Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch Dr. Marco Nademleinsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I*, vertreten durch MMag. Maria Leinschitz, Rechtsanwältin in Wien, wegen Leistung (Streitwert 11.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2024, GZ 45 R 616/24g 19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 30. Oktober 2024, GZ 71 C 9/24y 13, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Streitteile sind iranisch österreichische Doppelstaatsbürger und leben seit mehreren Jahrzehnten in Österreich, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben. Sie schlossen am 20. August 1993 in Teheran (Iran) die Ehe. Damals hatte der Beklagte die iranische sowie die österreichische und die Klägerin (nur) die iranische Staatsbürgerschaft.
[2] Bei der Eheschließung verpflichtete sich der Beklagte zur Leistung einer Brautgabe („Morgengabe“), bestehend unter anderem aus 1.000 Goldmünzen „bahār āzādī“ (folgend: „Goldmünzen“), die „auf Verlangen der Ehefrau zu entrichten“ sind. Die Vereinbarung wurde vom Ehemann der Tante des Beklagten, der als Notar arbeitete, handschriftlich niedergeschrieben. Unterschrieben wurde die Vereinbarung von allen Anwesenden, und zwar – ebenso wie die Heiratsurkunde von den beiden Eheleuten – mit „freiem Willen und ohne Zwang“. Zu keinem Zeitpunkt wurde dem Beklagten von der Klägerin oder deren Vater der Eindruck vermittelt, dass die Morgengabe nur symbolischen Charakter hätte und vom Beklagten nicht geleistet werden müsste.
[3] Seit der Trennung der Streitteile in den Jahren 2010/2011 war die Leistung der 1.000 Goldmünzen immer wieder ein Streitthema zwischen ihnen. Während die Klägerin in diversen Auseinandersetzungen auf die Leistung drängte, forderte der Beklagte von der Klägerin mehrfach, darauf zu verzichten.
[4] Mit Urteil des Erstgerichts vom 23. März 2022 wurde der Beklagte rechtskräftig zur Leistung von 20 Goldmünzen an die Klägerin verpflichtet. Er kam seiner Verpflichtung aus dem Urteil (durch Leistung von 16 Goldmünzen im Iran sowie durch Zahlung des Werts von vier weiteren Goldmünzen in Euro) nach. Eine Übergabe weiterer Goldmünzen erfolgte nicht.
[5] Der Beklagte ließ sich am 5. September 2022 vor einer Kammer des Familiengerichts von Teheran nach iranischem Recht von der Klägerin ohne deren Beteiligung und in deren Abwesenheit scheiden. Diese Scheidung wurde am 25. März 2023 vor dem Scheidungsnotariat in Teheran eingetragen. Die Klägerin hat im Iran keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt; sie war zuletzt im Jahr 2019 im Iran. Vom Scheidungsverfahren erlangte sie erst am 1. Mai 2023 durch ein Telefonat mit dem Beklagten Kenntnis; sie sah das Scheidungsurteil erstmals im Jänner oder Februar 2024 und die Urkunde über dessen Registrierung im Iran erst im Oktober 2024 durch deren Vorlage im gegenständlichen Verfahren. Sie war und ist mit der Scheidung nicht einverstanden; hätte sie vom Verfahren im Iran Kenntnis erlangt, hätte sie sich dort anwaltlich vertreten lassen.
[6] Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Leistung von 980 Goldmünzen. Das iranische Scheidungsurteil, laut dem der Beklagte der Klägerin alle zwei Monate eine Goldmünze zu leisten habe, sei in Österreich nicht anzuerkennen, weil es eine „Verstoßungsentscheidung“ sei. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten spiele im Verfahren über die Verpflichtung zur Leistung der Morgengabe keine Rolle; nach iranischem Recht sei die Leistungsfähigkeit erst im Exekutionsverfahren zu prüfen.
