Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Dr. Engljähringer als Vorsitzende, die Richterin Mag. Kuranda und den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* B*und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 12 dritter Fall StGB über die Berufungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 29. April 2024, Hv*-283, nach der in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag. Fischer-Leon, LL.B., des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Aflenzer durchgeführten Berufungsverhandlung am 19. November 2025 zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch eines Mitangeklagten enthält, wurde der ** geborene A* B* des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in ** und anderen Orten in einverständlichem Zusammenwirken mit C* und einem weiteren Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig auf die im Urteil näher dargestellte Weise (§ 70 Abs 1 Z 1 und Z 3, Abs 2 StGB) andere Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, risikolose und lukrative Vermögensanlagen der überlassenen Gelder in vermeintliche Investitionsprogramme, nämlich das „D*“ und „E*“, mit Renditen von bis zu fünf Prozent pro Woche vornehmlich über gute Kontakte zur „E*“ zu erwirken, sowie die Vorgabe der Auszahlungswilligkeit hinsichtlich der überlassenen Beträge und der versprochenen Gewinne, zu Handlungen, nämlich zur Zahlung von Bargeld und zur Überweisung von Bitcoins und Euro aus dem Titel des Investitionsbeitrags verleitet, die diese in einem EUR 300.000,00 übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, wobei A* B* Opfer anwarb, als Ansprechperson auftrat und als vermeintlicher Finanzexperte die Sicherheit des Geschäfts zusicherte, wobei er:
I./ in der Zeit vom 22. Februar 2021 bis zum 12. Mai 2021 in den im Urteil zu 1./ und 2./ dargestellten Fällen erhaltene Geldbeträge in Kryptowährungen gegen Einbehalt einer Provision von einem Prozent tauschte und entweder den Opfern zur Weiterleitung an C* oder diesem direkt überwies;
II./ in der Zeit vom 17. Februar 2021 bis zum 12. März 2021 in den im Urteil zu 1./ bis 4./ beschriebenen Fällen zu den von C* (auf die zu A./ dargestellte Weise) verübten Tathandlungen beitrug, indem er von C* an ihn vermittelte Geldbeträge in Bitcoins zum Zweck der Investition in das Tradingprogramm gegen Einbehalt einer Provision im Ausmaß von einem Prozent umwandelte und dann entweder in den im Urteil zu 1./ bis 4./ dargestellten Fällen an die Opfer zurücküberwies oder an C* weitertransferierte.
Hiefür verhängte das Erstgericht über den Angeklagten A* B* nach dem Strafsatz des § 147 Abs 3 StGB unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB eine gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 16 Monaten sowie eine Geldstrafe von 480 Tagessätzen zu je EUR 30,00, für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit 240 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.
Im Adhäsionserkenntnis wurde A* B* verpflichtet, binnen 14 Tagen den Privatbeteiligten F* EUR 165.000,00, G* EUR 150.000,00, H* EUR 8.600,00, I* EUR 30.000,00 und J* EUR 18.000,00 zu ersetzen. Mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen wurden die Privatbeteiligten F*, I* und J* sowie die Privatbeteiligte K* zur Gänze gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Darüber hinaus erklärte das Erstgericht gemäß § 20 Abs 3 StGB hinsichtlich des Angeklagten A* B* einen Betrag von EUR 4.730,00 für verfallen.
Gegen den Strafausspruch dieses Urteils sowie den Zuspruch an die Privatbeteiligten und den Ausspruch des Verfalls richtet sich – nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 9. Jänner 2025, 12 Os 125/24k-4 – noch die Berufung des A* B*, mit der er die Herabsetzung des Strafmaßes, das Absehen vom Verfall sowie (erkennbar) die Verweisung der Privatbeteiligten mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg begehrt (ON 294). Die Staatsanwaltschaft (WKStA) beantragte in ihrer Berufung die Erhöhung der über den Angeklagten verhängten Geld- und Freiheitsstrafe (ON 288) und trat der Berufung des Angeklagten entgegen. Der Angeklagte begehrt mit seiner dazu erstatteten Gegenäußerung, dem Rechtsmittel der WKStA nicht Folge zu geben (ON 291).
