Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat am 12. September 2025 durch die Richterin Mag. Frigo als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Bahr und Mag. Seidenschwann, LL.B (WU) als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* B*wegen § 310 Abs 1 StGB über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 13. Februar 2025, GZ ** 10.3, in der in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher, MAS, LL.M sowie in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Manfred Arbacher-Stöger durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe Folgegegeben und der Strafausspruch dahin abgeändert, dass unter Anwendung des § 37 StGB über den Angeklagten eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30,- Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitstrafe von 90 Tagen, verhängt wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* B* des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* B* am 16. November 2023 in ** als Polizeibeamter des Landeskriminalamts C*, indem er seiner Ehegattin C* B* in einer WhatsApp-Nachricht mitteilte, dass E* des schweren sexuellen Missbrauchs an dessen unmündiger Tochter verdächtig sei und als Beschuldigter einvernommen werde, ein ihm ausschließlich kraft seines Amts zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart, dessen Offenbarung geeignet war, ein berechtigtes privates Interesse, nämlich jenes des E* auf Geheimhaltung von gegen ihn gerichteten Ermittlungsmaßnahmen gegenüber Dritten, zu verletzen.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht erschwerend keinen Umstand, mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel.
Ein Vorgehen nach den §§ 198 ff StPO erachtete das Erstgericht aufgrund der mangelnden Verantwortungsübernahme des Angeklagten als nicht zulässig.
Die Verhängung einer Geldstrafe nach § 37 StPO sah das Erstgericht als nicht indiziert an, weil der Angeklagte das Amtsgeheimnis völlig anlasslos bloß aus privatem Mitteilungsbedürfnis wissentlich offenbart hatte. Daher sei davon auszugehen, dass einer Geldstrafe nicht die für ihn erforderliche nachhaltige Warnfunktion zukäme.
Gegen dieses Urteil richtet sich die unmittelbar nach Urteilsverkündung angemeldete (ON 10.2, 33) und rechtzeitig ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (ON 11.1), mit der er die Aufhebung des Urteils, die Wiederholung des Beweisverfahrens und die Fällung eines Freispruchs, in eventu die Zurückweisung der Strafsache an das Erstgericht, in eventu die Herabsetzung der Freiheitsstrafe bzw Verhängung einer Geldstrafe nach § 37 StGB und deren bedingte Nachsicht anstrebt.
Der Berufung kommt nur im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.
Bei der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe geht eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen der Z 9 bis 10a des § 281 Abs 1 StPO vor, jener wegen formeller Nichtigkeitsgründe jedoch nach ( Ratz, WK StPO § 476 Rz 9).
Die aus Z 4 des § 281 Abs 1 (iVm § 489 Abs 1) StPO ergriffene Berufung wegen Nichtigkeit ist nicht berechtigt.
Die Verfahrensrüge, das Erstgericht habe seine Manuduktionspflicht dadurch verletzt, dass es den unvertretenen Angeklagten „nicht zur Stellung des Beweisantrages auf Einvernahme des AI F*“ angeleitet habe, weil AI F* Zeuge des vom Angeklagten behaupteten Ansprechens durch einen Passanten vor dem G*-Markt im Zuge des Wurstsemmelkaufes am 16. November 2023 gewesen sei und darüber hinaus es nicht Sache des Plandienstes sei, den LKA-Ordner durchzusehen bzw auch dafür, dass der Angeklagte an diesem Tag den LKA Ordner nicht durchgesehen habe, übersieht, dass die Bestimmung des § 3 StPO es dem Gericht nicht zur Pflicht macht, aus dem Angeklagten möglicherweise ihn entlastende Umstände und die hiefür etwa vorhandenen Beweise erst herauszuholen. Nur dann, wenn der Angeklagte einen ihn entlastenden Umstand selbst vorbringt und hinzufügt, er habe beispielsweise Zeugen hiefür, ist das Gericht gemäß dem § 3 StPO verpflichtet, den Angeklagten darüber zu belehren, dass er das Recht habe, die von ihm erwähnten Zeugen namhaft zu machen und deren Einvernahme zu beantragen (RIS-Justiz RS0096346).
Indem der Berufungswerber mit Schreiben vom 24. Jänner 2025 (ON 7) unter anderem die Ladung des AI F* zum Beweis dafür beantragte, dass der Berufungswerber im Raum **, ** und darüber hinaus eine durch die Feuerwehr und Musik bekannte Person sei und es des Öfteren vorkomme, dass er (auch während des Außendienstes) von unbekannten Personen angesprochen werde, welche ihn kennen und ihn irgendwelche Geschichten (so wie die AH E* betreffend) erzählen würden, sohin zu einem anderen Beweisthema, und das Erstgericht in der Hauptverhandlung dessen Anträge erörterte, den Berufungswerber dahingehend manuduzierte, dass die schriftlichen Beweisanträge in der Hauptverhandlung mündlich gestellt werden müssen (ON 11.2, 19 ff) sowie den Berufungswerber, nachdem er keine Anträge stellte, im Anschluss daran aufforderte sein Schlussplädoyer zu halten, weil „vielleicht noch irgendwelche Beweisanträge drinnen“ seien (ON 10.2, 28) und der Berufungswerber keinerlei Angaben dazu tätigte, dass AI F* - wie nunmehr erstmals in den Berufungsausführungen - Wahrnehmungen zu dem Gespräch mit dem unbekannten Dritten beim G* gemacht zu haben, liegt keine Verletzung der Manuduktionspflicht vor.