[7] Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, für das Verfahren fehle die inländische Gerichtsbarkeit; die Klage sei außerdem wegen entschiedener Rechtssache unzulässig. Die Parteien hätten sich der iranischen Gerichtsbarkeit unterworfen. Die Goldmünzen seien nur im Iran handelbar und eine Ausfuhr untersagt, weshalb es „sittenwidrig“ sei, den Beklagten „zu einer für ihn unerfüllbaren Leistung zu verurteilen“. Über den Anspruch der Klägerin sei durch das iranische Scheidungsurteil rechtskräftig entschieden worden. Nach iranischem Recht seien in Österreich maximal 110 Goldmünzen „exekutierbar“. Das Versprechen einer hohen Morgengabe liege in der Tradition begründet, um das Ansehen des Mannes in der Gesellschaft zu erhöhen, und es entspreche nie den realen finanziellen Möglichkeiten. Es sei der Klägerin bei der Eheschließung bewusst gewesen, dass dieser immense Wert nie ausbezahlt werden würde; es handle sich um einen symbolischen Betrag. Der Beklagte könne sich die Zahlung von 1000 Goldmünzen niemals leisten. Bisherige Zuwendungen an die Klägerin seien „zu berücksichtigen“. Dem Beklagten sei beim Vertragsabschluss keine Rechtsbelehrung erteilt worden. Die Vereinbarung widerspreche dem ordre public und sei sittenwidrig. Die Kumulierung der Ansprüche aus der Morgengabe und aus dem österreichischen Unterhalts- und Aufteilungsrecht führe zu einer unrechtmäßigen Bereicherung der Klägerin.
[8] Das Erstgericht verwarf die Einrede der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit und wies den Antrag des Beklagten auf Zurückweisung der Klage wegen entschiedener Rechtssache ab. Es stellte fest, dass das Scheidungsurteil der Kammer des Familiengerichts von Teheran vom 5. September 2022 für Österreich nicht anerkannt werde, und erkannte den Beklagten schuldig, 980 Goldmünzen an die Klägerin zu leisten. Die im anzuwendenden iranischen Recht enthaltenen Regelungen über die Leistungsfähigkeit des Mannes seien „Exekutionsnormen“ und im gegenständlichen (Titel )Verfahren unbeachtlich.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge.
[10] Ausgehend von den übernommenen Feststellungen sei die – in der Berufung auch nicht mehr angezweifelte – internationale Zuständigkeit gegeben. Der Einwand der entschiedenen Rechtssache sei unberechtigt; die Klägerin habe weder Kenntnis vom Scheidungsverfahren im Iran erlangt, noch sei sie mit der Scheidung einverstanden.
[11]Mit ausführlicher Begründung gelangte es zur Anwendung des IPRG und dessen § 19, wonach iranisches Recht heranzuziehen sei. Nach den vom Erstgericht genannten Bestimmungen des iranischen Zivilrechts sei die Klägerin bereits mit der vertraglichen Vereinbarung Eigentümerin der Morgengabe geworden. Ein solcher Vertrag sei im iranischen Recht bereits ein Exekutionstitel; die Bestimmungen über die Vollstreckung und zur Leistungsfähigkeit seien daher Exekutionsnormen. Eine Anpassung an die Leistungsfähigkeit habe im Titelverfahren somit nicht zu erfolgen. Der Einwand der Sittenwidrigkeit verfange nicht; es liege kein Verstoß gegen den österreichischen ordre public vor, denn es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass bei Abschluss der Vereinbarung davon auszugehen gewesen wäre, dass der Beklagte niemals in der Lage sein würde, die versprochene Leistung erbringen zu können.
[12]Die Revision ließ das Berufungsgericht zur Klärung der Fragen zu, ob das anwendbare Recht für eine im Iran vereinbarte Morgengabe nach § 18 IPRG oder nach § 19 IPRG zu ermitteln sei, nach welchen Kriterien eine Sittenwidrigkeit zu beurteilen und ob nach iranischem Recht im Titelverfahren eine Anpassung an die Leistungsfähigkeit vorzunehmen sei.
[13] Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im abweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird die Aufhebung begehrt.
[14] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
[15] Die Revision ist zulässig und im Sinn ihres Aufhebungsantrags berechtigt.
