Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Kraschowetz-Kandolf (Vorsitz), die Richter Mag. Russegger und Mag. Reautschnig sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Färber (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und HR Scheucher (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B* GmbH, **, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, wegen Anfechtung einer Kündigung , über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. März 2025, GZ **-29, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Die Revision ist nichtnach § 502 Abs 1 ZPO zulässig.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Klagebegehren auf Anfechtung der Dienstgeberkündigung (nur mehr) wegen Sozialwidrigkeit, nachdem die Beklagte diese nach einem gesetzmäßigen Kündigungsvorverfahren am 9. Juli 2024 zum 31.Oktober 2024 ausgesprochen hatte. Auf die insgesamt unstrittigen ausführlichen und strukturierten Feststellungen des Erstgerichtes (Urteilsseiten 4 bis 9) wird verwiesen, die sich, soweit für das Berufungsverfahren relevant, zusammenfassen lassen:
Der 40-jährige Kläger war seit 10. April 2017 bei der Beklagten als Straßenbahnfahrer beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für die DienstnehmerInnen der Beklagten anzuwenden. Der Kläger bezog - ohne Sonderzahlung - zuletzt einen monatlichen Bruttolohn von EUR 3.974,00. Die Beklagte bezahlte Überstundenentgelt, Sonn- und Feiertagszulagen nur für tatsächlich geleistete Arbeitszeiten und die Fahrerzulage für tatsächlich als Fahrer gefahrene Stunden.
Der Kläger ist verheiratet und hat fünf Kinder, wobei er noch für vier Kinder sorgepflichtig ist. Die monatliche Familienbeihilfe beträgt EUR 1.050,00. Er hat die - in Urteilsseite 4 - festgestellten monatlichen Ausgaben von insgesamt EUR 2.583,22.
Der Kläger ist gelernter Einzelhandelskaufmann und war von 2005 bis 2017 mit Unterbrechung als Einzelhandelskaufmann in zwei Baumärkten beschäftigt. Bei der Beklagten war er als Straßenbahnfahrer beschäftigt, wobei solche als angelernte ArbeitnehmerInnen innerbetrieblich in 4-6 Wochen angelernt werden. Aus berufskundlicher Sicht ist der Kläger als Einzelhandelskaufmann aber auch für diverse angelernte Tätigkeiten wie z. B. Staplerfahrer, Produktionsmitarbeiter oder Lagerarbeiter einsetzbar. Zum Kündigungszeitpunkt am 31. Oktober 2024 war im Umkreis von 50 km vom Wohnort des Klägers die Realisierung eines Arbeitsplatzes bei entsprechender Anstrengung innerhalb eines Zeitraumes von maximal 3 Monaten möglich, wobei der Kläger einen Grundlohn und Zulagen als Produktionsmitarbeiter erzielen kann, sodass ein Einkommen von insgesamt rund EUR 2.800 brutto möglich ist.
Die Straßenbahnfahrer:innen der Beklagten werden in den ersten zwei Dienstjahren halbjährlich oder bei Anträgen auf Bezugsvorschuss beurteilt. Der Kläger wurde wegen solcher Anträge am 3. Oktober 2019 und am 2. Juni 2023 beurteilt; beide Male erzielte er ein sehr gutes oder gutes Ergebnis.
