Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juli 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. SetzHummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner in der Strafsache gegen * C* wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 13. Februar 2025, GZ 15 Hv 2/25s 46, sowie dessen Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Erteilung einer Weisung und Anordnung der Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde* C* jeweils eines Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (A), der kriminellen Organisation nach § 278a zweiter Fall StGB (B) und der Terrorismusfinanzierung nach § 278d Abs 1a Z 2 StGB (C) sowie Vergehens der Unterdrückung eines Beweismittels nach § 295 StGB (D) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – am 8. Mai 2023 in E *
(C) Vermögenswerte für „IS-Kämpfer“ (US 14), somit ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB), von der er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass sie darauf ausgerichtet war, Handlungen nach § 278d Abs 1 StGB zu begehen, bereitgestellt und sich dadurch an einer
(A) terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB) und zugleich
(B) kriminellen Organisation (§ 278a StGB),
und zwar der (im angefochtenen Urteil näher umschriebenen) „Terrororganisation IS Islamic State“, als Mitglied, und zwar an deren Aktivitäten in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) beteiligt, dass er dadurch diese Vereinigung oder deren strafbare Handlungen förderte (§ 278 Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB),
indem er 100 Euro als Spende auf ein Girokonto überwies.
[3]Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Das Schöffengericht ging davon aus, dass durch die konstatierte „Spende“ des Beschwerdeführers nicht nur „Angehörige“ von „IS-Terroristen“ finanziell unterstützt, sondern auch „die Kampfbereitschaft und Kampfmoral der ISKämpfer“ selbst erhöht und die „Rekrutierung potentieller neuer IS-Kämpfer erleichtert“ wurden (US 35). Auf dieser Sachverhaltsgrundlage sind die Tatbestandsmerkmale des Bereitstellens von Vermögenswerten „für“ ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung (§ 278d Abs 1a Z 2 StGB) sowie des Beteiligens (§ 278 Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB) an einer solchen in objektiver Hinsicht erfüllt (vgl Plöchl in WK 2StGB § 278 Rz 38 f und § 278d Rz 27).
[5] Mit dem Einwand von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der dazu getroffenen Feststellungen „auf objektiver Ebene“ lässt die Beschwerde dieses Sachverhaltssubstrat unberücksichtigt. Indem sie es solcherart versäumt, die Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RISJustiz RS0119370).
[6] Soweit die Rüge den im Urteil festgestellten Wortlaut (der vom Schuldspruch umfassten Tat vorangegangener) elektronischer „Chat[s]“ des Beschwerdeführers mit einem dem „IS“ zugeordneten „Telegram“ Kontakt (US 13 bis 15) eigenständig interpretiert und daraus aufgrund eigener Beweiswertund Plausibilitätserwägungen von jenen des Schöffengerichts abweichende Schlussfolgerungen einfordert, erschöpft sie sich in einem Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[7] Der weitere Vorwurf (Z 5 vierter Fall), die den Schuldspruch A, B und C (mit )tragenden Feststellungen (US 14 f) „zu den jeweiligen subjektiven Tatseiten“, „insbesondere“ zur „für den (verurteilten) Tatbestand erforderliche[n] Wissentlichkeit“, seien „mit keinem Wort“ begründet worden, geht prozessordnungswidrig (erneut RISJustiz RS0119370) darüber hinweg, dass sie das Schöffengericht (unter anderem) aus dem „objektiven Geschehnisablauf“ erschloss (US 26 f).
[8] Mit der Kritik, in objektiver Hinsicht sei nicht festgestellt worden, dass „IS Kämpfern […] derartige Unterstützungen ihrer Kinder regelmäßig zur Kenntnis gelangen […] oder durch derartige Zuwendungen objektiv die Rekrutierungen betrieben werden“ sowie „Vermögenswerte (gerade) für IS-Terroristen bereitgestellt worden wären“ (sodass „kein objektiver Straftatbestand erfüllt“ sei), hält die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht am (oben referierten) Urteilssachverhalt (US 35) fest. Solcherart verfehlt sie den – gerade darin gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RISJustiz RS0099810).
[9]Das übrige Vorbringen (teils nominell verfehlt Z 5, der Sache nach eine Rechtsrüge) erklärt nicht (siehe aber RIS-Justiz RS0116565), weshalb es zur rechtsrichtigen Beurteilung noch der (zusätzlichen) Feststellungen dazu bedurft haben sollte,
- „ob IS-Kämpfer in Gefangenschaft […] überhaupt davon Kenntnis erlangen oder erlangen können, dass durch Spenden der festgestellten Art eine Unterstützung ihrer Kinder erfolgt“,
- „ob Kämpfer dort überhaupt verpflichtet sind, ihre Kinder finanziell zu unterstützen“,
- „zur Person des Chatpartners“ und
- „ob/dass das Empfängerkonto bekannt dafür wäre, dass damit terroristische Straftaten unterstützt würden etc.“
[10] Ebenso wenig gelingt es der Rüge (nominell verfehlt auch Z 9 lit a, inhaltlich nur Z 10), aus dem Gesetz abgeleitet darzulegen, weshalb
- § 278d Abs 1a Z 2 StGB die Tatbestände des§ 278b Abs 2 StGB und des § 278a zweiter Fall StGB „als spezielle Regelung“ verdrängen oder – gerade umgekehrt – seinerseits im Wege materieller Subsidiarität hinter diese beiden strafbaren Handlungen zurücktreten sollte oder
- die festgestellte „Einmalzahlung“ – nach Maßgabe vom Beschwerdeführer zitierter, zu § 278a Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2002/134 ergangener Rechtsprechung (RISJustiz RS0109172) – keine „Beteiligung als Mitglied“ im Sinn der §§ 278a zweiter Fall, 278b Abs 2 StGB je iVm § 278 Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB idgF sein könne.