1. Zu den Prozessvoraussetzungen:
[16] 1.1 Die vom Erstgericht bejahte internationale Zuständigkeit hat der Beklagte in seiner Berufung nicht angezweifelt. Nach ständiger Rechtsprechung kann diese – vom Berufungsgericht übereinstimmend mit der erstgerichtlichen Entscheidung bejahte – Rechtsfrage daher in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden ( RS0043338 [T13]; RS0114196 [T2]). Ausführungen dazu sind daher entbehrlich.
[17] 1.2 Den Einwand der res iudicata haben die Vorinstanzen jeweils – und damit für den Obersten Gerichtshof bindend – als unberechtigt erachtet (vgl RS0114196 [T3]), weshalb auch dazu keine Erörterungen zu erfolgen haben.
2. Zum anwendbaren Recht:
[18]2.1 Der Beklagte argumentiert zusammengefasst nur dahin, dass das österreichische IPRG nicht zur Anwendung komme, wenn kein Auslandsbezug bestehe, und dass es „fraglich“ sei, „unter welchen Paragraphen eine iranische Morgengabe zu subsumieren“ sei. Eine Einordnung unter § 35 IPRG führe zum österreichischen Recht.
[19]2.2 Ein fehlender Auslandsbezug, wie der Beklagte meint, ist bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht zu erkennen. Damit fehlt aber jede inhaltliche Auseinandersetzung mit der Begründung des Berufungsgerichts, warum im gegenständlichen Fall das IPRG zur Anwendung gelange, sowie mit der von ihm als erheblich aufgeworfenen Frage, ob eine iranische Brautgabe unter § 18 IPRG („Persönliche Rechtswirkungen der Ehe“) zu subsumieren sei oder eher der Bestimmung des § 19 IPRG („Ehegüterrecht“) unterfalle. Mit der Argumentation des Berufungsgerichts, das sich für eine Anknüpfung nach § 19 IPRG ausgesprochen hat, befasst sich die Revision überhaupt nicht. In diesem Punkt ist sie daher nicht gesetzmäßig ausgeführt ( RS0043603; RS0043605).
[20]Aus welchen Gründen die hier zu beurteilende Vereinbarung einer Morgengabe der allgemeinen Regel des § 35 IPRG unterliegen soll, versucht der Beklagte erst gar nicht zu begründen.
[21]2.3 Damit ist von der Ansicht des Berufungsgerichts auszugehen, dass § 19 IPRG zur Anwendung gelangt und danach auf das iranische Recht verwiesen wird.
[22]2.4 Das nach dem Kollisionsrecht berufene fremde Recht wäre nicht anzuwenden, wenn die Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist (§ 6 IPRG; „negativer ordre public“). Die Vorbehaltsklausel der ordre-public-Widrigkeit ist als eine systemwidrige Ausnahme nur dann anzuwenden, wenn das inländische Rechtsempfinden in unerträglichem Maß verletzt wird, also Grundwertungen des österreichischen Rechts beeinträchtigt werden (RS0110743; RS0058323). Der ordre public ist nicht schon dann verletzt, wenn ein Anspruch nach dem anzuwendenden ausländischen Recht höher ist als er bei Anwendung des inländischen Rechts wäre (RS0016665).
[23]2.5 Aus welchem Grund die am 20. August 1993 im Iran geschlossene Vereinbarung der Streitteile über die Brautgabe gegen den österreichischen ordre public verstoßen sollte, wird aus der Revision nicht klar. Die vom Beklagten unter Berufung auf § 879 Abs 1 ABGB behauptete „Sittenwidrigkeit“ enthält lediglich den Hinweis auf die Höhe der Brautgabe (samt Wertsicherung) sowie auf seine fehlende Leistungsfähigkeit. Ein Verstoß gegen den ordre public kann daraus ebenso wenig abgeleitet werden wie aus dem Hinweis auf allfällige Ansprüche des Beklagten gegen die Klägerin aus der behaupteten jahrelangen unentgeltlichen Nutzung der angeblich von ihm finanzierten Ehewohnung und den dazu aufgeworfenen Fragen von deren Geltendmachung.
