Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Berchtold als Vorsitzende sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Dr. Tangl und den Richter des Oberlandesgerichts Mag. Ortner als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei mj. A* , vertreten durch den Vater B*, **, beide vertreten durch Dr. Johann Lutz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) C* , und 2. D* , beide vertreten durch CHG Czernich Haidlen Gast Partner Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, wegen ausgedehnt EUR 21.415,60 sA und Feststellung (Streitinteresse EUR 5.000,--; Gesamtstreitwert daher EUR 26.415,60), über die Berufung (Berufungsinteresse EUR 6.985,15) der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 27.11.2024, **-40, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird F o l g e gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert , dass sie einschließlich der unangefochten in Teilrechtskraft erwachsenen Teile insgesamt zu lauten hat:
„1. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters EUR 15.955,60 samt 4 % Zinsen seit 30.9.2024 zu bezahlen sowie die mit EUR 8.149,39 (darin EUR 1.352,22 USt und EUR 36,13 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.
2. Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien dem Kläger für alle zukünftigen und derzeit noch nicht bekannten Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 8.7.2022 um ca 11.00 Uhr im Ortsgebiet von ** auf Höhe des Hauses ** haften, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei bis zur Höhe der Versicherungssumme begrenzt ist.
3. Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien darüber hinaus zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters einen weiteren Betrag von EUR 5.483,-- samt 4 % Zinsen zu zahlen sowie das Zinsenmehrbegehren werden a b g e w i e s e n .
4. Die beklagten Parteien sind weiters schuldig, dem Bund binnen 14 Tagen gemäß § 70 ZPO jene Barauslagen, von deren Entrichtung die klagende Partei gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a und c ZPO einstweilen befreit war, im Ausmaß von 84 %, sohin im Betrag von EUR 2.612,57 zu ersetzen und auf das Konto des Landesgerichts Innsbruck, IBAN **, Verwendungszweck **, einzuzahlen.“
II. 1. Die beklagten Parteien sind darüber hinaus zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 1.075,62 (darin EUR 179,27 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
2. Die beklagten Parteien sind weiters schuldig, dem Bund binnen 14 Tagen gemäß § 70 ZPO jene Barauslagen, von deren Entrichtung die klagende Partei gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO einstweilen befreit war, im Ausmaß von 100 %, sohin im Betrag von EUR 669,90, zu ersetzen und auf das Konto des Landesgerichts Innsbruck, IBAN **, Verwendungszweck **, einzuzahlen.
III. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 5.000,--, nicht aber EUR 30.000,--.
IV. Die Revision ist n i c h t zulässig.
Entscheidungsgründe:
Am 8.7.2022 ereignete sich im Ortsgebiet von ** auf Höhe des Hauses ** im Bereich der dortigen Bushaltestelle ein Verkehrsunfall, bei welchem der Kläger als Fußgänger und die Erstbeklagte mit ihrem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW der Marke ** beteiligt waren.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist ausschließlich die Frage des (Mit-)Verschuldens des minderjährigen Klägers; auf die Wiedergabe des zur Höhe des Klagebegehrens beidseits erstatteten Vorbringens wird daher im Folgenden verzichtet und dazu auf die Ausführungen im Ersturteil verwiesen (§ 500a ZPO).
Mit der – pflegschaftsgerichtlich genehmigten – Klage begehrte der Kläger zuletzt ausgedehnt Zahlung von EUR 21.415,60 s.A. sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für künftige Schäden aus dem Unfall vom 8.7.2022 in **, hinsichtlich der Zweitbeklagten begrenzt mit der Höhe der Versicherungssumme.
Anspruchsbegründend brachte er vor, er sei mit mehreren anderen Kindern aus dem Linienbus ausgestiegen und habe beim dortigen Schutzweg die Straßenseite wechseln wollen. Er habe vor dem Überqueren der Straße auf dem Schutzweg hinter dem stehenden Linienbus nochmals nach links und dann nach rechts geschaut. Am Ende des Linienbusses habe er nochmals nach rechts schauen wollen, wofür er einen Schritt nach vorne habe machen müssen, um Einsicht in die Fahrbahn nach rechts zu erhalten. Dabei sei er vom PKW der Erstbeklagten erfasst und weggeschleudert worden. Diese habe bei Annäherung an den Schutzweg im Bereich eines an einer Haltestelle anhaltenden Busses grob fahrlässig eine Geschwindigkeit von ca 40 km/h eingehalten. Im Hinblick auf die eingeschränkten Sichtverhältnisse durch den stehenden Bus und die Tatsache, dass sie an dieser Stelle mit erhöhtem Schüleraufkommen hätte rechnen müssen, hätte sie maximal Schrittgeschwindigkeit, sohin eine Geschwindigkeit von 4 bis 5 km/h einhalten dürfen. Es sei unrichtig, dass der Kläger seitlich gegen das Fahrzeug der Erstbeklagten gelaufen sei; vielmehr habe diese den Kläger auf einem Fußgängerübergang angefahren. Es treffe sie das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls.