[11] Hinzugefügt sei, dass „Beteiligung als Mitglied“ nach letzteren Bestimmungen – im Gegensatz zum früheren Recht – weder eine gewisse Dauer noch die Ausführung von mehr als einer Beteiligungshandlung erfordert (RISJustiz RS0125249 [insbesondere T1, T4 und T5]; Plöchl in WK 2StGB § 278a Rz 28).
[12]Auf der Basis des Urteilssachverhalts sind die Tatbestandsmerkmale aller drei – einander nicht aus-schließenden – Tatbestände (§ 278a zweiter Fall StGB, § 278b Abs 2 StGB und § 278d Abs 1a Z 2 StGB) tateinheitlich erfüllt. Da keiner davon gegenüber einem der anderen im Verhältnis von Gattung und Art steht, scheidet Verdrängung (auch nur) einer dieser strafbaren Handlungen im Wege der Spezialität aus (zu diesem Scheinkonkurrenztypus RISJustiz RS0091146 [T1]).
[13] Subsidiarität läge dann vor, wenn die in Rede stehenden strafbaren Handlungen – nach ihrem abstrakten Verhältnis zueinander – unmissverständlich erkennen ließen, dass eine davon nur begründet sein soll, wenn nicht eine andere begründet ist ( Ratz in WK 2StGB Vor §§ 28–31 Rz 36 f). Die in § 278d Abs 2 StGB normierte Subsidiaritätsklausel greift hier nicht, weil die Tat nach keiner der übrigen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist als nach § 278d Abs 1a StGB. Zwar treten sogenannte Vorbereitungsdelikte (im technischen Sinn) gegenüber tauglichem Versuch und Vollendung als materiell subsidiär zurück, wenn sich das Vorbereitungsdelikt in der Vorbereitung der anderen Tat erschöpft (RISJustiz RS0090566; Ratz in WK 2StGB Vor §§ 28–31 Rz 44). Vorliegend aber treffen (bloß) drei derartige „Vorbereitungsdelikte“ zusammen, von denen keines gegenüber einem der anderen selbständig strafbare Vorbereitungshandlung (im dargestellten Sinn) ist (vgl Plöchl in WK 2StGB § 278a Rz 2, § 278b Rz 2 und § 278d Rz 1). Die (ausnahmsweise) Annahme, der Gesetzgeber habe anstelle von echter Konkurrenz (ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung, somit) stillschweigend Subsidiarität vorausgesetzt (RISJustiz RS0113812), ist demnach nicht gerechtfertigt ( Sadoghi SbgK § 278d Rz 132; vgl auch Plöchl in WK 2StGB § 278d Rz 34; konträr dazu Leukauf/Steininger/ Tipold, StGB 4 Update 2020 § 278d Rz 8 und 9 [echte Konkurrenz „nicht zu rechtfertigen“]).
[14] Von den Fallgruppen der Konsumtion wiederum wäre – mit Blick auf die (allenfalls scheinbare) Ideal konkurrenz – im Gegenstand nur jene der Verdrängung als typische „Begleittat“ in Betracht zu ziehen. Sie würde voraussetzen, dass die Verwirklichung einer dieser strafbaren Handlungen regelmäßig mit der Erfüllung einer der anderen verbunden ist und diese im Verhältnis zu jener einen wesentlich geringeren Unwertgehalt aufweist (RISJustiz RS0091453). Im Verhältnis des § 278b Abs 2 StGB und des § 278d Abs 1a StGB zueinander – die (mit jeweils einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe) gleich strenge Strafdrohungen aufweisen – ist Letzteres zu verneinen; Konsumtion des (mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren strafbedrohten) § 278a StGB durch einen jener Tatbestände scheitert hier bereits an mangelnder Typizität (zur echten Idealkonkurrenz von § 278a StGB und § 278b StGB siehe RISJustiz RS0130391).
[15] Da somit Scheinkonkurrenz zu verneinen ist, hat das Erstgericht zu Recht alle drei strafbaren Handlungen als in echter (Ideal-)Konkurrenz begründet erachtet.
[16]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[17]Über die Berufung und die (gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende) Beschwerde hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
[18]Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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