[24]2.6 Zusammengefasst kann damit festgehalten werden, dass die Anwendbarkeit des iranischen Rechts als abschließend erledigter Streitpunkt anzusehen ist, zu dem im fortgesetzten Verfahren neues Vorbringen nicht mehr in Frage kommt (RS0042031 [T9, T16]; RS0042411 [T13]).
[25]2.7 Eine Sittenwidrigkeitskontrolle nach den Kriterien des § 879 ABGB kommt damit entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht in Betracht. Behauptungs- und Beweislastregeln richten sich kollisionsrechtlich zwar nach dem anwendbaren Sachrecht (6 Ob 230/23a; vgl Kodek in Kletečka / Schauer , ABGB-ON 1.03§ 1298 Rz 3). Da hier aber ohnedies feststeht, dass der Beklagte der Klägerin – in Erfüllung des rechtskräftigen Urteils aus dem Vorverfahren – tatsächlich bereits 16 Goldmünzen übergeben (und weitere vier Stück „in Geld abgegolten“) hat, verfängt auch sein – wenngleich stets im Zusammenhang mit der behaupteten Sittenwidrigkeit (nach § 879 ABGB) der Vereinbarung über die Brautgabe – erhobener Einwand, die eingeforderten bahār āzādī Goldmünzen könnten nur im Iran gekauft werden und würden nur dort gehandelt, weshalb die begehrte Leistung für ihn „nicht erfüllbar“ sei, nicht.
[26] 3. Die vom Erstgericht ausgesprochene Nichtanerkennung des iranischen Scheidungsurteils wegen Verstoßes gegen den österreichischen ordre public beanstandet der Beklagte – wie schon in seiner Berufung – nur im Zusammenhang mit dem seiner Ansicht nach daraus resultierenden Prozesshindernis der entschiedenen Rechtssache, weshalb auch dazu nicht Stellung zu nehmen ist.
[27] 4. Die Ausführungen des Beklagten zur „Vertragsauslegung“ gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Im Ergebnis spricht er damit aber ohnedies die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Frage nach der Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit an. Darauf ist daher im Folgenden einzugehen.
5. Zur Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Beklagten nach iranischem Recht:
[28] 5.1 Der Beklagte hat im Verfahren erster Instanz eingewendet, dass im Rahmen eines allfälligen Zuspruchs der von der Klägerin geforderten Brautgabe seine finanziellen Möglichkeiten zu berücksichtigen seien. Die Vorinstanzen sind der Argumentation der Klägerin gefolgt, dass die iranischen Bestimmungen über die Leistungsfähigkeit des Beklagten im Titelverfahren unbeachtlich und nur „exekutionsrechtlich“ zu qualifizieren seien.
[29] 5.2 Bereits das Erstgericht hat zum iranischen Familienrecht auf Art 22 des iranischen Gesetzes zum Schutz der Familie vom 19. Februar 2013 (folgend: „FSchG 2013“) hingewiesen. Nach dieser Regelung fallen Brautgaben, die im Zeitpunkt der Eheschließung 110 bahār-āzādī-Goldmünzen nicht übersteigen, unter Art 2 des Gesetzes zur Vollstreckung von Geldforderungen vom 7. Dezember 1998 (folgend: „GVG aF“). Gemäß Art 2 GVG aF war eine Person, die zur Leistung eines Vermögenswerts an eine andere Person verurteilt worden und dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war, auf Antrag des Gläubigers bis zur Erfüllung der Verpflichtung in Haft zu nehmen, sofern der Schuldner nicht leistungs un fähig war (näher dazu Yassari in Henrich / Dutta / Ebert , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand 1. 5. 2023], 68).
[30] Art 22 FSchG 2013 enthält keine Begrenzung der Höhe der Brautgabe, aber in Verbindung mit Art 2 GVG aF kann/konnte bis zu einer Höhe von 110 Goldmünzen der leistungsfähige, aber leistungsunwillige Ehemann auf Antrag der Ehefrau inhaftiert werden ( Yassari in Henrich / Dutta / Ebert , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 68). Sinn und Zweck dieser Regelungen war es, die Durchsetzung des Brautgabeanspruchs bis zu einer Höhe von 110 Goldmünzen durch den leistungsfähigen aber leistungsunwilligen Ehemann zu erleichtern und gleichzeitig den Leistungsunfähigen von einer Inhaftierung auszunehmen. Außerdem sollte die Praxis exorbitant hoher Brautgaben indirekt beeinflusst und hintangehalten werden ( Yassari in Henrich / Dutta / Ebert , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 69).
