Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien in 1016 Wien, Schmerlingplatz 11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. April 2024, W101 2287497 1/4E, betreffend Einbringung von Sachverständigengebühren (mitbeteiligte Partei: A S in W, vertreten durch die Paya Paya Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Beschluss vom 21. Oktober 2021 bestimmte das Bezirksgericht W Sachverständigengebühren in einem zivilgerichtlichen Verfahren iHv 1.858,80 €. In diesem Beschluss wurde ausgeführt, dass zur Zahlung dieses Betrags der Mitbeteiligte, der Verfahrenshilfe genieße, dem Grunde nach verpflichtet sei, zumal er den Antrag auf Einholung eines Gutachtens in einer Tagsatzung infolge seines Bestreitungsvorbringens gestellt habe.
2In der Folge erließ die Kostenbeamtin des Bezirksgerichts W für die Revisionswerberin am 20. Oktober 2022 einen Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid), mit welchem der Mitbeteiligte zur Zahlung der genannten Sachverständigengebühren sowie einer Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG iHv 8 €, insgesamt sohin von 1.866,80 € verpflichtet wurde. Dieser Mandatsbescheid wurde an den Vertreter des Mitbeteiligten, Rechtsanwalt Dr. B, der Verfahrenshelfer im zivilgerichtlichen Verfahren war, zugestellt. Der Bescheid enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.
3 Gegen diesen Zahlungsauftrag erhob der Mitbeteiligte mit selbst verfasstem E Mail vom 10. November 2022 und in der Folge mit inhaltsgleichem am 14. November 2022 zur Post gegebenen Schriftstück, jeweils an die Revisionswerberin gerichtet, Vorstellung.
4 Mit Bescheid vom 26. Jänner 2024, wies die Revisionswerberin die postalisch in Papierform eingebrachte Vorstellung mit dem Verweis darauf, dass es sich bei dem Schreiben vom 10. November 2022 per E Mail „um eine nicht zur geschäftsmäßigen Verwendung geeignete Eingabe“ gehandelt habe, als verspätet zurück. Der Mandatsbescheid sei am 27. Oktober 2022 zugestellt worden. Die Frist zur Erhebung einer Vorstellung sei mit 10. November 2022 abgelaufen. Auch dieser Bescheid wurde dem Rechtsanwalt Dr. B zugestellt.
5 Dagegen erhob der Mitbeteiligte am 22. Februar 2024 fristgerecht Beschwerde. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde Folge und behob den Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts sei der Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 20. Oktober 2022 dem Rechtsvertreter des Mitbeteiligten im Grundverfahren am 27. Oktober 2022 zugestellt worden. Dieser habe allerdings keine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Gegen diesen Mandatsbescheid habe der Mitbeteiligte mit E Mail vom 10. November 2022 „innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von 14 Tagen“ Vorstellung erhoben.
7 Die Einbringung von Schriftsätzen per EMail sei bei der Revisionswerberin grundsätzlich unzulässig. Mit Bescheid vom 26. Jänner 2024 sei die Vorstellung gemäß § 7 Abs. 2 GEG als verspätet zurückgewiesen worden.
8 Als maßgebend werde vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die Vorstellung vom 10. November 2022 als rechtzeitig eingebracht gelte, weil der Zahlungsauftrag keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe.
9Weiters führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst bei Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung nach § 61 Abs. 2 AVG das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht gelte, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht worden sei. Sei die dem Bescheid beigegebene Rechtsmittelbelehrung in Ansehung der Angabe der Behörde als Einbringungsstelle der Berufung unrichtig, komme § 61 Abs. 4 AVG zur Anwendung, wonach eine Berufung, wenn sie bei einer unrichtigerweise in der Rechtsmittelbelehrung angegebenen Behörde eingebracht worden sei, als richtig eingebracht gelte. § 61 Abs. 4 AVG sei auch dann anzuwenden, wenn der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung enthalte oder ein Rechtsmittel für nicht zulässig erkläre.
