Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Schaller als Vorsitzenden, den Richter Mag. Eberwein sowie die Kommerzialrätin Kornherr in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Griesbacher Rechtsanwalt GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* AG ** , **, vertreten durch MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen EUR 30.149,60 sA, über die der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7.4.2025, **-29, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.138,12 (darin enthalten EUR 523,02 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hatte mit der Beklagten einen aufrechten Unfallversicherungsvertrag, die Versicherungssumme betrug (zumindest) EUR 104.000 für dauernde Invalidität.
Der Kläger rutschte am 13.10.2022 in seiner Badewanne aus und kam dadurch zu Sturz.
Der Kläger begehrte die Zahlung von EUR 30.149,60 sA und brachte vor, er leide als Folge des Sturzunfalles unter massiven Einschränkungen der Beweglichkeit und Belastbarkeit der Wirbelsäule, wobei von einer Dauerinvalidität im Umfang von zumindest 26,33 % auszugehen sei. Im Bereich von 25 - 50 % Dauerinvalidität sei diese progressiv mit dem dreifachen Wert zu veranschlagen, der eingeklagte Betrag ergäbe sich daher aus 28,99 % der Versicherungssumme in Höhe von EUR 104.000.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete ein, der Kläger habe durch den Sturz nur Prellungen erlitten, die folgenlos ausgeheilt seien. Wenngleich der Versicherungsfall eingetreten sei, sei es unfallkausal zu keiner dauerhaften Funktionsminderung gekommen; allfällig bestehende dauerhafte Funktionsminderungen seien Folge degenerativer Entwicklungen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Dazu traf es die aus der Seite 2 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, von denen folgende hervorgehoben werden:
„[…] Unfallkausale dauerhafte Funktionseinschränkungen liegen beim Kläger hingegen nicht vor. Derzeit bestehende dauerhafte Beschwerden oder Funktionseinschränkungen bei dem Kläger stehen daher mit dem Sturzunfall in keinem Zusammenhang. […]“
Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, mangels der vom Kläger behaupteten unfallkausalen Dauerfolgen sei das Klagebegehren nicht berechtigt.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Zur Tatsachenrüge :
1.1. Der Kläger bekämpft die oben zitierten Feststellungen und begehrt statt dessen folgende Ersatzfeststellungen:
„ Beim Kläger bestehen infolge des Sturzunfalls vom 13.10.2022 unfallkausale dauerhafte Funktionseinschränkungen. Insbesondere wurden durch den Unfall vormals asymptomatische degenerative Veränderungen reaktiviert, was zu einer anhaltenden Schmerzsymptomatik sowie funktionellen Einschränkungen geführt hat. “
Das Erstgericht stütze die bekämpfte Feststellung auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. C* und halte deren Ausführungen für „schlüssig und nachvollziehbar“, insbesondere, weil diese eine traumatisch bedingte Beschädigung von Bandscheiben schon aufgrund des behaupteten Unfallhergangs für äußerst unwahrscheinlich halten würde. Es werde hervorgehoben, dass für eine frische Verletzung Einblutungen im Knochenmark zu erwarten gewesen wären und die festgestellten Deckplatteneinsenkungen nichts mit typischen traumatischen Veränderungen zu tun hätten. Die subjektiven Angaben des Klägers seien vom Erstgericht als „erkennbar subjektiv gefärbt“ und nur „bedingt“ im Einklang mit objektivierbaren Befunden gesehen worden. Richtigerweise hätte das Erstgericht die begehrte Ersatzfeststellung aufgrund der ärztlichen Befunde und Entlassungsbriefe der behandelnden Fachärzte des Klägers treffen müssen, aus denen hervorgehe, dass er vor dem Unfall weder strukturell manifeste noch symptomatische Rückenprobleme aufgewiesen habe. Diese medizinischen Unterlagen seien vom Erstgericht nicht gewürdigt worden, obwohl sie ein anderes als das von der Sachverständigen vermittelte Bild ergeben würden. Stattdessen sei das Gutachten unkritisch übernommen worden, ohne auch nur zu erörtern, warum die Einschätzungen der behandelnden Ärzte – die den Kläger über längere Zeit betreut und wiederholt untersucht hätten – für weniger aussagekräftig gehalten werden sollten als jene der einmalig untersuchenden Sachverständigen. Die bekämpfte Feststellung sei deswegen von rechtlicher Relevanz, weil sie die Grundlage für die Verneinung der Leistungspflicht der Beklagten bilde. Die rechtliche Beurteilung ändere sich bei Treffen der Ersatzfeststellung dahingehend, dass die unfallkausale dauerhafte Funktionseinschränkung des Klägers zu einer Invalidität führe, die gemäß den vereinbarten Versicherungsbedingungen anspruchsbegründend sei.
1.2. Wenn der Kläger erstmals in der Berufung behauptet (und festgestellt haben will), durch den Sturz seien degenerative Veränderungen reaktiviert worden, verstößt er gegen das im Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot, weil er dazu in erster Instanz kein Tatsachenvorbringen erstattet hat. Vielmehr brachte er durchgehend vor, dass bei ihm keine Vorschäden vorgelegen hätten (ON 1, S 4; ON 6, S 3; ON 15, S 2f; ON 21, S 3f).
