Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Abweisung des Antrags auf Verleihung der Staatsbürgerschaft; keine Bedenken gegen die vom TilgungsG 1972 abweichende – im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gelegene – Regelung des Wohlverhaltenszeitraums; keine hinreichende Begründung der negativen Gefährdungsprognose mangels Einbeziehung des Gesamtverhaltens, der Einstellungen und Überzeugungen des Verleihungswerbers sowie des (mehrjährigen) Wohlverhaltenszeitraums
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 3.484,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Beschwerde, Sachverhalt und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist staatenlos. Er verfügt über den NAG Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU". Der Beschwerdeführer stellte am 28. August 2023 bei der Salzburger Landesregierung einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft mit Erstreckung auf seine am 2. Mai 2023 geborene Tochter.
2. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg wies auf Grund einer Säumnisbeschwerde mit Erkenntnis vom 21. Mai 2025 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft mit Erstreckung auf seine minderjährige Tochter ab.
2.1.1. Soweit im Folgenden wesentlich, trifft das Landesverwaltungsgericht Salzburg folgende Feststellungen:
"Mit dem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 6.7.2012, 61 Hv 27/12t, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §87 Abs1 StGB und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach §88 Abs1 StGB schuldig gesprochen und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Laut Schuldspruch hat der Beschwerdeführer (zu einem näher bezeichneten Tatzeitpunkt) Ende März 2012 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter eine namentlich bezeichnete Person absichtlich schwer (§84 Abs1 StGB) am Körper verletzt, indem ihm zunächst ein weiterer Mittäter mit einem Pfefferspray ins Gesicht sprühte, er die Person festhielt, sie beide sodann den Letztgenannten mit Messern attackierten und ihm massive, tiefe und teils mehr als 10 cm lange Schnittverletzungen im Bereich der rechten und linken Wange, unterhalb des linken Schulterblattes und in vertikaler Ausrichtung entlang des rechten Schulterblattes sowie eines kleinen Schnittes an der linken Handinnenfläche zufügten; darüber hinaus habe er Mitte März 2012 eine andere namentlich genannte Person fahrlässig in Form einer Schnittverletzung am linken Zeigefinger am Körper verletzt.
Am 11.11.2015 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht Salzburg zu 63 Hv 117/15x wegen des Vergehens der Sachbeschädigung schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, die gemäß §43 Abs1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mit dem Urteil vom 11.4.2016, 10 Bs 47/16g, gab das Oberlandesgericht Linz der Berufung des Angeklagten Folge und änderte den Strafausspruch des angefochtenen Urteils vom 11.11.2015, 63 Hv 117/15x, dahin ab, dass die über den Angeklagten bedingt verhängte Freiheitsstrafe auf ein Monat herabgesetzt wurde.
[…]
In verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht liegen folgende Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers vor:
− Abstandsunterschreitung gemäß §18 Abs1 StVO am 3.10.2018 auf der Autobahn A1 bei Eugendorf; dabei betrug der Abstand des vom Beschwerdeführer gelenkten Personenkraftwagen zum vorausfahrenden Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 111 km/h 12 Meter oder 0,39 Sekunden (Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung);
− Abstellen eines Fahrzeuges in 5020 Salzburg im Halte- und Parkverbot am 17.8.2019 (Auskunft des Strafamtes des Magistrats der Stadt Salzburg)
− Überschreitung der durch Straßenverkehrszeichen gemäß §52 lita Z10a StVO kundgemachten höchstzulässigen Geschwindigkeit von 30 km/h um 22 km/h am 29.1.2021 (Vormerkung bei der Landespolizeidirektion Salzburg zu Zahl VStV/92130016630/2021 mit Beginn der Tilgung am 30.3.2021)"
2.1.2. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat im Zuge seines Ermittlungsverfahrens mehrfach beim Landesgericht Salzburg nachgefragt, ob die erwähnten strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers – vom 6. Juli 2012 (Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung und Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten) und vom – im Berufungsweg – 11. April 2016 (wegen des Vergehens der Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat) – nach den Vorschriften des Tilgungsgesetzes 1972 getilgt seien. Das Landesgericht Salzburg hat, wie das Landesverwaltungsgericht Salzburg näher darlegt, dazu mehrfache, in der Sache widersprüchliche Mitteilungen erstattet, die einmal davon ausgehen, dass diese Verurteilungen bereits getilgt seien, dann aber wieder davon, "dass die Verurteilungen noch nicht getilgt sind und – sofern keine weiteren Verurteilungen dazukommen – die Tilgung voraussichtlich am 24.7.2027 eintritt".
2.2.1. In seiner rechtlichen Beurteilung geht das Landesverwaltungsgericht Salzburg zunächst davon aus, dass "der Beschwerdeführer wegen einer Vorsatztat zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden ist, welche laut Mitteilung des Landesgerichts Salzburg zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht getilgt ist", weshalb vom Vorliegen eines Verleihungshindernisses (gemeint wohl: vom Fehlen der Verleihungsvoraussetzung) gemäß §10 Abs1 Z2 StbG auszugehen sei.
2.2.2. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg begründet seine Entscheidung jedoch auch alternativ damit, dass der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung gemäß §10 Abs1 Z6 zweiter Tatbestand StbG nicht erfülle:
Dabei geht das Landesverwaltungsgericht Salzburg zunächst davon aus,
"dass aufgrund der Herabsetzung der mit dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 11.11.2015, 63 Hv 117/15x, bedingt verhängten Freiheitsstrafe von zwei Monaten durch das Oberlandesgericht Linz auf einen Monat gemäß §4 Abs3 Tilgungsgesetz 1972 keine Verlängerung der Tilgungsfrist bewirkt worden ist und die gerichtlichen Verurteilungen aus 2012 und 2015 demnach entgegen der Mitteilung des Landesgerichts bereits getilgt sind".
In der Folge führt das Landesverwaltungsgericht Salzburg zunächst unter Bezugnahme auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung gemäß §10 Abs1 Z6 StbG aus, dass das den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers – ungeachtet der bereits erfolgten Tilgung der strafgerichtlichen Verurteilungen – in die prognosehafte Gesamtbeurteilung gemäß §10 Abs1 Z6 StbG einzubeziehen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei dieser Prüfung auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers Bedacht zu nehmen und eine Prognose anzustellen, ob der Verleihungswerber Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentlichen Interessen darzustellen. Dabei knüpfe die Verleihungsvoraussetzung des §10 Abs1 Z6 StbG nicht an die gerichtliche Verurteilung, sondern an das Verhalten des Verleihungswerbers an. Für die Verneinung der Verleihungsvoraussetzung des §10 Abs1 Z6 StbG sei ein längeres Wohlverhalten des Verleihungswerbers seit einem diesbezüglich relevanten Fehlverhalten zu verlangen.
Fallbezogen führen diese Grundsätze das Landesverwaltungsgericht Salzburg zu folgender rechtlicher Beurteilung:
"Verfahrensgegenständlich sind in die Beurteilung daher die strafgerichtlichen Verurteilungen aus den Jahren 2012 und 2015 einzubeziehen. Die Verurteilungen erfolgten unter anderem wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung (im Zusammenwirken mit anderen Tätern und dem Einsatz von Messern, mit denen dem Opfer massive Verletzungen zugefügt worden sind) und wegen Sachbeschädigung. In den darauffolgenden zehn Jahren ist der Beschwerdeführer strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten, sodass diese Zeitspanne grundsätzlich als Wohlverhaltenszeitraum zugutegehalten werden kann. In diesem Zeitraum hat der Beschwerdeführer als Lenker von Kraftfahrzeugen allerdings die oben angeführten Verwaltungsübertretungen begangen (Abstandsunterschreitung gemäß §18 Abs1 StVO; Abstellen eines Fahrzeuges im Halte- und Parkverbot sowie eine Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit), wobei die letzte Übertretung aus dem Jahr 2021 stammt. Der gravierenden Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes und der erheblichen Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit ist ein erheblicher Unrechtsgehalt beizumessen.
