Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Fisher als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Reden und den Richter Mag. Resetarits in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH in Liqu. (FN **), **, zuletzt vertreten durch Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP CO KG in Wien, wider die beklagte Partei B* C*, **, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH und Co KG in Wien, hier wegen Akteneinsicht, infolge des Rekurses der Antragstellerin D* C* , **, Großbritannien, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28.10.2024, **-59, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s :
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin und die beklagte Partei haben die Kosten des Rekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .
B e g r ü n d u n g :
Zu ** des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien war ein Verfahren anhängig, in dem die mittlerweile vollständig liquidierte Klägerin gegenüber dem Beklagten Honoraransprüche geltend machte. Das Verfahren ruht seit dem Jahr 2014.
Die Antragstellerin, die die geschiedene Ehegattin des Beklagten ist, begehrte mit Antrag vom 22.08.2024 ihr gemäß § 219 Abs 2 ZPO Akteneinsicht in das wechselseitige Parteivorbringen zur Konstruktion und zu den Zahlungsflüssen im Zusammenhang mit näher genannten Trusts sowie in noch vorhandene Urkunden betreffend Zahlungsflüsse im Zeitraum 2009 bis 2011 zu gewähren. Sie befinde sich mit dem Beklagten in einer laufenden Auseinandersetzung über die Aufteilung des ehelichen Vermögens. Der Beklagte habe der Aufteilung unterliegendes Vermögen über diverse Trust-Konstruktionen verschleiert. Aus dem Verfahrensakt ergebe sich, dass eheliches und der Aufteilung unterliegendes Vermögen durch den Beklagten in Trust-Strukturen verschoben worden sei, die unter seiner Kontrolle stehen würden. Zwar bestehe ein Auskunftsanspruch der Antragstellerin im Aufteilungsverfahren, es entziehe sich jedoch ihrer Kenntnis und ihrem Einflussbereich, welche weiteren Vermögensverschiebungen durch den Beklagten zu ihren Lasten erfolgt seien. Die Antragstellerin habe ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme, weil sie so ein vollständiges Bild über die Vermögensverhältnisse des Beklagten gewinnen könne, welches für das Aufteilungsverfahren von entscheidender Bedeutung sei. Dadurch verfolge sie den legitimen Zweck, die Beweislage im Aufteilungsverfahren günstiger für sich zu gestalten. Es handle sich nicht um einen Erkundungsbeweis, weil die Auskunftspflicht des Beklagten im Aufteilungsverfahren sowie deren Umfang nicht sämtliche Trust-Konstruktionen des Beklagten umfasse. Die Durchsetzung der Ansprüche im Aufteilungsverfahren sei für die Antragstellerin erheblich erschwert, da sie ohne Akteneinsicht nur Vermutungen zu den Vermögensverschiebungen des Beklagten anstellen könne. Die Interessenabwägung schlage zu ihren Gunsten aus, weil die ehemalige Klägerin vom Beklagten mit der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Verwaltung und Strukturierung des ehelichen Vermögens beauftragt gewesen sei. Die Antragstellerin habe während aufrechter Ehe auch Zugang zu bestimmten Informationen, die den Aufgabenbereich der Klägerin betroffen hätten, gehabt. Das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin und des Beklagten könne angesichts der ehemaligen Einbindung der Antragstellerin nicht schwerer wiegen, als das rechtliche Interesse an der Einsichtnahme. Um die Geheimhaltungsinteressen der Prozessparteien angemessen zu wahren, solle die Akteneinsicht auf das notwendige Maß beschränkt werden.
Der Beklagte sprach sich gegen die Gewährung der Akteneinsicht aus. Die Antragstellerin habe kein geschütztes Interesse an der Akteneinsicht, die Frage welche Auskunft der Beklagte über eheliche Errungenschaften zu geben habe, sei Gegenstand des Aufteilungsverfahrens. Der gegenständliche Antrag stelle einen Erkundungsbeweis dar. Solange nicht feststehe, ob und welche Auskunft der Beklagte überhaupt schulde, habe die Antragstellerin auch kein rechtlich geschütztes Interesse an der Akteneinsicht. Selbst bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses der Antragstellerin sei die Akteneinsicht nicht zu gewähren, weil die Klägerin als gewerbliche Vermögensberaterin tätig gewesen sei und sie daher eine Verschwiegenheitspflicht treffe. Die Klägerin sei von der Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden worden, weshalb die Gewährung der Akteneinsicht eine Verletzung staatlich anerkannter Verschwiegenheitspflichten darstellen würde. In die Interessenabwägung sei auch einzubeziehen, dass die Antragstellerin im Aufteilungsverfahren einen Auskunftsanspruch geltend mache, weshalb sie keiner Einsicht in den Verfahrensakt bedürfe. Zudem seien im Verfahren Angaben zu bestimmten Gesellschaften gemacht worden, die formal nicht Partei des Verfahrens seien. Diese hätten ein berechtigtes Interesse, dass Dritte keine Informationen erhalten, zu deren Erhalt sie nicht berechtigt seien. Sollte das Gericht dies anders sehen, wäre diesen Personen rechtliches Gehör einzuräumen, bevor über den Antrag entschieden werden könne. Der Antrag sei auch zu unbestimmt, weil es dem Gericht ohne eigenes Wertungsermessen möglich sein müsse, über die Einsicht in die begehrten Aktenteile zu entscheiden.
