Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofräte Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision der M V in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Steiner und Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Zelinkagasse 6/9b, gegen das am 17. April 2024 mündlich verkündete und am 13. Mai 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW 152/005/14/2024 27, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlungin der Sache den Antrag der Revisionswerberin, einer israelischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab und sprach aus, dass die Revision unzulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren wesentlichzusammengefasst aus, die Revisionswerberin habe in den vergangenen vier Jahren acht Verwaltungsübertretungen (zwei Übertretungen des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Parkometergesetz, eine Übertretung des § 52 lit. a Z 10a StVO, vier Übertretungen des § 20 Abs. 2 StVO sowie eine Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967) begangen. Die Revisionswerberin habe innerhalb der letzten zwei Jahre ihres Aufenthalts innerhalb weniger Monate vier Mal die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Wiener Ortsgebiet von 50 km/h (jeweils nach Abzug der Messtoleranz um 13 km/h (zwei Mal) sowie erheblich um 16 km/h und 17 km/h überschritten, wobei die beiden zuletzt genannten Überschreitungen auf einer gerichtsnotorisch viel befahrenen Straße zu Zeiten hohen Verkehrsaufkommens begangen worden seien. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes von 80 km/h (nach Abzug der Messtoleranz) um 16 km/h vor etwas mehr als zwei Jahren, die Nichterteilung der Lenkerauskunft vor etwa eineinhalb Jahren sowie die nicht länger als vier Jahre zurückliegenden Parkstrafen träten dazu und seien daher nicht einer isolierten Prüfung zu unterziehen gewesen. Der Umstand, dass bis auf eine Parkstrafe sämtliche Verwaltungsübertretungen aus der Zeit nach Stellung des Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft resultierten, spreche gegen ein künftiges Wohlverhalten der Revisionswerberin. Nicht zuletzt indiziere die Begehung von Straftaten gegen Ende des Aufenthaltes in Österreich nach langjährigem davor gelegenem Wohlverhalten, dass sich die Persönlichkeit der Revisionswerberin, die sich zumindest seit dem Jahr 2008 rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhalte, gegen Ende ihres Aufenthaltes zum Schlechteren entwickelt habe.
3 Die von der Revisionswerberin in der Beschwerde zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.10.1998, 97/01/0268) könne an diesem Ergebnis nichts ändern, da der dieser Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar sei. Dort habe die belangte Behörde anders als das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fallihre Entscheidung im Rahmen des von ihr auszuübenden Ermessens nach § 11 StbG aufgrund vorliegender Geschwindigkeitsübertretungen zu Ungunsten des Beschwerdeführers getroffen, obwohl sie bereits zu dem Ergebnis gelangt sei, dass er sämtliche Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z 1 bis 8 StbG erfülle. Gegenständlich erfülle die Revisionswerberin aber bereits die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht. Bei Vorliegen eines Verleihungshindernisses nach dieser Bestimmung müsse nach der näher genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die in § 11 StbG normierte Orientierung der Fremden zwingend verneint werden.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, das angefochtene Erkenntnis stehe in Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 14.10.1998, 97/01/0268), wonach sogar Geschwindigkeitsüberschreitungen, bei denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h um 34 km/h, von 50 km/h um 21 km/h und von 30 km/h um 18 km/h überschritten worden sei, sowie eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG keine als „besonders schwer“ zu qualifizierenden Verwaltungsübertretungen darstellten, die einer Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegenstünden. Zudem mangle es an einer konkreten Judikatur zu der Frage, ob bei Abwägung der in § 10 Abs. 1 Z 6 StbG normierten Voraussetzungen die im genannten Erkenntnis zu Grunde gelegten „schwerwiegenden Gründe“ anders zu beurteilen wären als „gravierende Verstöße“ im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG, auf die das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung abgestellt habe.
9Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, ist bei der Prüfung des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG eine Prognose über das zukünftige Wohlverhalten des Verleihungswerbers zu treffen (vgl. VwGH 21.2.2024, Ra 2024/01/0032 bis 0034, mwN).
10Nach der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Hinblick auf das Ziel des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts, die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Abschluss einer erfolgreichen Integration des Fremden in Österreich zu sehen, bei der Prüfung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. VwGH 8.11.2023, Ra 2023/01/0292, mwN).
11Bei einer Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, die vom Verwaltungsgerichtshof im Revisionsmodell nur aufzugreifen ist, wenn das Verwaltungsgericht seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. erneut VwGH 21.2.2024, Ra 2024/01/0032 bis 0034, mwN).
12Ein derartiges Abweichen des Verwaltungsgerichts von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG zeigt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf. Einerseits wird darin zum Gesamtverhalten der Revisionswerberin kein konkreter Bezug herstellt, andererseits blendet die Revision einzelne Aspekte der verwaltungsgerichtlichen Prognoseentscheidung aus. So führte das Verwaltungsgericht etwa ins Treffen, dass mit einer Ausnahme sämtliche Verwaltungsübertretungen aus der Zeit nach Stellung des Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft resultierten, was gegen ein künftiges Wohlverhalten spreche, und die begangenen Übertretungen gegen Ende des Aufenthaltes der Revisionswerberin in Österreich nach langjährigem davor gelegenem Wohlverhalten eine Verschlechterung ihrer Persönlichkeit indizierten.
13Der Revision gelingt es vor diesem Hintergrund nicht darzutun, dass die negative Wohlverhaltensprognose des Verwaltungsgerichts fallbezogen mit einem im Revisionsverfahren aufzugreifenden Mangel behaftet wäre (vgl. zur negativen Prognose nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG erneut VwGH 8.11.2023, Ra 2023/01/0292, mwH [kein längeres Wohlverhalten seit dem zuletzt begangenen Fehlverhalten]).
14 Sofern die Revision ein Fehlen von Judikatur moniert, ist sie darauf hinzuweisen, dass zum hier relevantenzweiten Fall des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG wie oben dargelegt einschlägige und ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. September 2024
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