Der Kläger hatte am 4. November 2022 Dienst auf der Linie ** und fuhr mit der Straßenbahn in die Haltestelle ** stadtauswärts ein, die vor einem eingleisigen Streckenabschnitt (EGS) liegt. Der EGS-Signalgeber stand auf „gesperrt". Nach dem Fahrgastwechsel war der Kläger kurz abgelenkt und fuhr - ohne noch einmal auf den Signalgeber zu achten - los. Nach dem Anfahren wurde die Straßenbahn stromlos. Ein technische Ursache, welche eine Rotfahrt ebenso auslösen könnte, lag nicht vor. Bei eingleisigen Streckenabschnitten ist besondere Vorsicht geboten, da die Gefahr einer Kollision von zwei Straßenbahnen besteht. Deswegen gibt es bei diesen Streckenabschnitten eine spezielle Vorrichtung mit einem Sperrbalken samt Lichtsignal sowie die Vorsichtsmaßnahme des Stromabschaltens, wenn der Straßenbahnfahrer dennoch in den Bereich einfährt. Straßenbahnfahrer werden nach einer Rotfahrt sofort abgelöst, dienstfrei gestellt und danach erörtert, was passiert ist. Rotfahrten sind nicht häufig und kommen maximal fünf bis zehnmal im Jahr vor. Nach der Rotfahrt des Klägers erfolgte eine vierstündige Nachschulung und Belehrung durch den Fahrmeister.
Am 29. März 2023 befuhr der Kläger bei der ** mit leicht überhöhter Geschwindigkeit eine Weiche. Der Kläger wurde am 7. April 2023 vom Fahrmeister über die Einhaltung der Geschwindigkeit belehrt. Wenn man zu schnell über Weichen fährt, kann es auch zur Entgleisung kommen.
Am 12. April 2023 trug der Kläger nach dem Halt in einer Endstation beim Losfahren mit der Straßenbahn noch immer Ohrstöpsel. Das Fahren mit Ohrstöpseln ist bei der Beklagten untersagt, kommt aber bei den Straßenbahnfahrern dennoch ein- bis zweimal im Monat vor.
Am 24. April 2023 fand ein Mitarbeitergespräch mit dem Kläger statt, bei dem der Fahrbetriebsleiter, der für die Straßenbahnen zuständig ist, unter Beteiligung des Betriebsrats mit dem Kläger den Vorfall vom 12. April 2023 (Fahren mit Ohrstöpsel), die zweimal überhöhte Geschwindigkeit bei der Weiche ** im Jahr 2021 und 2023, die Rotfahrt, das Thema vorausschauende Fahrweise und die Nachschulung durch den Fahrmeister besprach.
Am 27. Mai 2024 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger als Straßenbahnfahrer mit einem Bus kollidierte, der die gesamte ** blockiert hatte. Der Kläger hielt, nachdem er die Haltestelle ** verlassen hatte, eine Geschwindigkeit von bis zu 35 km/h ein. Obwohl die Unfallstelle für den Kläger schon aus 100 Meter Entfernung völlig frei einsehbar war, leitete er zu spät, erst etwa 15 Meter vor dem Aufprall eine Gefahrenbremsung ein. Seine Reaktionsverspätung betrug rund 10 Sekunden. Der Kläger hätte, wenn er seine Fahrstrecke gehörig beobachtet hätte, den Bus wahrnehmen und den Unfall durch eine rechtzeitige Bremsung oder dadurch verhindern können, dass er den Haltestellenbereich später verlassen hätte. Durch den Aufprall wurden 21 Personen verletzt. An den beteiligten Fahrzeugen entstand Sachschaden.
Die Staatsanwaltschaft erledigte das Strafverfahren gegen den Kläger wegen dieses Unfalls diversionell.
Die Beklagte stellte den Kläger unmittelbar nach dem Unfall dienstfrei. Am 4. Juni 2024 fand die Unfallerstaufnahme statt. Danach entzog die Betriebsleitung dem Kläger die Fahrberechtigung. Den Inhalt des Entzugs der Fahrberechtigung des Klägers vom 4. Juni 2024 stellte das Erstgericht in Urteilsseite 8 fest. Der zuständige DI-WI (FH) C* musste erst drei- oder viermal in fünf Jahren einem Fahrer die Fahrberechtigung entziehen, was nur nach massiven Unfällen erfolgte.
Ein Straßenbahnfahrer darf nur fahren, wenn er eine Fahrberechtigung hat.
