Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Medienrechtssache des Antragstellers Dr. A* gegen die Antragsgegnerin B* GmbHwegen § 6 MedienG über die Berufung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. November 2024, GZ **-37, nach der am 25. September 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Primer und Dr. Hornich, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Abwesenheit des Antragstellers und von organschaftlichen Vertretern der Antragsgegnerin, indes in Gegenwart deren Vertreter Mag. Maximilian Donner-Reichstädter, LL.M., LL.M. (SCU), und Benedikt Kramer, LL.M., durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO iVm §§ 8a Abs 1, 41 Abs 1 MedienG hat die Antragsgegnerin auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht im zweiten Rechtsgang aus, dass durch den Artikel unter der Überschrift „C*“, verbreitet am 18. Februar 2023 auf Seite 20 im Druckwerk „D*“, via der für Android und iOS bestehenden App, und via ** abrufbarer Website, mit dem Bedeutungsinhalt, der Antragsteller, RA Dr. A*, als Verteidiger des Tatverdächtigen, hätte das Opfer im sogenannten „**“ medial in schlechtem Licht erscheinen lassen wollen, im Hinblick auf den Antragsteller der Tatbestand der üblen Nachrede gemäß § 6 MedienG verwirklicht worden sei.
Für die dadurch erlittene persönliche Beeinträchtigung wurden der Antragsgegnerin als Medieninhaberin des periodischen Druckwerkes der Tageszeitung „D*“ sowie einer elektronischen Version des periodischen Druckwerks „D*“, die als „App“ für die Betriebssysteme iOS und Android angeboten wird, die Zahlung von Entschädigungen (ergänze: gemäß § 6 Abs 1 MedienG) hinsichtlich der Veröffentlichung im Printmedium „D*“ in Höhe 2.200,-- Euro, hinsichtlich der unter der entsprechenden App erfolgten Veröffentlichung in Höhe von 1.500,-- Euro und hinsichtlich der Veröffentlichung unter ** in Höhe von 1.500,-- Euro an den Antragsteller auferlegt.
Darüber hinaus verpflichtete das Erstgericht die Antragsgegnerin zu entsprechenden Urteilsveröffentlichungen in den genannten Medien und zum Ersatz der Verfahrenskosten (ergänze: gemäß § 389 Abs 1 StPO iVm §§ 8a Abs 1, 41 Abs 1 MedienG).
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 39) und fristgerecht ausgeführte Berufung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (ON 43), der keine Berechtigung zukommt.
Bei der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe geht eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen der Z 9 bis 10a des § 281 Abs 1 (§ 468 Abs 1 Z 4) StPO vor, jener wegen formeller Nichtigkeitsgründe jedoch nach ( Ratz , WKStPO § 476 Rz 9).
Mit der zunächst zu behandelnden Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld kritisiert die Antragsgegnerin die vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellungen (US 4) zum Bedeutungsinhalt des inkriminierten Artikels, wonach der Leser diesen nicht derart verstehe, dass der Antragsteller Geschworene beeinflusst hätte, sondern, dass die Befürchtung bestehe, durch die Darstellung des Opfers in medial schlechtem Licht wären – die erst zu bestimmenden – Geschworenen der Seite des Opfers abgeneigter und der Seite bzw. mutmaßlichen Verfahrensposition des Verteidigers zugeneigter. Der Leser verstehe den Artikel sohin nicht als – allenfalls strafrechtswidrige, direkte – Beeinflussung von Geschworenen, sondern das Erzeugen eines nachteiligen Bildes des Opfers, sodass allenfalls die zu bestimmenden Geschworenen dem Angeklagten wohlwollender gegenüberstünden.
Diese erstgerichtlichen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt seien nach dem Berufungsvorbringen „ teilweise zu kurz gefasst, teilweise unrichtig“ (ON 43.1, 7). Das Erstgericht ignoriere gegenständlich vollkommen, dass der Verdacht und Vorwurf, dass der Antragsteller das Opfer medial in schlechtem Licht habe darstellen lassen würde, explizit aus dem familiären Umfeld des vermeintlichen Täters gekommen sei. Das Erstgericht habe den Vorwurf gegenüber dem Antragsteller aber nicht der Familie des Täters zugeordnet, sondern ganz pauschal als Bedeutungsinhalt festgestellt.
Diese Argumentation überzeugt nicht.