Für die einzelfallbezogene Beurteilung bedeutet dies im Ergebnis, dass im Entscheidungszeitpunkt noch von keiner positiven Prognose gemäß §10 Abs1 Z6 StbG auszugehen ist. Da die Verleihung der Staatsbürgerschaft nur erfolgen kann, wenn alle Voraussetzungen des §10 Abs1 StbG erfüllt sind und keine Hindernisse gemäß §10 Abs2 StbG vorliegen, der Beschwerdeführer derzeit aber noch nicht Gewähr dafür bietet, dass er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, und damit der Versagungsgrund des §10 Abs1 Z6 StbG verwirklicht ist, war der Verleihungsantrag und der damit verbundene Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf die minderjährige Tochter des Beschwerdeführers abzuweisen."
3. Gegen dieses Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 BVG. Darin bringt der Beschwerdeführer vor, das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe seine Rechte auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) und auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) verletzt. Dies begründet der Beschwerdeführer im Wesentlichen wie folgt:
3.1. Zunächst behauptet er eine willkürliche Anwendung des §10 Abs1 Z2 StbG, weil die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers bereits getilgt seien, wovon das Landesverwaltungsgericht Salzburg in seiner Alternativbegründung im Übrigen auch ausgegangen sei. Dabei legt die Beschwerde mit ausführlicher Begründung dar, warum die Tilgung der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers bereits eingetreten sei (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"[…] Beginn und Dauer der Tilgungsfrist für die erste Strafe
Gemäß §3 Abs1 Z3 TilgG beträgt die Tilgungsfrist für die 15-monatige Gesamtstrafe aus der ersten Verurteilung zehn Jahre. Der Beginn dieser Frist richtet sich nach §2 Abs1 TilgG und begann mit dem Tag der Haftentlassung, sohin am 24.07.2012 (vgl Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO §2 TilgG Rz 9, 4. Aufzählungspunkt). Diesbezüglich scheinen auch die Auskünfte des Landesgerichts Salzburg, die von einem Fristbeginn am 24.07. ausgehen, konsistent zu sein.
Die Einzelfrist für die Tilgung der ersten Strafe endete demnach zehn Jahre später, am 24.07.2022.
Zum Zeitpunkt der Rechtskraft der zweiten Verurteilung (11.04.2016) war die erste Strafe somit noch nicht getilgt, weshalb die Bestimmungen des §4 TilgG über die gemeinsame Tilgung zur Anwendung gelangen.
[…] Anwendung von §4 Abs3 TilgG (Bagatellklausel) auf die zweite Strafe
Die zweite Verurteilung erfolgte, wie durch das Berufungsurteil des OLG Linz belegt, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von lediglich einem (1) Monat.
Die Annahme des Landesgerichts Salzburg, die Tilgung trete erst am 24.07.2027 ein, basiert unter anderem offenkundig auf der unzutreffenden Prämisse, es sei bei der erstinstanzlich verhängten zweimonatigen Freiheitsstrafe geblieben. Für eine solche (hypothetische) zweimonatige Strafe hätte gemäß §3 Abs1 Z2 TilgG eine Tilgungsfrist von fünf Jahren gegolten, die die gemeinsame Tilgungsfrist gemäß §4 Abs2 TilgG über den 24.07.2022 hinaus verlängert hätte.
Da die Strafe jedoch im Berufungsverfahren rechtskräftig auf einen Monat herabgesetzt wurde, fällt diese Verurteilung zwingend unter die Bagatellregelung des §4 Abs3 TilgG. Diese Bestimmung sieht vor, dass Verurteilungen, bei denen die verhängte Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe (oder deren Summe) einen Monat nicht übersteigt, keine Verlängerung der Tilgungsfrist einer anderen Strafe nach §4 Abs2 TilgG bewirken.
[…] Einzelfrist für die zweite Strafe
Für die tatsächlich verhängte einmonatige Freiheitsstrafe aus der zweiten Verurteilung beträgt die Einzelfrist gemäß §3 Abs1 Z2 TilgG fünf Jahre. Diese Frist begann mit Rechtskraft des Berufungsurteils am 11.04.2016 und endete somit am 11.04.2021.
[…] Gemeinsame Tilgung nach richtiger rechtlicher Beurteilung
Da aufgrund der rechtskräftigen Herabsetzung der zweiten Strafe auf einen Monat §4 Abs3 TilgG zur Anwendung kommt, tritt keine Verlängerung der zehnjährigen Tilgungsfrist der ersten Strafe gemäß §4 Abs2 TilgG ein. Es bestimmt §4 Abs1 TilgG lediglich, dass die Tilgung der beiden Verurteilungen nur gemeinsam eintritt. Für die Bestimmung des Zeitpunkts der gemeinsamen Tilgung ist bei Anwendbarkeit des §4 Abs3 TilgG jener Zeitpunkt maßgeblich, an dem die letzte der (unverlängerten) Einzelfristen endet (vgl Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO §4 TilgG Rz 25). Im gegenständlichen Fall bedeutet dies
[…] Ende der Einzelfrist der ersten Strafe (10 Jahre): 24.07.2022
[…] Ende der Einzelfrist der zweiten Strafe (5 Jahre): 11.04.2021
Der für die gemeinsame Tilgung maßgebliche spätere Zeitpunkt ist somit der 24.07.2022."
3.2. Der Beschwerdeführer erachtet sich weiters in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 und Art8 EMRK deswegen verletzt, weil das Landesverwaltungsgericht Salzburg §10 Abs1 Z6 StbG einen gegen diese Verfassungsvorschriften verstoßenden Inhalt unterstellt habe, indem es die bereits getilgten Verurteilungen des Beschwerdeführers bei seiner Beurteilung gemäß §10 Abs1 Z6 StbG herangezogen habe (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"[…] Willkür durch Berücksichtigung getilgter Verurteilungen
Zudem stützt das LVwG seine Prognose auch auf die längst getilgten gerichtlichen Verurteilungen und missachtet dabei in verfassungswidriger Weise die gesetzliche Systematik und die klare Wertung des Gesetzgebers, wie sie im TilgG zu Tage tritt. Dessen Missachtung durch Heranziehung getilgter Strafen für eine negative Prognose stellt eine krasse Verkennung der Rechtslage dar. Das LVwG übt damit Willkür.
Das LVwG führt aus, dass den getilgten strafgerichtlichen Verurteilungen trotz ihrer Tilgung bei der Prognoseentscheidung eine 'maßgebliche Bedeutung' zukäme und dass 'in die Beurteilung daher die strafgerichtlichen Verurteilungen aus den Jahren 2012 und 2015 einzubeziehen' sind.
Das TilgG ordnet jedoch an, dass mit Eintreten der Tilgung alle nachteiligen Folgen erlöschen, die kraft Gesetzes mit der Verurteilung verbunden sind (§1 Abs2 TilG) und der Betroffene fortan als gerichtlich unbescholten gilt (§1 Abs4 TilG).
Zweck der Tilgung ist es, dass die betroffene Person als 'nicht gerichtlich verurteilt' gilt und ihr eine frühere Verurteilung nicht mehr zum Nachteil gereichen soll (Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO §1 TilgG Rz 44). Wie die Lehre hervorhebt, soll die Tilgung dem Betroffenen ermöglichen, 'nach einer gewissen Zeit des Wohlverhaltens wieder ohne diesen Makel, der ein Handicap für ihn darstellt, zu leben' und die mit der Verurteilung verbundene Stigmatisierung endgültig zu beseitigen (vgl Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor TilgG Rz 6).
Damit sollen auch jene nachteiligen Folgen, die mit einer Verurteilung verbunden sind und über die unmittelbaren Folgen der Bestrafung hinausgehen, im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ein Ende finden. Die Tilgung soll die Gefahr beseitigen, dass lange zurückliegende Verurteilungen die Wiedereingliederung in Gesellschaft verhindern. Der Gesetzgeber hat damit eine bewusste Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an Information – auch zur Beurteilung der Persönlichkeit des Betroffenen – und dem fundamentalen Resozialisierungsinteresse des Einzelnen getroffen (Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor TilgG Rz 6 f.).
Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber im TilgG eine sehr bewusste und differenzierte Wertung vorgenommen. Er hat in §3 TilgG präzise Tilgungsfristen vorgesehen, die sich an der Schwere der verhängten Strafe orientieren. Für Freiheitsstrafen von höchstens einem Jahr beträgt die Frist fünf Jahre, für Strafen von mehr als einem Jahr und höchstens drei Jahren zehn Jahre. Er hat darüber hinaus in §5 TilgG genau jene schwerwiegenden Straftaten aufgezählt, die von einer Tilgung zur Gänze ausgeschlossen sind. Ebenso hat er in §4 TilgG detailliert geregelt, wann die Begehung neuer Straftaten die Tilgung vorangegangener Taten verhindert oder verlängert. Eine besondere Bagatellklausel in §4 Abs3 TilgG stellt sicher, dass Verurteilungen, bei denen die verhängte Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe einen Monat nicht übersteigt, keine Verlängerung der Tilgungsfrist anderer Strafen bewirken. Dies unterstreicht die Absicht des Gesetzgebers, dass geringfügige Verurteilungen zu keinen gravierenden Langzeitwirkungen führen sollen. Dass die Verurteilungen des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung all dieser differenzierten Regeln heute als getilgt gelten und ihm nicht mehr zum Nachteil gereichen sollen, ist somit das Ergebnis einer klaren gesetzgeberischen Entscheidung und Wertung.
Das LVwG unterläuft diesen zentralen gesetzlichen Vorgaben und Wertungen, in dem es für die erforderliche Dauer des Wohlverhaltens nach einer gerichtlichen Straftat höhere Maßstäbe ansetzt als der Gesetzgeber.
Es hält dem Beschwerdeführer zwar formal zugute, dass der Ausschlussgrund der nichtgetilgten Verurteilung (§10 Abs1 Z2 StbG) weggefallen ist, reaktiviert aber eben diese getilgten Verurteilungen im Rahmen der Prognoseentscheidung nach Z6, indem es ihnen eine 'maßgebliche Bedeutung' bei der Prognoseentscheidung zuspricht und sie in Zusammenschau mit geringfügigen Verwaltungsübertretungen als Grund für die vermeintliche Gefährlichkeit des Verleihungswerbers wertet.
Ein gemäß §1 TilgG und §10 Abs1 Z2 StbG gesetzlich erledigter Sachverhalt wird somit unter §10 Abs1 Z6 StbG künstlich wieder zu einem Verleihungshindernis gemacht. Es höhlt damit den zentralen Zweck der Tilgung aus, dem Betroffenen zu ermöglichen, nach einer gewissen Zeit des Wohlverhaltens wieder ohne diesen Makel zu leben und die mit der Verurteilung verbundene Stigmatisierung endgültig zu beseitigen. Die Tilgung wird dadurch ihrer vom Gesetzgeber beabsichtigten Funktion beraubt und sinnentleert (vgl dazu auch Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO §1 TilgG Rz 44 ff.; Eder-Rieder, Tilgungsgesetz [2008] 119; Bohé, Nebenstrafrecht [2010] 306).
Eine Berücksichtigung von bereits getilgten Vorstrafen kommt nur dann in Betracht, wenn ein Gesetz selbst ausdrücklich vorsieht, dass auch getilgte Verurteilungen in die Beurteilung mit einzubeziehen sind (zB §7 Abs5 zweiter Satz FSG), und so dem TilgG derogiert. In diesem Fall bringt der Gesetzgeber selbst zum Ausdruck, dass auch getilgte Verurteilungen ausnahmsweise innerhalb des Geltungsbereichs einer bestimmten Vorschrift mitberücksichtigt werden sollen (Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO §1 TilgG Rz 46).
Indem das LVwG die den getilgten Verurteilungen zugrunde liegenden Handlungen im Rahmen der Prognose nach §10 Abs1 Z6 StbG berücksichtigt, folgt es einer von der Lehre scharf kritisierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Diese Praxis wird als 'Umgehung' des TilgG bezeichnet, da sie den Sinn der Tilgung 'zumindest teilweise zunichte macht' (Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO §1 TilgG Rz 45). Der Zweck des Gesetzes ist es, dass dem Betroffenen die frühere Verurteilung nicht mehr zum Nachteil gereichen soll. Das Argument, man stelle nicht auf die Verurteilung, sondern auf das Verhalten ab, ist eine juristische Fiktion, 'da dieses Verhalten vor allem deswegen rechtlich relevant ist, weil es zu einer Verurteilung geführt hat' (Kert, aaO). Mit der Tilgung und der damit verbundenen Fiktion der Unbescholtenheit darf auch die Tat selbst dem Betroffenen 'nicht mehr zum Nachteil gereichen'; er genießt diesbezüglich wieder die Unschuldsvermutung des Art6 Abs2 EMRK (Kert, aaO). Die Heranziehung der Tatsachen hinter den getilgten Verurteilungen ist daher willkürlich.
Auch der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt die Berücksichtigung von getilgten Strafen beanstandet (VfGH 10.12.2009, B1548/08; VfGH 07.10.2010, B950/10 ua).
[…] Verletzung [des Art8 EMRK] durch Berücksichtigung getilgter Vorstrafen
Art8 EMRK gewährleistet das Recht, dass strafbezogene Daten nach einiger Zeit überprüft und gelöscht werden müssen (Recht auf 'Vergessen' der Straftat) (vgl EGMR, Gaughran./.Vereinigtes Königreich). Die unbefristete Speicherung und Offenlegung von Straftaten verletzt das Privatleben. Ein undifferenziertes, übermäßig weitreichendes Registersystem ohne klare gesetzliche Grenzen ist unvereinbar mit Art8 EMRK (vgl EGMR, M.M. ./.Vereinigtes Königreich). Der Beschwerdeführer hat das berechtigte und von Art8 EMRK geschützte Interesse, einen Schlussstrich unter die eigene Vergangenheit ziehen zu können.
Der österreichische Gesetzgeber hat in Österreich – wie bereits oben dargelegt – mit dem TilgG ein solches differenziertes und nicht übermäßig weitreichendes System mit klaren gesetzlichen Grenzen geschaffen. Dieses Gesetz regelt detailliert, wann und unter welchen Voraussetzungen gerichtliche Verurteilungen getilgt werden. Mit der Tilgung erlöschen kraft Gesetzes alle nachteiligen Folgen, die kraft Gesetzes mit der Verurteilung verbunden sind, und der Verurteilte gilt fortan als gerichtlich unbescholten. Eine getilgte Verurteilung darf auch weder in Strafregisterauskünfte noch in Strafregisterbescheinigungen aufgenommen oder darin ersichtlich gemacht werden, ausgenommen in bestimmten, eng definierten Ausnahmen.
Indem das LVwG die bereits getilgten gerichtlichen Vorstrafen (sowie die bereits getilgten Verwaltungsstrafen aus den Jahren 2018 und 2019) für seine Prognoseentscheidung heranzieht, unterlässt es das Gericht, dem §10 Abs1 Z6 StbG einen Inhalt zu unterstellen, der Art8 EMRK- und damit verfassungskonform ist – jenen Inhalt im Übrigen, den der Gesetzgeber im TilgG bereits vorgenommen hat. Die vom LVwG vorgenommene Zusammenschau der getilgten gerichtlichen Strafen mit den geringfügigen Verwaltungsstrafen verkennt, dass der Gesetzgeber im TilgG bereits eine bewusste und grundrechtlich gebotene Abwägung vorgenommen hat: Das öffentliche Interesse an Information – gerade auch zur Beurteilung der Persönlichkeit des Betroffenen – wurde dem fundamentalen Resozialisierungsinteresse des Einzelnen gegenübergestellt und für die Zeit nach der Tilgung hintangestellt. Indem das Gericht getilgte Verurteilungen, die nach dieser gesetzlichen Wertung keine nachteiligen Folgen mehr haben sollen, erneut in die Waagschale wirft, führt es die gesetzgeberische und von Art8 EMRK gebotene Interessenabwägung ad absurdum und maßt sich eine Neubewertung an, die ihm nicht zusteht.
