Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Pöhlmann als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Dr. Vogler und den Richter Mag. Falmbigl (Dreiersenat gemäß § 11a Abs 2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Mag. Michael Kadlicz, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , **, wegen Berufsunfähigkeitspension, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Mai 2025, **-5, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung:
Mit rechtskräftigem Bescheid vom 18.9.2024 hatte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Berufsunfähigkeit mangels entsprechender Minderung der Arbeitsfähigkeit abgelehnt. Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 25.3.2025 wies die Beklagte den neuerlichen Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension vom 24.2.2025 zurück.
In der dagegen erhobenen Klage wurde vorgebracht, der Kläger leide an einem Zustand nach Fraktur TH9, Osteoporose sowie einer Einschränkung der Lungenfunktion. Der Zustand habe sich seit dem 18.9.2024 wesentlich verschlechtert.
Die Beklagtebeantrage die Zurückweisung der Klage, weil die Voraussetzungen des § 68 ASGG nicht vorliegen würden.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Klage zurück, wobei es seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde legte:
„ Beim Kläger bestand zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 18.9.2024 eine Osteoporose und ein Wirbeleinbruch Th9 („Keilwirbel“), die sich so auswirkten, dass der Kläger nur leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen verrichten konnte. Eine Besserung wurde durch konservative physikalisch-orthopädische Therapie und Miederversorgung in 2 Monaten prognostiziert.
Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers seither ist nicht glaubwürdig. Im Gegenteil absolvierte der Kläger von 8.8.2024 bis 12.3.2025 eine ambulante Rehabilitation im B*, aus der er nach Erreichung der Reha-Ziele (erreichte Besserung in den Bereichen Beweglichkeit, Schmerzen, Hebe- und Tragleistung, Erledigen von Hausarbeit und beim Anziehen), mit der Empfehlung der Weiterführung der Übungstherapie entlassen wurde. “
In rechtlicher Hinsicht sei nach § 68 ASGG iVm § 362 ASVG eine Klage auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension, die innerhalb der 18-monatigen Sperrfrist nach Rechtskraft der Abweisung erhoben werde, zurückzuweisen - außer es werde eine wesentliche Änderung der zuletzt festgestellten geminderten Arbeitsfähigkeit glaubhaft bescheinigt. Es sei dem Kläger nicht gelungen, eine Verschlechterung seines Leidens oder das Hinzutreten eines neuen Leidens glaubhaft zu machen, da sich aus dem einzigen vorgelegten Bescheinigungsmittel derartiges nicht ableiten lasse.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss zu beheben und dem Erstgericht die Entscheidung in der Sache aufzutragen.
Die Beklagte beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Hinsichtlich der Tatsachengrundlage macht der Rekurs (offenbar) geltend, das Erstgericht hätte feststellen müssen, dass die im vorgelegten Arztbrief unter „Status“ genannten Diagnosen „Verstärkte Brustkyphose, Druckschmerz über der caudalen BWS“ neu hinzugekommen seien. Diese hätten zu einer kalkülsrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers führen können.
1.1.Die dem Versicherten zur Pflicht gemachte Glaubhaftmachung bezieht sich nur auf den Tatsachenbereich. Der Versicherte hat die Änderung des Gesundheitszustandes zu bescheinigen (vgl RS0043519). Die Bescheinigungsmittel für eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes oder für das Hinzutreten eines neuen Leidens müssen geeignet sein, dem Richter die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit dieser Tatsache zu verschaffen; eine Diagnose ohne Befund genügt nicht (RS0085657). Die glaubhafte Bescheinigung einer wesentlichen Änderung der zuletzt festgestellten gesundheitlichen Verhältnisse im Sinne des § 362 ASVG hat nicht nur eine Diagnose, sondern auch einen Befund dahin zu enthalten, dass sich das festgestellte Leiden verschlechtert hat oder ein neues Leiden hinzugetreten ist (RS0085657). Im Rahmen dieses Bescheinigungsverfahrens obliegt es dem Gericht – auch hinsichtlich medizinischer Fragen – eine inhaltliche Prüfung dahin vorzunehmen, ob der klagenden Partei die ihr obliegende Bescheinigung der Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes gelungen ist (vgl OLG Wien 7 Rs 25/20b uva).
Die Beurteilung des Erstgerichts, diese Bescheinigung sei dem Kläger nicht gelungen, ist nicht zu beanstanden:
Der vom Kläger zur Bescheinigung vorgelegte Arztbrief eines Facharztes für Orthopädie vom 13.3.2025 (./B) führt dieselben Diagnosen an, die auch schon dem Bescheid vom 18.9.2024 zugrunde lagen. Neue Untersuchungsergebnisse werden im Arztbrief nicht aufgezeigt, vielmehr wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass noch keine neue Bildgebung erfolgt sei. Auch die im Arztbrief vorgenommene Beurteilung, wonach eine Rückkehr in den erlernten Beruf anzuzweifeln sei, wird „vorbehaltlich neuer Befunde, Reevaluierung mit neuem Röntgen + MRT der BWS“ getroffen. Daraus ergibt sich deutlich, dass gerade (noch) keine neuen Befundergebnisse vorliegen.