Vorauszuschicken ist, dass Feststellungsmängel nicht mit Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld releviert werden können (RIS-Justiz RS0122980). Die Beurteilung des Bedeutungsinhalts eines inkriminierten Textes, somit auch die Prüfung, ob dieser eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil enthält, ist eine Tatfrage. Dabei ist der Sinngehalt aus der Sicht jenes Rezipienten, an den sich die Publikation nach ihrer Aufmachung und Schreibweise sowie den behandelten Themen richtet, nach deren Wortsinn aus dem Gesamtzusammenhang der damit inhaltlich im Konnex stehenden Ausführungen zu ermitteln, sodass auf den situativen Kontext abzustellen ist, in den der fragliche Aussagegehalt einzuordnen ist (vgl RIS-Justiz RS0092588; Rami, WK² MedienG Präambel Rz 1/2 ff).
Der Erstrichter legte unter Bezugnahme auf die Entscheidung dieses Senats vom 17. Oktober 2024, AZ 18 Bs 151/24y (Beilage ./O), zum nahezu inhaltsgleichen Artikel und unter rechtsrichtiger Anwendung der genannten Auslegungsprämissen in seiner Begründung nachvollziehbar dar, wie er zu den Feststellungen betreffend den in der Berufung kritisierten Bedeutungsinhalt aus der Sicht des angesprochenen Leserkreises kam (US 5 ff).
Ein wesentlicher inhaltlicher Unterschied zwischen den erstgerichtlichen Feststellungen „Der Medienkonsument aus dem Leserkreis der an aktueller Berichterstattung über Wirtschaft, Politik und Soziales interessierten Leserschaft ohne besonderes Vorwissen im Bereich des Strafrechtes entnimmt dem Beitrag, es habe in der Öffentlichkeit, somit in den Medien, eine negative Darstellung des Opfers der Straftat gegeben, die von der Familie des mutmaßlichen Täters zumindest teilweise als vom für diesen bestellten Rechtsanwalt veranlasst eingestuft wurde. Dieser Umstand habe dazu geführt, dass der des Mordes beschuldigte Mann bzw dessen Familie dem Anwalt das Mandat entzogen habe, weil eine solche Präsentation des Opfers von der Familie des mutmaßlichen Täters nicht toleriert werde, da diese großes Mitgefühl mit der Familie des Opfers habe. […] Diese Vorgehensweise des Anwalts wird dem Leser als derart unangemessen und empörend präsentiert, dass sogar die Familie des vermeintlichen Täters keinerlei Verständnis gehabt habe und infolge dessen veranlasst habe, dem Rechtsanwalt das Mandat zu entziehen. [...] Der Leser versteht den Artikel aber nicht derart, dass der Antragsteller Geschworene beeinflusst hätte, sondern, dass die Befürchtung besteht, durch die Darstellung des Opfers in medial schlechtem Licht wären die – erst zu bestimmenden – Geschworenen der Seite des Opfers abgeneigter und der Seite bzw mutmaßlichen Verfahrensposition des Verdächtigen zugeneigter“ (US 4) und der begehrten Feststellung, der Leser verstehe den inkriminierten Artikel nicht derart, „ dass der Antragsteller Geschworene beeinflusst hätte, sondern, dass dem Antragsteller von der Familie des vermeintlichen Täters das Mandant entzogen wurde, da die Befürchtung bestand, dass teilweise durch dessen Darstellung des Opfers in medial schlechtem Licht – die erst zu bestimmenden – Geschworenen der Seite des Opfers abgeneigter und der Seite bzw. mutmaßlichen Verfahrensposition des Verteidigers zugeneigter wären. Der Leser versteht den Artikel sohin nicht als – allenfalls strafrechtswidrige, direkte – Beeinflussung von Geschworenen, sondern das Erzeugen eines realitätsfernen – Bildes des Opfers (und des Angeklagten), was von der Familie des vermeintlichen Täters teilweise dem Antragsteller zugeordnet werde, sodass allenfalls die zu bestimmenden Geschworenen dem Angeklagten wohlwollender gegenüberstünden. Die Familie des Täters habe großes Mitgefühl mit der Familie des Opfers und sei weniger an einer Eskalation, als an einem fairen Verfahren interessiert.“ (ON 43.1, 8), erschließt sich für das Berufungsgericht nicht.
