Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1 und 15 StGB über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie des Ausspruchs über die privatrechtlichen Aussprüche gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. April 2025, GZ **18.2, sowie die implizite erhobene Beschwerde des Genannten gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss gemäß §§ 50, 51 StGB nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Mathes, im Beisein des Richters Mag. Gruber und der Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski, der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. Mayrhofer sowie in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Lohsmann durchgeführten Berufungsverhandlung am 26. August 2025
I) zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last;
II) den
B e s c h l u s s
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenenauch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von den Vorwürfen des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB, des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB enthaltendenUrteil wurde der am ** geborene syrische Staatsangehörige A* wegen der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1 und 15 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 83 Abs 1 StGB zu einer unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt.
Weiters wurde A* gemäß § 366 Abs 2 StPO iVm § 369 Abs 1 StPO dazu verhalten, dem Privatbeteiligten B* EUR 600, binnen 14 Tagen zu zahlen.
Mit gleichzeitigem Beschluss wurde dem Angeklagten gemäß §§ 50, 51 StGB die Weisung erteilt, für die Dauer der Probezeit jegliches Zusammentreffen sowie Kontaktaufnahmen mit C* zu unterlassen und sich ihr auf 100 m nicht zu nähern.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* in **
I./ C* am 14. Juli 2024 bei der U3 Station ** am Körper zu verletzen versucht, indem er ihr mit der flachen Hand gegen den Kopf schlug und sie an den Haaren zog, wobei es zu keinen Verletzungen kam;
II./ am 23. September 2024 B* am Körper verletzt, indem er ihn mehrmals gegen eine Hausmauer stieß und ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht und gegen den Körper versetzte, wodurch Genannter Kratzer an der linken Gesichtsseite, eine rechtsseitige Rippenprellung und eine Hautabschürfung im Bereich des rechten Ohrs erlitt.
In ihrer Beweiswürdigung stützte sich die Tatrichterin im Wesentlichen auf die Aussagen der Tatopfer und die Dokumentation der von B* erlittenen Verletzungen durch Lichtbilder und die Klinik **.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen von zwei Vergehen sowie die einschlägige Vorstrafe erschwerend, mildernd hingegen den Umstand, dass es hinsichtlich des Spruchpunkts I./ beim Versuch geblieben ist.
Dagegen richtet sich die vom unvertretenen Angeklagten im Sinne eines umfassenden Anfechtungswillens (RISJustiz RS0099951) sogleich angemeldete (ON 18.1, S 23) „volle“, in der Folge wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe begründet ausgeführte (ON 25.2) Berufung.
Bei der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe geht eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen der nach Z 9 bis Z 10a des § 281 Abs 1 StPO vor, jener wegen formeller Nichtigkeitsgründe jedoch nach ( Ratz in Fuchs/Ratz , WKStPO § 476 Rz 9).
Gestützt auf den daher zunächst zu behandelnden Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO kritisiert der Berufungswerber die aus seiner Sicht vom Erstgericht unterlassene Beachtung seiner Aussage, es würden Kameraauswertungen im Tatortbereich bestehen, und - damit implizit - die mangelhafte Anleitung durch das Erstgericht zur Stellung eines entsprechenden Beweisantrags.
Wie die Oberstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt, wird die richterliche Manuduktionspflicht bei einem unvertretenen Angeklagten erst ausgelöst, wenn ein hinreichendes Faktensubstrat vorliegt, das aus den Akten hervorgeht, von den Beteiligten vorgebracht wird oder in der Verhandlung vorkommt oder das für eine bestimmte Prozesshandlung Anlass gibt (RISJustiz RS0096346, Ratz in Fuchs/Ratz , WKStPO § 468 Rz 38).