Am 7. Juni 2024 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger, dem Spartenbereichsleiter D*, E* und F*, bei dem D* dem Kläger bekannt gab, dass er aktuell versuche, innerhalb des Konzernes eine andere Tätigkeit für den Kläger zu finden. Der Kläger zeigte sich dem gegenüber aufgeschlossen.
Der Dienstvertrag vom 10. April 2017 (Beilage ./2) regelt ausdrücklich, dass der Kläger als Straßenbahnfahrer eingestellt und eine andere Verwendung (außer nach Einschulung als Autobuslenker) nicht vorgesehen ist.
Der Kläger begehrt, die von der Beklagten am 9. Juli 2024 mündlich und am 11. Juli 2024 schriftlich zugestellte Kündigung gegen den Kläger für rechtsunwirksam zu erklären.
Der Dienstgeberkündigung liege ein verpöntes Motiv zugrunde.
Die Dienstgeberkündigung sei auch sozialwidrig. Sie beeinträchtige wesentliche Interessen des Klägers, der fünf Kinder habe, die nicht selbsterhaltungsfähig seien. Er habe bei der Beklagten jährlich 14 x EUR 2.800,00 netto verdient und werde als gelernter Einzelhandelskaufmann mit Lehrabschluss keinen gleichwertigen Arbeitsplatz finden. Die Kündigung sei nicht durch Umstände begründet, die in der Person des Klägers gelegen seien. Die Beklagte habe den Kläger, nachdem er am 27. Mai 2024 bei dem Verkehrsunfall in der ** mit einem Bus kollidiert sei, grundlos, voreilig und ohne Klärung des Verschuldens die Fahrberechtigung entzogen. Den Kläger treffe jedenfalls nicht das Alleinverschulden und den Busfahrer ein Mitverschulden, wobei naturgemäß wahrscheinlicher sei, dass der Bus schuld sei und nicht die Straßenbahn. Der Bus habe die gesamte Kreuzung blockiert oder reserviert. Damit habe der Kläger nicht rechnen können. Noch am 7. Juni 2024 habe D* bei einer Besprechung mitgeteilt, dass für den Kläger bei der Beklagten ein anderer Arbeitsplatz gesucht werde. Es sei keine Rede von einer Kündigung gewesen.
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.
Die Kündigung sei nicht aus einem verpönten Motiv erfolgt, sondern aus in der Person des Klägers gelegenen Gründen gerechtfertigt und nicht sozialwidrig.
Es sei dem Kläger aufgrund seiner Ausbildung jedenfalls möglich, einen vergleichbaren Arbeitsplatz zu finden. Der Kläger habe den schweren Unfall am 27. Mai 2024 durch massive Dienstpflichtverletzungen allein verschuldet. Dabei seien 21 Personen verletzt worden. An den Fahrzeugen sei schwerer Sachschaden entstanden. Für den Straßenbahnbetrieb gelte das Eisenbahnrecht und die StrabVO. Der Betriebsleiter sei für die Sicherheit allein verantwortlich. Er habe den Kläger am Unfalltag unverzüglich dienstfrei gestellt. Die folgende Untersuchung habe ergeben, dass der Kläger losgefahren sei, ohne den Verkehr im übersichtlichen Kreuzungsbereich zu beobachten. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte er bereits beim Losfahren erkennen müssen, dass der langsam reversierende Bus den Kreuzungsbereich vollständig versperrt habe. Der Kläger habe damit gegen Teil A, Punkt A.12, Abs 3 DV-Strab sowie § 13 Abs 1 StrabVO verstoßen. Der Betriebsleiter habe nach der persönlichen Einvernahme des Klägers am 4. Juni 2024 diesem die Fahrberechtigung entzogen. Der Kläger sei nicht mehr berechtigt, die allein vereinbarte Tätigkeit als Straßenbahnfahrer zu erbringen. Es gebe für ihn im Linienbetrieb keinen Arbeitsplatz, weil eine Fahrberechtigung vorausgesetzt sei. Die Beklagte habe auch das Vertrauen in den Kläger verloren, weil er sich auch leugnend und nicht einsichtig gezeigt habe. Darüber hinaus verantworte der Kläger weitere Sorgfaltsverstöße, wie eine Rotfahrt am 4. November 2022; das Befahren einer Weiche mit überhöhter Geschwindigkeit am 29. März 2023 und das Telefonieren während der Fahrt (Fahren mit Ohrstöpsel) am 24. April 2023. Der Betriebsrat D* habe dem Kläger keine Zusage der Beklagten hinsichtlich eines neues Jobs gemacht.