Des weiteren versagt auch der Einwand der Nichtbehandlung des schriftlich eingebrachten Beweisantrages, weil nur Beweisanträge, die während der Hauptverhandlung gestellt wurden, Grundlage einer Verfahrensrüge sein können. Anträge, die in Schriftsätzen außerhalb der Hauptverhandlung eingebracht wurden, erfüllen diese Voraussetzungen nur, wenn sie vom Antragsteller in der Hauptverhandlung wiederholt wurden. Eine bloße Verlesung (durch das Gericht) ersetzt die Antragstellung in der Hauptverhandlung nicht. Das gilt auch, wenn sich das Gericht - demnach überflüssig - in einem Zwischenerkenntnis mit dem in den Schriftsätzen enthaltenen Beweisanträgen auseinandersetzte (RIS-Justiz RS0099099).
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld kommt keine Berechtigung zu, denn es gelingt dem Berufungswerber nicht, Zweifel an der schlüssigen Beweiswürdigung zu erwecken. Der Erstrichter unterzog die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer denkrichtigen sowie lebensnahen Würdigung und legte mit ausführlicher Begründung überzeugend dar, wie er nicht zuletzt aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen unmittelbaren Eindrucks von der Persönlichkeit des Angeklagten und der Zeugen zu den Feststellungen über die entscheidenden Tatsachen gelangte und weshalb er der leugnenden Verantwortung des Angeklagten die Glaubwürdigkeit versagte (US 5 f).
Die Konstatierungen zum objektiven Tatgeschehen der bekämpften Feststellungen stützte der Erstrichter auf die glaubwürdigen Zeugenaussagen von E* und Bgdr H*, BA sowie auf die chronologische zeitliche Abfolge der Ereignisse.
In diesem Zusammenhang setzte er sich ausführlich mit der Verantwortung des Angeklagten, vom vermeintlichen schweren sexuellen Missbrauch durch E* von einem unbekannten Dritten im Zuge des Einkaufens beim G* erfahren zu haben, auseinander und folgerte aus der Chronologie der zeitlichen Abfolge, nämlich dem nach Dienstende des Angeklagten am 15. November 2023 in sein Funktionspostfach der von der PI I* am 15. November 2023 um 20.38 Uhr eingelangten E-Mail samt Tagesdokumentation einer an diesem Tag erfolgten Anzeigenerstattung der Dr. J* gegen E* wegen schweren sexuellen Missbrauchs, dem Dienstbeginn des Angeklagten am 16. November 2023 um 7.00 Uhr und der Übermittlung der inkriminierten WhatsApp-Nachrichten um 9.15 Uhr an seine damalige Ehefrau D* B*, dass der Angeklagte bei lebensnaher Betrachtung nur im Zuge der Durchsicht seiner dienstlichen Mails Kenntnis von der Anzeigenerstattung gegen E* erlangt haben kann.
Gegen die Annahme einer derart schnellen Verbreitung der Anzeigenerstattung, dass ein unbekannter Dritter bereits am 16. November 2023 in der Früh Kenntnis von den Ermittlungen gegen E* hatte, spricht auch die nachvollziehbare Aussage des Zeugen E*, der selbst erst am Vormittag des Folgetags der Anzeigenerstattung – sohin zu einem Zeitpunkt, als der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Nachrichten bereits übermittelte – vom konkreten Umfang des Verdachts erfahren und am gleichen Tag lediglich seine Lebensgefährtin und seine Rechtsanwältin davon informiert habe, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass diese Personen die Information als Gerücht nach außen getragen haben.
Sofern der Angeklagte vermeint, dass die Textierung seiner Nachrichten an seine damalige Ehefrau, wo er mitunter geschrieben habe, dass die Vernehmung des E* „gerade“ erfolgen würde und an der Geschichte „etwas dran sein dürfte“, für seine Verantwortung spreche, lediglich ein von einem unbekannten Dritten zugetragenes Gerücht weiterverbreitet zu haben, übersieht er, dass sich der Erstrichter auch mit dieser Argumentation ausführlich auseinandersetzte und in nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss kam, dass die Unschärfen bei der Textierung darauf zurückzuführen sind, dass der Angeklagte die Tagesdokumentation nicht genau studiert, sondern sich bloß auf die für ihn interessant erscheinenden Punkte der Identität des Beschuldigten und des konkreten Tatvorwurfs fokussiert hat und die weiteren Ermittlungsschritte falsch aufgefasst oder in den Nachrichten an die Zeugin falsch bzw verkürzt wiedergegeben hat.
