Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 16. Oktober 2024, GZ **-18.5, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher MAS LL.M, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Philipp Zeidlinger sowie des Privatbeteiligtenvertreters Mag. Georg Royer durchgeführten Berufungsverhandlung am 15. Mai 2025 zu Recht erkannt:
Der Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird jener gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche dahin Folge gegeben, dass der Zuspruch gemäß § 369 Abs 1 StPO an den Privatbeteiligten B* auf 4.894,47 Euro herabgesetzt und der Genannte mit seinen (auch) darüber hinausgehenden Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 57-jährige A* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 39a Abs 1 Z 3 iVm Abs 2 Z 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde er weiters dazu verhalten, B* den Betrag von 5.864 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen; mit seinem Mehrbegehren wurde der Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Auch wurde gemäß § 369 Abs 1 StPO iVm § 69 Abs 1 StPO festgestellt, dass A* dem Privatbeteiligten B* für alle zukünftigen Schäden aus Verletzungen, die dieser mit der im Urteilsspruch dargestellten Tat am 29. März 2024 in ** dem Privatbeteiligten zugefügt hat, haftet.
Danach hat er am 29. März 2024 in ** B* eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem er ihm zwei (US 3: wuchtige) Faustschläge gegen das Gesicht und den Kopf versetzte und, nachdem der Genannte zu Boden gestürzt und im Aufstehen begriffen war, mit Anlauf und ausholendem Bein einen sehr wuchtigen Fußtritt gegen den Kopf versetzte, sodass B* das Bewusstsein verlor und mit dem Kopf auf dem Boden aufprallte, wodurch er eine Gehirnerschütterung, eine oberflächliche Rissquetschwunde an der Stirn mit Kopfschwartenhämatom, „einen Abbruch des Zahnes 23 der Oberkieferprothese“, einen Einriss der Sehne des Obergrätenmuskels an der linken Schulter sowie Schürfwunden mit Schwellungen an der linken Hand, verbunden mit einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit erlitt.
Bei der Strafzumessung wurden erschwerend die mehrfache Deliktsqualifikation durch Zufügung einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit sowie die deutlich über die Schwelle von 24 Tagen hinausgehende Dauer der Verletzungsfolgen und Berufsunfähigkeit, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel gewertet.
Nach Zurückweisung seiner Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 1. April 2025, GZ 11 Os 23/25d-4, war vorliegend über die eine schuldangemessene Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe und deren (teil)bedingte Nachsicht sowie die Verweisung des Privatbeteiligten zur Gänze auf den Zivilrechtsweg anstrebende Berufung des Angeklagten (ON 20) zu entscheiden.
Der Berufungswerber vermag keine weiteren mildernden Umstände für sich ins Treffen zu führen. Denn ein reumütiges Geständnis iSd § 34 Abs 1 Z 17 StGB liegt nur dann vor, wenn der Angeklagte in Bezug auf die objektive und die subjektive Tatseite reuige Schuldeinsicht zeigt ( Riffelin WK² StGB § 34 Rz 38). Da der im Tatsächlichen geständige Angeklagte seine Verletzungsabsicht in Abrede stellte, mit Blick auf das belastende Video auch sonst keinen Beitrag zur Wahrheitsfindung (vgl. RIS-Justiz RS0090940; RS0091510 [T1 und T2]; RS0091512 [T3]; Riffel aaO § 34 Rz 38) leistete, kommt ihm dieser besondere Milderungsgrund tatsächlich nicht zu.
Wie schon vom Obersten Gerichtshof dargelegt, wurde fallkonkret – angesichts des nach dem Urteilssachverhalt mit zwei Meter Anlauf und Schwung gesetzten wuchtigen Fußtritts gegen den Kopf des Opfers (US 3) - auch zu Recht von einem nach § 39a Abs 1 Z 3 und Abs 2 Z 4 StGB verschärften Strafrahmen ausgegangen (vgl etwa 12 Os 64/23p [Rz 9], 12 Os 29/23s [Rz 7 ff]).
Mit Blick auf die völlig inadäquate Reaktion aus Ärger über die Höhe der von den anwesenden Prostituierten konsumierten, ihm verrechneten sieben Flaschen Sekt, den hohen sozialen Störwert der Tat, die nach unten eingeschränkte Anordnungsbefugnis und den damit heranzuziehenden Strafrahmen von zwei bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe wird die über den Angeklagten verhängte Sanktion sämtlichen Aspekten der Tat und der Täterpersönlichkeit sowie spezial-, wie auch generalpräventiven Erfordernissen gerecht, ist damit einer Herabsetzung nicht zugänglich.