10Nach § 61 Abs. 2 und Abs. 4 AVG habe die revisionsgegenständliche Vorstellung als rechtzeitig eingebracht zu gelten, weil der Zahlungsbefehl keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Dementsprechend habe diese nicht von der Revisionswerberin als verspätet zurückgewiesen werden dürfen und sei der Bescheid daher aufzuheben.
11 Dagegen richtet sich die Revisionswerberin mit der gegenständlichen Amtsrevision, zu deren Zulässigkeit vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur fehlenden Wirksamkeit eines auf rechtlich nicht zugelassenem Weg eingebrachten Anbringens. Das Bundesverwaltungsgericht habe entgegen dieser Rechtsprechung die mittels E Mail eingebrachte Vorstellung als rechtsgültig erachtet. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht im Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein außerhalb der gesetzlichen Frist eingebrachtes Rechtsmittel zugelassen.
12Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet. Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.
15 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den am 10. November 2022 per E-Mail versendeten und am 14. November 2022 zur Post gegeben Schriftsätzen jeweils um grundsätzlich getrennt zu beurteilende Verfahrenshandlungen mit getrennten rechtlichen Schicksalen handelt. Dem beim Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheid, mit dem die Revisionswerberin die Vorstellung des Mitbeteiligten als verspätet zurückgewiesen hat, ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass sich diese Zurückweisung auf die am 14. November 2022 im Postwege eingebrachte schriftliche Vorstellung bezieht. Diese Zurückweisung bildet daher den Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht und in der Folge der vorliegenden Revision.
16Gemäß § 6b Abs. 1 GEG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes vorgesehen ist, für das Justizverwaltungsverfahren zur Einbringung die Bestimmungen des Gerichtlichen Organisationsgesetzes (GOG) mit Ausnahme des § 91 GOG, und subsidiär das AVG anzuwenden.
17§ 61 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:
„§ 61.
(1) Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ob gegen den Bescheid ein Rechtsmittel erhoben werden kann, bejahendenfalls welchen Inhalt und welche Form dieses Rechtsmittel haben muss und bei welcher Behörde und innerhalb welcher Frist es einzubringen ist.
(2) Enthält ein Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, daß kein Rechtsmittel zulässig sei oder ist keine oder eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.
(3) Ist in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig.
(4) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.“
18Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GEG ist zuständige Behörde für die Vorschreibung der Beträge nach § 1 Abs. 1 GEG, für die nicht bereits ein Exekutionstitel im Sinne des § 1 Abs. 2 leg. cit. vorliegt, aus Verfahren, die im Zeitpunkt der Vorschreibung der Beträge in erster Instanz anhängig sind oder zuletzt in erster Instanz anhängig waren (Grundverfahren), sowie für die Entscheidung über sonstige mit der Einbringung von Beträgen nach § 1 Abs. 1 GEG zusammenhängende Anträge, einschließlich Rückzahlungsanträge und Einwendungen nach § 35 EO gegen Zahlungsaufträge, der Präsident des Gerichtshofs erster Instanz für Beträge aus Grundverfahren bei seinem Gericht oder den ihm unterstellten Bezirksgerichten. Nach § 6 Abs. 2 GEG können Kostenbeamte ermächtigt werden, Mandatsbescheide auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren im Namen der Behörde zu erlassen.
19Gegen einen vom Kostenbeamten erlassenen Bescheid ist gemäß § 6 Abs. 2 GEG nur das Rechtsmittel der Vorstellung (§ 7 Abs. 1 GEG) zulässig; eine Belehrung darüber und über die Tatsache, dass der Bescheid vom Kostenbeamten im Namen der Behörde erlassen wurde, muss dem Bescheid zu entnehmen sein.
20Wer sich durch den Inhalt eines Mandatsbescheids, der von einem Kostenbeamten namens der Behörde erlassen wurde, beschwert erachtet, kann gemäß § 7 Abs. 1 GEG binnen zwei Wochen Vorstellung bei der Behörde erheben. In der Rechtsmittelbelehrung des Mandatsbescheids kann auch angeordnet werden, dass die Vorstellung bei der das Grundverfahren führenden Dienststelle einzubringen ist; auch in diesem Fall gilt aber die Einbringung bei der Behörde nach § 6 Abs. 1 GEG als rechtzeitig.