Wenn damit die Position der Familie des Täters stärker zum Ausdruck gebracht werden soll, wonach diese die Darstellung des Opfers in medial schlechtem Licht dem Antragsteller zugeordnet habe, weshalb die Befürchtung bestehe, dass – die erst zu bestimmenden – Geschworenen der Seite des Opfers abgeneigter und der Seite bzw. mutmaßlichen Verfahrensposition des Verteidigers zugeneigter wären, wird nicht dargelegt, weshalb daraus die von der Antragsgegnerin gewünschte Konsequenz (Abweisung des medienrechtlichen Antrags) abzuleiten wäre, weil der verfahrensgegenständliche Vorwurf gegenüber dem Antragsteller (Veranlassung der negativen Darstellung des Opfers) unverändert bleibt.
Außerdem kritisiert die Antragsgegnerin die erstgerichtliche (negative) Feststellung, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Antragsteller versucht hätte, das Opfer in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen sowie dass er Lichtbilder des Opfers an die Medien weitergegeben und sonstige Informationen zum Opfer weitergegeben hätte (ON 43.1, 8 ff). Dazu wird zunächst ebenfalls auf die Entscheidung dieses Senats im Parallelverfahren (Beilage ./O) verwiesen. Mit ihrem Vorbringen vermag die Antragsgegnerin die Beweiswürdigung des Erstgerichts, welches diese Negativfeststellung auf die für glaubwürdig erachteten Ausführungen des Antragstellers, wonach er in dem kurzen Zeitraum seiner Vollmacht keine Akteneinsicht und damit auch keine Information oder insbesondere keine Lichtbilder zum Opfer gehabt hätte und er als Verteidiger die dargestellte Strategie, das Opfer in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen, auch keinesfalls gewählt hätte (US 7), stützte, nicht zu erschüttern. Mag der Antragsteller auch – wie von der Antragsgegnerin in der Berufungsschrift zutreffend ausgeführt – Kontakt zu mehreren Medien gehabt haben, in denen seine Aussage auch zitiert wurde (Beilagen ./3 und ./4), so beziehen sich die zitierten Angaben des Antragstellers in keinem Punkt auf die Person des Opfers oder dessen Eigenschaften oder konkrete Lebensumstände, sondern ausschließlich auf den Krankheitszustand seines Mandanten, des mutmaßlichen Täters. Zum Opfer gab der Antragsteller in seiner Vernehmung an, er habe dessen Namen gar nicht gekannt, zumal er zu diesem Zeitpunkt noch nicht Akteneinsicht hatte.
Wenn die Antragsgegnerin dem Antragsteller insgesamt die Glaubwürdigkeit abspricht, weil er die Frage, ob er mit den Medien über den Fall gesprochen hätte, trotz der angeführten Artikel verneint habe (ON 6, 8), bzw im Parallelverfahren einräumen habe müssen, zumindest mit einem Medium gesprochen zu haben, und die Aussage des Zeugen E* hingegen für nachvollziehbar, lebensnah und in Einklang mit den vorstehenden Urkunden stehend erachtet, stellt sie damit lediglich eigene Beweiswerterwägungen an, ohne die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu erschüttern, wonach der Antragsteller in dem kurzen Zeitraum seiner Vollmacht keine Akteneinsicht und damit auch keinerlei Information oder insbesondere keine Lichtbilder zum Opfer gehabt hätte, und er als Verteidiger die dargestellte Strategie, das Opfer in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen, auch keinesfalls gewählt hätte (US 7). Das Berufungsvorbringen, wonach es sich nicht um Fotos aus dem Gerichtsakt, sondern um private Lichtbilder des Opfers gehandelt habe (ON 43.1, 10), vermag daran ebensowenig etwas zu ändern wie der Umstand, dass das Mandat sehr schnell und sehr rasch aufgekündigt worden sei. Auch die Aussage des Artikelverfassers E* (ON 43.1, 10), der sich auf zwei Quellen berief (ON 6, 3), vermochte die Beweiswürdigung in diesem Punkt nicht zu erschüttern, weil dieser Zeuge keinen belastbaren Beweis dafür erbringen konnte, dass die in zahlreichen Medien erschienenen (negativen) Bilder des Opfers durch den Antragsteller an die Medien weitergegeben wurden. Im Übrigen steht der Behauptung des Zeugen, er habe versucht, die Kanzlei des Antragstellers zu erreichen (ON 6, 3), die unbekämpft gebliebene Negativfeststellung, es habe nicht festgestellt werden können, dass versucht worden wäre, den Antragsteller vor Veröffentlichung des Artikels zu kontaktieren (US 5), gegenüber.