Die Beklagten wendeten – wiederum zusammengefasst – ein, dass die Erstbeklagte kein Verschulden am Unfall treffe, der Kläger sei unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr notwendigen Sorgfalt seitlich in ihr Fahrzeug gelaufen. Für sie sei der Unfall unabwendbar gewesen; ursächlich sei ausschließlich das plötzliche Betreten der Fahrbahn durch den Kläger gewesen.
Die Erstbeklagte habe bei Annäherung zum Zebrastreifen ihre Geschwindigkeit derart verringert, dass ihr das jederzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, hätte sich eine Person umsichtig dem Zebrastreifen genähert. Der Kläger sei aber plötzlich auf die Straße gelaufen. Die Behauptung, der Kläger sei bereits im Moment des erstmöglichen Blickkontakts vom Fahrzeug der Erstbeklagten erfasst worden, sei denkunmöglich, diesfalls wäre das Fahrzeug der Erstbeklagten auch mit dem Bus kollidiert. Der Unfall sei trotz Einhaltung höchstmöglicher Sorgfalt für die Erstbeklagte nicht zu verhindern gewesen.
Das Erstgericht verpflichtete mit dem nunmehr angefochtenen Urteil die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von EUR 10.637,12 s.A. und gab dem Feststellungsbegehren zu zwei Drittel statt. Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrags von EUR 10.778,48 s.A. sowie das Begehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Parteien im Ausmaß eines weiteren Drittels wurden abgewiesen.
Darüber hinaus sprach es in Punkt 3. der angefochtenen Entscheidung aus, dass die beklagten Parteien zum Ersatz der Hälfte der in § 64 Abs 1 Z 1 lit a und c ZPO genannten Beträge, von deren Entrichtung der Kläger befreit war, verpflichtet seien. Eine Kostenentscheidung im Spruch des Urteils unterblieb; aus der Begründung der Entscheidung geht hervor, dass die Kosten gegenseitig aufgehoben wurden.
Dieser Entscheidung legte das Erstgericht die nachfolgend wiedergegebenen Feststellungen zum Anspruchsgrund zugrunde, wobei die in der Berufung bekämpften Feststellungen in Fettdruck wiedergegeben werden. Hinsichtlich der Feststellungen zur Höhe des geltend gemachten Schadenersatzes wird auf den Sachverhalt in US 7 bis US 8 des Ersturteils verwiesen (§ 500a ZPO).
Die Fahrbahn verläuft im Unfallsbereich in annähernd gerader Linie in Richtung Südwesten. Sie ist auf Höhe des Schutzweges ca 5,15 m breit und durch eine Leitlinie in zwei Fahrstreifen geteilt. Links der Fahrbahn befindet sich ein durch einen Randstein erhöhter Gehsteig. Unmittelbar vor dem Schutzweg befindet sich rechtsseitig [Anm des Berufungsgerichts: gemeint offenbar: nordwestlich bzw aus Fahrtrichtung der Erstbeklagten gesehen] eine durch einen Randstein begrenzte niveaugleich angelegte Haltestellenbucht. Zum Unfallszeitpunkt war linksseitig auf dem Gehsteig baustellenbedingt eine Haltestellentafel angebracht. Die Fahrbahn ist eben, weist kein relevantes Gefälle auf und ist mit einer abgenutzten Asphaltschicht bedeckt.
Zum Unfallszeitpunkt war ca 100 m vor der Unfallstelle am rechten Gehsteig eine „Geschwindigkeitsbeschränkung 30 km/h“ so aufgestellt, dass diese vom ankommenden Verkehr nur von der Seite [ gemeint offenbar: von dieser Seite ] gesehen werden konnte. An der Ortstafel war zum Unfallszeitpunkt das Verkehrszeichen „Geschwindigkeitsbeschränkung 40 km/h“ angebracht.
Der Kläger fuhr um ca 10.55 Uhr mit dem Linienbus von ** nach **. Aufgrund einer Baustelle war die Bushaltestelle bei der E* in den Nahebereich des dortigen Schutzweges versetzt worden.
Der Bus hielt bei der Haltestelle, wobei der Abstand zwischen Busrückseite und Schutzweg in etwa 2 m betrug. Genauere Feststellungen zum Abstand können nicht getroffen werden. Der Kläger stieg aus dem Bus aus und ging auf dem Gehsteig nach hinten bis zum östlichen Rand des Schutzweges. Er wollte über den Schutzweg die Straße überqueren, um Müll im Mülleimer im Haltestellenhäuschen auf der anderen Straßenseite zu entsorgen.
Die Erstbeklagte näherte sich mit ihrem PKW im Ortsgebiet von ** in Richtung Westen mittig auf der Landesstraße L9 dem in entgegengesetzter Fahrtrichtung haltenden Bus. Ihr Seitenabstand zum Bus und ihre Fahrgeschwindigkeit können nicht festgestellt werden, jedenfalls fuhr die Erstbeklagte nicht schneller als 40 km/h. Der Kläger blickte vor Betreten des Schutzweges nach links und rechts, wobei er aufgrund des Busses die Straße nicht nach rechts einsehen konnte. Er betrat den östlichen Teil des Schutzweges und ging bis zum Heck des Linienbusses. Ein Laufschritt, ein Laufen oder ein Rennen des Klägers kann nicht festgestellt werden.
