Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a zweiter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Juli 2025, GZ **-38.2, sowie dessen implizite Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a StPO nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Salfelner LL.M. sowie des Angeklagten A* und seines Verteidigers Dr. Thomas Wiesinger durchgeführten Berufungsverhandlung am 4. September 2025
I. zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II. den Beschluss gefasst:
Der Beschwerde wird dahin Folgegegeben, dass gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der dem Angeklagten mit Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Februar 2020, AZ **, und des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 15. Februar 2024, AZ **, gewährten bedingten Strafnachsichten abgesehen und gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 6 StPO die Probezeit zur letztgenannten Verurteilung auf fünf Jahre verlängert wird.
Im Übrigen wird der Beschwerde nicht Folge gegeben.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auch ein Einziehungserkenntnis enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a zweiter Fall SMG (I./A./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB – unter Vorhaftanrechnung – nach § 27 Abs 2a SMG zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. In einem wurden gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB die ihm mit Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. November 2018, AZ **, vom 20. August 2019, AZ **, und vom 18. Februar 2020, AZ **, sowie des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 15. Februar 2024, AZ **, gewährten (teil-)bedingten Strafnachsichten widerrufen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* in ** vorschriftswidrig Suchtgift(,)
I./A./ nämlich zwei Stück Compensan (enthaltend Morphin), am 19. März 2025 auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, und zwar im Nahebereich des Stationsgebäudes **, öffentlich einem verdeckten Ermittler gegen ein Entgelt von 20 Euro überlassen;
II./ wiederholt zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar „in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum“ bis zum 19. März 2025 Kokain (enthaltend Cocain) und Cannabiskraut (enthaltend Delta-9-THC und THCA).
Bei der Strafbemessung wertete der Erstrichter neun einschlägige Vorstrafen, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen erschwerend, mildernd demgegenüber das reumütige Geständnis und die Sicherstellung des unter I./A./ angeführten Suchtgifts. Weiters berücksichtigte er im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung die Tatbegehung innerhalb offener Probezeiten aggravierend.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig mit (erkennbar) umfassendem Anfechtungsziel („Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung“) angemeldete (ON 39) und fristgerecht zu ON 49 ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe. Gegen den Beschluss nach § 494a StPO wendet sich seine implizite Beschwerde.
Soweit der Berufungswerber in der Mängelrüge (nominell § 281 Abs 1 Z 5 erster und zweiter Fall StPO) - indes unzutreffend (vgl dazu die Konstatierungen auf US 4; RIS-Justiz RS0099810) - moniert, das Erstgericht habe „zu Faktum II./ zu wenige Feststellungen getroffen“, ist ihm zu entgegnen, dass der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund in Bezug auf nicht getroffene Feststellungen von vornherein nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0128974). Warum der Umstand, dass sich der Angeklagte in einem „Substitutionsprogramm“ befunden haben mag, eine entscheidende Tatsache betreffen sollte (RIS-Justiz RS0106268), macht die Berufung im Übrigen nicht klar.
Zur Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist vorweg festzuhalten, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussagen ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Selbst der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336).
Ausgehend von diesen Erwägungen gelingt es der Berufung wegen Schuld nicht, Zweifel an der sorgfältigen Beweiswürdigung des Erstrichters zu wecken, zumal sich dieser auf die geständige Verantwortung des Angeklagten (ON 38.1 S 2 f; ON 2.7 S 3 f) stützten konnte, die im Umfang des Schuldspruchs I./A./ auch mit den – einverständlich zusammengefasst vorgetragenen - Angaben des B* (ON 2.8 S 3 ff, ON 19.1 S 3) sowie der einschreitenden Polizeibeamten (ON 19.1 S 4 f) in Einklang steht. Aufgrund der Ausführungen der Polizeibeamten konnten auch zwanglos die Feststellungen zur öffentlichen Begehung der unter I./A./ des Schuldspruchs angeführten Tat getroffen werden. Die Konstatierungen zu II./ des Schuldspruchs begegnen angesichts des Zugeständnisses des Angeklagten, „unregelmäßig Cannabiskraut und Kokain“ konsumiert zu haben (ON 2.7 S 3), gleichfalls keinen Bedenken.