Insgesamt stellt die Berufungswerberin lediglich eigene beweiswürdigende Erwägungen jenen des Erstgerichts entgegen, ohne jedoch begründete Zweifel an den schlüssigen und nachvollziehbaren Erwägungen des Erstgerichts zu wecken. Das Berufungsgericht hegt bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung ebenfalls keine Zweifel an deren Richtigkeit.
Die erstgerichtliche Beweiswürdigung ist somit nicht zu beanstanden und die Schuldberufung der Antragsgegnerin bleibt daher erfolglos.
Mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO macht die Antragsgegnerin einen Feststellungsmangel geltend, und bringt dazu vor, das Erstgericht habe rechtsirrig keine Feststellungen dazu getroffen, dass sich in einigen Zeitungsberichten tatsächlich Lichtbilder des Opfers in lasziven Posen gefunden hätten und darüber berichtet worden sei, dass dem Mord einvernehmlicher Geschlechtsverkehr zwischen Täter und Opfer auf einem Waldweg vorausgegangen sei (Beilage ./4).
Dazu ist anzumerken, dass bei Ausführung materiell-rechtlicher Nichtigkeitsgründe unter Heranziehung der tatsächlich getroffenen Urteilsfeststellungen ein Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz vorgenommen und auf dieser Grundlage der Einwand entwickelt werden muss, dass dem Erstgericht bei Beurteilung dieses Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sei ( Mayerhofer StPO 5 § 281 Abs 1 Z 9a Rz 5) bzw dass die getroffenen Urteilsannahmen nicht ausreichen, um das Vorliegen der rechtlichen Merkmale der Qualifikation beurteilen zu können, oder, dass Verfahrensergebnisse auf bestimmte, für eben diese Subsumtion rechtlich erheblichen Umstände hingewiesen haben und dessen ungeachtet entsprechende klärende Feststellungen unterlassen wurden ( Mayerhofer, aaO Z 10 E 9a). Demgemäß ist auch eine Rechtsrüge, die eine im Urteil festgestellte Tatsache verschweigt oder bestreitet und ihren rechtlichen Überlegungen einen anderen Sachverhalt zugrunde legt, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.
Tatsächlich ergibt sich bereits aus den Feststellungen zum Bedeutungsinhalt, es habe in der Öffentlichkeit, somit in den Medien, eine negative Darstellung des Opfers der Straftat gegeben, die von der Familie des mutmaßlichen Täters zumindest teilweise als vom für diesen bestellten Rechtsanwalt veranlasst eingestuft wurde (US 4), dass derartige Veröffentlichungen tatsächlich stattgefunden haben. Die Berufungswerberin legt nicht dar, inwiefern die begehrten zusätzlichen Feststellungen die angestrebte rechtliche Beurteilung (Nichterfüllung des § 111 StGB bzw des § 6 Abs 1 MedienG) zur Folge hätten. Die Nichtigkeitsberufung zielt daher in diesem Punkt ins Leere.
Ebenfalls unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO bekämpft die Antragsgegnerin die rechtliche Beurteilung, wonach der vom Erstgericht gezogene Schluss, dass seitens der Medienkonsumenten notorisch der Anspruch an ein Gerichtsverfahren darin bestehe, dass die Wahrheit ans Licht gebracht werden möge, weshalb Strategien, wie dies unter Zuhilfenahme eines negativ zurechtgezimmerten Persönlichkeitsbildes des Opfers konterkarieren, als unlautere Tricks erachtet werden, und stehe dies in der allgemeinen Wahrnehmung dem Ansehen eines mit moralischer Rechtschaffenheit versehenen Rechtsanwaltes entgegen. Dieser Vorwurf sei daher in rechtlicher Hinsicht geeignet, den Antragsteller in seinem sozialen Ansehen herabzusetzen. Die Berufungswerberin vermeint hingegen, dass richtigerweise diese Vorgehensweise den Antragsteller nicht in seinem sozialen Ansehen herabsetze, sondern diese Vorgehensweise von den angesprochenen Lesern als legale Verteidigungstaktik im Interesse des Beschuldigten aufgefasst werde. Tatsächlich stelle die Strategie eines Verteidigers, das Bild des von ihm verteidigten vermeintlichen Täters in der Öffentlichkeit zu verbessern und jenes des Opfers zu verschlechtern, keine Vorgehensweise dar, die ein strafbares oder standeswidriges Verhalten, geschweige denn sonst rechtswidriges Verhalten begründen würde. Vor allem stelle dies auch keine Vorgehensweise dar, die geeignet wäre, den Antragsteller in der öffentlichen Meinung herabzusetzen. Vielmehr sei die bestmögliche Verteidigung seines Klienten Aufgabe eines Strafverteidigers, um entweder eine strafrechtliche Verurteilung zu verhindern oder eine unvermeidbare Strafe möglichst gering zu halten.