Beide Berufungen sind nicht berechtigt.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, seine (teilweise) tatsachengeständige Verantwortung sowie seine untergeordnete Rolle, demgegenüber erschwerend die Tatwiederholung.
Dieser Strafzumessungskatalog bedarf insofern einer Korrektur, als zusätzlich der Milderungsgrund nach § 34 Abs 2 StGB zum Tragen kommt. Kriterien für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind nach der Judikatur des EGMR zu Art 6 EMRK Umfang und Schwierigkeit des Falls, die Art der Verfahrensführung durch die Strafverfolgungsbehörden sowie das Verhalten des Beschuldigten. § 34 Abs 2 StGB deckt zwei Fallgruppen ab: den allgemeinen Milderungsgrund der aufgrund der individuellen (Mehr-)Belastung unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer einerseits und die durch Säumnisse staatlicher Organe zu verantwortende unverhältnismäßig (iSd Art 6 Abs 1 EMRK unangemessen) lange Verfahrensdauer als Verletzung des Beschleunigungsgebots nach Art 6 EMRK anderseits (RIS-Justiz RS0132858). Während im ersten Fall der Milderungsgrund im Rahmen der Gesamtabwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe bei der Strafbemessung unmittelbar zu berücksichtigen ist, ist er im zweiten Fall iSd Art 41 EMRK Wiedergutmachung und Entschädigung für eine Konventionswidrigkeit: Die Grundrechtsverletzung ist explizit anzuerkennen und, sofern diese Feststellung für eine adäquate Wiedergutmachung nicht ausreicht, durch eine ausdrückliche und messbare Reduzierung der verhängten Strafe zu kompensieren. Zu diesem Zweck sind alle wesentlichen Verzögerungen, zu denen es im Lauf des Verfahrens ge-kommen war, und deren Gründe festzustellen ( Riffelin WK² StGB § 34 Rz 56). Fallkonkret verweist der Angeklagte zutreffend darauf, dass zwischen der Verfügung vom 30. Juni 2023 (ON 1.221) auf Zustellung der Anklageschrift (ON 231) an die Angeklagten, die keine Einsprüche erhoben, und der Beigebung eines Amtsverteidigers für den Angeklagten B* am 6. Dezember 2023 (ON 1.222) bzw der Ausschreibung der Hauptverhandlung am 11. Jänner 2024 (ON 1.223) eine mehr als fünfmonatige Phase einer nicht vom Angeklagten zu verantwortenden Inaktivität lag. Wenngleich nicht übersehen wird, dass es sich hier um ein überdurchschnittlich komplexes Verfahren handelte, das auch einer entsprechend umfangreichen Verhandlungsvorbereitung bedurfte, so ist doch in der relevierten Verfahrensverzögerung eine Konventionsverletzung zu erblicken, die mit einer zweimonatigen Strafmaßreduktion auszugleichen ist.
Die teilweise geständige Verantwortung des Angeklagten beachtete das Erstgericht ohnedies. Dem Berufungsvorbringen der öffentlichen Anklägerin zuwider haben die Erstrichter die konkrete Tatwiederholung (Faktenmehrheit) vor dem Hintergrund angenommener Gewerbsmäßigkeit (RIS-Justiz RS0091375) ausreichend als erschwerend berücksichtigt. Soweit beide Rechtsmittelwerber hinwieder – jeweils zugunsten ihres eigenen Standpunkts – die mildernde Wertung untergeordneter Tatbeteiligung des Angeklagten als zu hoch bzw als zu gering gewichtet kritisieren, ist festzuhalten, dass das von A* B* verwirklichte Tatunrecht, hatte er doch – nachdem er anfangs gutgläubig noch selbst Investitionen getätigt hatte (US 6) – (spätestens) erst ab 17. Februar 2021 erkannt, dass es sich um ein Betrugsmodell handelte (US 9), zwar durchaus hinter den inkriminierten Verhaltensweisen des gesondert verfolgten C* als mutmaßlichem Drahtzieher und Erfinder des im Jahr 2020 entwickelten vermeintlichen „Investitionsprogramms“ zurückblieb, der Angeklagte B* aber als Ansprechpartner der Opfer mit der Aufgabe, deren Gelder in Bitcoins zu tauschen, für die Umsetzung der betrügerisch motivierten Tradingprogramme und -manipulationen im Tatzeitraum entscheidend mitverantwortlich war.