Das Vorliegen der jeweiligen subjektiven Tatseite wurde vom Erstgericht empirisch einwandfrei aus dem äußeren Tatgeschehen (vgl RIS-Justiz RS0116882, RS0098671) in Zusammenhalt mit der geständigen Verantwortung des Angeklagten abgeleitet.
Die Ausführungen des Angeklagten, er habe sich „im Substitutionsprogramm“ befunden, sei „bei der Verhaftung stark alkoholisiert“ gewesen und es seien „zu wenig Feststellungen“ getroffen worden, gehen schon angesichts des Umstands, dass die Berufung wegen Schuld ausschließlich der Bekämpfung tatsächlich getroffener Feststellungen dient (RIS-Justiz RS0122980), ins Leere.
In einer Gesamtschau hat auch das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Berufung wegen Schuld anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage.
Grundlage für die Bemessung der Strafe nach § 32 StGB ist die Schuld des Täters. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte. Im allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können.
Die seitens des Erstgerichts ansonsten zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründe sind zunächst zum Nachteil des Angeklagten dahin zu ergänzen, als der Umstand, dass er die Taten während offenen Strafvollzuges – nämlich vor Vollzug der im Verfahren AZ ** des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien verhängten Freiheitsstrafe – verübte, zusätzlich erschwerend wirkt (15 Os 16/99).
Demgegenüber gelingt es dem Angeklagten nicht, weitere Milderungsgründe für sich ins Treffen zu führen.
Denn ein selbstverschuldeter, durch den Genuss berauschender Mittel hervorgerufener, die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließender Rauschzustand kann nur ausnahmsweise mildernd sein, nämlich nur dann, wenn der Vorwurf, dass sich der Täter in einen solchen Zustand versetzt hat, die durch den Rauschzustand bewirkte Herabsetzung der Zurechnungsunfähigkeit nicht aufwiegt (RIS-Justiz RS0091056); ein solcher Ausnahmefall ist in casu – selbst bei Zutreffen der erstmals in der Berufung erhobenen Behauptung des Angeklagten, er sei „durch die Einnahme von Tabletten und Alkohol“ „leicht beeinträchtigt“ gewesen, - nicht gegeben.
Ebensowenig wirkt die behauptete Bereitschaft zur Absolvierung einer Drogentherapie mildernd (15 Os 76/00).
Bei objektiver Abwägung der wie dargestellt zum Nachteil des Angeklagten korrigierten Strafzumessungslage und allgemeiner Strafzumessungserwägungen im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 StGB sowie unter gebotener Berücksichtigung auch generalpräventiver Erwägungen ( Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 15§ 32 Rz 7) erweist sich - insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Vorstrafen und des raschen Rückfalls - die durch das Erstgericht bei einem unter Anwendung des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe mit lediglich einem Drittel der Strafobergrenze ausgemessene Sanktion als ohnehin moderat und damit einer Reduktion jedenfalls nicht zugänglich.
Die Voraussetzungen für eine auch nur teilbedingte Strafnachsicht waren nicht gegeben, weil schon angesichts des angeführten, spezifisch einschlägig getrübten Vorlebens und der neuerlichen Straffälligkeit im raschen Rückfall innerhalb offener Probezeiten nicht anzunehmen ist, dass eine solche ausreichen werde, um den Angeklagten künftig von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.
Der Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe war sohin insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Demgegenüber erweist sich dessen (implizite) Beschwerde als teilweise berechtigt:
Zwar macht es die wiederholte Straffälligkeit des Angeklagten seit den Verurteilungen in den Jahren 2018 und 2019 (AZ ** und AZ ** jeweils des Landesgerichts für Strafsachen Wien) zu (teil-) bedingten Freiheitsstrafen aus spezialpräventiven Gründen erforderlich, selbige zusätzlich zur hier verhängten Sanktion zu widerrufen. Demgegenüber bedarf es aber angesichts des nunmehr bevorstehenden, erstmals mehrjährigen Strafvollzugs nicht auch zusätzlich des Widerrufs der mit Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Februar 2020, AZ **, sowie des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 15. Februar 2024, AZ **, gewährten bedingten Strafnachsichten, um A* von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Zur letztgenannten Verurteilung war jedoch die Probezeit auf das gesetzlich Höchstmaß zu verlängern, da dies zur weiteren Sicherstellung eines künftig rechtstreuen Wandels des Angeklagten geboten ist.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
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