Diese rechtliche Beurteilung der Antragsgegnerin ist unzutreffend.
Der gegen den Antragsteller erhobene Vorwurf besteht darin, er habe als Anwalt des mutmaßlichen Täters eine negative Berichterstattung über das Opfer zumindest teilweise mitveranlasst, um die Rechtsposition des mutmaßlichen Täters im Strafverfahren zu verbessern. Somit ist in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen, ob der gegen den Rechtsanwalt erhoben Vorwurf tatbildlich im Sinn des § 111 StGB ist. Dazu wird ebenfalls auf die Erwägungen des erkennenden Senats im Parallelverfahren (Beilage ./O) verwiesen:
„Es trifft zwar zu, dass ein Anwalt die bestmögliche Verteidigung des Klienten verfolgen muss, um eine strafrechtliche Verurteilung zu verhindern oder eine unvermeidliche Strafe möglichst gering zu halten, jedoch wird in der gegenständlichen Veröffentlichung, wie oben dargelegt, nicht der Vorwurf erhoben, der Verteidiger habe im Rahmen des Strafverfahrens oder Strafprozesseseine für seinen Klienten optimale Verteidigungsstrategie gewählt, in der zulässigerweise auch die Hintergründe eines Opfers beleuchtet werden können. Vielmehr wird konkret der Vorwurf erhoben, dass ein Verteidiger bereits zu Beginn des Strafverfahrens, unmittelbar nach der Festnahme des Klienten, proaktiv an die Medien herangetreten sei und eine für das Opfer negative Berichterstattung veranlasst hat, wodurch er die im konkreten Strafprozess nicht involvierte Öffentlichkeit zu Gunsten seines Klienten und zu Lasten eines Opfers beeinflusst habe. Diese Strategie der massiven einseitigen Öffentlichkeitsarbeit zu Lasten eines Verbrechensopfers („Anpatzen“ des Opfers in den Medien durch Darstellung als leichtlebig und moralisch fragwürdig) ist aber – wie das Erstgericht zutreffend erkannte – für einen Anwalt und Strafverteidiger ehrenrührig und erfüllt den Tatbestand des § 111 StGB, geht sie doch nach dem Verständnis des angesprochenen Leserkreises weit über eine legitime Verteidigungsstrategie hinaus. Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO liegt somit nicht vor, da das Erstgericht zu Recht die Tatbestandsmäßigkeit nach § 6 MedienG bejahte.“
Ebenfalls mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (der Sache nach jedoch lit b leg cit) macht die Berufungswerberin ausgehend vom festgestellten Bedeutungsinhalt das Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 6 Abs 2 Z 2 lit a MedienG geltend und überzeugt auch damit nicht.
Fallbezogen ist - ausgehend von den Urteilsfeststellungen - zunächst klarzustellen, dass die inkriminierte Äußerung kein Werturteil ist, sondern eine Tatsachenaussage.
Für den Wahrheitsbeweis gilt: Das Thema des Wahrheitsbeweises muss zum Sinngehalt eines inkriminierten Vorwurfs kongruent sein (arg „die Behauptung“ in § 111 Abs 3 erster Satz StGB und „die Veröffentlichung“ in § 6 Abs 2 Z 2 lit a MedienG; OGH 15 Os 44/01; 15 Os 151/10k; 15 Os 92/11k). Falsche Behauptungen auf der Grundlage eines bestimmten Sachverhalts können nicht mit einem anderen, wenn auch allenfalls richtigen Sachverhalt gerechtfertigt werden; somit bilden nur diejenigen Tatsachenbehauptungen ein zulässiges Beweisthema, die im Zusammenhang mit der bekämpften Äußerung aufgestellt werden, weil nur diese beim Empfänger einen (richtigen oder falschen) rufschädigenden Eindruck herbeiführen können (OLG Wien 24 Bs 244/00, MR 2001, 79; 18 Bs 25/16; 18 Bs 102/16f, MR 2016, 267). Der Wahrheitsbeweis ist daher nur dann erbracht, wenn sich die Behauptung in ihrem wesentlichen Inhalt, also im Kern, als richtig erweist (RIS-Justiz RS0079693, RS0115694) bzw wenn sie lediglich in unwesentlichen Einzelheiten falsch ist (s Rami, aaO StGB § 111 Rz 28/1 und 29 mit zahlreichen Nachweisen).