Das Erstgericht weist das Klagebegehren ab, wobei es vom unstrittigen Sachverhalt ausgeht.
Es folgert rechtlich, die verpönten Motive, die der Kläger behaupte, würden nicht vorliegen.
Konkret beeinträchtige die Kündigung zwar wesentliche Interessen des Klägers, jedoch könne sie nicht für rechtsunwirksam erklärt werden, weil bei objektiver Betrachtung bei den verhaltensbezogenen Kündigungsgründen auch ein verständiger Betriebsinhaber eine Kündigung aussprechen würde und diese auch als eine gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheine. Der Kläger habe am 27. Mai 2024 die vor ihm liegende Fahrstrecke mehrere Sekunden nicht beobachtet und so einen Unfall mit mehreren Verletzten verursacht. Dieses Verhalten lasse den Kläger für den Fahrbetrieb unzuverlässig erscheinen, weil schon drei weitere sicherheitsrelevante Pflichtverletzungen und Belehrungen vorangegangen seien. Die Beklagte, die verpflichtet sei, für einen sicheren Betrieb zu sorgen, habe die Fahrberechtigung daher aus seinem Verschulden entzogen. Die Weiterbeschäftigung eines Straßenbahnfahrers, der durch einen eklatanten Beobachtungsfehler einen Unfall verursacht habe, würde dieser Verpflichtung der Beklagten entgegenstehen. Die Abwägung der sozialen Nachteile des Klägers gegen die betrieblichen Interessen der Beklagten gehe zu Lasten des Klägers. Der schwerwiegende schuldhafte Sorgfaltsverstoß wiege für die Beklagte, die auf die Verlässlichkeit ihrer Fahrer im öffentlichen Verkehr höchst angewiesen sei, so schwer, dass das betriebliche Sicherheitsinteresse das soziale Interesse des Klägers klar überwiege.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Er beantragt, das Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.
1. Die gesetzmäßige Ausführung einer Beweisrüge erfordert nach ständiger Rechtsprechung die Darlegung erstens, welche Feststellung bekämpft wird, zweitens , aufgrund welcher unrichtigen Beweiswürdigung das Erstgericht die bekämpfte Feststellung getroffen hat, drittens , welche Ersatzfeststellung begehrt wird sowie viertens, aufgrund welcher Beweisergebnisse und welcher beweiswürdigenden Erwägungen das Erstgericht richtigerweise die begehrte Ersatzfeststellung treffen hätte müssen (RS0041835; Kodekin Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 471 ZPO Rz 15). Soweit sich aber die Berufungsausführungen inhaltlich gegen die Sachverhaltsgrundlage richten, entsprechen sie dem nicht, weil sie keine konkreten Feststellungen bekämpfen. Verpönte oder unsachliche Kündigungsmotive stehen damit nicht fest.
Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung gemäß § 498 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG den vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt zugrunde.
Davon ausgehend versagt die Rechtsrüge.