Die Einschätzung des Erstrichters, dass sich Gerüchte nicht derart schnell verbreiten und bei lebensnaher Betrachtung zu erwarten wäre – selbst unter der Annahme, der Angeklagte werde oft von ihm unbekannten Personen angesprochen, weil er als Musiker und Mitglied bei der Feuerwehr bekannt sei – dass gerade eine solche ungewöhnliche Begegnung mit der Mitteilung eines äußerst außergewöhnlichen Inhalts beim Angeklagten konkreter im Gedächtnis bleiben würde und seine Rechtfertigungsversuche, dass es sich um keine interessante Sache für ihn gehandelt habe, obwohl er es offenbar doch für so interessant gehalten hat, es umgehend seiner Ehegattin zu schreiben, erweist sich als schlüssig und nachvollziehbar.
Der Erstrichter führte somit insgesamt unter lebensnaher und mit den Denkgesetzen im Einklang stehender Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen nachvollziehbar aus, aus welchen Gründen er der Verantwortung des Angeklagten nicht folgte.
Auch die Ableitung der subjektiven Tatseite gerade bei leugnenden Tätern ohne Weiteres rechtsstaatlich vertretbar und methodisch gar nicht zu ersetzen ( Ratz, WK StPO § 281 Rz 452; RISJustiz RS0116882, RS0098671) - aus dem objektiven Tatgeschehen (US 9), begegnet keinen Bedenken.
Da der Berufungswerber zusammengefasst nur eigene beweiswürdigende Erwägungen denen des Erstgerichts mit dem Anspruch deren alleiniger Richtigkeit entgegen stellt, weckt er dergestalt an der nachvollziehbaren und mit logischen Denkgesetzen sowie dem Akteninhalt in Einklang stehenden Beweiswürdigung des Erstgerichts und den darauf gegründeten Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht aber keine Bedenken. Da auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hat, ist die Schuldberufung zu verwerfen.
Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a [iVm § 489 Abs 1]) StPO, leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565), warum es neben den zusammengefassten und unmissverständlichen Feststellungen zum Inhalt des E-Mails der PI I* vom 15. November 2023, 20:38 Uhr (US 3), des genauen Inhalts des E-Mails für die Verwirklichung des § 310 StGB bedurft hätte. Vielmehr bekämpft er unzulässigerweise im Rahmen der Nichtigkeit die Beweiswürdigung, wenn er vermeint, die Feststellungen zum Wortlaut der Nachrichten an die Zeugin B* und der Inhalt des E-Mails der PI I* würden in seinem „objektiven Gehalt“ voneinander abweichen.
Ebenso erfordert die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge nach § 281 Abs 1 Z 10a (iVm § 489 Abs 1) StPO eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen im Urteilszeitpunkt(RIS-Justiz RS0124801, RS0116823). Diese Kriterien verfehlt die Berufung, indem sie das Fehlen einer von entsprechendem Unrechtsbewusstsein getragenen Bereitschaft des Angeklagten zur Verantwortungsübernahme übergeht (vgl US 8; beweiswürdigende Erwägungen US 5 ff), die aber für die diversionelle Erledigung erforderlich ist (vgl RIS-Justiz RS0126734, RS0116299).
Lediglich der Berufung wegen Strafe kommt Berechtigung zu.
Zu Recht moniert der Berufungswerber, dass dem Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels besondere Bedeutung zukommt, weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt bereits 38 Jahre alt war und das inkriminierte Verhalten im deutlichen Widerspruch zu seinem sonstigen Lebenswandel als Polizeibeamter steht. Wenngleich nicht übersehen wird, dass der Angeklagte als Polizeibeamter tätig ist und zur Wahrung des Vertrauens der Allgemeinheit in ein rechtstreues Verhalten von Beamten und Stärkung der Rechtstreue in diesem Berufsstand die Tathandlung nicht bagatellisiert werden darf, so ist in Übereinstimmung mit dem Berufungsausführungen im konkret zu beurteilenden Fall der Schuldgehalt und der Gesinnungsunwert der Tathandlung doch als gering einzustufen.
Daher kommt aus spezialpräventiven Erwägungen dem Begehren des Berufungswerbers auf Verhängung einer Geldstrafe an Stelle einer Freiheitsstrafe nach § 37 StGB Berechtigung zu, wobei deren gänzliche bedingte Nachsicht schon vom Gesetz ausscheidet.
Bei rechtbesehener Abwägung der vom Erstgericht vollständig erfassten besonderen Strafzumessungsgründe und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich demnach – bei dem zur Verfügung stehenden Strafmaß des § 310 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB (Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen) - die Verhängung einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen schuld- und tatangemessen sowie dem sozialen Störwert, der Rechtsgutbeeinträchtigung und auch spezial- wie generalpräventiven Erfordernissen Rechnung tragend.
Ausgehend von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten, der 3.200 Euro netto 14 x jährlich verdient, Vermögen in Form eines Bausparvertrages in Höhe von 7.000 Euro aufweist, hingegen Sorgepflichten für drei Kinder in Höhe von 1.500 Euro und Schulden in Höhe von 40.000 Euro zu tragen hat (US 2; ON 2.3), bemisst sich die Höhe des Tagessatzes mit 30 Euro.
Gemäß § 19 Abs 3 StGB war für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen festzusetzen.
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