Im Namen der Republik
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen § 107a Abs 1 StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau wegen Strafe sowie jener des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 29. Oktober 2024, GZ **-17.5, sowie dessen (implizite) Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss auf Erteilung einer Weisung (ON 17.6), nach der am 8. April 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Strnad und der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. B* sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Marcel Hobbinger durchgeführten Berufungsverhandlung
I. zu Recht erkannt:
Der Berufung des Angeklagten wird nicht , hingegen jener der Staatsanwaltschaft Folgegegeben und anstelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verhängt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II. den
B e s c h l u s s
gefasst:
Aus Anlass der Strafneubemessung wird der gemäß §§ 494 StPO; 50, 52 StGB gefasste Beschluss aufgehoben .
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach diesem Strafsatz zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen á EUR 20,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Geldstrafe im Ausmaß von 90 Tagessätzen gemäß § 43a Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Gemäß § 205 Abs 5 StPO iVm § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde der bereits geleistete Geldbetrag von EUR 100,-- auf die Geldstrafe angerechnet und die Privatbeteiligte C* gemäß § 366 Abs 1 (richtig: Abs 2) StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Gleichzeitig wurde dem Angeklagten mit – zutreffend gesondert ausgefertigtem (vgl. Jerabek/Ropper, WK-StPO § 494 Rz 1) – Beschluss vom selben Tag (ON 17.6) die Weisung erteilt, für die Dauer der Probezeit mit Ausnahme unbedingt erforderlicher Zusammentreffen im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit des Angeklagten als Rettungssanitäter keinen Kontakt zu C* aufzunehmen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* im Zeitraum zwischen September 2023 und Ende Juli 2024 in ** und anderen Orten C* widerrechtlich beharrlich verfolgt, indem er in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt ihre räumliche Nähe aufsuchte und im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte Kontakt zu ihr herstellte, nämlich durch unzählige Telefonanrufe, Nachrichten sowie Hinterlassen von schriftlichen Mitteilungen am Fahrzeug und Markierungen am Türstock der C* und mehrmaliges Vorbeifahren am parkenden Auto von C*, indem sie sich während dessen befand.
Bei der Strafbemessung wertete der Erstrichter das reumütige Geständnis sowie den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd, als erschwerend hingegen keinen Umstand und erachtete unter Berücksichtigung des schulderhöhenden Umstands, dass der Angeklagte in Kenntnis des laufenden Strafverfahrens und nach einem vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft weitere Tathandlungen setzte, die verhängte Geldstrafe für schuld- und tatangemessen. Angesichts der starken Belastung des Tatopfers, das sich anlässlich der strafbaren Handlungen in psychologischer Behandlung befand, erachtete der Erstrichter darüber hinaus die Erteilung eines Kontaktverbots in Form einer gerichtlichen Weisung für geboten (ON 17.6).
Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerecht angemeldete, rechtzeitig zu ON 19 ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe, mit der die Verhängung einer schuld- und tatangemessenen Freiheitsstrafe, in eventu die Verhängung einer Freiheitsstrafe zusätzlich zu der verhängten Geldstrafe, in eventu die Erhöhung der verhängten Geldstrafe auf ein schuld- und tatangemessenes Maß angestrebt wird. Weiters liegt die fristgerecht mit umfassendem Anfechtungsziel angemeldete, in puncto Nichtigkeit und Strafe ausgeführte Berufung des Angeklagten (ON 20.1) sowie dessen implizite Beschwerde gegen den gemäß § 494 StPO gefassten Beschluss zur Entscheidung vor.
Dem Rechtsmittel des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
In Bezug auf die eingangs zu behandelnde, unausgeführt gebliebene Berufung wegen Schuld, bestehen angesichts der schlüssigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung des Erstgerichts, das sich nicht nur auf die für glaubwürdig befundene Aussage der C* und deren Gedächtnisprotokoll (ON 2.15) sowie Lichtbilder bezüglich der schriftlichen Nachrichten und Markierungen am Türrahmen (ON 2.8 – 2.14, 2.17 – 2.18), sondern auch die geständige Einlassung des Angeklagten stützen konnte, keinerlei Bedenken. Wie die Oberstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend herausstreicht, ist die kurzzeitige Wiederaufnahme der Beziehung zwischen dem Angeklagten und C* im Jänner 2024 – für diesen Zeitraum wird ein Teilfreispruch begehrt – keineswegs geeignet, die schlüssige und lebensnahe Beweiswürdigung des Erstrichters und die darauf gegründeten Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht zu erschüttern.