Dem Beschwerdeführer wird das Recht auf einen Schlussstrich unter seine Vergangenheit de facto verwehrt. Dies stellt einen groben Eingriff in seine persönliche Entfaltung und Integration in die Gesellschaft dar, der durch die genannten öffentlichen Interessen nicht gerechtfertigt werden kann. Die Auslegung des §10 Abs1 Z6 StbG, mit der das LVwG im Übrigen die bereits durch das TilgG umgesetzten Vorgaben des Art8 EMRK ignoriert, ist somit nicht verfassungskonform und verletzt die Rechte des Beschwerdeführers aus Art8 EMRK."
3.3. Schließlich behauptet der Beschwerdeführer eine qualifiziert rechtswidrige und daher im Hinblick auf die geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verfassungswidrige Prognoseentscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg gemäß §10 Abs1 Z6 StbG (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"[…] Gleichheitswidrige bzw sachlich nicht zu rechtfertigende Anwendung des §10 Abs1 Z6 StbG
Die vom LVwG vorgenommene negative Prognoseentscheidung erweist sich zudem als sachlich nicht zu rechtfertigen und damit gleichheitswidrig.
Das LVwG gewichtet die herangezogenen Verwaltungsübertretungen in einer unverhältnismäßigen und damit sachlich nicht zu rechtfertigenden Weise. Es ist nicht nachvollziehbar, wie das LVwG von den getroffenen Feststellungen zu der rechtlichen Schlussfolgerung kommen kann, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt oder in Art8 Abs2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
Das Gericht stellt einen über ein Jahrzehnt andauernden strafrechtlichen Wohlverhaltenszeitraum drei einzelnen, weit zurückliegenden, großteils bereits getilgten und niederschwelligen Verwaltungsübertretungen gegenüber, die die einzigen verwaltungsstrafrechtlichen Verfehlungen in über 13 Jahren Aufenthalt darstellen, und leitet daraus mechanisch eine negative Zukunftsprognose ab. Die gefestigte berufliche und familiäre Situation des Beschwerdeführers sowie seinen langjährigen Aufenthalt in Österreich ignoriert es hingegen. Eine solche schematische Vorgehensweise, die gewichtige, für eine positive Prognose sprechende Umstände ausblendet, ist eine sachlich nicht zu rechtfertigende und damit gleichheitswidrige Anwendung des §10 Abs1 Z6 StbG (vgl VfGH 24.2.2025, E3986/2024).
Die Qualifizierung dieser Delikte als Verfehlungen mit 'erheblichem Unrechtsgehalt' ist zunächst eine unsachliche Behauptung, die nicht im Einklang mit höchstgerichtlicher Judikatur steht:
[…] Ein reines Parkvergehen, zu dem keine besonderen, gefährlichen Umstände festgestellt wurden, ist von 'untergeordneter Bedeutung' (vgl auch VwGH 7.10.2003, 2002/01/0019).
[…] Die Geschwindigkeitsüberschreitung um 22 km/h stellt kein Vormerkdelikt dar und ist ebenfalls nicht besonders schwerwiegend, zumal auch keine gefahrenderhöhenden Umstände festgestellt wurden (vgl auch VwGH 14.10.1998, Zl 97/01/0268; 07.09.2000, 2000/01/0117; 13.12.2005, 2003/01/0121).
[…] Die Abstandsunterschreitung war ein einmaliges Vormerkdelikt am obersten, also am wenigsten gefährlichen Ende des sanktionierten Bereichs (ein Unterschreiten des Sicherheitsabstands ist bei einem Wert zwischen 0,2 und 0,4 Sekunden ein Vormerkdelikt, der gegenständliche Wert lag bei 0,39 Sekunden; §30a Abs2 Z5 FSG), was gerade zeigt, dass der Gesetzgeber selbst von einem minder schweren Vergehen ausgeht (vgl auch VwGH 31.8.2015, Ro 2015/11/0012; 25.3.2003, 2001/01/0601).
Es handelt sich somit um Fehlverhalten, das, ungeachtet dessen, dass es nicht vorkommen sollte, nicht als untypisch angesehen werden kann.
Wenn das LVwG derartiges geringfügiges Fehlverhalten zum Anlass nimmt, dem Beschwerdeführer die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu verwehren, verkennt es damit den Zweck und die Systematik der Norm und missachtet das Gebot einer Gesamtbetrachtung. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung E3986/2024 betont, kann es auch 'einem die durch §10 Abs1 Z6 StbG geschützten Grundinteressen der Gesellschaft achtenden und respektierenden Mitglied dieser Gesellschaft unterlaufen, da oder dort eine Ordnungswidrigkeit zu begehen'. Ginge man, wie das LVwG, davon aus, dass so gut wie jede Verwaltungsübertretung eine positive Prognose ausschließt, würde dies Verhaltensanforderungen an den Staatsbürgerschaftswerber stellen, die mit der erklärten Zielsetzung der Bestimmung – jene Menschen von der Verleihung auszuschließen, von denen eine erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr ausgehen kann – nicht vereinbar sind.
Die Entscheidung ist auch deshalb gleichheitswidrig, weil sie folgende Umstände ignorierte:
[…] Es handelt sich bei den drei Verkehrsdelikten nicht um ein kontinuierliches Fehlverhalten, sondern um vereinzelte Übertretungen, die sich auf einen relativ kurzen Zeitraum von gut zwei Jahren (Oktober 2018 bis Jänner 2021) konzentrieren. Davor hatte der Beschwerdeführer keine Verwaltungsstraftat begangen, obwohl er schon rund sieben Jahre in Österreich gelebt hatte (vgl VwGH 6. März 2001, Zl 1999/01/0415).
[…] Noch bedeutsamer ist der Umstand, dass auf die letzte Übertretung vom Jänner 2021 ein weiterer, beanstandungsfreier Wohlverhaltenszeitraum von über vier Jahren und vier Monaten (52 Monate) folgte. Von einer 'Beharrlichkeit', die auf eine gefestigte negative Einstellung schließen ließe, kann angesichts dieser klaren positiven Entwicklung keine Rede sein.
[…] Die ersten beiden Verkehrsstrafen (aus 2018 und 2019) sind bereits getilgt (§55 Abs1 VStG).
[…] Es handelt sich auch um Verfehlungen unterschiedlicher Art, die jeweils nur ein einziges Mal auftraten. Der Beschwerdeführer hat also weder eine Tendenz zu wiederholten Geschwindigkeitsüberschreitungen noch zu Parkvergehen oder Abstandsunterschreitungen gezeigt. Vielmehr handelt es sich um drei voneinander unabhängige, isolierte und für sich stehende Verfehlungen minderer Schwere. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen jedoch gerade einmalige Verstöße bei der Gesamtbetrachtung weniger ins Gewicht als wiederholte, gleichartige Delikte, die auf eine gefestigte negative Verhaltensweise schließen lassen könnten (vgl VwGH 25.3.2003, 2001/01/0601).
[…] Die Abfolge der Delikte zeigte keinen steigenden Unrechtsgehalt. Dem potenziell schwersten Delikt, der Abstandsunterschreitung (2018) folgt ein für die Prognose jedenfalls gänzlich irrelevantes Parkvergehen (2019) und eine minderschwere Geschwindigkeitsübertretung (2021).