Der Kläger macht mit Rechtsrüge geltend, das Erstgericht irre bei der Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten. Dass der Kläger beim Verkehrsunfall eine Reaktionsverspätung verantworte, wiege nicht so schwer, dass dadurch die betrieblichen Sicherheitsinteressen stark berührt würden und die Fahrberechtigung unbedingt hätte entzogen werden müssen. Der Kläger sei stets durch Einsatzbereitschaft und positive Leistung aufgefallen. Wenn ein Dienstverhältnis mehr als sieben Jahre dauere, seien fahrlässige Verfehlungen nicht ganz auszuschließen. Tatsächlich komme es - gerichtsnotorisch - relativ oft zu Unfällen bei Straßenbahnen und Autobussen. Würde jedem beteiligten Lenker die Fahrberechtigung entzogen, würde der öffentliche Verkehr in ** längst stillstehen. Der Entzug der Fahrberechtigung sei jedenfalls überschießend und nicht notwendig, sondern ein reiner Akt der Willkür gewesen. Dem Kläger sei die Fahrberechtigung entzogen worden, weil er im Betrieb der Beklagten - aus welchen Gründen immer - jedenfalls missliebig gewesen sei. Die Beklagte könne sich daher nicht darauf berufen, dass sie den Kläger ohne Fahrberechtigung nicht einsetzen habe können. Die Beklagte hätte dem Kläger unter Auflagen oder einer Nachschulung die Fahrberechtigung wieder erteilen können. Aus der Aussage des Betriebsleiters ergebe sich zwingend, dass er - auch wenn er es noch nie getan habe - eine Fahrberechtigung jederzeit wieder erteilen könne und auch nicht alle Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe eine Fahrberechtigung brauchen würden.
2.Das Berufungsgericht hält die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts für zutreffend, die Rechtsmittelausführungen dazu hingegen aus folgenden Gründen für nicht stichhältig (§ 500a ZPO):
2.1. Das Erstgericht hat schon zutreffend darauf hingewiesen, dass die Kündigungsgründe nicht so gravierend sein müssen, dass sie die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über den Kündigungstermin hinaus unzumutbar machen, also das Gewicht eines Entlassungsgrundes erreichen.Es reicht aus, dass die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Umstände die betrieblichen Interessen soweit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtung einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden und die Kündigung als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen. Werden die betrieblichen Interessen in erheblichem Maße berührt, überwiegen sie das (wesentliche) Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (RS0051888).
2.2.Macht sich aber der Arbeitnehmer einerstrafbaren Handlung schuldig, so kann diese eine Entlassung rechtfertigen, wenn sie objektiv geeignet ist, den Verlust des Vertrauens des Arbeitgebers herbeizuführen. Es kommt dabei für die Frage, ob ein Arbeitnehmer vertrauensunwürdig wird, darauf an, ob zufolge seines Verhaltens für den Arbeitgeber die objektiv gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Interessen und Belange durch den Arbeitnehmer gefährdet sind, wenn er sich also nicht mehr darauf verlassen kann, dass der Dienstnehmer seine Pflichten treu erfüllen werde. Dabei ist auch das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (RS0060407; RS0060363). Die Vertrauensverwirkung erfordert dabei zumindest einen solchen Grad der Fahrlässigkeit, der nicht bloß ein Versehen von ganz untergeordneter Bedeutung darstellt (RS0029343). Nach den Feststellungen verursachte der Kläger den Verkehrsunfall am 27. Mai 2024 durch eine Reaktionsverspätung von zehn Sekunden, wodurch er mit einem Bus kollidierte, der sich während dieser Zeit auf der Kreuzung befand. Die Unfallstelle war für den Kläger in Annäherung (100m) frei einsehbar. Er hätte den Unfall daher leicht verhindern können. Durch den Unfall wurden 21 Personen verletzt. An den beteiligten