Infolge der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe kommt die begehrte Gewährung bedingter Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) nicht in Betracht. Die bedingte Nachsicht eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe (§ 43a Abs 4 StGB) scheitert aufgrund der Persönlichkeit des Angeklagten, der sich ohne begreiflichen Anlass insbesondere zum Versetzen eines sehr wuchtigen Fußtrittes in Richtung des Kopfbereiches des (ob seiner Faustschläge) zu Boden gestürzten und im Aufstehen begriffenen B* verstanden hat, am Erfordernis der hohen Wahrscheinlichkeit, dass er bei bloß teilweiser Sanktionsandrohung keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde (vgl. RIS-Justiz RS0092050, RS0092042; Ropper/Jerabekin WK² StGB § 43a Rz 16, mit Verweis auf Konflikt- oder Krisensituationen). Der Anwendung außerordentlicher Strafmilderung (§ 41 StGB) fehlt es an einem Überwiegen der Milderungsgründe.
Der Zuspruch an den Privatbeteiligten, der sich nach den erstrichterlichen Feststellungen (vgl. US 4:) aus 1.344 Euro für Arzt- und Heilungskosten sowie (rechnerisch:) 4.520 Euro als Schmerzengeld zusammensetzt, findet dem Grunde nach in den zivilrechtlichen Schadenersatzbestimmungen (§ 1325 ABGB) Deckung. Ein vom Berufungswerber reklamiertes Mitverschulden des B* ist im konstatierten Streichen über die Wange mit der Hand zwecks Beschwichtigung (US 3) indes nicht zu ersehen.
Zieht man als Richtmaß die nach der ständigen Judikatur im Sprengel des OLG Wien angenommenen Schmerzengeldsätze (vgl. Hartl , Schmerzengeldsätze in Österreich in Euro, AnwBl 2024, 208) heran, ist der zugesprochene Schmerzengeldbetrag nicht zu beanstanden. Anders verhält es sich mit den ersetzten Arzt- und Heilungskosten.
Eine der Folgen der Tat war der Abbruch des Zahnes 23 der Oberkiefer(total)prothese (ON 8.2 S 7, vgl. S 5), wobei B* in der Hauptverhandlung erklärte, dass neben dem Zahn auch die Klammer beschädigt worden sei (ON 18.4 S 18: „[…] aber die Klammer ist beschädigt worden und die kann nicht mehr halten auf den zwei Zähnen, da muss ich eine neue machen lassen“ […] Ja, bei der Brücke oben.“). Diese Angaben korrespondieren mit der Honorarnote Nr. ** vom 16. April 2024 (ON 17.2 S 5) betreffend den Zahn 23 „Neuer Zahn, Klammer oder Sauger, Ersatz e. Zahnes“ iHv 24,75 Euro (= Patientenanteil laut Kassenverschreibung). Die private Honorarnote Nr. ** vom 17. Juni 2024 (ON 17.2 S 4) umfasst hingegen Leistungen für das Oberkiefer ([über eine bloße Reparatur, vgl. ON 2.10 S 6, hinausgehend:] Totale Kunststoffprothese als Dauerversorgung) iHv 266 Euro und das Unterkiefer (Metallgerüstprothese und Prothesenzähne 37-34 und 44-47 sowie Verblend-Metall-Keramikkronen für die Zähne 33 und 43) iHv 643,75, die private Honorarnote Nr. ** vom 5. September 2024 (ON 17.2 S 6) Leistungen für den Zahn 33 im Unterkiefer (Stiftverankerung) iHv 100 Euro. Hier ist eine Kausalität der gegenständlichen Tat nicht zu erkennen. Gleiches gilt für die private Honorarnote vom 6. Juni 2024 (ON 17.2 S 3) für augenärztliche Leistungen im Zusammenhang insbesondere mit der Diagnose „Cataracta senilis“ iHv 160 Euro (vgl.: ON 8.2 S 4: „Grauer Star“; ON 18.4 S 17).
Damit gebührt B* der Ersatz nur für Leistungen einer Fachärztin für Neurologie iHv 180 Euro und 140 Euro bzw. des Universitätsklinikums C* iHv 29,72 Euro (ON 17.2 S 1 f, S 7) sowie der erwähnten Honorarnote Nr. ** iHv 24,75 Euro, insgesamt sohin iHv 374,47 Euro.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
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