Mit dem angefochtenen Beschlusswies das Erstgericht den Antrag ab. Mangels Zustimmung der Parteien sei die Zulässigkeit der Akteneinsicht nach § 219 Abs 2 letzter Satz ZPO zu prüfen. Es liege kein Erkundungsbeweises vor, weil eine genaue Kenntnis der erwarteten Tatsachen nicht verlangt werden könne, da dies regelmäßig erst durch die Akteneinsicht möglich sei. Die Regelung des Art XLII EGZPO lege nahe, das Interesse an der Ermittlung des Vermögens des geschiedenen Ehegatten im Rahmen eines ehelichen Aufteilungsverfahrens als rechtliches Interesse zu qualifizieren. Dem liege zwar ein wirtschaftliches Interesse zugrunde, das aber in der Rechtsordnung begründet sei. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall die staatlichen Verschwiegenheitspflichten der Klägerin als gewerbliche Vermögensberaterin des Beklagten berührt werden. Zudem seien personenbezogene Daten im Sinn des Art 4 Z 1 DSGVO in Bezug auf die wirtschaftliche Identität der Verfahrensparteien wie etwa durch die Offenlegung von Honoraransprüchen und weiterer am Verfahren nicht beteiligter Personen von der Akteneinsicht betroffen. Die Offenlegung geschützter Informationen könne auch nicht durch eine partielle Gewährung der Akteneinsicht verhindert werden, da diese Informationen bereits aus den durch die Antragstellerin begehrten Aktenteilen hervorgehen könnten. Vor allem im Hinblick auf das anhängige Auskunftsverfahren sei ersichtlich, dass der Antragstellerin ein anderer Weg für die Informationsbeschaffung ohne Beeinträchtigung von Geheimhaltungsinteressen offenstehe.
Abschließend wies das Erstgericht darauf hin, dass sich keine Urkunden im Akt befinden und der Antrag sich auf Parteienvorbringen und damit nicht auf Aktenstücke sondern auf einzelne Teile davon beziehe. Eine solche Einschränkung der Akteneinsicht sei schon praktisch nicht durchführbar.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem auf Stattgebung gerichteten Änderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Liegt keine Zustimmung aller Parteien zur Akteneinsicht vor, muss ein Dritter, der Einsicht in einen Prozessakt begehrt, sein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme glaubhaft machen ( Rassi in Fasching/Konecny 3§ 219 ZPO Rz 41). Dabei reicht ein allgemeines öffentliches Interesse an Information sowie ein reines Informationsbedürfnis des Einsichtbegehrenden selbst nicht aus. Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse oder über Interessen der Information, der Pietät, des Anstands oder der Ethik hinausreicht (RS0079198). Das rechtliche Interesse an der Akteneinsicht muss konkret gegeben sein. Die Einsichtnahme und Abschriftnahme muss Bedeutung für die rechtlichen Verhältnisse des Dritten haben und die Kenntnis des betreffenden Akteninhaltes muss sich auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Dritten günstig auswirken, sei es auch nur dadurch, dass er instandgesetzt wird, die Beweislage für sich günstiger zu gestalten. Das rechtliche Interesse kann unter den beschriebenen Voraussetzungen allerdings nur dann anerkannt werden, wenn der Dritte aus dem Akt etwas erfahren will, was er nicht weiß, aber zur Wahrung seiner Interessen wissen muss. Ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht gemäß § 219 Abs 2 ZPO kann zB durch die Verfolgung von Ansprüchen begründet sein (RS0037263 [T21; T24]). Wird ein rechtliches Interesse des Dritten bejaht, ist die Abwägung vorzunehmen, ob das Recht des Dritten dasjenige der Verfahrensparteien überwiegt (RS0079198 [T6])
2. Wenngleich die Antragstellerin in ihrem Rekursantrag begehrt, dem Antrag auf Akteneinsicht (zur Gänze) stattzugeben, tritt sie den Ausführungen des Erstgerichtes, eine Akteneinsicht in Urkunden wäre nicht mehr möglich, weil diese bereits an die Parteien zurückgestellt worden seien, nicht entgegen. Im Rekursverfahren verbleibt daher lediglich die Frage, ob die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme in das wechselseitige Parteivorbringen zur Konstruktion und zu den Zahlungsflüssen im Zusammenhang mit näher genannten Trusts hat. Dass die Akteneinsicht auf Teile des Aktes beschränkt werden kann, entspricht der einhelligen Meinung in der Literatur (vgl zB Rassi aaO Rz 60; Trenker in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 219 ZPO Rz 14), wie auch der gefestigten Rechtsprechung (vgl zB 3 Ob 87/21x; 3 Ob 17/10m). Wie bestimmt der Antrag (und auch der bewilligende Spruch) dabei formuliert sein muss, wurde in der Judikatur kaum behandelt. Der Oberste Gerichtshof gewährte bspw in der Entscheidung 3 Ob 87/21x Akteneinsicht in näher bezeichnete Teile eines Erwachsenenschutzaktes. In 3 Ob 17/10m wurde einem Antragsteller „die Einsicht in jene Teile des Aktes bewilligt, die sich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen beziehen“. Dabei führte das Höchstgericht aus, es sei nicht erforderlich, im Beschluss jene Aktenteile im Einzelnen aufzuzählen, die das Recht auf Akteneinsicht umfasse bzw die von dieser Einsicht auszunehmen seien. Es sei Sache des Erstgerichts, vor der Einsicht jene Stücke aus dem Akt zu entnehmen, die sich auf andere (höchstpersönliche) Angelegenheiten des Betroffenen als Einkommens- und Vermögensverhältnisse beziehen.