Fahrzeugen entstand Sachschaden. Damit ist aber nicht von einem Versehen untergeordneter Bedeutung auszugehen. Der Kläger setzte sich über grundlegende und leicht erkennbare Vorschriften hinweg und fuhr blindlings auf die Gefahr zu (RS0080474). Die Pflichtverletzung übersteigt somit das gewöhnliche Maß nicht ganz vermeidbarer Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens (RS0030303; RS0026555). Eine Reaktionsverspätung von zehn Sekunden ist für einen Straßenbahnfahrer ungewöhnlich. Sie stellt eine auffallende Vernachlässigung seiner Sorgfaltspflichten (Pflicht zur Unfallverhütung) dar. Bei einem solchen Verhalten war auch der Eintritt eines Schadens, der Unfall ereignete sich im Frühverkehr kurz vor 7.00 Uhr, als wahrscheinlich voraussehbar (; ; ). Beim Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach , das hier vorliegt, kommt eine diversionelle Erledigung aber nur in besonderen Ausnahmefällen nicht in Betracht (vgl ; ). Der Entlassungsgrund setzt aber ohnehin nur eine Straftat, nicht aber eine Verurteilung voraus (;
2.3.Der Kläger begründet aber vor diesem Hintergrund in seiner Rechtsrüge nicht (RS0043603), warum der Entzug der Fahrberechtigung jedenfalls überschießend, nicht notwendig und ein reiner Akt der Willkür gewesen sein soll. Auch die Behauptung, dem Kläger sei die Fahrberechtigung entzogen worden, weil er im Betrieb der Beklagten - aus welchen Gründen immer - jedenfalls missliebig gewesen sei, ist unbegründet und geht überdies nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (RS0043603 [T2, T6, T8, T12]; RS0043312; RS0043605; RS0041719).
2.4.Nach den Feststellungen belehrte der Betriebsleiter den Kläger beim Mitarbeitergespräch am 24. April 2023 in Anwesenheit eines Betriebsrats wegen des Vorfalls vom 12. April 2023 (Fahren mit Ohrstöpsel – fragliches Telefonieren während der Fahrt, Beilage ./17) und besprach das Thema vorausschauende Fahrweise, die Rotfahrt und die Nachschulung durch den Fahrmeister. Erst danach ereignete sich der Unfall. Mit Blick darauf zeigt der Kläger auch nicht nachvollziehbar auf, unter welchen Auflagen oder Nachschulungen, die Beklagte die Fahrberechtigung wieder hätte erteilen können. Die bisherige Nachschulung und Ermahnung blieb erfolglos. Der Kläger zeigt sich auch noch in der Berufung nicht einsichtig, wenn er - trotz des Unfalls mit 21 Verletzten - einen reinen Akt der Willkür behauptet. Da das Verhalten des Klägers die Interessen der Beklagten aber soweit nachteilig berührt, dass es bei objektiver Betrachtung auch einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würde, kommt es auch nicht darauf an, dass nicht alle Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe eine Fahrberechtigung brauchen (vgl RS0116698 [T2]).
2.5.Die Rechtsrüge legt nicht weiter dar, warum - ausgehend vom festgestellten Sachverhalt - die rechtliche Beurteilung der Sache sonst unrichtig erscheint (RS0043603; (RS0043603 [T2, T6, T8, T12]; RS0043312; RS0043605; RS0041719). Das Berufungsgericht darf aber nicht von sich aus eine rechtliche Beurteilung in Bezug auf eine selbständige Einwendung vornehmen, wenn die Berufung die diesbezügliche Rechtsansicht des Erstgerichts nicht bekämpft hat (RS0043352 [T23, T31 und T33 bis T35]; RS0043338 [T6, T32]).
Die Berufung bleibt daher erfolglos.
3. Die Entscheidung über die Kostendes Berufungsverfahrens stützt sich auf § 58 Abs 1 ASGG. Die Anfechtung einer Kündigung nach § 105 ArbVG ist eine Arbeitsrechtssache nach § 50 Abs 2 ASGG, in der einer Partei ein Kostenersatzanspruch nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zusteht (§ 58 Abs 1 ASGG).
4.Da keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, besteht kein Anlass, die ordentliche Revision zuzulassen (§ 502 Abs 1 ZPO).
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