Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Futterknecht, LL.M., BSc, und den Kommerzialrat Mag. Starsich in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, FN **, **, vertreten durch Mag. Daniel Kirch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH, FN **, **, vertreten durch Mag. Jürgen Dorner, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 20.000 samt Nebengebühren, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. Dezember 2024, ** 23, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 2.220,42 (darin EUR 370,07 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte den Zuspruch von EUR 20.000 und brachte dazu vor, sie und die Beklagte seien als Unternehmer im Bereich der Schneeräumung tätig. Die Parteien hätten am 12.10.2023 einen Werkvertrag über die Verkehrsflächenreinigung/Schneeräumung und Streuung hinsichtlich 42 zu betreuender Liegenschaften in ** und ** um ein Honorar von EUR 20.000 abgeschlossen. Die vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten hätten am 17.10.2023 beginnen und am 30.4.2024 enden sollen.
Bei Vertragsabschluss habe die Klägerin auch Objekt-/Routenlisten der zu betreuenden Liegenschaften übergeben bzw seien diese als Beilage dem Werkvertrag angeschlossen gewesen. In den Routenlisten seien die einzelnen Liegenschaften samt deren Leistungsbedarf genau umschrieben worden. Wie/in welcher Reihenfolge die einzelnen Liegenschaften von den Subunternehmern tatsächlich abgefahren bzw betreut würden, bleibe ihnen unabhängig von den in den Routenlisten ersichtlichen branchenüblichen Routenvorschlägen grundsätzlich selbst überlassen.
Bei der Liegenschaft ** in ** handle es sich um einen gesamten Gebäudekomplex in „U-Form“. Auf drei Straßenseiten seien insgesamt fünf Hauseingänge vorhanden. Die Liegenschaft werde im Routenplan „Route 15“ in der Zeile Nr. 7 mit der Adresse ** in ** geführt. Die Hauseingänge der Liegenschaft seien in der **, **, **, ** und **. Im Leistungsbedarf sei „3 x Gs“ (= drei Mal Gehsteig), „Bankette“ und „5 x Hszg“ (= fünf Mal Hauszugang) festgehalten. Sowohl der Geschäftsführer als auch eine Mitarbeiterin der Klägerin hätten die Beklagte auf diesen Umstand bei Abschluss des Werkvertrages aufmerksam gemacht.
Die Beklagte sei ihren vertraglichen Verpflichtungen laut Werkvertrag beim ersten großen Schneefall in der Nacht von 1.12.2023 bis 2.12.2023 nicht nachgekommen und bei den vertragsgegenständlichen Liegenschaften nicht erschienen. Es sei zu einer Flut an Beschwerden gekommen. Die Klägerin habe die entsprechenden Dienstleistungen selbst erbringen müssen. Aufgrund der massiven Unzuverlässigkeit der Beklagten habe sich die Klägerin gezwungen gesehen, den Winterdienstvertrag am 2.12.2023 zu kündigen. Eine weitere Beschäftigung der Beklagten sei nicht mehr zumutbar gewesen sei.
Sie begehre die Rückzahlung des bereits überwiesenen Teilhonorars vom EUR 10.000 sowie EUR 10.000 an Vertragsstrafe, die für den Fall der vorzeitigen Beendigung aus wichtigem Grund, welche durch den Auftragnehmer zu vertreten sei, vereinbart worden sei.
Es sei zutreffend, dass sich die Klägerin aufgrund eines kurzfristigen dringenden Bedarfs nach Rücksprache mit der Beklagten vier Säcke Kaliumcarbonat ausleihen habe müssen. Dieses werde jedoch lediglich bzw vorwiegend in sensiblen Bereichen zur Anwendung gebracht, wo die Verwendung von Streusplitt bzw Streusalz nicht möglich sei. Da sich der überwiegende Teil der von der Klägerin betreuten Liegenschaften im dicht verbauten urbanen Gebiet mit versiegelten Bodenflächen befinde, benötige diese für gewöhnlich lediglich fünf bis zehn Säcke Kaliumcarbonat pro Saison. Im Gegenzug für die vier ausgeliehenen Säcke Kaliumcarbonat habe die Klägerin der Beklagten eine Palette Streusalz mit ca 40 Säcken geliehen, was preismäßig ungefähr äquivalent sei.
Die Beklagte bestritt, beantragte die Klagsabweisung und brachte zusammengefasst vor, sie sei ihren Verpflichtungen aus dem Werkvertrag nachgekommen. Die Klägerin habe ihr keine Einsatzlisten oder Routenpläne übergeben, was in der Branche äußerst unüblich sei.
Die Liegenschaft ** in ** sei in den Vertragsbeilagen nicht als zu räumende Liegenschaft angeführt. Nicht nachvollziehbar sei, wie sich für die Beklagte aus der Adressbezeichnung „**“ erschließen hätte sollen, dass damit auch die Adressen ** und ** sowie ** und ** erfasst sein sollten. Bei anderen Objekten seien die Hausnummern gesondert angeführt worden.