Die aus Osten kommende Erstbeklagte nahm zwei Personen in Fahrtrichtung am rechten Gehweg im Bereich der gegenüberliegenden Bushaltestelle wahr, jedoch keine Personen auf der linken Seite des angehaltenen Linienbusses. (1) Nicht festgestellt werden kann, ob die Erstbeklagte in Annäherung an den Schutzweg ihre Geschwindigkeit verringerte .
Der Kläger blieb im Bereich der Fluchtlinie des Busses kurz stehen. Zu diesem Zeitpunkt streckte er seinen Kopf nicht über die Kante des Busses hinaus und vergewisserte sich nicht, ob sich auf der Gegenfahrbahn ein Fahrzeug näherte. Als der Kläger zu einem weiteren Schritt nach vorne ansetzte, kam es zur Kollision mit dem PKW der Erstbeklagten. Die Kollisionsstelle befand sich im Bereich des vorderen Radlaufs des Beklagtenfahrzeugs. Der Kläger wurde am Unterschenkel des linken Beins angefahren und nach hinten geschleudert.
Die Erstbeklagte nahm die Kollision auf Höhe des Schutzwegs wahr, als sie einen „harten Kracher“ hörte. Sie blickte zunächst auf den Außenspiegel und sah, dass dieser beschädigt herunterhing. Daraufhin bremste sie ihr Fahrzeug voll ab. Dann blickte sie in den Innenspiegel und sah den Kläger auf der Straße liegen. Nicht festgestellt werden kann, ob die Erstbeklagte das Fahrzeug nach der Kollision nach rechts auslenkte.
Die Erstversorgung des Klägers fand im Bereich zwischen dem Busheck und dem Schutzweg statt.
(2) Die Kollision wäre für den Kläger vermeidbar gewesen, wenn er von seiner Anhalteposition im Bereich der Fluchtlinie des Omnibusses aus mit entsprechender Aufmerksamkeit entgegen der Ankommrichtung des Beklagtenfahrzeugs geblickt und das Passieren des Beklagtenfahrzeugs abgewartet hätte .
Für die Erstbeklagte wäre die Kollision vermeidbar gewesen, wenn diese sich mit ca 21 km/h genähert und unverzüglich mit einer Vollbremsung reagiert hätte.
(….)
Rechtlichführte das Erstgericht unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der §§ 9 Abs 2, 20 StVO aus, dass die Erstbeklagte zwar die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h nicht überschritten habe. Sie habe aber aufgrund des stehenden Linienbusses damit rechnen müssen, dass Kinder aus dem Bus aussteigen und die Fahrbahn überqueren wollten. Sie hätte ihre Fahrweise daher so einrichten müssen, dass sie auch auf ein mögliches verkehrstechnisches Fehlverhalten eines Kindes verlässlich und unfallverhütend hätte reagieren können. Sie habe ihre Geschwindigkeit daher nicht ausreichend reduziert und sei in Anbetracht der Gegebenheiten (Bus, Schutzweg, keine Sicht auf den gesamten Schutzweg) zu schnell gefahren. Sie wäre zu besonderer Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen, es treffe sie daher ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls und auch der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG sei ihr nicht gelungen.
Auch den minderjährigen Kläger treffe ein Verschulden, dabei stehe im Vordergrund die Bedachtnahme auf dessen verminderte Verantwortlichkeit im Hinblick auf sein Alter. Dennoch könne von einem 12 Jahre alten Schulkind die Einsicht in die grundsätzlichen Verkehrsregeln erwartet werden. Es habe dem Kläger klar sein müssen, wie gefährlich es sei, hinter einem am Straßenrand stehenden Bus ohne gebotene Sorgfalt auf den übrigen Verkehr die Fahrbahn zu überqueren. Hätte er sich ausreichend vergewissert, hätte er das Fahrzeug wahrnehmen können, sodass auch ihn ein Verschulden treffe. Da dieses geringer zu gewichten sei als jenes der Erstbeklagten sei von einer Verschuldensteilung 1 : 2 zu Lasten der beklagten Parteien auszugehen.
Der Höhe nach ermittelte das Erstgericht unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Klägers einen Schadenersatzanspruch von EUR 10.637,12, was ungekürzt einen Betrag von EUR 15.955,68 bedeutete.
Der klagsstattgebende Teil dieser Entscheidung blieb unangefochten; der Kläger bekämpft mit seiner fristgerecht eingebrachten Berufung die Abweisung des Zahlungsbegehrens im Ausmaß von EUR 5.318,48 sA (sohin im Ausmaß von einem Drittel des vom Erstgericht ausgemittelten Gesamtschadens) sowie die Abweisung des Feststellungsbegehrens ebenfalls im Ausmaß von einem (weiteren) Drittel der Haftung der beklagten Parteien. Unter Ausführung einer Beweis- sowie einer Rechtsrüge begehrt er eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass dem Klagebegehren im Umfang eines weiteren Betrags von EUR 5.318,48 s.A. und hinsichtlich eines weiteren Drittels des Feststellungsbegehrens stattgegeben werde. Hilfsweise wird die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.