[…] Überdies stammen alle Übertretungen aus dem Zeitraum vor dem Antrag auf Staatsbürgerschaft vom 28.8.2023 sowie vor der Geburt des ersten Kindes am 2.5.2023. Nach der Rechtsprechung des VwGH sind dies Umstände, die für eine positive Prognose sprechen, da sie indizieren, dass der Antragsteller sein Verhalten gerade im Hinblick auf das angestrebte Ziel und seine gewachsene familiäre Verantwortung positiv ausgerichtet hat (vgl für den Antrag auf Staatsbürgerschaft VwGH 30.9.2024, Ra 2024/01/0268, Rz 12).
Diese für eine positive Prognose wesentlichen Umstände zu ignorieren und die Entscheidung stattdessen auf drei geringfügige Verkehrsdelikte in den Jahren 2018 (Abstandsunterschreitung), 2019 (Parkvergehen) und 2021 (Geschwindigkeitsüberschreitung) zu stützen und dabei auch das fast fünfjährige Wohlverhalten seit dem letzten Vorfall zu missachten ist sachlich nicht nachvollziehbar und damit gleichheitswidrig.
Auch die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers aus den Jahren 2012 und 2015 vermögen keine entsprechende Gefährlichkeitsprognose zu begründen. Zum einen sind sie bereits getilgt und hätten bereits deshalb nicht berücksichtigt werden dürfen – der Beschwerdeführer ist damit strafrechtlich unbescholten (vgl VfGH 10.12.2009, B1548/08; VfGH 07.10.2010, B950/10 ua; […]). Zum anderen hat das LvWG die für eine umfassende Prognose wesentlichen, entlastenden Umstände gänzlich ignoriert. So ließ es die aktenkundige Tatsache unberücksichtigt, dass der Verurteilung aus dem Jahr 2015 (Beschädigung einer Brille) eine Provokation und ein Angriff des Geschädigten vorangingen, was auch einen strafrechtlichen Milderungsgrund darstellt (Schroll in Fuchs/Ratz, WK StPO §191, Rz 60 mwN; §34 Abs1 Z7 StGB). Ebenso ignorierte es, dass der Beschwerdeführer sich stets geständig zeigte, den Schaden für die beschädigte Brille wiedergutgemacht hat und in der mündlichen Verhandlung für seine Tat aus dem Jahr 2012 deutliche Reue zeigte.
Darüber hinaus hat das LvWG es unterlassen, sich mit dem gesamten entlastenden Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Gerade bei länger zurückliegenden Straftaten ist zu berücksichtigen, ob sich die Lebensumstände seither wesentlich verändert haben (vgl VwGH 08.03.2005, 2004/01/0421). In diesem Zusammenhang wurde das Vorbringen ignoriert, dass die Tat aus 2012 unter dem schlechten Einfluss seines Onkels geschah, mit dem er seither keinen Kontakt mehr hat. Auch die Erklärung für die Verkehrsdelikte – beruflicher Stress – wurde nicht gewürdigt. Das Gericht hat auch die aktenkundigen und in der Verhandlung dargelegten Tatsachen, dass der Beschwerdeführer sich seit seinen lange zurückliegenden Straftaten eine stabile berufliche und familiäre Existenz aufgebaut hat und Vater wurde, in seiner Würdigung völlig außer Acht gelassen. Diese positive Entwicklung, in Kombination mit seinem über zehnjährigen strafrechtlichen Wohlverhalten, spricht eindeutig dafür, dass vom Beschwerdeführer keine Gefahr mehr ausgeht.
Wie der Verfassungsgerichtshof jüngst klargestellt hat (VfGH 24.2.2025, E3986/2024), sind vergangene Verfehlungen nur dann prognoserelevant, wenn sie die begründete Erwartung rechtfertigen, der Betreffende werde künftig wesentliche, dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter dienende Vorschriften missachten. Eine solche schwerwiegende Gefährdungsprognose lässt sich weder aus den wenigen, niederschwelligen Verkehrsdelikten ableiten noch aus den mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden und getilgten Straftaten.
Vor diesem Hintergrund unterstellt das LVwG §10 Abs1 Z6 StbG einen sachlich nicht zu rechtfertigenden und damit gleichheitswidrigen Inhalt, wenn es sich allein durch das Vorliegen der konkret dem Beschwerdeführer anzulastenden Verwaltungsübertretungen und bereits seit geraumer Zeit getilgter […] Vorstrafen, ungeachtet des Umstandes, dass der Beschwerdeführer über seine (lange) Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet hinweg ansonsten in jeder Hinsicht unbescholten ist (vgl VwGH 18.4.2002, 2001/01/0120), dennoch durch §10 Abs1 Z6 StbG zu einer negativen Prognoseentscheidung bestimmt sieht.
[…] Willkür durch Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens sowie durch Begründungsmängel
Außerdem hat das LVwG es unterlassen, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren zu führen und sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen.
Insbesondere hat es das LVwG verabsäumt, den für die Beurteilung der Verwaltungsübertretungen entscheidungswesentlichen Sachverhalt ausreichend zu ermitteln. Es beschränkt sich auf die bloße, aus den Registern übernommene Aufzählung der drei Verkehrsdelikte, ohne jegliche Feststellungen zu den konkreten Tatumständen zu treffen, die für eine qualitative Bewertung der Verfehlungen und die Beurteilung einer allfälligen Gefährdung unerlässlich wären (vgl VwGH 17.09.2002, 2001/01/0513; VwGH 15.05.2003, 2001/01/0027).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht die bloße Nennung von Verwaltungsstrafen nicht aus; vielmehr sind Feststellungen über das konkrete Verhalten und die Tatumstände erforderlich, um die Schwere der Verstöße beurteilen zu können (vgl VwGH 17.09.2002, 2001/01/0513; VwGH 25.3.2003, 2001/01/0601; VwGH 24.06.2003, 2002/01/0359; 16.07.2003, 2002/01/0245; VwGH 07.10.2003, 2002/01/0019; VwGH 24.02.2004, 2002/01/0600). Insbesondere wurden keine gefahrenerhöhenden Umstände festgestellt (vgl VwGH 13.12.2005, 2003/01/0121). So wurde nicht ermittelt:
[…] unter welchen konkreten Verhältnissen (etwa Verkehrs- und Sichtverhältnisse) die Abstandsunterschreitung stattfand und ob daraus eine akute Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer resultierte (vgl auch 25.3.2003, 2001/01/0601);
[…] wie und wo genau das Parkvergehen begangen wurde und ob damit ausnahmsweise eine Behinderung oder Gefährdung verbunden war (vgl auch 25.3.2003, 2001/01/0601 ; VwGH 07.10.2003, 2002/01/0019);
[…] unter welchen Verhältnissen die Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgte (zB an welchem Ort, zu welcher Tageszeit, wie die Sichtverhältnisse waren, ob vulnerable Verkehrsteilnehmer anwesend waren etc.; siehe VwGH 13.12.2005, 2003/01/0121).
Die vom LVwG festgestellten Verwaltungsübertretungen sagen daher nichts über die Schwere der Verstöße im Hinblick auf die konkrete Verkehrssituation aus. Hätte das LVwG nähere Ermittlungen zu den Tatumständen angestellt, hätte es feststellen können, dass keine gefährlichen Umstände vorlagen und diese Übertretungen daher die negative Prognoseentscheidung nicht zu tragen vermögen. Damit ist die Entscheidung auch mit einem Begründungsmangel behaftet.
Ähnliches gilt für die näheren Tatumstände der strafgerichtlichen Verurteilungen, insbesondere jener aus dem Jahr 2015, sowie die persönliche und familiäre Situation und Integration des Beschwerdeführers. Das Erkenntnis lässt jegliche Auseinandersetzung mit den maßgeblichen mildernden Umständen, der gezeigten Reue und der positiven Veränderung der Lebensumstände des Beschwerdeführers vermissen. Auf die detaillierten Ausführungen hierzu […] wird verwiesen.