Wird - wie im vorliegenden Fall – jemandem konkret der Vorwurf gemacht, er habe verdachtsmäßig lasziv aufgemachte und private Abbildungen des Mordopfers an Medien weitergegeben, um dieses in einem schlechten Licht dastehen zu lassen, muss auch genau dieser Vorwurf zutreffend sein (vgl Rami , aaO § 111 Rz 29 mwN). Erwiesen werden muss daher nicht bloß das behauptete Verhalten, wonach lasziv aufgemachte und private Abbildungen des Mordopfers an Medien weiter gegeben wurden, um dieses in einem schlechten Licht dastehen zu lassen, sondern auch der Umstand, dass dieses Verhalten (zumindest teilweise) seitens des Antragstellers erfolgt ist. Dieser Wahrheitsbeweis konnte von der Antragsgegnerin aber gerade nicht erbracht werden (US 8 f). Nach den vom Erstgericht getroffenen und nicht zu beanstandenden Feststellungen konnte nämlich nicht erwiesen werden, dass der Antragsteller versucht hätte, das Opfer in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen und er Lichtbilder des Opfers an die Medien weitergegeben oder sonstige Informationen zum Opfer weitergegeben hätte (US 5).
Auch Art 10 MRK bietet keinen Deckmantel für unwahre Tatsachenbehauptungen ( Rami, aaO MedienG Präambel Rz 10; Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Praxiskommentar MedienG 4Präambel Rz 42 jeweils mwN); es gibt daher auch kein Recht auf freie Meinungsäußerung auf der Grundlage unrichtiger oder nicht bewiesener Tatsachenbehauptungen (RIS-Justiz RS0032201 [T9]), weshalb sich die Antragsgegnerin auch nicht erfolgreich auf Art 10 MRK berufen kann.
Die Berufung wegen Nichtigkeit ist daher zu verwerfen.
Letztlich bleibt auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe, die eine Herabsetzung der vom Erstgericht zugesprochenen Entschädigungsbeträge begehrt, erfolglos.
Nach § 8 Abs 1 MedienG ist die Höhe des Entschädigungsbetrages insbesondere nach Maßgabe des Umfangs, des Veröffentlichungswerts und der Auswirkungen der Veröffentlichung, etwa die Art und des Ausmaßes der Verbreitung des Mediums, bei Websites auch der Zahl der Endnutzer, die die Veröffentlichung aufgerufen haben, zu bemessen. Hat ein Betroffener auf Grund einer Veröffentlichung nach mehreren Bestimmungen Anspruch auf Entschädigung, so ist ein einziger entsprechend höher bemessener Entschädigungsbetrag festzusetzen. Auf die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medieninhabers ist Bedacht zu nehmen.
Gegenständlich sind die Entschädigungsbeträge unter Berücksichtigung einerseits der Intensität des medialen Angriffs in formaler (Veröffentlichungswert) und in inhaltlicher Hinsicht (zB Wortwahl) sowie andererseits auch des Ausmaßes der Verbreitung der Medien (vgl Berka , aaO Vor §§ 6-8a Rz 43 ff) ausgehend von einem Entschädigungsrahmen von 100,-- bis zu 40.000,-- Euro pro Veröffentlichung - zutreffend differenziert bemessen worden (US 7 ff). Dabei wurde in nicht zu beanstandender Weise der notorisch hohe Verbreitungsgrad, der sich auch als Beilage ./F ergibt, der Umstand, dass die Veröffentlichung vorwiegend ein lokal eingeschränktes Interesse bediente und insgesamt dem Leser nur eine Verdachtslage präsentiert wurde, bei gleichzeitiger Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medieninhabers angemessen ins Kalkül gezogen, weshalb die ohnehin im unteren Bereich festgesetzten Entschädigungsbeträge einer Reduktion nicht zugänglich sind.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
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