Die Beklagten beantragen in ihrer – ebenso fristgerecht eingebrachten – Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Die Berufung ist berechtigt :
Zum Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung:
1. Der Kläger bekämpft die im Sachverhalt zu (2) hervorgehobene Feststellung zur Vermeidbarkeit des Unfalls für den Kläger und wünscht an deren Stelle nachfolgende Ersatzfeststellung:
„ Die Kollision wäre für den Kläger nur dann vermeidbar gewesen, wenn er sich von seiner Anhalteposition im Bereich der Fluchtlinie des Omnibusses aus in den Fahrstreifen der Erstbeklagten vorgebeugt und mit dem Kopf die Kontur des Omnibusses überragt hätte, mit entsprechender Aufmerksamkeit entgegen der Ankommrichtung des Beklagtenfahrzeugs geblickt und das Passieren des Beklagtenfahrzeugs abgewartet hätte. “
Ausgeführt wird dazu, dass das Erstgericht bei seiner Feststellung die Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung unberücksichtigt gelassen habe, wonach der minderjährige Kläger am Bus nur dann ausreichend weit rechts hätte vorblicken können, wenn er sich so weit vorgebeugt hätte, dass er mit dem Kopf die Kontur des Omnibusses überragt hätte .
1.1. In Wahrheit kritisiert der Berufungswerber mit diesen Ausführungen nicht die vom Erstgericht getroffene Feststellung als unrichtig, sondern wünscht eine (der Rechtsrüge zuzuordnende) Ergänzung dahingehend, dass der Kläger seinen Kopf in den Fahrstreifen der Erstbeklagten vorbeugen und die Kontur des Omnibusses überragen hätte müssen, um mit entsprechender Aufmerksamkeit und Blickrichtung entgegen der Ankommrichtung des Beklagtenfahrzeugs den Unfall zu vermeiden.
1.2. Richtig ist, dass das Erstgericht eine explizite Feststellung dazu, dass der Kläger unmittelbar auf Höhe des Busses den Kopf über den Bus hinausstrecken und nach rechts schauen hätte müssen, nicht getroffen hat. Richtig ist weiters, dass sich aus der Erörterung des Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Streitverhandlung ergibt, dass der Kläger, um am Omnibus ausreichend weit rechts vorbei zu blicken, mit dem Kopf die Kontur des Omnibusses überragen musste. Wie weit er diese Kontur überragen musste, konnte der Sachverständige nicht objektivieren, da er dazu ausführte, dies hänge vom Sichtwinkel und der Entfernung des Klägers zum Bus ab, je näher der Kläger am Bus gewesen sei, umso weiter habe er sich vorbeugen müssen. Aus technischer Sicht wäre es möglich gewesen, dieses Vorbeugen ohne Ausfallschritt nach vorne durchzuführen.
Der Seitenabstand, den die Erstbeklagte mit ihrem PKW bei Annäherung an den Schutzweg zum Bus einhielt, konnte nicht festgestellt werden (US 6). Eine Feststellung, dass der Erstbeklagte sich mit dem Kopf in den Fahrstreifen der Erstbeklagten vorbeugen hätte müssen, kann daher nicht getroffen werden, sodass bereits aus diesen Erwägungen die vom Berufungswerber gewünschte Ersatzfeststellung nicht möglich ist.
1.3. Dass der Kläger seinen Kopf nicht über die Kante des Busses hinausstreckte, steht in US 6 ohnedies fest; ebenso steht fest, dass der Kläger beim Betreten des Schutzweges aufgrund des Busses nach rechts eingeschränkte Sicht hatte (US 6). Berücksichtigt man ferner die Ausführungen in der Beweiswürdigung, dass der Kläger unmittelbar auf Höhe des Busses den Kopf nicht über den Bus hinausstreckte und nach rechts schaute, ergibt sich daraus indirekt, dass der Kläger jedenfalls den Kopf über die Kontur des Omnibusses hinaus strecken hätte müssen, um ausreichend nach rechts blicken zu können. Nähere Feststellungen dazu sind, wie die Ausführungen im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge noch zeigen werden, nicht erforderlich.
2. Angefochten wird auch die Negativfeststellung zur Verringerung der Geschwindigkeit der Erstbeklagten in Annäherung an den Schutzweg. Nach Ansicht der Berufungswerberin wäre stattdessen folgende Feststellung zu treffen gewesen:
„ Die Erstbeklagte verringerte ihre Geschwindigkeit in Annäherung an den Schutzweg nicht .“
Ausgeführt wird dazu, dass das Erstgericht in der Beweiswürdigung ausführte, die Behauptung der Erstbeklagten, sie habe ihre Geschwindigkeit verringert, sei nicht glaubhaft. Dessen ungeachtet habe aber das Erstgericht dennoch lediglich die angeführte Negativfeststellung getroffen. Berücksichtige man die weiteren Feststellungen, dass die Erstbeklagte ihr Fahrzeug erst nach der Kollision voll abgebremst habe, gehe aus diesen klar hervor, dass sie während der Fahrt nicht auf den Schutzweg geachtet habe. Auch vor der Polizei habe die Erstbeklagte mit keinem Wort davon gesprochen, dass sie ihre Geschwindigkeit in Annäherung an den Schutzweg verringert hätte. Die Angaben vor Gericht seien daher als offensichtliche Schutzbehauptung zu werten.
