Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag a . Haas und Mag a . Tröster in der Strafsache gegen A*wegen der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen nach öffentlicher Verhandlung am 8. Oktober 2025 in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag.Liensberger, LL.M., des Privatbeteiligtenvertreters Rechtsanwalt Mag. Wagner (für B* C*, D*, E*, F*, G*, H*, I* und J* C*), des Angeklagten und seiner Verteidigerin Rechtsanwaltsanwärterin Mag a . Hofreiter über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 13. November 2024, GZ **-43a, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass das Adhäsionserkenntnis hinsichtlich
B* C* in dem EUR 2.025,00,
D* in dem EUR 2.990,70,
J* C* in dem EUR 2.334,29 und
I* C* in dem EUR 425,00 sowie
E*, F*, G* und H* C* je in dem EUR 400,00
übersteigenden Betrag aufgehoben wird und es werden die Privatbeteiligten mit ihrem Mehrbegehren gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene rumänische Staatsangehörige A* – soweit hier relevant – der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung (zu a.) nach § 88 Abs 3 StGB und (zu b.) nach § 88 Abs 4 zweiter Satz StGB jeweils in Verbindung mit § 2 StGB schuldig erkannt, unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 88 Abs 4 StGB zur gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Verfahrenskostenersatz verpflichtet. Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde er zudem schuldig erkannt, aus dem Titel des Schmerzengelds den Privatbeteiligten E* C*, F* C*, G* C* und H* C* jeweils EUR 1.000,00, sowie aus den Titeln des Schmerzengelds und des Schadenersatzes B* C* EUR 2.100,00, D* EUR 3.069,70, I* C* EUR 1.100,00 und J* C* EUR 2.409,29 zu bezahlen.
Dem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch nach hat A* im Zeitraum vom 9. Jänner 2024 bis zum 11. Jänner 2024 in ** als verantwortlicher Bauleiter der Firma K* GmbH grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) die nachstehenden Personen am Körper verletzt, wobei die Tat zum Teil eine an sich schwere Körperverletzung (b.) zur Folge hatte, indem er trotz winterlicher Temperaturen und in Kenntnis darüber, dass die Wohnung ** von B* C*, D* und deren sechs Kindern bewohnt wurde, eine Benachrichtigung der Familie C*/D* oder der L* betreffend die Beschädigung des Kamins im Zuge von Umbauarbeiten am Wohngebäude in ** und die dadurch entstandene lebensbedrohliche Gefährdungslage bei weiterer Heiztätigkeit mittels der in der Wohnung befindlichen Gastherme unterließ, sodass die Bewohner der Wohnung infolge der Heiztätigkeit jeweils eine Kohlenmonoxidvergiftung erlitten, und zwar
a. E* C*, F* C*, G* C*, I* C* und H* C*, die an Kopfschmerzen, Erbrechen, Übelkeit und Schwindel litten und stationär im LKH aufgenommen wurden, und
b. B* C*, D* und J* C*, die infolge der Vergiftung das Bewusstsein verloren, intubiert und auf der Intensivstation für mehrere Tage in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden mussten, wobei D* noch vor Ort reanimiert wurde.
Gegen dieses Urteil richtet sich – nach Zurückziehung der Berufung wegen Nichtigkeit sowie wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe in der Berufungsverhandlung – die Berufung wegen der privatrechtlichen Ansprüche. Damit strebt der Angeklagte die Verweisung der Privatbeteiligten mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg, in eventu die Herabsetzung der Privatbeteiligtenzusprüche an (ON 48.2).
Das Rechtsmittel hat im spruchgemäßen Umfang Erfolg.
Voranzustellen ist, dass D* und J* C* in der Hauptverhandlung vom 31. Juli 2024 (ON 30.2, S 18 und S 21) noch bekannt gaben, sich nicht als Privatbeteiligte dem Strafverfahren anzuschließen, jedoch mit der von der Privatbeteiligtenvertreterin verfassten Eingabe vom 4. November 2024 – wie auch alle weiteren Opfer – ausdrücklich erklärten, sich dem Verfahren als Privatbeteiligte anzuschließen und ihren jeweiligen Anspruch der Höhe nach bezifferten. Da eine Privatbeteiligtenanschlusserklärung (und somit auch eine Erklärung, sich nicht anzuschließen) entgegen den Rechtsmittelausführungen widerruflich ist ( Korn/Zöchbauerin WK StPO § 67 Rz 11), erfolgte die Anschlusserklärung der beiden Opfer mit der Eingabe vom 4. November 2024 in Verbindung mit den in der Hauptverhandlung vom 13. November 2024 gestellten Anträgen (ON 42.1, S 4) rechtswirksam.
Die in der Berufungsausführung vermissten Feststellungen zu den bei den Privatbeteiligten jeweils wiederholt und in unterschiedlicher Intensität aufgetretenen Symptomen der Kohlenmonoxidvergiftung finden sich auf US 8 in Verbindung mit den zitierten Krankenunterlagen der Privatbeteiligten auf US 12. Die weiters relevierte Begründung hinsichtlich des von den Privatbeteiligten begehrten Schmerzengelds findet sich im Schriftsatz ON 37.2, auf welchen die Privatbeteiligtenvertreterin in der Hauptverhandlung vom 13. November 2024 (ON 42.1, S 4) verwies.
Der auf der Rechtsgrundlage des § 369 Abs 1 StPO erfolgte Zuspruch an die Privatbeteiligten aus dem Titel des Schmerzengelds nach § 1325 ABGB findet entgegen der Berufungsausführung im Schuldspruch und den darauf bezogenen Urteilsannahmen (US 12 letzter Absatz) dem Grunde nach Deckung (RIS-Justiz RS0101311; Spenlingin WK StPO § 366 Rz 14 mwN).
Schmerzengeld ist nach einem Gesamtbild und als Globalentschädigung (RIS-Justiz RS003119 ua) zu bemessen und unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falls, der körperlichen und seelischen Schmerzen sowie der Art und Schwere der Verletzung (Gesundheitsschädigung) nach freier Überzeugung des Richters (§ 273 ZPO) festzusetzen (RIS-Justiz RS0031415; Danzlin Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger, ABGB 6 § 1325 Rz 26; Hinteregger in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.06§ 1325 Rz 32), wobei es tendenziell geboten erscheint, die Bemessung nicht zu knapp vorzunehmen (RIS-Justiz RS0031040 [T5]; RS0031075 [T4]). Dabei ist das gesamte Spektrum der verletzungsbedingten Folgen und damit vor allem aber Art und Schwere der Verletzung sowie Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustands und die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0031474). Insbesondere sind auch psychische Alterationen, wenn sie Folge einer Körperverletzung sind, sogar ohne Vorliegen eines eigenständigen Leidenszustands mit Krankheitswert und ohne ärztliche Behandlungsbedürftigkeit bei der Bemessung des Schmerzengeldanspruchs mitzuberücksichtigen (RIS-Justiz RS0031087 [insbesondere T4]), und zwar ohne dass es hierfür stets konkreter Behauptungen oder Beweiserhebungen bedürfte, wenn nach der Lage des Falls mit solchen jedenfalls zu rechnen ist (RIS-Justiz RS0030972).
Bereits in Anwendung dieser Grundsätze ist fallbezogen mit Blick auf die erstellten Diagnosen sowie die damit erforderlich gewordenen Krankenhausaufenthalte und Behandlungen bei B* C* (13 Tage stationär), D* (27 Tage stationär) und J* C* (9 Tage stationär), die alle infolge der Kohlenmonoxidvergiftung das Bewusstsein verloren, intubiert und auf der Intensivstation für mehrere Tage in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden mussten, wobei D* sogar noch vor Ort reanimiert wurde, die nach freier richterlicher Überzeugung im Sinn des § 273 ZPO ( Spenling , aaO Vor §§ 366 bis 379 Rz 10 mwN) bei B* C*, D* und J* C* mit jeweils EUR 2.000,00 bemessene Höhe des Schmerzengelds nicht zu beanstanden.
Bei E*, F*, G*, H* und I* C*, die mit starker Übelkeit und Kopfschmerzen als Folge der Vergiftung für jeweils zwei Tage im Krankenhaus stationär aufgenommen wurden, erweist sich hingegen insoweit der Zuspruch von je EUR 400,00 als angemessen.
Für einen darüber hinausgehenden Zuspruch für einen behaupteten, nicht als Folge der Körperverletzung sondern aufgrund der Information über die massiveren Auswirkungen der Kohlenmonoxidvergiftung bei den Eltern und der ältesten Schwerster eingetretenen Schockschaden der Privatbeteiligten E*, F*, G*, H* und I* C*, fehlt es nach den (insoweit im Berufungsverfahren nicht ergänzbaren) Verfahrensergebnissen erster Instanz an einer zuverlässigen Entscheidungsbasis dahin, dass eine behandlungsbedürftige psychische oder eine wenigstens ärztlich diagnostizierbare Beeinträchtigung und damit ein medizinisch fassbarer Krankheitswert vorlag (Ris-Justiz RS0030778 [T10, T16, T17, T23,T24]).
Die aus dem Titel des Schadenersatzes zugesprochenen Krankenhauskosten der D* (EUR 969,70) und der J* C* mit EUR 309,29 entsprechen den vorgelegten Rechnungen (ON 37.2 bis ON 37.5 sowie ON 37.12 und ON 37.13), wobei die in der Mahnung zur Spitalskostenrechnung 90714330 vom 19.03.2024 betreffend D* enthaltenen und im Rechtsmittel kritisierten Mahnspesen von EUR 4,00 mangels Verursachung durch den Angeklagten nicht zuzusprechen waren.
Der Zuspruch von pauschal je EUR 25,00 für im Gefolge des Krankenhausaufenthalts entstandene, nicht bescheinigte Auslagen und Aufwendungen an B* C*, D*, J* C* und I* C* begegnet in dieser Höhe keinen Bedenken.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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