Soweit der Berufungswerber daher im Hauptverfahren im Zusammenhang mit vom Schuldspruch umfassten Vorfall vom 14. Juli 2024 (Punkt I./) behauptete, „ dass dort bestimmt wieder Kameras sein müssen und man das anschauen kann “ (ON 18.1, S 5), übergeht er den amtbekannten Umstand, dass Aufzeichnungen in den Wiener U Bahnstationen automatisch nach 48 Stunden gelöscht werden, sollten diese nicht zuvor zur Klärung einer Straftat gesichert worden sein (siehe ** ; Stand 26. August 2025). Dass eine derartige Sicherung erfolgt ist, ergibt sich weder aus dem Akteninhalt noch aus der Aussage des Angeklagten. Ein Verletzung der Manuduktionspflicht liegt daher ausgehend von den auf reinen Mutmaßungen basierenden Angaben des Angeklagten nicht vor.
Das Vorbringen der Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) erschöpft sich, indem es in den Aussagen der Zeugin C* und des Zeugen B* im Zusammenhang mit einem möglichen Polizeieinsatz anlässlich des Vorfalls vom 14. Juli 2024 (Punkt I./) eine entscheidungswesentliche „Aussagewidersprüchlichkeit“ ortet.
Vorauszuschicken ist, dass B* zu dem von der Zeugin C* erwähnten Polizeieinsatz gar nicht befragt wurde (ON 18.1, S 18 f).
Soweit der Berufungswerber mit seinem Vorbringen die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Erstgerichts angreift, übersieht er, dass die erstgerichtliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen, so auch der Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugen und des Angeklagten, so sie nicht in entscheidenden Tatsachen undeutlich oder in sich widersprüchlich sind, einer Anfechtung aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 entzogen ist (RISJustiz RS0106588 [T3, T4, T8, T9 und T13]). Dabei ist das Gericht nur zu einer gedrängten Darstellung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RISJustiz RS0104976). Abgesehen davon, dass sich das Erstgericht diesen Prämissen entsprechend mit den Abweichungen in den Aussagen der von ihr als im Wesentlichen glaubwürdig befundenen Tatzeugen auseinandergesetzt hat (ON 18.2, S 7), bleibt unklar, inwieweit bei einer Betrachtung der Beweisergebnisse in ihrer Gesamtheit (RIS-Justiz RS0116504) die Klärung der Frage, ob es anlässlich des Vorfalls vom 14. Juli 2024 einen Polizeieinsatz gegeben hat oder nicht, Rückschlüsse auf schuldbzw subsumtionsrelevante Tatsachen ermöglichen soll. Indem das Vorbringen die Auseinandersetzung des Erstgerichts mit widerstreitenden Beweisergebnissen übergeht, verfehlt es den Anfechtungsrahmen geltend gemachter Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0119370).
Dem Urteil haftet somit keine formelle Nichtigkeit an. Von Amtswegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe gemäß den §§ 290 Abs 1, 489 Abs 1 StPO liegen ebenfalls nicht vor.
Zur Schuldberufung ist vorauszuschicken, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang und der allgemeinen Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Mayerhofer, StPO 6 § 258 E 30 ff, Kirchbacher StPO 15 § 258 Rz 8). Wenn vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so ist dies irrelevant. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt keine negative Beweisregelung dar, die das erkennende Gericht im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen verpflichten würde, sich durchwegs für die für den Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RISJustiz RS0098336). Es ist daher als Akt der freien Beweiswürdigung durchaus statthaft, wenn sich der Tatrichter mit plausibler Begründung für eine für den Angeklagten ungünstige Variante entscheidet ( Mayerhofer aaO E 45).