Die Klägerin habe die Beklagte um den Abkauf mehrerer Säcken Kaliumcarbonat im Wert von EUR 12.000 gebeten, weil sie diese dringend benötigt habe. Entgegen der von der Klägerin getätigten Zusage, seien die Kosten nicht ersetzt worden. Zu Beginn ihrer Einsätze sei sie bei ihrer Leistungsausführung behindert gewesen, weil die Klägerin ohne vorherige Ankündigung sämtliches Kaliumcarbonat der Beklagten eingezogen habe. Es hätten die fehlenden Arbeitsmaterialien kurzfristig wieder organisiert werden müssen.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt und verhielt die Beklagte zum Kostenersatz. Ausgehend von dem als unstrittg angenommen Sachverhalt sowie den auf den Seiten 3 bis 6 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird, gelangte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, die Beklagte habe gegen ihre wesentlichen vertraglichen Verpflichtungen verstoßen, in dem sie bei den zu betreuenden Liegenschaften in der Nacht vom 1.12.2023 auf den 2.12.2023 nicht erschien, um die Schneeräumarbeiten aufzunehmen. Da der Rücktritt der Klägerin berechtigt gewesen sei, könne sie den bereits bezahlten Vorschuss an Werklohn von EUR 10.000 zurückfordern. Da der Beklagten die Vertragsverletzung subjektiv vorwerfbar sei, habe die Klägerin einen Anspruch auf Vertragsstrafe. Die Beklagte habe die Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechts nicht begehrt, sodass der Klägerin dieser Anspruch in voller Höhe zustehe.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1.1In der Verfahrensrüge zeigt die Berufungswerberin zunächst richtig auf, dass nach der Rechtsprechung schon in der Bestreitung der Verpflichtung zur Zahlung der Konventionalstrafe das Begehren auf Ermäßigung liegt. Das Gericht ist dann iSd § 182 ZPO verpflichtet, die Gründe für die Anwendung des Mäßigungsrechts zur Erörterung zu stellen. Den Beklagten trifft jedoch die Behauptungs- und Beweislast dahin, dass die begehrte Konventionalstrafe unbillig hoch sei. Es ist ein entsprechendes Tatsachenvorbringen notwendig (RS0032161 [T3]).
1.2Die Mängelrüge ist jedoch nur dann prozessordnungsgemäß ausgeführt, wenn die Berufungswerberin darlegt, welches zusätzliche oder andere Vorbringen sie aufgrund der von ihr vermissten Erörterung und/oder Anleitung erstattet hätte, um die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzulegen (RS0120056 [T8, T12, T18], OLG Wien 14 R 180/24d, 4 R 113/16s uvm). Diesen Anforderungen wird die Berufung nicht gerecht, weil sie kein Vorbringen enthält, aufgrund welcher Aspekte die Konventionalstrafe zu mäßigen wäre.
1.3 Ein primärer Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
2.1 Die Berufungswerberin bekämpft die Feststellung
„Im Oktober und November 2023 erbrachte die beklagte Partei witterungsbedingt, abgesehen von geringfügigen Arbeiten am 26.11.2023, keine Leistungen an die klagende Partei (unstrittig). In der Nacht vom 01.12.2023 auf den 02.12.2023 wären erstmals Schneeräumarbeiten erforderlich gewesen. Die beklagte Partei verabsäumte es, die klagsgegenständlichen Liegenschaften von den großen Schneemengen zu räumen.“
und begehrt die Ersatzfeststellung
„In der Nacht vom 01.12.2023 auf den 02.12.2023 waren erstmals Schneeräumarbeiten erforderlich und führte die beklagte Partei Schneeräumarbeiten auf den klagsgegenständlichen Liegenschaften durch.“.
2.2Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass die Tatsacheninstanz sich für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen auf Grund ihrer Überzeugung, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, entscheidet. Sie hat die Gründe insoweit auszuführen, dass ihnen entnommen werden kann, aus welchen Erwägungen sie diese Überzeugung gewonnen hat (RS0043175). Bloß der Umstand, dass die Beweisergebnisse auch andere als die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ermöglicht hätten, kann nicht zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Beweiswürdigung und der darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen führen (vgl RS0043175). Ein Rechtsmittel kann wegen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 272 ZPO) die Feststellungen nur dann erfolgreich angreifen, wenn es stichhaltige Gründe ins Treffen führt, die erhebliche Zweifel an den vom Erstgericht vorgenommenen Schlussfolgerungen rechtfertigen können.