2.1. Es trifft zu, dass die Beweiswürdigung des Erstgerichts zu dieser Feststellung widersprüchlich ist:
Das Erstgericht führte aus, die Erstbeklagten habe bei ihrer Einvernahme durch die Polizei eine Verringerung der Geschwindigkeit nicht einmal ansatzweise angesprochen, obwohl ihr klar sein habe müssen, dass diese Angaben bedeutend seien. Es sei nicht glaubhaft, dass derart wichtige Angaben einfach vergessen worden seien. Es sei daher eine Negativfeststellung zu treffen.
Dem Kläger ist beizupflichten, dass diese Begründung insoweit nicht konsistent ist, als das Erstgericht offenbar von der Richtigkeit der Angaben vor der Polizei ausging, was erwarten hätte lassen, dass eine entsprechende positive Feststellung dazu getroffen wird, dass die Erstbeklagte ihre Geschwindigkeit nicht verringerte, weil weitere – dieser Annahme widersprechende – Beweisergebnisse vom Erstgericht gar nicht ins Treffen geführt werden.
2.2. Im Hinblick darauf, dass – wie die Ausführungen bei der Behandlung der Rechtsrüge zeigen werden – das Verschulden der Erstbeklagten aufgrund der Teilrechtskraft der klagsstattgebenden Teile ohnedies feststeht und gegenüber einem allfälligen Verschulden des Klägers weit überwiegt, erübrigt sich in diesem Punkt eine nähere Auseinandersetzung mit der Beweisrüge.
Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:
Neuerlich moniert der Kläger im Rahmen der Rechtsrüge – nunmehr richtig als sekundärer Feststellungsmangel -, dass das Erstgericht eine Feststellung unterlassen habe, dass der Kläger das Beklagtenfahrzeug von seiner Anhalteposition im Bereich der Fluchtlinie des Busses nur dann hätte sehen können, wenn er sich in die Gegenfahrbahn vorgebeugt und mit dem Kopf die Kontur des Busses überragt hätte. Das Erstgericht habe sich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nicht damit auseinandergesetzt, dass ein derartiges Verhalten vom Kläger nicht gefordert werden könne, da er sich dabei einer Gefahr für seine Gesundheit und sein Leben aussetzen hätte müssen. Hätte er nämlich seinen Kopf in den Fahrstreifen der Erstbeklagten hineingestreckt, wäre er vom Beklagtenfahrzeug nicht am linken Bein, sondern am Kopf erfasst worden, was mit höchster Wahrscheinlichkeit noch wesentlich gravierendere Verletzungen bedeutet hätte. Wenn nämlich der Kläger bereits beim Ansetzen zu einem Schritt nach vorne vom Beklagtenfahrzeug erfasst worden sei, sei in Anwendung allgemeiner Erfahrungssätze davon auszugehen, dass er mit dem Kopf mindestens genauso weit in den Fahrstreifen der Erstbeklagten hineingeragt hätte. Dem Kläger sei daher kein Verschulden anzulasten, jedenfalls aber überwiege das Verschulden der Erstbeklagten bei weitem.
Es kommt nicht darauf an, wie weit der Kläger sich hätte vorbeugen müssen, um ausreichend Sicht auf den von rechts kommenden Verkehr zu erhalten:
1. Zutreffend hat das Erstgericht ein (im Rechtsmittelverfahren ohnedies nicht mehr strittiges) Verschulden der Erstbeklagten bejaht:
1.1. Nach § 9 Abs 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeugs einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeugs einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten (vgl Pürstl , StVO 14 § 9 E 22, 23 und 25).
1.2.Die Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels ist ein Ort, dem Fahrzeuglenker stets ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden und in deren Bereich sie ihr Verhalten so einzurichten haben, dass sie in der Lage sind, vor Fahrgästen, die die Fahrbahn unvorsichtig überschreiten, anhalten zu können (RS0074933). Bei der Vorbeifahrt an einem in der Haltestelle stehenden öffentlichen Verkehrsmittel muss der Lenker eines Kraftfahrzeugs einen ausreichenden Seitenabstand einhalten oder seine Fahrgeschwindigkeit so einrichten, dass er einen Zusammenstoß mit einem hinter dem öffentlichen Verkehrsmittel hervortretenden Fußgänger vermeiden kann (RS0073365).
