhe im Fall der Scheidung ein Ehegatte dem anderen zum Unterhalt oder zu sonstigen Leistungen verpflichtet sein werde. Dies gelte insbesondere für die einvernehmliche Scheidung, bei der eine Einigung u.a. über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die vermögensrechtlichen Ansprüche der Ehegatten sogar Scheidungsvoraussetzung sei (§ 55a Abs. 2 EheG). Bei einer solchen Scheidungsfolgenvereinbarung handle es sich daher um die Regelung (zukünftiger) zweifelhafter Rechte mit Streitvermeidungsfunktion, bei der die Ehegatten zu gegenseitigen Zugeständnissen bereit seien.
11 Für einen Vergleich müsse das notwendige beiderseitige Nachgeben keineswegs in jedem einzelnen Punkt der als Vergleich zu qualifizierenden Einigung vorliegen, es genüge schon das Nachgeben in nur einem von mehreren Punkten.
12 Im gegenständlichen Fall hätten die künftigen Ehegatten eine Scheidungsfolgenvereinbarung geschlossen, durch die zukünftige, von verschiedenen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht bekannten Faktoren abhängige und damit ungewisse Ansprüche (auch) im Hinblick auf den Ehegattenunterhalt einer einvernehmlichen Regelung unterzogen werden sollten.
13Dass der Vereinbarung kein Streit vorausgegangen sei, spiele hierbei keine Rolle. Die Bereinigungsfunktion bestehe darin, dass die zukünftigen Ehegatten eine Regelung getroffen hätten, die von den ungewissen zukünftigen Ansprüchen abweichen könne, worin das für einen Vergleich wesentliche beiderseitige Nachgeben liege. Die Vereinbarung sei daher als Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG und nicht etwa als Anerkenntnis zu qualifizieren.
14 Abschließend legte das Bundesfinanzgericht umfangreich die - für das Revisionsverfahren nicht relevante - Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gebühr dar.
15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der verwaltungsgerichtlichen Akten dem Verwaltungsgerichtshof vorlegte.
16 Nach Einleitung des Vorverfahrens erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung.
17 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
18Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
19Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
20Zur Zulässigkeit der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, das Bundesfinanzgericht weiche von der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach eine Vereinbarung, in der die Vertragsteile Rechte und Pflichten, über deren Art und Ausmaß kein Streit herrsche, anders regelten als es im Gesetz vorgesehen sei, keinen gebührenpflichtigen Vergleich darstelle (Verweis auf VwGH 11.9.2018, Ra 2016/16/0110). Weiters sei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Qualifikation derartiger Vorausvereinbarungen uneinheitlich, weil der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis von seiner älteren Rechtsprechung, nach der Vereinbarungen über Scheidungsfolgen als gebührenauslösende Vergleiche anzusehen seien, abgekehrt sei. Schließlich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob angesichts der aktuellen Rechtsprechung zu Vereinbarungen betreffend erbrechtliche Fragen die ältere Rechtsprechung zur Qualifikation von Scheidungsfolgenvereinbarungen als vergleichsähnliche Vereinbarungen aufrechterhalten werden könne, sowie zur Frage, ob Scheidungsfolgenvereinbarungen, die Zahlungen nur unter bestimmten, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht absehbaren bzw. sehr unwahrscheinlichen Umständen vereinbart würden, als Vergleichsvereinbarungen nach § 1380 ABGB anzusehen seien.
21 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt.
22Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Vereinbarungen über die Regelung der Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse der Ehegatten für den Fall einer Scheidung - unabhängig von ihrer Bezeichnung und davon, ob diese Vereinbarungen noch vor Eheschließung, aber damit bedingt (im Hinblick auf die Bestimmung des § 17 Abs. 4 GebG), oder während aufrechter Ehe getroffen werdenals Vergleiche im Sinne des § 33 TP 20 GebG anzusehen (vgl. etwa VwGH 29.7.2004, 2003/16/0117; 23.1.2003, 2002/16/0169; 24.9.2002, 99/16/0310; 24.1.2002, 99/16/0147; 28.9.2000, 2000/16/0332; 25.11.1999, 99/16/0021, jeweils mwN).
23Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom heutigen Tag, Ra 2023/16/0138 und Ro 2024/16/0019, ausgesprochen hat, wird diese Sichtweise auch nach der Reform des Eherechts bzw. des Aufteilungsrechts mit dem Familienrechts-Änderungsgesetz 2009 (FamRÄG 2009), BGBl. I Nr. 75, grundsätzlich unverändert beibehalten. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse verwiesen.
24 Entgegen der in der Revision vertretenen Sichtweise liegt daher keine uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur gebührenrechtlichen Einstufung von Scheidungsfolgenvereinbarungen vor und es ist auch nicht erkennbar, dass das Bundesfinanzgericht mit der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.
25Soweit der Revisionswerber diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 2018, Ra 2016/16/0110, für seine Ansicht ins Treffen führt, genügt es darauf hinzuweisen, dass dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde lag, ging es dort nämlich um einen Erb- und Pflichtteilsverzicht und nicht um die Regelung von Scheidungsfolgen. Eine uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt somit entgegen dem Revisionsvorbringen nicht vor.
26 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
27Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Oktober 2025
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