Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidenten Mag. Schaller als Vorsitzenden sowie Mag. Köller-Thier und den Richter Mag. Nigl in der Rechtssache des Klägers Dr. A*, LL.M., Rechtsanwalt, **, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, wider den Beklagten Dr. B* , **, vertreten durch Dr. Georg S. Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 52.512,52 s.A., über den Rekurs des Klägers (Rekursinteresse EUR 11.678,66), gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 2.10.2024, **-123, den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit EUR 753,36 (darin enthalten EUR 125,56 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Am 21.2.2017 wurde er vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien zum mittlerweiligen Substituten des Beklagten, damals selbständiger Rechtsanwalt, bestellt. Am 14.3.2017 wurde der Kläger zum Kammerkommissär für den Beklagten bestellt und am 28.3.2017 als mittlerweiliger Substitut enthoben. Seine Tätigkeit endete mit Bescheid vom 3.12.2019 mit seiner Enthebung und dem Auftrag zur weiteren Aktenaufbewahrung. In seinen Funktionen als mittlerweiliger Substitut und Kammerkommissär des Beklagten verrichtete der Kläger zahlreiche Tätigkeiten, für die er dem Beklagten Honorarnoten ausstellte. Der Beklagte bezahlte diese Rechnungen nicht.
Der Kläger begehrte vom Beklagten die Zahlung von EUR 52.512,52 sA, resultierend aus einem Betrag von EUR 15.490,20 an Entgelt für seine Tätigkeiten als mittlerweiliger Substitut, EUR 36.679,32 als Kammerkommissär und EUR 343 für Aktenverwahrung. Der Beklagte bestritt die Forderungen des Klägers sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit EUR 20.000 samt 8,58 % Zinsen seit 22.5.2020 unter Anwendung des § 273 ZPO statt und wies das Mehrbegehren ab. Die Kostenentscheidung wurde gemäß § 52 Abs 3 ZPO vorbehalten.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Parteien in der Hauptsache nicht, jedoch im Zinsenbegehren teilweise Folge und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 4 % Zinsen seit 15.1.2019 aus EUR 20.000. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beider Instanzen blieb dem Erstgericht vorbehalten.
Zu 9 Ob 42/24b wies der OGH die Revisionen des Klägers und des Beklagten zurück. Der Beklagte wurde verpflichtet, dem Kläger die mit EUR 1.221,90 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Mit dem hier angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht den Kläger, dem Beklagten die mit EUR 2.454 bestimmten anteiligen Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Zu den Kosten erster Instanz gründe sich die Kostenentscheidung auf § 43 Abs 1 ZPO. Die Erfolgsquote des Klägers betrage rund 38%, weshalb er Anspruch auf 38% der Gerichtsgebühren von insgesamt EUR 1.459, damit EUR 554,42 habe. Der Beklagte habe mit 62% obsiegt. Daraus ergebe sich eine Ersatzquote von 24%. Dem Beklagten seien daher 24% seiner verzeichneten Verfahrenskosten zuzusprechen - die rechnerisch richtig EUR 12.258,78 ergäben - somit EUR 2.942,12. Somit errechne man EUR 2.387,69 zu Gunsten des Beklagten.
Im Berufungsverfahren seien die Streitteile über die Berufung des jeweils anderen Streitteils erfolgreich gewesen, weshalb der Beklagte dem Kläger die gesamten Kosten dieses Verfahrensabschnittes zur Gänze zu ersetzen habe, in concreto EUR 2.220,42, sowie der Kläger dem Beklagten EUR 2.286,72.
Insgesamt ergebe sich daher ein Kostenzuspruch von anteilig EUR 2.454 zu Gunsten des Beklagten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass der Beklagte zum Kostenersatz für das Verfahren erster und zweiter Instanz in Höhe von EUR 11.678,66 verpflichtet werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Der Rekurswerber führt zunächst zur Mangelhaftigkeit des Verfahrensaus, das Verfahren über die Kostenbestimmung sei mangelhaft, weil das Erstgericht die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens des Beklagten mit EUR 12.258,78 berechnet und diesem 24% dieser Kosten, sohin EUR 2.942,12, zugesprochen habe. Im Kostenverzeichnis, welches am Schluss der mündlichen Verhandlung überreicht worden sei, seien jedoch nur Kosten in Höhe von EUR 12.216,06 vom Beklagten verzeichnet worden. Das Erstgericht habe dem Beklagten daher zu viel zugesprochen, es liege ein Verstoß gegen § 405 ZPO vor.
Der Rekurswerber übersieht, dass das Erstgericht darauf verwiesen hat, dass die verzeichneten Verfahrenskosten des Beklagten rechnerisch richtig EUR 12.258,78 ergäben, also einen Rechenfehler korrigiert hat. Dieser Rechenfehler lag auch vor. Bei richtiger Zusammenrechnung der vom Beklagten verzeichneten Kosten ergäbe sich sogar ein geringfügig über jener Summe, von der das Erstgericht ausging, liegender Ersatzbetrag.
Bei vertretenen Parteien ist der Umfang der Prüfungspflicht der Gerichte im Anwendungsbereich des § 54 Abs 1a ZPO unklar (OLG Wien 14 R 71/24z). Mit dem BBG 2011 wurde das Wort „ungeprüft“ in Abs 1a aufgenommen. Mit Erkenntnis vom 5.10.2011, G 84/11, hob der VfGH das Wort „ungeprüft“ als verfassungswidrig auf: die verpflichtend ungeprüfte Zugrundelegung des Kostenverzeichnisses bei anwaltlich vertretenen Parteien sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil auch in diesen Fällen nicht ausgeschlossen sei, dass das Kostenverzeichnis Schreib- oder Rechenfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten enthalte ( Schindler/Schmoline r in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 54 ZPO Rz 15). Schreib- und Rechenfehler sowie offenkundige Fehler sind auch ohne Einwendungen des Gegners zu korrigieren (VfGH G 280/09, G 84/11).