1.3.Die Geltendmachung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung erfordert zudem die bestimmte Angabe, welche Beweise der Erstrichter unrichtig gewürdigt hat, aus welchen Erwägungen sich dies ergibt und welche Tatsachenfeststellungen bei richtiger Beweiswürdigung zu treffen gewesen wären. Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (RS0041835 [T1, T2]). Es genügt damit auch nicht, angebliche oder tatsächliche Widersprüche zwischen einzelnen Beweisergebnissen aufzuzeigen. Vielmehr erfordert eine ordnungsgemäße Feststellungsrüge auch Vorbringen, aufgrund welcher anderen Beweisergebnisse, denen mehr Glaubwürdigkeit zukommt, die intendierten Ersatzkonstatierungen zu treffen wären.
Diesem Erfordernis entspricht der Kläger insoweit nicht, als er nicht darlegt, aufgrund welcher konkreten Beweisergebnisse die Ersatzfeststellungen zu treffen gewesen wären. Der bloße Verweis auf im Akt befindliche „mehrere ärztliche Befunde und Entlassungsbriefe“ ist nicht ausreichend.
1.4.Entgegen den Berufungsausführungen hat das Erstgericht das Gutachten der Sachverständigen auch nicht „unkritisch“ übernommen, sondern sich in den entscheidungswesentlichen Punkten zum (Nicht)Vorliegen von unfallkausalen Funktionseinschränkungen mit den Schlussfolgerungen der Sachverständigen auseinandergesetzt und begründet, weshalb es diesen Ausführungen gefolgt ist. Die Sachverständige erläuterte anhand der vorliegenden CT-Bilder umfangreich und auch für medizinische Laien nachvollziehbar, weshalb von keinem rezenten Bruch und somit von keiner vorfallskausalen Verletzung auszugehen ist. Anzumerken ist, dass nach ständiger Rechtsprechung das Gericht nicht einmal dazu verpflichtet ist, allfällige Widersprüche zwischen einem Privatgutachten und dem Gutachten eines vom Gericht zur Erstattung eines Gutachtens in einer bestimmten Rechtssache herangezogenen Sachverständigen aufzuklären. Es kann sich vielmehr ohne weitere Erhebungen dem ihm als verlässlich erscheinenden Gutachten anschließen (RS0040592). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil es sich bei den vom Kläger – ohne nähere Konkretisierung – genannten Urkunden nicht einmal um (Privat)Gutachten handelt und die vom Erstgericht beauftragte Sachverständige die vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen ohnedies bei Erstellung ihres Gutachtens kannte und berücksichtigt hat (vgl ON 11, S 2, 8; ON 17, S 2, 8).
1.5. Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und legt sie seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde.
2. Zur Rechtsrüge :
2.1. Der Kläger rügt als sekundären Feststellungsmangel das Fehlen von Feststellungen zur Frage, ob und in welchem Ausmaß er seit dem Unfallereignis vom 13.10.2022 anhaltend unter körperlichen Beschwerden und funktionellen Einschränkungen leide.
Bei der Beurteilung einer Invalidität im Sinne der Versicherungsbedingungen, insbesondere bei Vorliegen degenerativer Vorschäden, seien der konkrete Beschwerdeverlauf und die tatsächlich bestehende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und Lebensführung maßgeblich.
2.2.Ein sekundärer Feststellungsmangel liegt dann vor, wenn das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen und notwendige Beweise nicht aufgenommen hat und daher Feststellungen für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung fehlen (RS0043480; RS0043320; RS0053317). Wenn zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich auch keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RS0053317 [T1]).
2.3. Hier hat das Erstgericht festgestellt, dass die Folgen des Sturzunfalles, nämlich die Prellung der Hals- und Lendenwirbelsäule, folgenlos ausheilten und dauerhafte Beschwerden mit diesem in keinem Zusammenhang stehen. Die vom Kläger vermissten Feststellungen zum Bestehen von unfallkausalen körperlichen Beschwerden seit dem Unfallereignis vom 13.10.2002 stehen daher den genannten erstgerichtlichen Feststellungen entgegen. Da zum relevierten Beweisthema somit ohnehin Feststellungen getroffen wurden, wenn auch nicht die vom Kläger gewünschten, liegen die behaupteten sekundären Feststellungsmängel nicht vor.
2.4 Zum – auch in der Rechtsrüge - behaupteten Vorliegen degenerativer Vorschäden ist der Kläger auf die Ausführungen zu 1.2. zu verweisen.
2.5Mit seinen weiteren Ausführungen, eine unfallbedingte Verschlechterung oder Aktivierung eines vormals klinisch stummen Schadenbildes sei sehr wohl als mitursächlich anzusehen, weicht der Kläger von den Feststellungen des Erstgerichts ab; da die Rechtsrüge von den bindenden Feststellungen des Erstgerichts auszugehen hat (RS0043603 [T2]; RS0043312 [T12, T14]), ist sie insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt, sodass dem Berufungsgericht ein näheres Eingehen auf diese Berufungsausführungen verwehrt ist.
3. Der unberechtigten Berufung war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
4.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
5.Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zu lösen war, zumal die Entscheidung vor allem von Tatsachenfragen abhängt.
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