21 Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts habe die Kostenbeamtin im Revisionsfall einen Mandatsbescheid erlassen, der jedoch keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Lediglich dem „Verfahrensgang“ des angefochtenen Erkenntnisses ist zu entnehmen, dass die Kostenbeamtin diesen Bescheid „für die Präsidentin des Landesgerichtes“ erlassen habe.
22Mangels Rechtsmittelbelehrung kann im Revisionsfall ausgeschlossen werden, dass dem Mitbeteiligten im Sinn des § 7 Abs. 1 GEG mitgeteilt worden wäre, er könne die Vorstellung bei der das Grundverfahren führenden Dienststelle einbringen. Zudem wäre auch in diesem Fall die Einbringung bei der in § 6 Abs. 1 GEG genannten Behörde binnen der zweiwöchigen Frist nach der ausdrücklichen Anordnung in § 7 Abs. 1 letzter Satz GEG als rechtzeitig anzusehen. Sohin hat der Mitbeteiligte im Revisionsfall die Vorstellung grundsätzlich bei der zuständigen Behörde in deren Namen der Mandatsbescheid erlassen wurdeeingebracht. Insofern bedarf es des vom Bundesverwaltungsgerichts verorteten Rückgriffs auf § 61 Abs. 4 AVG im Revisionsfall nicht.
23 Wenn das Bundesverwaltungsgericht in weiterer Folge feststellt, dass die Vorstellung vom 10. November 2022 wobei das Bundesverwaltungsgericht hier offenkundig auf die per E Mail eingebrachte Vorstellung abstellt als rechtzeitig eingebracht gelte, weil der Zahlungsauftrag keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe, entfernt es sich vom Gegenstand des bei ihm anhängigen Verfahrens, nämlich der Zurückweisung der am 14. November 2022 zur Post gegebenen Vorstellung. Es ist auch nicht erkennbar, inwiefern das grundsätzlich getrennt zu beurteilende, per E Mail eingereichte Anbringen vom 10. November 2022 Auswirkungen auf die Fristwahrung betreffend die in Papierform erhobene Vorstellung zeitigen sollte.
24Nähere Feststellungen hinsichtlich der Fristwahrung der hier verfahrensgegenständlichen, vom Mitbeteiligten in schriftlicher Form und nach Ansicht der Revisionswerberin verspätet eingebrachten Vorstellung hat das Bundesverwaltungsgericht - ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht - gerade nicht getroffen (vgl. auch VwGH 13.10.2015, Ra 2015/03/0057, mwN).
25Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
26Ergänzend wird für das weitere Verfahren darauf hingewiesen, dass gemäß § 6 der die nähere Vorgangsweise bei der elektronischen Übermittlung von Eingaben, Beilagen regelnden Verordnung der Bundesministerin für Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV 2021), BGBl. II Nr. 587/2021, die elektronische Übermittlung von Eingaben und Beilagen im Wege von E Mails nur dann eine zulässige Form der elektronischen Übermittlung im Sinne dieser Verordnung ist, wenn dieser Übermittlungsweg an Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Justizanstalten durch besondere gesetzliche Regelungen oder im Verordnungsweg ausdrücklich angeordnet wird. Eine derartige gesonderte Anordnung liegt im Revisionsfall nicht vor.
27 Sohin ist festzuhalten, dass die Übermittlung der Eingabe durch den Mitbeteiligten mit EMail vom 10. November 2022 an die Revisionswerberin rechtlich nicht vorgesehen ist. Ein auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg eingebrachtes Anbringen gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht eingebracht (vgl. etwa VwGH 14.4.2024, Ra 2024/02/0049, mwN) und kann daher die Rechtswirkung des § 61 Abs. 2 AVG, der auf eine rechtlich wirksame Einbringung abstellt, nicht auslösen.
Wien, am 27. März 2025
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