1.3. Für die Erstbeklagte wäre die Kollision vermeidbar gewesen, hätte sie sich mit ca 21 km/h genähert und unverzüglich mit einer Vollbremsung reagiert. Darauf, ob die Erstbeklagte ihre Geschwindigkeit von ursprünglich maximal 40 km/h bei Annäherung an den Schutzweg noch verringert hat oder nicht, kommt es nicht an, weil sie sich entweder mit (erheblich) zu hoher Geschwindigkeit von mehr als 21 km/h dem Schutzweg näherte oder aber entsprechend verzögert reagierte. Aufgrund des im Ortszentrum etwa um die Mittagszeit anhaltenden Linienbusses hätte sie jedenfalls auch mit aussteigenden Schulkindern, die allenfalls auch unvorsichtig die Straße zu überqueren versuchten, rechnen müssen und sich daher dem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern dürfen, dass ihr ein jederzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre.
2.Ein Fußgänger darf so weit auf die Fahrbahn treten, bis er Sicht zur Beurteilung des beabsichtigten Überquerungsmanövers hat (RS0073365 [T1]). Einen Schutzweg darf ein Fußgänger nicht unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug und für den Lenker überraschend betreten (§ 76 Abs 4 StVO).
2.1. Im vorliegenden Fall hat der minderjährige Kläger den Schritt über die Fluchtlinie des Busses hinaus nach den getroffenen Feststellungen nicht gemacht, um sich ausreichend Sicht in Richtung aus Osten ankommender Fahrzeuge zu verschaffen, sondern er vergewisserte sich, als er an der Fluchtlinie des Busses kurz stehen blieb, (gar) nicht, ob sich auf der Gegenfahrbahn ein Fahrzeug näherte (US 6).
Ob der bereits auf dem Schutzweg befindliche Kläger (der beim Betreten des Schutzweges noch keine ausreichende Sicht nach rechts hatte) überhaupt verpflichtet war, sich während des Überquerens der Fahrbahn auf dem Schutzweg noch einmal zu vergewissern, ob das weitere Überqueren gefahrlos möglich wäre, kann dahingestellt bleiben, wie die Ausführungen zu Pkt. 3.1. ergeben werden; das Gesetz spricht (lediglich) von einem für einen Fahrzeuglenker überraschenden Betreten des Schutzweges. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass auch ein bereits auf dem Schutzweg befindlicher Fußgänger (bei zunächst nur eingeschränkter Sicht) zu einem nochmaligen Blick in Richtung des ankommenden Verkehrs Sicht verpflichtet wäre, sobald er ausreichende Sicht erlangt, ist fraglich, ob ein solches Verhalten von einem knapp 12-jährigen Kind gefordert werden kann. Dies würde voraussetzen, dass es über die nötige Einsichtsfähigkeit verfügt, dass trotz eingeschränkter Sichtmöglichkeit aufgrund des in der Haltestelle stehenden Linienbusses die Gefahr herannahender Fahrzeuge gegeben war. Dazu enthält das Urteil keine Feststellungen, auch im Beweisverfahren wurde dieser Umstand nicht geklärt, was aber - siehe dazu Pkt 3.1. - letztlich nicht entscheidungswesentlich ist.
2.2.Das Verschulden unmündiger Minderjähriger ist in der Regel milder zu beurteilen als unter sonst gleichen Umständen das Verschulden Erwachsener (vgl RS0027384). Zwar gestattet beispielsweise § 65 StVO Kindern über 12 Jahren die selbständige Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Radfahrer und traut ihnen damit verkehrsgerechtes Verhalten zu. Dies besagt aber noch nicht, dass Kinder in diesem Alter im gleichen Maße verantwortlich sind wie Erwachsene. Es entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung, dass das Verschulden unmündiger Minderjähriger in der Regel milder zu beurteilen ist als unter sonst gleichen Umständen das Verschulden Erwachsener (RS0027599 [T2, T3])]. In 8 Ob 225/76 urteilte der Oberste Gerichtshof, dass einem 9-jährigen Kind, das im Ortsgebiet die Fahrbahn auf einem Schutzweg überquert und dabei von einem Fahrzeug niedergestoßen wird, kein Mitverschulden an dem Unfall angelastet werden kann (vgl Pürstl , StVO 14 § 9 E 24).
Auch im vorliegenden Fall überquerte der Kläger die Fahrbahn auf einem Schutzweg. Vom Berufungswerber gar nicht in Abrede gestellt wird, dass von einem 12 Jahre alten Schulkind die Einsicht in die grundsätzlichen Verkehrsregeln erwartet werden darf. Der Kläger hat im vorliegenden Fall aber nicht vollkommen unbedacht die Fahrbahn überquert, sondern lediglich angesichts der eingeschränkten Sichtverhältnisse letztlich die Fahrbahn überqueren wollen, ohne sich - bereits auf dem Schutzweg befindlich (!) - (neuerlich) zu vergewissern, dass von rechts keine Fahrzeuge herannahen. Dies war dem Umstand geschuldet, dass durch den stehenden Bus eine eingeschränkte Sicht nach rechts bestand. Der zum Unfallszeitpunkt 12-jährige Kläger betrat sohin nicht einfach die Fahrbahn, ohne auf den Verkehr zu achten; er blickte vielmehr zunächst beim Betreten der Fahrbahn nach links und rechts, konnte aber aufgrund des Busses die Straße nicht ausreichend nach rechts einsehen. Er ging dann - bereits auf dem Schutzweg - zunächst weiter bis zum Heck des Linienbusses und blieb dort noch einmal kurz im Bereich der Fluchtlinie des Busses stehen. Der an ihn zu richtende Vorwurf besteht also allenfalls (siehe dazu oben Pkt 2.1.) darin, dass er dort das Überqueren der Fahrbahn auf dem Schutzweg fortsetzte, obwohl er keine ausreichende Sicht auf die Gegenfahrbahn hatte.