Der Berufung wegen Schuld war daher kein Erfolg beschieden.
Auch der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) kommt keine Berechtigung zu. In diesem Zusammenhang moniert der Angeklagte einen Rechtsfehler infolge des Schuldspruchs auch für den Zeitraum der aufrechten (wieder aufgenommenen) Beziehung zu C* im Jänner 2024.
Das Vergehen der beharrlichen Verfolgung nach § 107a StGB ist ein Dauerdelikt (Fabrizy/Michel-Kwapinsky/Oshidari, StGB14 § 107a Rz 2; Wach, SbgK § 107a Rz 49; RIS-Justiz RS0129716). Der gesamte Komplex sämtlicher Stalking-Handlungen wird zusammengefasst und verwirklicht nur eine strafbare Handlung nach § 107a Abs 1 StGB (Schwaighofer in Höpfl/Ratz, WK 2StGB § 107a Rz 37). Das Erstgericht subsumierte sämtliche Kontaktaufnahmen des Angeklagten zum Opfer im Tatzeitraum September 2023 bis Ende Juli 2024 als ein Vergehen nach § 107a Abs 1 StGB. Eine tatbestandliche Handlungseinheit stellt materiell wie prozessual eine Tat dar (Ratz in WK 2StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 89 ff). Im Wege einer Subsumtionsrüge nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO kann geltend gemacht werden, dass die mehreren gleichartigen Handlungen statt mehrere gleichartige bloß eine strafbare Handlung begründen und umgekehrt, eine bloß hinsichtlich einzelner gleichartiger Handlungen ergriffene Rechtsrüge (Z 9) führt jedoch bei tatbestandlicher Handlungseinheit nicht zum Erfolg. Zusammenfassend als tatbestandliche Handlungseinheit – folglich dass anstatt mehrerer bloß eine strafbare Handlung begründet wurde – muss als Feststellungsmangel geltend gemacht werden (Ratz in WK-StPO § 281 Rz 521). Gegenständlich macht der Angeklagte jedoch keinen Feststellungsmangel geltend, sondern bekämpft die vom Erstgericht aus den konkreten Feststellungen gezogenen rechtlichen Schlüsse. Gegenstand einer Rechtsrüge ist der Vergleich des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) mit dem in den Entscheidungsgründen festgestellten Sachverhalt und die Behauptung, dass dieser keine ausreichende Grundlage für jenen bilde (RIS-Justiz RS0099810; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 269). Da die Rechtsrüge des Angeklagten (Z 9 lit a) das Fehlen von tatbildlichen Kontaktaufnahmen nur hinsichtlich eines Teils des verurteilten Tatzeitraums behauptet, ohne darzulegen, weshalb die zum Schuldspruch (in ihrer Gesamtheit) getroffenen Feststellungen (US 2-4) die vorgenommene Subsumtion dennoch nicht tragen sollten, versäumt sie die prozessförmige Darstellung des angezogenen (materiell-rechtlichen) Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0116565).
Von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe haften dem Urteil nicht an.
Der Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) durch Annahme (bloß) einer tatbestandlichen Handlungseinheit anstatt zweier tatbestandlicher Handlungseinheiten für die Zeiträume September 2023 bis zur Wiederaufnahme der Beziehung im Jänner 2024 sowie dem Beziehungsende im Jänner 2024 bis Ende Juli 2024, sohin zweier Vergehennach § 107a Abs 1 StGB, bilden keinen Anlass für eine amtswegige Maßnahme nach § 489 Abs 1 iVm §§ 471, 290 Abs 1 zweiter Satz, erster Fall StPO, weil sich der Subsumtionsfehler nicht auf den Strafrahmen auswirkte (Kirchbacher, StPO 15§ 290 Rz 6/1) und im konkreten Fall auch bei der Strafbemessung für den Angeklagten ohne nachteilige Wirkung blieb, wurde doch weder der Erschwerungsgrund des Zusammentreffens mehrerer Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), noch ein langer Deliktszeitraum als erschwerend angenommen.
Folglich war der Nichtigkeitsberufung kein Erfolg beschieden.