Selbst wenn man die unter „Status“ vermerkte „verstärkte Brustkyphose“ sowie den „Druckschmerz über der caudalen BWS“ – wie der Rekurs - als Diagnosen werten wollte, geht aus dem Arztbrief nicht hervor, dass diesen Diagnosen entsprechende neue Untersuchungsergebnisse (Befunde) zugrunde liegen würden. Im Übrigen ergibt sich schon aus dem Gutachten, das ursprünglich zur Abweisung des Pensionsantrags geführt hat (./7), dass bereits zum damaligen Zeitpunkt (12.9.2024) ein deutlicher Rundrücken (= verstärkte Brustkyphose) vorlag (./7, S 4) und der Kläger über Schmerzen an der Wirbelsäule klagte.
Eine seither eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustands ist damit nicht bescheinigt,
1.2.Die Lösung der Frage, ob die Änderung des Gesundheitszustandes wesentlich im Sinn des § 68 ASGG ist, fällt in den Bereich der rechtlichen Beurteilung. Dabei hat das Gericht zu beurteilen, ob die Änderung ein solches Ausmaß erreicht hat, dass dem Leistungsantrag nunmehr stattgegeben werden könnte (vgl 10 ObS 77/03a).
Da dem Kläger schon die Bescheinigung einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nicht gelungen ist, stellt sich die Rechtsfrage der Wesentlichkeit nicht. Der Vollständigkeit halber sei jedoch angemerkt, dass der im Arztbrief enthaltene Ausschluss von Hebe- und Trageleistungen über 3 kg nichts an der zuletzt angenommenen Restarbeitsfähigkeit, nämlich leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen, ändern würde.
2. Als Verfahrensmängel macht der Rekurs geltend, das Erstgericht hätte „weitere Erhebungen“ durchführen, Sachverständige beiziehen, den Kläger einvernehmen und ihn zur Vorlage weiterer Bescheinigungsmittel anleiten müssen. Es herrsche der Untersuchungsgrundsatz und eine erhöhte Manuduktionspflicht.
Dem ist Folgendes zu entgegnen:
2.1.Hat ein Versicherungsträger in den Fällen des § 362 ASVG den Antrag - wie hier – zurückgewiesen, ist das gerichtliche Verfahren nur dann durchzuführen, wenn der Versicherte dem Gericht eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen vermag (§ 68 Abs 1 ASGG). Die Glaubhaftmachung einer wesentlichen Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustands in § 68 ASGG ist nicht etwa eine sachliche Voraussetzung für das Bestehen des Leistungsanspruches; sie ist vielmehr eine Voraussetzung der Rechtswegzulässigkeit (RS0085668). Gelingt dem Kläger die Glaubhaftmachung nicht, ist die Klage ohne mündliche Verhandlung wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen ( Neumayr in Neumayr/Reissner , ZellKomm 3§ 68 ASGG Rz 7). Der Grundsatz, wonach das Gericht in Sozialrechtssachen verpflichtet ist, die notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen (§ 87 Abs 1 ASGG), gilt hier nicht. Es obliegt allein dem Versicherten, die wesentliche Änderung zu bescheinigen (vgl Neumayr in Neumayr/Reissner , ZellKomm 3§ 68 ASGG Rz 4). Sind in der Klage keine Bescheinigungsmittel angeführt, ist ein Verbesserungsauftrag zu erteilen ( Sonntag in Köck/Sonntag, ASGG § 68 ASGG Rz 10).
Dem Erstgericht ist damit weder eine Verletzung des „Untersuchugsgrundsatzes“ noch der Manuduktionspflicht vorzuwerfen. Der Kläger, der im gesamten Verfahren durch eine qualifizierte Person im Sinn des § 40 Abs 1 ASGG vertreten war, nahm in seiner Klage ausdrücklich auf eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands Bezug und legte als Bescheinigungsmittel einen Arztbrief vor. Damit bestand kein Anlass für einen Verbesserungsauftrag. Eine amtswegige Aufnahme weiterer Bescheinigungsmittel war im Verfahren nach § 68 ASGG nicht geboten. Im Übrigen legt der Rekurs auch nicht dar, welche „ergänzenden Unterlagen“ samt „ergänzendem Vorbringen“ der Kläger im Fall einer entsprechenden Anleitung vorgelegt hätte, sodass auch die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird (vgl RS0037095 [T5]).
2.2. Nach ständiger Rechtsprechung der sozialgerichtlichen Senate ist die Einvernahme als Partei kein taugliches Bescheinigungsmittel, für die eine Verschlechterung des Gesundheitszustands (OLG Wien 9 Rs 25/16m, 7 Rs 138/15p, 8 Rs 132/14m uva), zumal das Gericht mangels eigener medizinischer Kenntnisse den Gesundheitszustand allein aufgrund einer Parteienaussage ohnehin nicht beurteilen könnte.
Das Bescheinigungsverfahren ist rasch durchzuführen, sodass nur parate Bescheinigungsmittel in Betracht kommen, die im Sinne des § 274 Abs 1 ZPO sofort aufgenommen werden können. Untersuchungen und Sachverständigengutachten, die erst nach Einbringung der Klage erfolgen sollen, sind damit keine paraten Bescheinigungsmittel im dargelegten Sinn (OLG Wien 9 Rs 82/24f, 9 Rs 129/14b mwN, 7 Rs 50/15x uvm).
Daher begründet weder, dass der Kläger nicht einvernommen wurde noch, dass keine Sachverständigen beigezogen wurden, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens.
3. Insgesamt war dem Rekurs daher nicht Folge zu geben.
Für einen Kostenzuspruch an den zur Gänze unterlegenen Kläger nach § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG ergaben sich keine Anhaltspunkte.
Der Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zu beurteilen war. Zudem kann eine im Verfahren zweiter Instanz unterlassene Rechtsrüge im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr nachgeholt werden (RS0043573 [T50]).
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