Damit ist die von den Erstrichtern festgesetzte Sanktion, die (mit gedachten 24 Monaten, US 39) lediglich ein Fünftel des Rahmens (von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe) ausschöpft, selbst mit Blick auf das mittlerweile viereinhalbjährige Zurückliegen der Tat und das zwischenzeitige Wohlverhalten des Angeklagten keinesfalls mehr reduzierbar. Allem voran die Unbescholtenheit des zur Tatzeit bereits 55-jährigen Angeklagten sowie der Umstand, dass die objektive Tatschwere ausgehend von einer Schadenssumme von insgesamt EUR 473.000,00, freilich bei zusätzlicher Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB, innerhalb der strafsatzbestimmenden Deliktskategorie des § 147 Abs 3 StGB – gerade noch – im unteren Bereich anzusiedeln ist, ließen vielmehr unter Bedacht auf sämtliche berechtigten Präventionsbedürfnisse mit einer moderaten Strafmaßanhebung das Auslangen finden. (Gedankliche; Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 43a Rz 9 mwN) 26 Monate Freiheitsstrafe sind tat- und schuldadäquat, wovon jedoch in der Folge der zweimonatige Ausgleich für die früher aufgezeigte Verfahrensverzögerung in Abzug zu bringen ist. Dies mündet letztlich wiederum in die Feststellung, dass (im Licht des § 43a Abs 2 StGB) mit der Einschätzung des Erstgerichts auf eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren zu erkennen gewesen wäre.
Die spezialpräventiv bedeutsamen Milderungsgründe des § 34 Abs 1 Z 2 und Z 17 StGB stützen die Annahme, dass dem Angeklagten bei einem effektiven Vollzug der vom Erstgericht festgesetzten (mit 240 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe einem umgewandelten achtmonatigen Freiheitsstrafteil entsprechenden; 14 Os 29/19z) empfindlichen Geldstrafe von 480 Tagessätzen eine ausreichend günstige Sozialprognose für die Gewährung bedingter Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB zum verbleibenden 16-monatigen Freiheitsstrafteil, freilich bei gesetzlich längstmöglicher Beobachtungsfrist, erstellt werden kann.
Die Höhe des einzelnen Tagessatzes entspricht den maßgeblichen aktenkundigen persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz (§ 19 Abs 2 erster Satz StGB; US 4). An diesem Bezugspunkt der Strafberufung des Angeklagten vermögen die am Gerichtstag vorgetragenen Neuerungen nicht zu rütteln ( Lässig in WK 2StGB § 19 Rz 27); Abhilfe könnte hier § 31a Abs 2 StGB schaffen.
Ein Absehen vom Verfall, wie vom Angeklagten begehrt, kommt mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 20a StGB nicht in Betracht: die Unverhältnismäßigkeit iSd Abs 3 leg cit bezieht sich ausschließlich auf den Ermittlungsaufwand; die Einbringungswahrscheinlichkeit ist erst bei der Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen zu berücksichtigen und steht einem Verfallsausspruch nicht im Weg ( Michel-Kwapinski/Oshidari StGB 15 § 20a Rz 8 mwN).
Sämtliche Privatbeteiligtenzusprüche orientieren sich am Schuldspruch und den dazu aktenkonform und unbedenklich festgestellten Schadenssummen zum Nachteil der genannten Tatopfer. Die dazu nicht weiter ausgeführte Berufung des Angeklagten gibt für eine günstigere Sichtweise nichts an die Hand.
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