Aber auch der im Strafpunkt erhobenen Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Sofern der Angeklagte moniert, er habe nach Zustellung der mit 26. Juli 2024 datierten einstweiligen Verfügung (ON 9.7) keinen Kontakt mehr zum Opfer aufgenommen, zumal sich laut Feststellungen des Erstgerichts der letzte Anruf am 21. Juli 2024 und das letzte Vorbeifahren am 27. Juli 2024 ereignet habe, wobei auch neuerliche Kontaktaufnahmen entgegen dem Diversionsanbot keinen eigenen Erschwerungsgrund darstellen würden, ist vielmehr der Staatsanwaltschaft beizupflichten, dass die teilweise Tatbegehung während eines anhängigen Strafverfahrens – wie vom Erstgericht auch gemacht – im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen schuldaggravierend zu berücksichtigen ist (RIS-Justiz RS0119271), wobei insbesondere die weitere Tatbegehung nach Annahme eines Diversionsanbots durch die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau vom 21. Juni 2024 zu Lasten des Angeklagten ausschlägt. Soweit die Staatsanwaltschaft kritisiert, dass dem Angeklagten kein umfassend reumütiges Geständnis zuzubilligen ist, zumal er sich nur im Hinblick auf die Verfolgungshandlungen vor dem Diversionsanbot geständig verantwortet habe, ist ihr zwar beizupflichten, dass der Angeklagte bestrebt war, die Tathandlungen durch versehentliches Ankommen an seiner ** zu bagatellisieren und diesbezüglich eine Freundin namens D* ins Treffen führte (ON 17.2.1, 7 f, 14); zu Gunsten des Angeklagten ist jedoch zu berücksichtigen, dass er letztendlich seinen Fehler zugestand und sich aufrichtig entschuldigte (ON 17 S 17), weshalb diesem Milderungsgrund vom Erstgericht berechtigt großes Gewicht beigemessen wurde.
Hingegen vermag der Angeklagte nicht darzulegen, weshalb sein Alter von 22 Jahren im Tatzeitraum Anlass bieten sollte, generalpräventive Erwägungen in den Hintergrund zu rücken. Gerade in diesem Alter sind vergleichbare Verfolgungshandlungen wegen Besitzdenkens oder Verlustängsten geläufig, sodass gerade generalpräventive Aspekte besonders zu berücksichtigen sind (vgl. Fabrizy/Michel-Kwapinsky/Oshidari, StGB 14 § 32 Rz 7).
Ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oderGeldstrafe bis zu 720 Tagessätzen (und nicht unter Anwendung des § 37 StGB) erscheint im vorliegenden Fall die Verhängung einer Freiheitsstrafe anstelle einer Geldstrafe geeigneter, zumal eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe nachhaltiger verhaltenssteuernd wirkt und die Verhängung einer bloßen Geldstrafe ihre Warnfunktion verfehlen würde.
Folglich war der im Strafpunkt erhobenen Berufung des Angeklagten nicht, hingegen jener der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und anstelle der verhängten Geldstrafe eine schuld- und tatangemessene Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten zu verhängen.
Da es sich beim Angeklagten um einen Ersttäter handelt, ist ungeachtet der Fortsetzung delinquenten Verhaltens auch nach einem Diversionsanbot mit Blick auf die in Schwebe gehaltene Freiheitsstrafe und die freiwillig absolvierte Psychotherapie bei der Männerberatung die Annahme berechtigt, dass deren bloße Androhung ausreicht, um den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Da es sich auch bei Beschlüssen gemäß § 494 StPO – ebenso wie bei jenen gemäß § 494a StPO – um „bedingte“ Beschlüsse handelt, deren rechtlicher Bestand von der Rechtskraft des Urteils abhängig ist, das den Anlass für die Beschlussfassung bildet, war auf Grund der Strafneubemessung auch der Beschluss auf Erteilung einer Weisung aufzuheben (Jerabek/Ropper WK-StPO § 498 Rz 8; RIS-Justiz 11 Os 82/21z).
Die Erteilung einer Weisung wird gegebenenfalls durch das Erstgericht neu vorzunehmen sein (Jerabek/Ropper, WK-StPO § 494 Rz 1; Schroll/Oshidari WK 2 StGB § 50Rz 16; RIS-Justiz RS0092156).
Rückverweise