Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Jilke als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M. als weitere Senatsmitglieder über die Beschwerde des A* gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems a.d. Donau vom 22. April 2025, GZ **-28, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben .
Begründung:
Mit am 8. April 2025 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts Krems a.d. Donau vom 29. Oktober 2024, GZ **, wurde A* des Vergehens der beharrlichen Verfolgung zum Nachteil der B* schuldig erkannt und nach Abänderung des Strafausspruchs mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 8. April 2025, AZ 20 Bs 11/25a, 20 Bs 12/25y (ON 23.1) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Nachdem die vom Erstgericht zunächst - zutreffend mit gesondert ausgefertigtem Beschluss (ON 17.6) - erteilte Weisung infolge der Abänderung des Strafausspruchs zwingend aufzuheben war, wurde dem Verurteilten A* mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss erneut gemäß §§ 50, 51 StGB die Weisung erteilt, für die Dauer der Probezeit keinen Kontakt, auf welchem Wege auch immer (insbesondere persönlich, telefonisch, über soziale Netzwerke oder über dritte Personen), mit Ausnahme von unbedingt erforderlichen Zusammentreffen im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit des Angeklagten als Rettungssanitäter, zu B* aufzunehmen (ON 28).
Begründend führte das Erstgericht aus, B* habe in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung vom 29. Oktober 2024 nachvollziehbar angegeben, nach wie vor Angst vor A* und seinen exzessiven Kontaktaufnahmen zu haben und von den Geschehnissen weiterhin stark belastet zu sein, die Genannte befinde sich unter anderem deshalb in psychologischer Behandlung. In Zusammenschau der strafbaren Handlungen, derentwegen A* verurteilt worden sei, scheine ein Kontaktverbot des Verurteilten zu B* indiziert, um A* von der Begehung weiterer mit Strafe bedrohter Handlungen dieser oder ähnlicher Art gegen B* abzuhalten. Im Übrigen habe der Verurteilte in der Hauptverhandlung einem Kontaktverbot ausdrücklich zugestimmt. Auch nach der Strafverhandlung habe der Verurteilte versucht, neuerlich Kontakt zu B* im Wege einer Mediation anzubahnen, obwohl dies von der Genannten abgelehnt worden war (ON 22). Da das Sicherheitsgefühl von B* durch das Verhalten des Verurteilten nach wie vor massiv bedroht sei, sei die Erteilung der Weisung geboten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Verurteilten (ON 30.1), mit der er die Verletzung seines rechtlichen Gehörs moniert, weil ihm die (eine Anregung des Kontaktverbots anregende) Eingabe der Privatbeteiligten B* (ON 25) weder zugestellt, noch eine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt worden sei. Er sei nicht mit der Erteilung eines Kontaktverbotes einverstanden, zumal sich die Umstände im Verhältnis zur Hauptverhandlung vom 29. Oktober 2024 maßgeblich geändert hätten. Dem Verurteilten sei es zunächst ausschließlich unter Berücksichtigung der gemeinsamen beruflichen Beschäftigung beim C* (der Verurteilte hauptberuflich, das Opfer B* als ehrenamtliche Mitarbeiterin) ein Anliegen gewesen, für die weitere berufliche Zusammenarbeit im Rahmen eines begleiteten Mediationsgesprächs Lösungen zu erarbeiten. Mit diesem Ersuchen habe sich der Verteidiger des Angeklagten mit der Rechtsvertreterin der Privatbeteiligten am 29. Jänner 2025 in Verbindung gesetzt und mitgeteilt, dass der Angeklagte bereit wäre, die Kosten für eine derartige Mediation zur Gänze zu tragen und in deren Rahmen ausschließlich die Thematik der beruflichen Zusammenarbeit aufgearbeitet werden sollte. In einem Telefonat vom 10. Februar 2025 habe die Privatbeteiligtenvertreterin dazu mitgeteilt, dass B* keine Mediation wünsche. Die Anfrage um ein Mediationsgespräch könne dem Angeklagten jedoch nicht zum Nachteil gereichen. Im Übrigen habe sich das Erstgericht unzureichend mit der E-Mail des Angeklagten an die Privatbeteiligtenvertreterin vom 20. Februar 2025 (ON 22 S 3) auseinandergesetzt, zumal dieses E-Mail keine Bitte um ein Mediationsgespräch, sondern lediglich das Bedauern und eine Entschuldigung zum Ausdruck bringe.