3. Einenach § 1304 ABGB vorzunehmende Schadensteilung erfolgt nach Schwere der beiderseitigen Zurechnungsgründe (insb Verschulden und Sorglosigkeit). Belastet den Schädiger ein besonders schweres Verschulden, so fällt ein geringfügiges Versehen des Geschädigten nicht ins Gewicht ( Karner in KBB 7§ 1304 Rz 4 mwN). Das weitaus überwiegende Verschulden des Schädigers hebt die Haftung des anderen Teils gänzlich auf (vgl RS0027202 [T1]). Bei Beurteilung der Frage, ob ein Verschulden vernachlässigt werden kann, ist daher das Verschulden der am Unfall Beteiligten gegenüber zu stellen. Je schwerwiegender das Verschulden des einen ist, umso eher kann das des anderen vernachlässigt werden (RS0027202 [T11, T12]).
3.1. Dem Berufungswerber ist darin beizupflichten, dass das den minderjährigen Kläger (allenfalls) treffende Verschulden im Vergleich zum Verschulden der Erstbeklagten vernachlässigt werden kann. Die Unachtsamkeit des bereits auf dem Schutzweg befindlichen Klägers, der es (lediglich) verabsäumte, sich vor dem Hinaustreten über die Fluchtlinie des Linienbusses nochmals zu vergewissern, dass dies gefahrlos möglich wäre, fällt im Vergleich zu dem erheblichen Verschulden der Erstbeklagten nicht messbar ins Gewicht; es kann daher dahingestellt bleiben, ob er über die nötige Einsichtsfähigkeit verfügte und ihm dieses Verhalten überhaupt als (Mit-)verschulden anzulasten ist.
3.2. Die Erstbeklagte wäre demgegenüber verpflichtet gewesen, bremsbereit zu fahren und ihre Geschwindigkeit so einzurichten, dass sie jederzeit vor dem Schutzweg anhalten hätte können, um allenfalls hinter dem Bus heraustretenden Personen das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Erschwerend hinzu kommt, dass der konkret von ihr eingehaltene Seitenabstand zum Bus zwar nicht festgestellt werden konnte, aber jedenfalls so gering war, dass der Kläger bereits erfasst wurde, als er nur einen Schritt über die Fluchtlinie des Busses hinaus machte. Auch dieser Umstand hätte sie zu erhöhter Aufmerksamkeit und angesichts der Gegebenheiten (Linienbus an einer Haltestelle im Ortszentrum; eingeschränkte Sicht auf allfällige hinter dem Bus heraustretende Personen; Schutzweg) zu einer solchen Fahrweise verpflichtet, dass ihr bei unverzüglicher Reaktion ein Stehenbleiben vor dem Schutzweg möglich gewesen wäre.
3.3. Die in S 12 der Berufung relevierten Feststellungsmängel sind nicht gegeben, weil es nicht darauf ankommt, wohin die Erstbeklagte in Annäherung des Schutzweges blickte, auch darauf, ob es sich beim Unfallstag um den letzten Schultag vor den Sommerferien handelte, kommt es nicht an.
Der Berufung des Klägers ist daher Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Kläger ein weiterer Betrag von EUR 5.318,48 s.A. zuzusprechen und dem Feststellungsbegehren vollinhaltlich stattzugeben ist. Gegen die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens wendet sich die Berufung (inhaltlich) nicht, sodass weitere Ausführungen dazu entbehrlich sind.