Wenn eine Minderverzeichnung im Gesamtbetrag des Kostenverzeichnisses ihre Ursache in einem Rechenfehler hat, die Ansätze jedoch richtig verzeichnet wurden, wird im Fall des Mehrzuspruchs nicht gegen § 405 ZPO verstoßen ( Obermaier , Kostenhandbuch 4Rz 1.76; vgl RS0113805; OLG Wien 13 R 18/21v). Das Vorgehen des Erstgerichts war damit rechtsrichtig.
2. Der Rekurswerber vermeint weiters, dass das Erstgericht dem Beklagten auch hinsichtlich der zweitinstanzlichen Kosten mehr an Kosten zugesprochen habe, als dieser verzeichnet habe. Ohne Pauschalgebühr habe der Beklagte für seine Berufung EUR 1.849,92 verzeichnet. Das Erstgericht habe dem Beklagten jedoch EUR 2.286,72 zugesprochen. Das Erstgericht habe den Kostenzuspruch offenbar versehentlich vertauscht.
Dem ist entgegenzuhalten, dass nicht das Erstgericht, sondern der Rekurswerber einer irrtümlichen Verwechslung unterliegt. Im Berufungsverfahren wurde den Berufungen der Streitteile (jedenfalls in der Hauptsache) jeweils nicht Folge gegeben. Diese sind daher jeweils mit ihren Rechtsmittelgegenanträgen, also ihrem Vorbringen in der jeweiligen Berufungsbeantwortung durchgedrungen. Deren Kosten sind vom Gegner jeweils zu ersetzen. Der Kläger hat hier EUR 2.220,42 verzeichnet, der Beklagte EUR 2.286,72. Dies hat das Erstgericht seiner Entscheidung auch zugrunde gelegt.
3. Daraus erklärt sich auch zwanglos, warum das Erstgericht „auch über die Pauschalgebühr für die Berufungen nicht entschieden“ hat, wie der Rekurswerber in seiner Rechtsrügemoniert. Die Streitteile sind mit ihren jeweiligen Berufungen (in der Hauptsache) schlicht erfolglos geblieben. Warum „die Pauschalgebühr des Beklagten vom Bund in einem Einhebungsverfahren gegenüber dem Kläger nach rechtskräftiger Kostenentscheidung einzuheben wäre“ legt der Rekurs nicht dar. Diesbezüglich ist auf §§ 70 ZPO und 2 Abs 3 GEG zu verweisen. Das Gesetz stellt hier darauf ab, ob und wieweit dem Gegner der Verfahrenshilfe genießenden Partei die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden (oder er sie in einem Vergleich übernommen hat; vgl näher M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3§ 70 ZPO Rz 2 ff).
4. In seiner Rechtsrüge rügt der Rekurswerber weiters, dass das Erstgericht die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren nach dem Obsiegensprinzip getroffen hat. Das erstinstanzliche Verfahren über die Klagsforderung sei nach richterlichem Ermessen gemäß § 273 ZPO entschieden worden. Richtigerweise hätte das Erstgericht daher die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 43 Abs 2 ZPO treffen müssen.
Nach ständiger Rechtsprechung darf der Kläger in Fällen, in denen in der Hauptsache § 273 ZPO anzuwenden ist, nicht übermäßig, also nicht offensichtlich zu hoch einklagen, er muss sein Begehren noch vernünftig einschätzen. Als Faustregel gilt, dass die Einklagung etwa bis zum Doppelten des dann tatsächlich Ersiegten noch nicht kostenschädlich ist ( Obermaier in Höllwerth/Ziehensack, ZPO-TaKom § 43 ZPO Rz 10). Auch nach der Judikatur liegt - „als grobe Orientierung" - eine offenbare Überklagung, die die Anwendung von § 43 Abs 2 ZPO verhindert, etwa dann vor, wenn mehr als doppelt soviel eingeklagt als zugesprochen wird (2 Ob 74/05d mwN).
Ist der eingeklagte Forderungsbetrag offenbar viel zu hoch gegriffen, liegt eine erkennbare Überklagung vor, sodass die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO trotz Festsetzung des zugesprochenen Betrags nach richterlichem Ermessen ausgeschlossen ist (RS0035993). Die Folge einer unvertretbaren Überklagung ist das Kippen der Kostenentscheidung, sie richtet sich dann – wie vom Erstgericht zutreffend erkannt – ausschließlich nach § 43 Abs 1 ZPO (7 Ob 36/03z; 2 Ob 166/07m; RS0035993). Die Rechtswohltat des § 43 Abs 2 ZPO ist dem Kläger, der mit nur rund 38% - also geringfügig über einem Drittel - durchgedrungen ist, hier damit schon wegen seines zu hoch gegriffenen Forderungsbetrags nicht zu gewähren.
Ob der Beklagte den Entlohnungsanspruch des Klägers „anerkennen wollte“ oder bestritten hat, ist dabei ebenso wenig relevant, wie der Umstand dass der Kläger Klage führen musste, um eine Entlohnung seiner Tätigkeit zu erlangen. Beides führt nicht dazu, dass die Anwendung des Obsiegensprinzips „unbillig“ wäre.
Es war damit dem Rekurs der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.
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