Schließlich schweigt das Erkenntnis vollständig zum persönlichen Eindruck, den der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat. Gerade bei einer Prognoseentscheidung, die auf das Charakterbild und die Persönlichkeit des Betroffenen abstellt, kommt außerdem dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck erhebliche Bedeutung zu (vgl VwGH 17.12.2021, Ra 2021/01/0392).
Das LVwG hat es also unterlassen, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren überhaupt zu führen und hat auch das Parteivorbringen ignoriert und seine Entscheidung nicht ausreichend begründet. Damit ist die Entscheidung auch aus dieser Sicht mit Willkür belastet.
[…] Verletzung [im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art8 EMRK] durch Nichtberücksichtigung der Integration und des Familienlebens des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer hat seinen gesamten Lebensmittelpunkt seit über 15 Jahren in Österreich. Er ist hier beruflich (als selbstständiger Handwerker) und sozial verwurzelt. Seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder sind österreichische Staatsbürger und leben in Salzburg. Vor allem aber ist er Vater zweier in Österreich geborener Kinder und lebt mit deren Mutter in Salzburg in einer langfristigen Partnerschaft. Zudem ist der Beschwerdeführer staatenlos. Er hat dadurch ein de-facto-Heimatverhältnis zu Österreich begründet.
Die Zuerkennung der Staatsbürgerschaft wirkt sich darüber hinaus auch auf die Kinder des Beschwerdeführers aus: Ihre Staatsbürgerschaft wird von ihrem Vater – dem Beschwerdeführer – abgeleitet.
Indem das LVwG es unterlässt, die von Art8 EMRK geschützten Interessen des Beschwerdeführers und seiner Kinder zu berücksichtigen, wendet es §10 Abs1 Z6 StbG denkunmöglich an.
§10 Abs1 Z6 StbG würde eine Art8 EMRK-konforme Interpretation indes ermöglichen: Die Bestimmung lässt eine Abwägung des öffentlichen Interesses, die Staatsbürgerschaft nur Personen zu verleihen, von denen keine Gefahr ausgeht, mit den durch Art8 EMRK geschützten Interessen des Beschwerdeführers zu. Es wäre vereinbar mit dem Gesetzeswortlaut des §10 Abs1 Z6 StbG, das Interesse des Beschwerdeführers und seiner Familie höher als das öffentliche Interesse zu gewichten. Dies insbesondere, da die hier vorliegenden, niederschwelligen Verkehrsdelikte sowie die noch länger zurückliegenden und auch längst getilgten (Jugend-)Straftaten die öffentlichen Interessen in keiner Weise ernsthaft berühren. Die Interessen des staatenlosen Beschwerdeführers und seiner Familie wiegen in diesem Fall höher, zumal
[…] der seit vielen Jahren in Österreich integrierte, aber staatenlose Beschwerdeführer das Interesse hat, seine rechtliche und soziale Prekarität zu beenden und sein Leben auf eine gesicherte Basis zu stellen, und
[…] auch seine minderjährigen Kinder das Interesse haben, dass ihre staatsbürgerrechtliche Integration nicht durch die Abweisung des Antrags ihres Vaters vereitelt wird. Die Entscheidung des Gerichts tradiert die Staatenlosigkeit in die nächste Generation und der Schutz des Familienlebens umfasst auch die staatsbürgerrechtliche Integration eines Kindes (VfSlg 19.704/2012). Die Verweigerung der Staatsbürgerschaft steht auch im Widerspruch zu den Zielen der UN-Kinderrechtskonvention (Art3 und Art7 UN-KRK).
Eine starre und schematische Anwendung des §10 Abs1 Z6 StbG, die die grundrechtliche Dimension und die konkreten Lebensumstände einer Familie völlig ignoriert, ist mit den Anforderungen des Art8 Abs2 EMRK unvereinbar.
Eine verfassungskonforme Auslegung hätte zwingend zu einer Abwägung führen müssen, bei der die geringfügigen, weit zurückliegenden Verfehlungen dem massiven Interesse des staatenlosen Beschwerdeführers und seiner Familie an der Beendigung ihrer rechtlichen Prekarität gegenübergestellt werden.
Auch die jüngere Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (VfGH 24.2.2025, E3986/2024) unterstreicht, dass die Verwaltungsgerichte verpflichtet sind, diese grundrechtliche Dimension bei der Auslegung des einfachen Gesetzes, insbesondere des §10 StbG, zur Geltung zu bringen. Die Missachtung der gebotenen Interessenabwägung und die damit einhergehende Unverhältnismäßigkeit der Entscheidung stellen daher nicht nur einen Verstoß gegen Art8 EMRK dar, sondern begründen auch eine Rechtswidrigkeit, die vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifen ist.
Indem das Gericht diese grundrechtliche Dimension vollständig ignoriert und einer Sanktionierung einerseits getilgter, andererseits geringfügiger Verfehlungen absoluten Vorrang einräumt, hat das LVwG den §10 Abs1 Z6 StbG denkunmöglich und somit verfassungswidrig angewendet."
4. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg und die Salzburger Landesregierung haben die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift jeweils abgesehen.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl 311/1985, idF BGBl I 154/2024 lautet auszugsweise wie folgt:
"Verleihung
§10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn
1. […]
2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl Nr 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;
3. […]
6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art8 Abs2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;
7. […]
(1a) Eine gemäß Abs1 Z2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Eine gemäß Abs1 Z2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt.
(1b) […]"
III. Erwägungen
Die Beschwerde ist zulässig und im Ergebnis auch begründet:
1. Zunächst ist festzuhalten, dass, wie die im Ergebnis übereinstimmenden Ausführungen im Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg und in der Beschwerde auch darlegen, davon auszugehen ist, dass im vorliegenden Fall die beiden in Rede stehenden strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers nach den Vorschriften des Tilgungsgesetzes 1972 bereits getilgt sind. Die angefochtene Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg kann daher wenn dann nur seine, auf §10 Abs1 Z6 StbG gestützte Alternativbegründung tragen.
2. Soweit die Beschwerde geltend macht, das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe der Verleihungsvoraussetzung des §10 Abs1 Z6 zweiter Tatbestand StbG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, indem es die bereits getilgten strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers in seine Beurteilung des Vorliegens dieser Verleihungsvoraussetzung einbezogen habe, vermag ihr der Verfassungsgerichtshof nicht zu folgen:
2.1. Die Entscheidung über die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden stellt eine wesentliche und folgenreiche Entscheidung des Aufnahmestaates dar, die der Gesetzgeber auch von strengen Voraussetzungen hinsichtlich der Akzeptanz der verfassungsrechtlichen Grundordnung und des Respekts für die Interessen und Rechte anderer wie der Allgemeinheit abhängig machen darf (vgl nur VfGH 28.11.2024, G88/2024). Dem Staatsangehörigkeitsband eines Mitgliedstaates der Europäischen Union liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union das zwischen dem Mitgliedstaat und seinen Staatsangehörigen bestehende besondere Verbundenheits- und Loyalitätsverhältnis sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten zugrunde (EuGH 29.4.2025 [GK], C 181/23, Kommission/Malta, Rz 96 mwN). Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, diese Anforderungen bei der Begründung des Rechtsverhältnisses der Staatsbürgerschaft durch Verleihung in §10 Abs1 Z6 StbG besonders zu betonen.
Daher ist dem Gesetzgeber auch nicht entgegenzutreten (und stellt es entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde keinen Wertungswiderspruch dar), wenn er einerseits in §10 Abs1 Z2 und 3 StbG davon ausgeht, dass bestimmte gravierende strafgerichtliche Verurteilungen, sofern sie nicht getilgt sind, von vornherein das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ausschließen; das Gesetz aber andererseits, wie die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausführt (vgl VwGH 10.4.2008, 2005/01/0013; 30.9.2019, Ra 2018/01/0227, wonach §10 Abs1 Z6 StbG eigenständige Bedeutung ohne Bedachtnahme auf §10 Abs1 Z2 und 3 StbG zukommt), in §10 Abs1 Z6 StbG für die ebenso als Verleihungsvoraussetzung festgelegte Prognoseentscheidung, dass beim Verleihungswerber Akzeptanz der verfassungsrechtlichen Grundordnung und Respekt für die Rechte und Interessen Anderer und der Allgemeinheit gewährleistet sein müssen, eine Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Verleihungswerbers verlangt, in das auch früheres Verhalten, das zu in der Folge getilgten strafgerichtlichen Verurteilungen geführt hat, einzubeziehen ist.