[31] Die Novellierung des GVG 2015 (GVG nF) hat nach Ansicht von Yassari (in Henrich / Dutta / Ebert , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 69) insbesondere Auswirkungen auf die Beweislast für die Leistungsfähigkeit des Ehemanns, wobei immer differenziert werden muss, um welchen Teil der Brautgabe es geht (den bis 110 Goldmünzen oder den darüber hinausgehenden). Hinsichtlich der Leistung des Teils der Brautgabe, der 110 Goldmünzen übersteigt, knüpft Art 22 FSchG 2013 den Anspruch auf diesen Teil der Brautgabe explizit an die Leistungsfähigkeit des Ehemanns (und dieser Teil ist aus dem Anwendungsbereich des GVG herausgenommen). Für diesen Teil hat daher die Ehefrau die Leistungsfähigkeit des Ehemanns darzulegen und zu beweisen ( Yassari in Henrich / Dutta / Ebert , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 70). Kann die Ehefrau die Leistungsfähigkeit des Ehemanns nicht beweisen, so wird ihr „die Durchsetzung ihres Anspruchs auf den die 110 Goldmünzen überschießenden Teil der Brautgabe, der nach wie vor dem Grunde und der Höhe nach besteht, versagt, bis der Ehemann leistungsfähig wird“ ( Yassari in Henrich / Dutta / Ebert , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 70). Demgegenüber soll sich die Leistungsfähigkeit bis zu einem Anspruch von 110 Goldmünzen lediglich auf die „Form der Leistung“ auswirken. Die vom Ehemann zu beweisende Leistungsunfähigkeit führe demnach lediglich zur Möglichkeit von Ratenzahlungen unter Bedachtnahme auf bedarfsorientierte Pfändungsgrenzen, lasse den Anspruch sonst jedoch unberührt ( Yassari in Henrich / Dutta / Ebert , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 69).
[32] Allgemein ist die Brautgabe nach iranischem Recht ein Vermögenswert, den der Ehemann der Ehefrau schuldet, wobei der Anspruch weder von der Bedürftigkeit der Ehefrau noch vom Verschulden am Scheitern der Ehe abhängig ist, sondern von der entsprechenden Vereinbarung oder – mangels einer solchen – von „dem insoweit Üblichen“ ( Yassari in Henrich / Dutta / Ebert , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 63).
[33]5.3 Die Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen auf die vor deren Inkrafttreten abgeschlossene Brautgabevereinbarung haben die Parteien bisher zwar nicht in Zweifel gezogen, allerdings ist das ausländische Recht grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln (vgl RS0045163 [T2]). Die Ergebnisse der bisherigen Erhebungen des iranischen Rechts enthalten zur intertemporalen Rechtslage diesbezüglich (noch) keine Aussage.
[34] 5.4 Die – vom Berufungsgericht zutreffend als erheblich erachtete – Frage, ob nach dem iranischen Recht im Verfahren über die Einforderung der Brautgabe eine Anpassung des Zuspruchs an die Leistungsfähigkeit des Beklagten vorgenommen werden muss, lässt sich entgegen der vom Senat nicht geteilten Rechtsansicht der Klägerin sowie der Vorinstanzen auch nicht generell damit beantworten, dass die zitierten iranischen Regelungen ausschließlich oder eindeutig der Vollstreckung (nach iranischem Recht) – nach österreichischer Definition: dem Exekutionsrecht – zuzuordnen wären.