2.3 Die Berufungswerberin setzt sich jedoch mit der umfangreichen Beweiswürdigung des Erstgerichts zur angefochtenen Feststellung nicht konkret auseinander, sondern führt lediglich einzelne Aspekte der Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin an. Wenngleich der Geschäftsführer der Klägerin zwar tatsächlich angab, er könne nicht sagen, ob auf einem Teil der Liegenschaft Schneeräumarbeiten durchgeführt worden seien, sowie, dass die Beklagte vielleicht doch Arbeiten durchgeführt habe, er könne es nicht ausschließen, gab er in weiterer Folge auch an, er habe, wie er die Liegenschaften abgegangen sei, gesehen, dass nichts gemacht worden sei und überall vereiste Flächen gewesen seien. Zudem habe er um 4:00 Uhr in der Früh seine Mitarbeiter angerufen, ob sie ihm helfen könnten, den Schnee bei den Liegenschaften wegzuräumen, für die die Beklagte zuständig gewesen sei.
2.4 Darüber hinaus stützt das Erstgericht die angefochtene Feststellung auch auf die Angaben von C*, der ausführte, es habe so ausgesehen, dass überhaupt erst Schneeräumarbeiten erstmals durchgeführt werden müssten. Auch D* und E* sagten unter anderem aus, sie hätten niemanden von der Beklagten gesehen und es seien bei den Liegenschaften, wo sie gewesen seien, noch keine Schneeräumarbeiten durchgeführt worden.
2.5 Schließlich setzte sich das Erstgericht auch detailliert mit der Aussage von F* auseinander und kam trotz der von der Berufungswerberin wiedergegebenen Teile seiner Aussage zum Ergebnis, seine Angaben seien widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.
2.6Insgesamt bestehen daher keine Bedenken an der Beweiswürdigung des Erstgerichts. Das Berufungsgericht übernimmt den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und legt ihn gemäß § 498 Abs 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde.
3.1 Im Rahmen der Rechtsrüge argumentiert die Berufungswerberin zunächst, das Erstgericht habe es als unstrittig erachtet, dass die Klägerin am 2.12.2023 um 9:26 Uhr die Kündigung des Werkvertrages per E-Mail ausgesprochen und am Abend des 02.12.2023 auch mündlich wiederholt habe. Tatsächlich sei die Frage, wann konkret die Kündigung des Werkvertrages ausgesprochen wurde, nicht unstrittig, weil das Vorbringen der Klägerin unklar und zum Teil in sich widersprüchlich sei.
Ungeachtet der Frage, ob es sich bei dem im angefochtenen Urteil unter „Unstrittig ist bzw. außer Streit steht“ ersichtlichen Sachverhalt in Wahrheit zumindest teilweise (vor allem in Hinblick auf die in den Klammerausdrücken ersichtlichen Hinweise auf entsprechende Beilagen) um (nicht bekämpfte) dislozierte Feststellungen handelt, bestritt die Beklagte weder im erstinstanzlichen Verfahren, noch im Berufungsverfahren, dass der Werkvertrag von der Klägerin aufgrund der nicht durchgeführten Arbeiten aufgelöst wurde. Auf den exakten Zeitpunkt kommt es in Wahrheit nicht an. Dem unbestrittenen Vorbringen der Klägerin zufolge muss die mündliche Kündigung jedenfalls sehr zeitnahe zu den auch nach der aufgrund der Dringlichkeit zur Verfügung gestellten Kastenwägen und Streusalz erfolgt sein. Der diesbezüglich gerügte sekundäre Feststellungsmangel liegt somit nicht vor.
3.2 Darüber hinaus sei das angefochtene Urteil mit einem weiteren sekundären Feststellungsmangel behaftet, weil das Erstgericht keine Feststellungen zum Inhalt des Punktes 4.4 des Werkvertrages getroffen habe, wonach im Fall der Kündigung aus wichtigem Grund seitens einer der Vertragsparteien dem Auftragnehmer nur ein aliquot nach Tagen berechnetes Honorar zu.
Die Regelung des § 921 letzter Satz ABGB ist ein Anwendungsfall des § 1435 ABGB (RS0018688). Die Rückabwicklung hat nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen vor sich zu gehen (RS0018505 [T4]). Der Bereicherungsschuldner hat zu behaupten und zu beweisen, dass eine die Rückforderung ausschließende Vereinbarung vorliegt ( Kerschner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB 3§ 1431 Rz 66 und § 1435 Rz 51). Die Beklagte brachte im erstinstanzlichen Verfahren jedoch gar nicht vor, dass im Werkvertrag ein aliquotes Honorar für den Fall der Kündigung aus wichtigem Grund vereinbart worden sei. Das nunmehr in der Berufung diesbezüglich erstattete Vorbringen verstößt daher gegen das Neuerungsverbot des § 482 Abs 1 ZPO.
4. Der Berufung war somit insgesamt nicht Folge zu geben.
5.Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
6.Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität nicht zu beantworten waren.
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