Da sich der Angeklagte nunmehr freiwillig einer Psychotherapie bei der Männerberatung unterziehe und Kontakte nach dem abgeurteilten Tatzeitraum Ende Juli 2024 lediglich im Zuge beruflicher Zusammentreffen erfolgt seien, der Verurteilte insbesondere seit mehr als acht Monaten keinerlei Verhalten gesetzt habe, das auch nur ansatzweise geeignet gewesen wäre, B* zu belasten oder deren Sicherheitsgefühl zu bedrohen, hätte das Erstgericht zum Ergebnis gelangen müssen, dass sich der Angeklagte auch ohne Erteilung einer Weisung rechts- treu verhalten werde.
Da die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung der erteilten Weisung nicht vorliegen, sei der angefochtene Beschluss zur Gänze zu beheben, in eventu die zu weitreichende Weisung zu präzisieren und deren Dauer einzuschränken.
Dem Rechtsmittel ist Berechtigung nicht abzusprechen.
Vorauszuschicken ist, dass dem Beschwerdeführer die Eingabe der Privatbeteiligten ON 25 durch Akteneinsicht bekannt wurde und er in seinem Rechtsmittel auf diese eingegangen ist. Da der Verurteilte sämtliche Argumente in seinem Rechtsmittel vorbringen konnte, blieb die Verletzung des Rechts auf angemessenes rechtliches Gehör (§ 6 Abs 2 StPO) vor dem Hintergrund der im Beschwerdeverfahren geltenden Neuerungserlaubnis (vgl § 89 Abs 2b zweiter Satz StPO) fallaktuell ohne Auswirkungen.
Wird einem Rechtsbrecher die Strafe oder die mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme bedingt nachgesehen oder wird er aus einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme bedingt entlassen, so hat das Gericht ihm Weisungen zu erteilen oder Bewährungshilfe anzuordnen, soweit das notwendig oder zweckmäßig ist, um den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten (§ 50 Abs 1 erster Satz StGB). „Notwendig“ ist eine Weisung, wenn ohne sie der anzustrebende ordentliche Lebenswandel nicht möglich wäre, „zweckmäßig“ ist die Weisung, wenn durch sie die Wahrscheinlichkeit künftiger Delinquenz verringert wird (Schroll in WK² § 50 Rz 3). Die Weisung, einen bestimmten Umgang zu meiden, soll eine Distanzierung bewirken, die Auslöser oder Verstärker ihrer kriminellen Entwicklung war (Schroll in WK² StGB § 51 Rz 24) und dient insbesondere dem Opferschutz.
Unter Berücksichtigung des Umstands, dass Kontakte des Verurteilten zu B* im beruflichen Kontext durch deren Tätigkeit jeweils beim C* ohnehin unumgänglich (und von der erstgerichtlichen Weisung ausgenommen) sind, die strafbaren Handlungen des Verurteilten nicht den ausschließlichen Anlass der vom Opfer regelmäßig besuchten Psychotherapie bildeten (ON 17.2.1, 22), sich der Verurteilte mittlerweile selbst einer freiwilligen Psychotherapie bei der Männerberatung unterzieht (ON 23.4) und davon auszugehen ist, dass die in Schwebe gehaltene Sanktion von immerhin drei Monaten Freiheitsstrafe bei einem Ersttäter einen ausreichenden Anreiz für künftig straffreies Verhalten darstellt, erscheint die Erteilung einer Weisung in spezialpräventiver Hinsicht aktuell nicht geboten.
In Stattgebung der Beschwerde war der angefochtene Beschluss daher ersatzlos aufzuheben.
Für den Fall, dass der Verurteilte ungeachtet der von ihm absolvierten Psychotherapie dieser positiven Erwartungshaltung nicht gerecht wird, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 50 Abs 4 StGB während der Probezeit Weisungen auch nachträglich erteilt werden können.
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