[35] 5.4.1 Soweit sich der Anspruch aus einer vereinbarten Brautgabe auf mehr als 110 Goldmünzen bezieht, spricht jedenfalls der Umstand, dass Art 22 FSchG 2013 iVm Art 3 und 7 GVG nF eine Beweislastregelung zu Lasten der Ehefrau enthält und nach der zitierten Literaturstelle ( Yassari in Henrich / Dutta / Ebert , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 70) der Ehefrau die „Durchsetzung“ versagt wird, wenn sie nicht beweisen kann, dass der Mann in der Lage ist, den 110 Goldmünzen übersteigenden Teil zu leisten, dafür, dass es sich um eine Regelung mit materiell-rechtlichem Gehalt handelt. Die Voraussetzungen für die Berechtigung des Leistungsanspruchs sind daher – unabhängig von ihrer Einordnung nach iranischem Recht – in dem vor einem österreichischen Gericht geführten Titelverfahren jedenfalls auf der Tatsachenebene zu prüfen. Bei anderer Sichtweise würde für die der Ehefrau nach dem iranischen Recht auferlegte Beweislast betreffend die Leistungsfähigkeit des Ehemanns nach Vorliegen eines nach nationalem Recht vollstreckbaren Titels sonst kein Raum verbleiben. Für die Forderung der Klägerin auf Leistung der vereinbarten Brautgabe ist daher die vom Beklagten seit Verfahrensbeginn eingewendete, nach dem iranischen Recht zu berücksichtigende Leistungs un fähigkeit (mit der erwähnten, an eine Summe von 110 Goldmünzen anknüpfend unterschiedlichen Beweislastverteilung) im Titelverfahren zu überprüfen.
[36] 5.4.2 Nach Ansicht der genannten Autorin ( Yassari in Henrich / Dutta / Ebert , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 69) lässt die Leistungsunfähigkeit des Ehemanns den Anspruch der Frau auf Ausfolgung von 110 Goldmünzen unberührt. Insoweit könne lediglich eine „Anpassung“ an die finanziellen Möglichkeiten des Ehemanns (zB Ratenzahlungen) vorgenommen werden und es seien Pfändungsgrenzen zu beachten. Bis zu dieser Höhe könnten daher solche Normen angesprochen sein, die grundsätzlich die Durchsetzung des Anspruchs betreffen, denn die Berücksichtigung von Pfändungsgrenzen ist nach österreichischem Verständnis in das Exekutionsrecht verwiesen; auch die bloße Vereinbarung oder das Einräumen von Ratenzahlungen betrifft die Durchsetzung eines (unbestrittenen oder bereits titulierten) Leistungsanspruchs. Demgegenüber ist dem österreichischen Recht die Inhaftierung eines Schuldners aus einem Vertrag, weil er zur Leistung nicht fähig ist, jedoch fremd. Dieser kann sich im Exekutionsverfahren auch nicht auf seine Leistungsunfähigkeit berufen, um exekutive Maßnahmen abzuwenden. Daher ist letztlich für eine Forderung bis zu 110 Goldmünzen aus einer vereinbarten Brautgabe der – insoweit vom Beklagten nachzuweisende – Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit ebenfalls im Titelverfahren zu beachten und zu prüfen, weil ein solcher Einwand im Rahmen der Exekutionsführung nicht mehr entsprechend berücksichtigt werden könnte.
[37] 5.4.3 Eine abschließende Zuordnung der bisher ermittelten iranischen Bestimmungen, die für die Forderung auf Leistung einer vereinbarten Brautgabe anzuwenden sind, zum österreichischen Titel- und/oder Vollstreckungsverfahren lässt sich aus der (inner )österreichischen Sichtweise nicht vornehmen. Sie ist aber auch nicht erforderlich, weil jedenfalls die Bestimmungen zur Leistungs (un )fähigkeit des Ehemanns wegen ihres materiell-rechtlichen Gehalts in das österreichische Titelverfahren verwiesen sind. Danach ist – wie erwähnt – infolge der Bestimmungen des GVG aF sowie des FSchG 2013, ab einer Forderung aus der vereinbarten Brautgabe von mehr als 110 Goldmünzen eine entsprechende Leistungsfähigkeit des Ehemanns nachzuweisen, weil für den höher als (insgesamt) 110 Goldmünzen (hier also weiterer 90, weil die Klägerin im Vorverfahren über die vereinbarte Brautgabe bereits 20 zuerkannt erhalten hat) liegenden Teil des Begehrens die Klägerin die Beweislast für die Leistungsfähigkeit des Beklagten trägt. Demgegenüber hat er bis zu dieser Höhe den Nachweis seiner Leistungsunfähigkeit zu erbringen.