Die Abänderung in der Hauptsache bedingt eine neue Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz :
Die Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz basiert auf §§ 43 Abs 1 iVm § 43 Abs 2 ZPO; die geringfügige Klagsausdehnung der Positionen Schmerzengeld und Pflegekosten wirkt sich im Hinblick auf das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 ZPO auf die Obsiegensquote nicht aus:
Der Kläger ist bei einem (ausgedehnten) Schmerzengeldbegehren von zuletzt EUR 10.450,-- mit EUR 10.000,-- obsiegend, hinsichtlich der geltend gemachten Verunstaltungsentschädigung von EUR 5.000,-- mit EUR 1.500,-- und hinsichtlich der (ausgedehnten) Kosten der Pflegehilfe von EUR 3.640,-- mit EUR 2.730,--. Hinsichtlich der Positionen Schmerzengeld und Pflegekosten kommt ihm daher, da eine Überklagung nicht vorgelegen hat, das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 ZPO (für beide Prozessphasen) zugute; bei der Verunstaltungsentschädigung hat der Kläger hingegen überklagt, insoweit kommt ihm das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 ZPO nicht zugute. Ausgehend von einer (beim Schmerzengeld nach Klagsausdehnung um EUR 450,-- und hinsichtlich der Pflegehilfe vor Klagsausdehnung um EUR 870,-- und nach Klagsausdehnung um EUR 910,--) reduzierten Bemessungsgrundlage errechnet sich eine fiktive Bemessungsgrundlage für das Zahlungsbegehren von EUR 20.055,60. Zuzüglich des Feststellungsinteresses ergibt sich daher eine fiktive Bemessungsgrundlage für das erstinstanzliche Verfahren von EUR 25.055,60. Der Kläger ist mit seinem Leistungsbegehren mit einem Betrag von EUR 15.955,60 und mit dem gesamten Feststellungsbegehren durchgedrungen, das entspricht einem Obsiegen mit EUR 20.955,60 bzw 84 %. Er hat daher Anspruch auf Ersatz von 68 % der Vertretungskosten sowie 68 % der verzeichneten (und nicht unter § 43 Abs 1 ZPO fallenden) Barauslagen. Ein Tarifsprung durch die (fiktive) Reduktion der Bemessungsgrundlage wurde nicht bewirkt, die Kosten für die Verhandlung vom 24.9.2024 wurden ohnedies auf Basis des Streitwerts vor Klagsausdehnung verzeichnet.
Die beklagte Partei hat im Sinne des § 54 Abs 1a ZPO Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis erhoben und geltend gemacht, dass der Gutachtenserörterungsantrag vom 11.6.2024 lediglich nach TP 2 zu honorieren sei, weil er nur einen Antrag auf Ergänzung des Gutachtens hinsichtlich Dauer und Höhe des Pflege- und Betreuungskostenaufwands enthielt. Aufgrund der Kürze des Antrags und der fehlenden Komplexität sei eine Honorierung nicht nach TP 3 A gerechtfertigt, sondern nur nach TP 2.
Das Erstgericht stellte den Parteien das Gutachten des Sachverständigen Dr. F* (soweit hier relevant) mit dem Zusatz zu, dass, sofern nicht binnen drei Wochen das Gegenteil mitgeteilt werde, angenommen werde, dass auf eine mündliche Erörterung verzichtet werde; sollte eine mündliche Erörterung beantragt werden, seien gleichzeitig die vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen zur Vorbereitung der Verhandlung bekannt zu geben.
Der Schriftsatz vom 11.6.2024 enthält keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten, auch keine im Rahmen einer Erörterung zu klärenden Fragen, sondern lediglich den (wenige Zeilen umfassenden) Antrag auf schriftliche Gutachtensergänzung zur Dauer und Höhe des Pflege- und Betreuungsaufwands des minderjährigen Klägers. Der Beklagten ist zuzustimmen, dass dieser (kurze) Antrag lediglich nach TP 2 zu honorieren ist.
68 % der Vertretungskosten bei Honorierung des Schriftsatzes vom 11.6.2024 nach TP 2 errechnen sich in Höhe von EUR 8.113,26 (darin EUR 1.352,22 USt), 68 % der Barauslagen mit EUR 36,13, in Summe ergibt dies den im Spruch ausgewiesenen Betrag.
Entsprechend dem Ausmaß der Obsiegensquote des Klägers erhöht sich auch die Ersatzpflicht der beklagten Parteien nach § 70 Abs 2 ZPO, wobei im Sinne der §§ 70, 71 ZPO iVm § 1 Abs 2 GEG (idF der ZVN 2022, BGBl I 2022/61) die Ersatzverpflichtung der Beklagten in Form eines Exekutionstitels zu fassen war. Der Höhe nach errechnet sich der von den Beklagten zu ersetzende Betrag im Ausmaß von 84 % der Pauschalgebühr (incl StGZ) des erstinstanzlichen Verfahrens und 84 % der mit den Gebührenbeschlüssen ON 29, ON 38 und ON 39 bestimmten Sachverständigengebühren.
Verfahrensrechtliches:
1. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrensbasiert auf §§ 50, 41 ZPO, der Kläger hat die Kosten seiner Berufung tarifgemäß verzeichnet; dass der Einheitssatz lediglich mit 150 % verzeichnet wurde, kann vom Berufungsgericht nicht korrigiert werden.
Gemäß §§ 70, 71 ZPO iVm § 1 Abs 2 GEG (idF der ZVN 2022, BGBl I 2022/61) war den Beklagten auch der Ersatz der Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren aufzuerlegen.
2. Bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstandes bestand kein Grund von der vom Kläger selbst vorgenommenen Bewertung seines Feststellungsinteresses abzugehen, weshalb auszusprechen war, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar EUR 5.000,--, nicht aber EUR 30.000,-- übersteige.
Die Revision wurde nicht zugelassen, da der hier zu beurteilenden Frage des Mitverschuldens des minderjährigen Klägers keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
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