3.Ob die Akteneinsicht in der beantragten Form umsetzbar wäre (was das Erstgericht bezweifelt), oder der Antrag schon deshalb unzulässig ist, weil es dem Erstgericht ohne Ausübung von Wertungsermessen nicht möglich wäre, zu entscheiden, in welche Aktenbestandteile überhaupt Akteneinsicht begehrt wird (so der Beklagte in seiner Äußerung vom 11.09.2024), muss nicht näher beleuchtet werden, weil die Antragstellerin kein rechtliches Interesse an dem konkret formulierten Einsichtsbegehren darlegt: Die Antragstellerin begehrt Akteneinsicht, weil sie die Ansicht vertritt, der Beklagte habe der Aufteilung unterliegendes Vermögen verheimlicht und in Trusts „geparkt“. Wie die Antragstellerin selbst vorbringt, machte die Klägerin im Verfahren Honoraransprüche geltend. Gegenstand eines solchen Honorarprozesses sind naturgemäß (nur) die von der Klägerin erbrachten Leistungen und die Abrechnung dieser. Selbst wenn die Parteien neben diesen verfahrensrelevanten Umständen auch Vorbringen zur „Konstruktion“ von Trusts (wobei offen bleibt, was die Antragstellerin darunter genau versteht) und konkreten Zahlungsflüssen erstattet hätten, könnte die Antragstellerin – schon mangels Beweismitteln - daraus weder ableiten, ob dieses Vorbringen den Tatsachen entspricht, noch Rückschlüsse daraus ziehen, ob es sich bei dem den Zahlungsflüssen zugrunde liegenden Beträgen um der Aufteilung unterliegendes Vermögen gehandelt hat. Wie in der – auch in der Rekursbeantwortung zitierten – Entscheidung 6 Ob 243/16b, in der der Oberste Gerichtshof ausführte, es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern Erkenntnisse des Vermögensstandes einer Privatstiftung Aussagekraft über die Höhe der ehelichen Ersparnisse haben könnten, muss dies auch bei einem Einsichtsbegehren in das bloße (nicht überprüfbare) Prozessvorbringen beider Parteien eines Honorarprozesses gelten. Die Antragstellerin kennt zwar das wechselseitige Prozessvorbringen der Parteien nicht, aus den genannten Gründen ist ein Wissen um das Vorbringen im Honorarprozess der Klägerin zur Wahrung der Interessen der Antragstellerin jedoch auch nicht notwendig.
4.Die Antragstellerin hat somit kein rechtliches Interesse an dem konkret formulierten Einsichtsbegehren in das wechselseitige Parteivorbringen; eine Interessenabwägung ist daher nicht (mehr) vorzunehmen. Auf die von der Antragstellerin vermissten Feststellungen kommt es somit nicht entscheidend an, wobei darauf zu verweisen bleibt, dass die stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen über das Auskunftsbegehren durch den Obersten Gerichtshof zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgehoben wurden (1 Ob 58/24x).
5.Ein Anspruch auf Kostenersatz besteht im Zivilprozess grundsätzlich nur zwischen den Parteien; eine Kostenersatzpflicht oder ein Kostenersatzanspruch Dritter wird nur ausnahmsweise angeordnet. Für die Akteneinsicht besteht keine solche Sonderregelung (RS0132792). Ein Kostenersatzanspruch gegenüber einem die Akteneinsicht begehrenden Dritten besteht daher nicht (10 ObS 34/22f [Rz 15]; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.115).
6.Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.
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