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg nimmt daher zutreffend das Verhalten des Beschwerdeführers, das zu seiner Verurteilung wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung geführt hat, in den Blick und qualifiziert dieses grundsätzlich als solches, das mit den Anforderungen des §10 Abs1 Z6 StbG nicht im Einklang steht. Es geht aber ebenso zutreffend von der grundsätzlichen Überlegung aus, dass ein längeres Wohlverhalten des Verleihungswerbers seit einem diesbezüglich relevanten Fehlverhalten dennoch zu einer positiven Prognoseentscheidung und damit zum Vorliegen der Verleihungsvoraussetzung des §10 Abs1 Z6 StbG führen kann. Dabei ist insbesondere zu beurteilen, ob das weitere Verhalten des Verleihungswerbers auch über die zur Tilgung der strafgerichtlichen Verurteilungen führende Zeitspanne hinaus angemessen Gewähr dafür bietet, dass ein Verhalten, wie es zur getilgten strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, nun nicht mehr zu befürchten ist, und daher in der gebotenen Gesamtbetrachtung die Voraussetzungen des §10 Abs1 Z6 StbG vorliegen.
2.2. Vor diesem Hintergrund teilt der Verfassungsgerichtshof auch die in der Literatur vorgetragenen und in der Beschwerde bezogenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Bestimmungen wie die vorliegende des §10 Abs1 Z6 StbG nicht (vgl etwa Kertin: Fuchs/Ratz [Hrsg.], WK StPO, 2017, Tilgungsgesetz 1972, §1 Rz 45 mwN). Diese Kritik stellt darauf ab, dass das Tilgungsgesetz 1972 keine Differenzierung der Unbescholtenheit kenne und sie daher unbeschränkt zu gelten habe.
3. Zwar sieht nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung §10 Abs1 Z6 StbG (in Verbindung mit insbesondere §10 Abs1 Z2 StbG) gerade eine solche Berücksichtigung des Verhaltens des Verleihungswerbers, das zur mittlerweile getilgten strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, vor; das StbG regelt insofern als spezielle Vorschrift die Beurteilung der Voraussetzungen zur Verleihung der Staatsbürgerschaft. Solches ist dem Staatsbürgerschaftsgesetzgeber auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt. Inhalt und Zielsetzung der Verleihungsvoraussetzungen des §10 Abs1 Z6 StbG rechtfertigen diese staatsbürgerschaftsrechtliche Regelung in gleichheitsrechtlicher Hinsicht. Der die gesamte Rechtsordnung durchziehende Grundsatz der Unschuldsvermutung (s VfSlg 11.062/1986, 14.260/1995) steht dem ebensowenig entgegen. Zwar soll mit der Tilgung die "Stigmatisierung der Verurteilung endgültig beseitigt" werden, womit "auch jene nachteiligen Folgen, die mit einer Verurteilung verbunden sind und über die unmittelbaren Folgen der Bestrafung hinausgehen, im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ein Ende finden" sollen ( Kertin: Fuchs/Ratz, WK StPO, Vor TilgG, Rz 6). Dessen ungeachtet kann der Gesetzgeber die Verleihung des besonderen Rechtsstatus eines Staatsbürgers von einer individuellen Beurteilung des (gesamten) (Wohl)Verhaltens des Verleihungswerbers abhängig machen und ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, auch für die Prognoseentscheidung nach §10 Abs1 Z6 StbG die allgemeine, auf Fristablauf abstellende Regel des Tilgungsgesetzes 1972 zu übernehmen. Damit regelt der Gesetzgeber für die Verleihung im Staatsbürgerschaftsrecht auch die Folgen eines Verhaltens, das zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, was nicht mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung in Konflikt gerät. Die (zukunftsbezogene) staatsbürgerschaftsrechtliche Beurteilung nach §10 Abs1 Z6 StbG beruht auf Kriterien, die sich wesentlich von der strafrechtlichen Beurteilung des (vergangenen) Verhaltens unterscheiden.
3. §10 Abs1 Z6 zweiter Tatbestand StbG legt als Verleihungsvoraussetzung fest, dass der Verleihungswerber nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bieten muss, dass er weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art8 Abs2 EMRK genannte öffentliche Interessen, und das schließt insbesondere den Respekt vor den Rechten anderer mit ein, gefährdet.
3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für diese Prognoseentscheidung maßgebend, ob das Gesamtverhalten des Staatsbürgerschaftswerbers, insbesondere von ihm begangene Rechtsbrüche, den Schluss rechtfertigt, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung oder andere in Art8 Abs2 EMRK genannte Rechtsgüter erlassene Vorschriften missachten (VwGH 22.8.2006, 2005/01/0026; 21.11.2013, 2012/01/0096; 13.2.2020, Fe 2019/01/0001 mwN). Bei dieser Beurteilung der Einstellung des Betreffenden ist die Art, Schwere und Häufigkeit der Verstöße zu berücksichtigen (VwGH 21.11.2013, 2012/01/0096).
Eine negative Gefährdungsprognose muss sich daher auf gewichtige Umstände, die eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr durch den Staatsbürgerschaftswerber begründen können, stützen. Hat der Verleihungswerber, wie im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer, in der Vergangenheit ein Verhalten gesetzt, das zu einer, wenn auch zwischenzeitig getilgten, strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, die zum Zeitpunkt einer aufrechten, also noch nicht getilgten strafrechtlichen Verurteilung zum Fehlen der Verleihungsvoraussetzung des §10 Abs1 Z2 StbG geführt hätte, führt dies, weil die Entscheidung gemäß §10 Abs1 Z6 zweiter Tatbestand StbG auf das vom Entscheidungszeitpunkt aus gesehen zukünftige Verhalten des Verleihungswerbers gerichtet ist, nicht zwangsläufig zu einer negativen Gefährdungsprognose. Insoweit ist eben zwischen der Verleihungsvoraussetzung des §10 Abs1 Z2 StbG und jener des §10 Abs1 Z6 StbG zu unterscheiden, womit das StbG dem grundsätzlichen Anliegen, wie es auch dem Tilgungsgesetz 1972 zugrundeliegt, wenn auch in differenzierter Weise Rechnung trägt.
Damit kommt es darauf an, ob zu dem für die Prognose maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes erstens ein, gegebenenfalls auch über den Zeitpunkt der Tilgung der strafgerichtlichen Verurteilung hinausreichender angemessener Beobachtungszeitraum (vgl zB VwGH 4.4.2001, 2000/01/0529; 20.11.2007, 2005/01/0449) und damit eine ausreichende Basis dafür vorliegt, dass zweitens beurteilt werden kann, ob das dem strafrechtlich relevanten nachfolgende Verhalten des Verleihungswerbers ausreichend Gewähr dafür bietet, dass er sein Verhalten nunmehr tatsächlich am Respekt vor den Rechten und Interessen anderer und der Allgemeinheit ausrichtet und sich damit auch von seinem früheren Verhalten aus Überzeugung über die Notwendigkeit dieses Respekts distanziert, sodass zum maßgeblichen Prognosezeitpunkt sein Gesamtverhalten den Schluss rechtfertigt, der Verleihungswerber werde in Zukunft keine wesentlichen, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung oder andere in Art8 Abs2 EMRK genannte Rechtsgüter erlassene Vorschriften missachten.