Diesen Prämissen folgend sind die erstrichterliche Beweiswürdigung zum objektiven Tatgeschehen und die daraus abgeleiteten Konstatierungen zur subjektiven Tatseite nicht zu beanstanden. Das Erstgericht hat nach Durchführung des Beweisverfahrens unter Würdigung sämtlicher wesentlicher in der Hauptverhandlung vorgekommener Beweismittel schlüssig, nachvollziehbar und lebensnah dargelegt, wie es zu seinen Feststellungen gelangt ist und hat auch logischen Denksätzen entsprechend ausgeführt, aus welchen Gründen es wohl nicht zuletzt aufgrund des von den Zeugen C* und B* gewonnenen persönlichen Eindrucks den Depositionen dieser Belastungszeugen folgt und demgegenüber die Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig verwarf. Dabei setzte sich das Gericht eingehend mit den Widersprüchlichkeiten in den Aussagen der Zeugen auseinander (ON 18.2, S 7) und begründete schlüssig, aufgrund welcher Erwägungen es welche Angaben seinen Konstatierungen zugrunde legte. Erhebliche Bedenken an der erstgerichtlichen Lösung der Schuldfrage werden vom Berufungswerber somit nicht geweckt.
Wie die Berufung wegen Schuld vermag auch jene, auf eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe oder Verhängung einer Geldstrafe abzielende Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe nicht zu überzeugen.
Entgegen dem Berufungsvorbringen war von einem zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigenden längeren Zurückliegen der einschlägige Vorstrafe im Hinblick auf den zwischen Rechtskraft des Urteils und der neuerlichen Tatbegehung liegenden Zeitraum von nur etwas mehr als drei Jahren nicht auszugehen. Das Ausbleiben einer Verletzungsfolge beim Vorfall vom 14. Juli 2024 hat das Erstgericht bereits berücksichtigt. Die weiters vom Angeklagten reklamierte Provokation durch das Tatopfer war im Hinblick darauf, dass dieser dieses zunächst als „Hure“ beschimpfte und damit den darauffolgenden Konflikt auslöste(ON 18.2, S 5 f), nicht anzunehmen.
Ausgehend von der zutreffend vom Erstgericht dargestellten Strafzumessungslage erweist sich unter Zugrundelegung der in § 32 StGB verankerten Grundsätze für eine Bestrafung nach der tat und persönlichkeitsbezogenen Schuld sowie unter Berücksichtigung generalpräventiver Belange (RISJustiz RS0090600) die über den Angeklagten verhängte, das möglichste Höchstmaß etwas mehr als ein Drittel ausschöpfende Freiheitsstrafe als keiner Reduktion zugänglich.
Mit Blick auf die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von zwei Vergehen verbot sich die bloße Verhängung einer Geldstrafe nach § 37 Abs 1 StGB, zumal nur eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe – insbesondere im Zusammenhalt mit der vom Erstgericht erteilten Weisung - geeignet erscheint, beim Berufungswerber eine verhaltenssteuernde Wirkung zu entfalten.
Letztlich erweist sich auch die inhaltlich nicht ausgeführte Berufung wegen privatrechtlicher Ansprüche als nicht berechtigt. Mit Blick auf den Schuldspruch und die unbedenklichen erstgerichtlichen Feststellungen zu den vom Privatbeteiligten B* erlittenen und vom Angeklagten verursachten Verletzungen (ON 18.2, S 6 f), ist der vom Erstgericht in freier Überzeugung ( Spenling in Fuchs/Ratz , WKStPO § 369 Rz 6 mwN) zuerkannte Schmerzengeldbetrag weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Bei der Ermittlung der Höhe der global zu bemessenden Entschädigung kann nach ständiger Rechtsprechung auf eine Schätzung im Sinne des § 273 ZPO zurückgegriffen werden (RISJustiz RS0031614), wobei die vom Opfer erlittenen Verletzungen und die damit einhergehenden Schmerzen den vom Erstgericht zugesprochenen Betrag rechtfertigen.
Der Berufung war somit der Erfolg zu versagen.
Ebensowenig war der implizit erhobenen Beschwerde gegen die Weisung an den Angeklagten, für die Dauer der Probezeit jegliches Zusammentreffen sowie Kontaktaufnahmen mit C* zu unterlassen und sich ihr auf 100 m nicht zu nähern, Folge zu geben, erscheint diese doch notwendig und zweckmäßig, um den Angeklagten von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten.
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