[38] 5.5 Unklar ist nach den bisherigen Erhebungen zur iranischen Rechtslage außerdem die Frage, aufgrund welcher Kriterien im Verfahren über die Einforderung einer vereinbarten Morgengabe die Leistungs (un )fähigkeit des Ehemanns zu erheben ist, beispielsweise ob (und inwieweit) dafür etwa absehbare zukünftige Einkommens- und Vermögensentwicklungen zu berücksichtigen sind. Damit im Zusammenhang steht auch die Frage, welche Rechtsfolgen die – derzeitige (allenfalls nur teilweise) – fehlende Leistungsfähigkeit des Ehemanns für die geltend gemachte Forderung der Ehefrau hat, insbesondere, ob (bzw in welchem Ausmaß) eine zur Erfüllung des gesamten Anspruchs (absehbar dauerhaft) nicht ausreichende Leistungsfähigkeit des Beklagten zu einer (angemessenen) Kürzung (Mäßigung) des Leistungsanspruchs oder zur (vorläufigen oder endgültigen) Abweisung des Mehrbegehrens zu führen hat, und ob bis zur Höhe von 110 Goldmünzen die gleichen Kriterien anzuwenden sind wie für den darüber hinausgehenden Teil. Zu den konkreten Auswirkungen einer in diesem Sinn allenfalls nicht ausreichenden Leistungsfähigkeit des Ehemanns, der von der Ehefrau aus einer Vereinbarung über die Leistung einer Brautgabe in Anspruch genommen wird, auf die Höhe des Anspruchs werden daher ergänzende Ermittlungen der iranischen Rechtslage durchzuführen sein.
[39] 6. Die – insoweit noch nicht ausreichende – Ermittlung des fremden Rechts stellt einen Verfahrensmangel besonderer Art dar, der dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist und die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur amtswegigen (ergänzenden) Ermittlung des ausländischen Rechts bedingt (vgl RS0116580 ). Wie sich der Richter die notwendigen Kenntnisse des fremden Rechts verschafft, liegt in seinem Ermessen ( RS0045163 [T11, T17]; RS0040189[T8]). Jedenfalls bedarf es einer ergänzenden Ermittlung des iranischen Rechts zum zeitlichen Anwendungsbereich der zitierten Bestimmungen des GVG aF sowie des FSchG 2013. Soweit möglich sind darüber hinaus ergänzende Erhebungen zur iranischen Anwendungspraxis der genannten Bestimmungen (höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu oder – falls solche fehlt – herrschende Lehrmeinungen; vgl RS0080958 [T2, T3]) betreffend die Kriterien der Ermittlung der (derzeitigen) Leistungsfähigkeit des Ehemanns sowie zu den Rechtsfolgen seiner (derzeit) fehlenden Leistungsfähigkeit für den von der Ehefrau geltend gemachten Anspruch auf Leistung der vereinbarten Brautgabe nachzutragen.
[40] 7. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass in einem Titelverfahren, in dem die Leistung einer vereinbarten Brautgabe gefordert wird und in dem für die rechtliche Beurteilung dieses Anspruchs iranisches Recht (auch intertemporär) anzuwenden ist, der Einwand der fehlenden (ausreichenden) Leistungsfähigkeit des Ehemanns zu berücksichtigen und inhaltlich zu prüfen ist. Dabei trifft im Bereich der Forderung einer Brautgabe bis 110 Goldmünzen den Beklagten (Ehemann) die Behauptungs- und Beweislast für seine (allenfalls teilweise) fehlende Leistungsfähigkeit, während für eine Forderung auf Leistung von mehr als 110 Goldmünzen die Klägerin (Ehefrau) die entsprechende Leistungsfähigkeit des Beklagten nachzuweisen hat.
[41]8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 dritter Satz ZPO.
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