Bei dieser Gesamtbetrachtung spielen insbesondere neuerliche Rechtsbrüche eine maßgebliche Rolle, wobei die Beurteilung, ob es sich insbesondere bei Verwaltungsübertretungen um solche handelt, die nach Art, Schwere und Häufigkeit eine negative Gefährdungsprognose rechtfertigen, das frühere, zu den wenn auch getilgten strafgerichtlichen Verurteilungen führende Verhalten des Verleihungswerbers mit in den Blick zu nehmen hat. Verwaltungsübertretungen können in einer solchen Konstellation schwerer wiegen, als wenn sie für sich genommen im Hinblick auf einen ansonsten mit (kriminal-)strafrechtlichen Vorschriften niemals in Konflikt geratenen Verleihungswerber zu beurteilen sind. Dabei ist freilich das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers miteinzubeziehen, sodass es insbesondere auch auf den persönlichen Eindruck von den Einstellungen und Überzeugungen des Verleihungswerbers ankommt, den sich das Verwaltungsgericht als Grundlage für die Prognoseentscheidung zu verschaffen hat. Dabei hat es sich mit entsprechenden Erklärungen des Verleihungswerbers zur Begründung einer tatsächlichen und aus Überzeugung erfolgten Verhaltensänderung ebenso auseinanderzusetzen wie mit den Umständen früheren Verhaltens, das zu Rechtsbrüchen geführt hat. Es ist die wesentliche Aufgabe des Verwaltungsgerichtes, bei seiner Beurteilung insoweit Schutzbehauptungen von glaubhaftem Vorbringen zu unterscheiden und dies zu begründen (in diesem Sinn stellt der Verwaltungsgerichtshof darauf ab, dass sich die Behörde bzw das Verwaltungsgericht mit den näheren Umständen der vom Verleihungswerber begangenen Verstöße auseinanderzusetzen hat [VwGH 8.3.1999, 98/01/0255]; dass der bloße Hinweis auf das Vorliegen von Vorstrafen für die Beurteilung der von §10 Abs1 Z6 StbG geforderten Gefährdungsprognose nicht ausreicht [VwGH 11.3.1998, 97/01/0433; 13.5.1998, 97/01/0242; 21.4.1999, 97/01/1069]; dass insbesondere wenn die relevanten Verstöße bereits mehrere Jahre zurückliegen, es Aufgabe der Behörde bzw des Verwaltungsgerichtes ist, anzuführen, warum trotz dieses bereits über einen längeren Zeitraum andauernden Wohlverhaltens von einer negativen Gefährdungsprognose auszugehen ist [vgl VwGH 4.4.2001, 2000/01/0529]).
3.2. Schließlich hat das Verwaltungsgericht, kommt es zur Auffassung, dass in seinem Beurteilungszeitraum noch kein ausreichend langes Wohlverhalten des Verleihungswerbers seit einem relevanten Fehlverhalten vorliegt und somit zum Entscheidungszeitpunkt eine negative Gefährdungsprognose vorzunehmen ist, diese Entscheidung auch dahingehend zu begründen, warum ein (zumindest mehrjähriger) Wohlverhaltenszeitraum nicht ausreichend ist (vgl VwGH 11.3.1998, 97/01/0433). Eine solche Begründung bedingt grundsätzlich (ungeachtet möglicher Ausnahmen im Einzelfall) eine gewisse Vorstellung von einem ausreichenden und damit angemessenen Wohlverhaltenszeitraum, auch um dem Verleihungswerber jene Orientierung zu geben, die in rechtsstaatlichen Verfahren in solchen Konstellationen mit angelegt ist.
3.3. Diesen Anforderungen ist das Landesverwaltungsgericht Salzburg nicht nachgekommen:
3.3.1. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg begründet seine negative Prognoseentscheidung gemäß §10 Abs1 Z6 zweiter Tatbestand StbG mit Blick auf das (frühere) Verhalten des Beschwerdeführers, das insbesondere zur, wenn auch mittlerweile getilgten, strafgerichtlichen Verurteilung wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung (im Zusammenwirken mit anderen Tätern) geführt hat, folgendermaßen: Es hält dem Beschwerdeführer zunächst zugute, dass er in den darauffolgenden zehn Jahren strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, sodass diese Zeitspanne grundsätzlich als Wohlverhaltenszeitraum gewertet werden könne. Allerdings habe der Beschwerdeführer als Lenker von Kraftfahrzeugen in diesem Zeitraum drei Verwaltungsübertretungen (Abstandsunterschreitung gemäß §18 Abs1 StVO, Abstellen eines Fahrzeuges im Halte- und Parkverbot sowie eine Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit) begangen, wobei die letzte Verwaltungsübertretung aus dem Jahr 2021 stamme. Der gravierenden Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes und der erheblichen Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit sei ein erheblicher Unrechtsgehalt beizumessen. Daraus zieht das Landesverwaltungsgericht Salzburg den Schluss, dass der Beschwerdeführer "derzeit aber noch nicht Gewähr dafür bietet, dass er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, und damit der Versagungsgrund des §10 Abs1 Z6 StbG verwirklicht ist".
3.3.2. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg setzt sich in keiner Weise mit dem – bereits im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg erhobenen und nunmehr in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wiederholten – Vorbringen des Beschwerdeführers zum Hintergrund seines früheren (strafrechtlich relevanten) Verhaltens, aus dem sich ergebe, dass er sich zwischenzeitig grundsätzlich geändert habe, auseinander. Es ist aber für die Gefährdungsprognose nach §10 Abs1 Z6 zweiter Tatbestand StbG von wesentlicher Bedeutung, ob das Landesverwaltungsgericht Salzburg der Auffassung ist, dass bestimmte Verwaltungsübertretungen zeigen, dass eine ausreichende Distanzierung des Beschwerdeführers von seinem früheren gewaltgeneigten Verhalten nicht vorliegt und der Beschwerdeführer deswegen keine Gewähr für einen entsprechenden Respekt vor den Interessen und Rechten anderer und der Allgemeinheit bietet, oder ob das Landesverwaltungsgericht Salzburg der Auffassung anhängt, dass und warum die in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen für sich bereits eine negative Gefährdungsprognose begründen (siehe zu den diesbezüglichen Voraussetzungen VfGH 24.2.2025, E3986/2024). Die mehrfache Bezugnahme des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg auf das strafgerichtlich sanktionierte und in der Folge getilgte Verhalten des Beschwerdeführers legt zwar nahe, dass das Landesverwaltungsgericht Salzburg diesem Verhalten – ungeachtet seiner oben wiedergegebenen Ausführungen zum Wohlverhaltenszeitraum – weiterhin Bedeutung zumisst. Dann fehlt es aber an der gebotenen Auseinandersetzung mit dem erwähnten Vorbringen des Beschwerdeführers.
3.3.3. Schließlich lässt das Landesverwaltungsgericht Salzburg in seiner Begründung mit der ausschließlichen Aussage, dass der Beschwerdeführer "derzeit aber noch nicht Gewähr dafür bietet, dass er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt", die gebotene Begründung seiner Prognoseentscheidung außer Acht, warum dies der Fall ist und welchen gegebenenfalls ausreichenden Wohlverhaltenszeitraum das Landesverwaltungsgericht Salzburg als Bezugspunkt nimmt. Nur mit einer solchen Begründung wird die Frage, wann, Wohlverhalten unterstellt, eine allfällige Neuantragstellung auf Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Beschwerdeführer sinnvoll sein kann, nicht zu einer Zufallsentscheidung, ob er gerade wieder "noch nicht" oder vielleicht "gerade schon" ein ausreichend langes Wohlverhalten vorweisen kann.
4. Indem das Landesverwaltungsgericht Salzburg die rechtsstaatlich erforderliche Begründung seiner Prognoseentscheidung gemäß §10 Abs1 Z6 StbG vermissen lässt, hat es seine Entscheidung mit Willkür belastet (VfSlg 20.267/2018; 11.6.2019, E183/2019; 28.11.2019, E3541/2019; 24.2.2021, E2470/2020).
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 524,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 340,– enthalten.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden