Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und den Hofrat Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Manfred Joachimsthaler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. a (FH) B*, vertreten durch Klein, Wuntschek Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, wegen Wochengeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 9. September 2025, GZ 6 Rs 37/25w 42, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1]Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die der Klägerin im maßgeblichen Beobachtungszeitraum gebührenden Vergütungen bei der Berechnung der Höhe des der Klägerin zustehenden Wochengelds als laufendes Entgelt iSd § 162 Abs 3 ASVG oder als Sonderzahlungen iSd § 162 Abs 4 ASVG zu berücksichtigen sind.
[2] Die von ihrer Dienstgeberin an eine andere Gesellschaft überlassene Klägerin vereinbarte mit der Beschäftigerin eine „leistungsabhängige Vergütung“ nach einem „Mitarbeiterbeteiligungsplan“. Nach Punkt 7. lit a des Mitarbeiterbeteiligungsplans („Verdienen der leistungsabhängigen Vergütung“) trifft die Beschäftigerin die endgültige Entscheidung über den Erhalt von Leistungsvergütungen und sie kann die Leistungsvergütungen nach eigenem Ermessen auf mehrere Mitarbeiter aufteilen, wenn mehr als ein Mitarbeiter zu einem bestimmten Verkauf beigetragen hat.
[3] Das Berufungsgerichtbeurteilte die Vergütung als Sonderzahlung iSd § 49 Abs 2 ASVG, die bei der Bemessung des Wochengeldes nach Maßgabe des § 164 Abs 4 ASVG zu berücksichtigen sei.
[4] Die dagegen erhobene außerordentliche Revisionder Klägerin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[5] 1.1.Sonderzahlungen sind Geld- und Sachbezüge, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält, und die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden (§ 49 Abs 2 iVm § 49 Abs 1 ASVG); sie sind als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 ASVG und der sonstigen Bestimmungen des ASVG, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden, zu berücksichtigen (§ 49 Abs 2 ASVG).
[6] 1.2.Unter Sonderzahlung iSd § 49 Abs 2 ASVG sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verpflichtende oder freiwillige Zuwendungen iSd § 49 Abs 1 ASVG – gleich welcher Benennung – zu verstehen, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausgehenden Zeitabschnitten wiederkehren, wobei die Regelmäßigkeit der Leistungen im Wesentlichen aus der Dienstgeberzusage oder aus dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse zu beurteilen ist ( RS0083842 ).
[7] 1.3. Bei Umsatzprovisionen ist nach der Rechtsprechung zu unterscheiden: Werden sie in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen abgerechnet, fallen sie aber bereits mit dem Entstehen des Umsatzes laufend an, werden sie als laufendes Entgelt angesehen ( 10 ObS 84/17aPkt I.2.3 mwN aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs). Hängt das Entstehen des Anspruchs und seine Höhe hingegen von mehreren Bedingungen (und damit nur mittelbar von der eigenen Arbeitsleistung) ab, sind sie als Sonderzahlungen iSd § 49 Abs 2 ASVG zu werten ( 10 ObS 146/10h mwN aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs).
[8] 1.4. Diese Rechtsprechung legte das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde und auch die Klägerin geht davon in ihrem Rechtsmittel auch aus.
[9] 2.1. Die in der außerordentlichen Revision angesprochene Frage, ob die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beschäftigerin den vom Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegten Inhalt hat, stellt eine solche der Vertragsauslegung und daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde ( RS0042936 ).
[10] Die Annahme des Berufungsgerichts, der Anspruch der Klägerin auf die leistungsabhängige Vergütung falle nicht laufend mit dem Entstehen des Umsatzes an, weil sich die Beschäftigerin die endgültige (Ermessens )Entscheidung über den Erhalt der Leistungsvergütung vorbehalten habe, überschreitet den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum im vorliegenden Fall nicht.
[11] 2.2. In Punkt 7. lit a des Mitarbeiterbeteiligungsplans wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beschäftigerin die endgültige Entscheidung über den Erhalt von Leistungsvergütungen trifft. Dieser Vorbehalt bezieht sich auf die Frage, ob eine Vergütung als verdient angesehen werden kann, sodass die Behauptung der Klägerin, dieser Vorbehalt könne nur für in der Zukunft liegende, nicht aber für „bereits verdiente“ Vergütungen gelten, nicht berechtigt ist. Davon, dass dieser Vorbehalt auch für bereits ausgezahlte Provisionen gelte (und die Beschäftigerin bereits anerkannte und ausgezahlte Provisionen unter Berufung auf diesen Vorbehalt zurückfordern könne), ging das Berufungsgericht ohnedies nicht aus. Der von der Klägerin im Rechtsmittel betonte Umstand, dass die Vergütungen von der Beschäftigerin anerkannt und an die Klägerin ausgezahlt wurden, unterstreicht hingegen, dass der Anspruch nicht allein von einer Arbeitsleistung abhing, sondern die Beschäftigerin – wie in Punkt 7. lit a des Mitarbeiterbeteiligungsplans vorgesehen – die endgültige Entscheidung über die Auszahlung traf.
[12] 2.3. Dem Hinweis der Klägerin auf die Feststellungen, dass die Berechnung der Vergütungen ausschließlich durch ein Computerprogramm erfolgte und die Auszahlung der Vergütungen nach der langjährigen Übung bzw gelebten Praxis nicht noch von einer Ermessensentscheidung abhängig war, hielt das Berufungsgericht entgegen, dass allein aus dem Umstand, dass die Beschäftigerin ein technisches Hilfsmittel verwendete und von dem nach der Vereinbarung zustehenden Vorbehalt keinen Gebrauch machte, nicht der Schluss gezogen werden könne, dass sie sich ihrer vertraglich eingeräumten Rechte begeben hätte. Diese – ebenso einzelfallbezogene ( RS0109021 ; RS0107199) – Beurteilung ist angesichts des für die Schlüssigkeit eines Verhaltens nach § 863 ABGB anzulegenden strengen Maßstabs ( RS0014146 ) und der bei der Annahme eines konkludenten Verzichts auf ein Recht gebotenen besonderen Vorsicht ( RS0014190 ) nicht korrekturbedürftig.
[13] 2.4. Da das Berufungsgericht bloß die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen einer rechtlichen Würdigung unterzog und diese oder einen sonstigen Akteninhalt nicht unrichtig wiedergab, liegt auch die von der Klägerin im Rechtsmittel gerügte Aktenwidrigkeit nicht vor ( RS0043324 ).
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