Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. a Kulka und die Kommerzialrätin Mag. a Rodrix in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , FN **, **, **, vertreten durch Mag. Klaus Mayer, Rechtsanwalt in Premstätten, wider die beklagte Partei B* Gesellschaft m.b.H., FN **, **, **, vertreten durch FSM Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen zuletzt EUR 19.300,55 s.A., über den Antrag der klagenden Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO auf Abänderung des Zulassungsausspruchs im Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 23.7.2025, 3 R 57/25m, mit welchem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom vom 20.3.2025, **-44, Folge gegeben worden ist, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs und die ordentliche Revision werden zurückgewiesen .
Begründung:
1.Mit Urteil des Berufungsgerichts vom 23.7.2025 zu 3 R 57/25m wurde der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20.3.2025, **-44, Folge gegeben und die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig erklärt.
2. In ihrer Zulassungsvorstellung argumentiert die Klägerin, das Erstgericht habe von Amts wegen und ohne ein ausdrückliches Vorbringen die Sittenwidrigkeit der Klausel des Punktes VII.4. der AGB geprüft und den Haftungsausschluss für rechtsunwirksam erklärt. Es stellten sich zu dem Thema Rechtsfragen, die zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme, nämlich 1) ob eine Partei auch dann ein Vorbringen zur Sittenwidrigkeit erstatten müsse, wenn das Gericht die Sittenwidrigkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen aufgegriffen hat; 2) ob eine Partei die vom Erstgericht im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage eingenommene und protokollierte Rechtsansicht wiederholend vorbringen müsse, damit die Sittenwidrigkeit einer Klausel wahrgenommen werden könne;
3) ob eine Partei darauf vertrauen könne, dass, wenn ein Gericht von Amts wegen eine Überprüfung einer etwaigen Sittenwidrigkeit einer Klausel aufgreife, dieses amtswegige Vorgehen rechtens sei; und 4)ob eine Überraschungsentscheidung iSv § 182a ZPO vorliege, wenn das Erstgericht mit den Parteien nicht erörtere, dass es auch ohne ein ausdrückliches Parteienvorbringen hinsichtlich einer etwaigen Sittenwidrigkeit einer Vertragsklausel eine amtswegige Überprüfung einer etwaigen Sittenwidrigkeit vornehme.
3.Das Berufungsgericht hat gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO die Stichhältigkeit eines Abänderungsantrages zu prüfen (RS0112166). Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision darf daher nur dann abgeändert werden, wenn der Rechtsmittelwerber tatsächlich eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, von deren Lösung die Entscheidung abhängt, die jedoch bei der ersten Beurteilung der Zulässigkeitsfrage übergangen wurde (6 Ob 174/06s mwN).
4.Zunächst ist festzuhalten, dass die Frage, ob ein bestimmtes Vorbringen Anlass zu einer Erörterung beziehungsweise Anleitung einer Partei durch das Gericht geben könnte, schon von vornherein so einzelfallbezogen ist, dass darin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken ist (RS0114544).
5.1 Die Klägerin gesteht in ihren Ausführungen selbst zu, im erstgerichtlichen Verfahren kein ausdrückliches Vorbringen zur Sittenwidrigkeit der Klausel erstattet zu haben. Auch trug sie die Einrede der Sittenwidrigkeit nicht schlüssig vor, denn das Geltendmachen eines nach den AGB ausgeschlossenen vertraglichen Schadenersatzanspruchs beinhaltet entgegen der Ansicht der Klägerin nicht das implizite Vorbringen, dass der Schadenersatzausschluss in diesen AGB (warum auch immer) sittenwidrig und unwirksam sei.
5.2Richtig ist, dass das Erstgericht die Sittenwidrigkeit der Klausel von Amts wegen in der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens in der vorbereitenden Tagsatzung (ON 13.2 Seite 2) thematisierte und festhielt, dass die Klausel „als gröblich benachteiligend zu beurteilen“ sein werde. Diese ohne ein entsprechendes Vorbringen der Klägerin nicht indizierte rechtliche Erörterung des Erstgerichts befreite die Klägerin nicht von der Notwendigkeit, die Unwirksamkeit der Klausel einzuwenden, denn es würde den Grundsätzen des Zivilprozesses geradezu widersprechen, würde das Gericht eine Partei zur Geltendmachung von Umständen auffordern, die die Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung begründen könnten. Es muss vielmehr der Partei selbst überlassen bleiben, ob sie solche Umstände geltend machen und ob sie die Vereinbarung deshalb überhaupt anfechten will (RS0016451). Gerichte sind nicht gehalten, mit einer – zumal anwaltlich vertretenen – Partei die Frage der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit bestimmter Dispositionen materiellrechtlicher Natur zu erörtern und ihr gegenüber auf ein weiteres Vorbringen zur Stützung ihres Begehrens hinzuwirken, wenn das bisherige Vorbringen zur Begründung des Anspruchs nicht ausreicht (vgl RS0037127 [T3]; vgl auch RS0016451), oder gar die Partei dahin anzuleiten, ihr Vorbringen zu überdenken oder zu ergänzen, zumal sich die Gerichte so unzulässigerweise zu zusätzlichen Beratern der Partei machen würden (8 Ob 75/25z [1.2]).
6.Gemäß § 182a ZPO darf zwar auch das Rechtsmittelgericht die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie nicht aufmerksam gemacht worden sind (RS0037300), jedoch darf das Berufungsgericht ein Urteil nicht bloß deshalb aufheben, um einer Partei ein bisher nicht einmal angedeutetes Vorbringen zu ermöglichen ( Klauser/Kodek,JN–ZPO18 § 182 ZPO E 34).
7.Der Klägerin gelingt es somit nicht, erhebliche verfahrensrechtliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, sodass ihr Antrag samt der ordentlichen Revision gemäß § 508 Abs 4 ZPO zurückzuweisen ist.
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