L533 2304413-1/3Z BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Zejnie GALEŠIĆ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die RA Mag. Thomas Klein, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2024, Zl: XXXX , betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutzes wegen entschiedener Sache und Erlassung einer Rückkehrentscheidung den Beschluss gefasst:
A)
Der Beschwerde wird gem. § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in Folge „BF) reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 05.04.2015 den ersten Antrag auf internationalen Schutz.
2. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde gem. § 3 AsylG abgewiesen, dem BF jedoch aufgrund der Umstände im Heimatland der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (in Folge „BVwG) vom 13.02.2017 wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
4. Mit Bescheid vom 07.08.2017 wurde dem BF der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt, die Aufenthaltsberechtigung gem. § 9 Abs. 4 AsylG entzogen und eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Irak zulässig ist.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 10.08.2017 das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.
Mit Erkenntnis vom 13.11.2020 zu I413 2131395-2/26E wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass der erste Satz des ersten Spruchteils des Spruchpunktes III. zu lauten hat „eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG 2005 wird Ahmed ALAZAWI nicht erteilt“.
Mit Beschluss des VfGH vom 18.01.2021 wurde die Behandlung der Beschwerde vom VfGH abgelehnt.
5. Am 09.08.2023 brachte der BF den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein und brachte hierzu in der Erstbefragung vor, dass er immer noch von den Milizen im Irak bedroht werde, die alten Fluchtgründe seien noch immer aufrecht. Er habe Messenger Nachrichten, die das zeigen. Zudem sei die gesamte Familie nicht mehr im Irak.
Am 15.09.2023 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge „Bundesamt“ oder „BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er Auszüge aus Facebook habe, wo er seine Meinung gegen die Regierung kundgetan habe und er werde über Facebook Messenger bedroht von einer unbekannten Person, der Name laute Baqa EL ALLAH, er kenne diese Person nicht. Die Person kenne alle seine Daten und wisse auch, dass seine Familie in Finnland sei. Als er seine Freundin kennengelernt habe, habe er mit den Kommentaren zum Irak aufgehört, jedoch habe er trotzdem noch einmal eine Drohung am 10.05.2023 über Facebook bekommen. Er habe zudem eine Lebensgemeinschaft mit einer in Österreich aufenthaltsberechtigten syrischen Staatsangehörigen und sein Bruder lebe seit zwei Wochen in Österreich. Weiters habe er Verwandte in Tirol und im Irak würden keine Familienmitglieder mehr leben.
Am 22.08.2024 wurde der BF erneut niederschriftlich einvernommen durch das Bundesamt und gab dabei im Wesentlichen an, dass die Bedrohungssituation im Irak noch sehr hoch sei und seine Stadt immer noch von Milizen kontrolliert werde. Es habe immer wieder Ausschreitungen in letzter Zeit gegeben. Er habe zwischen 2015 und 2022 fast täglich gegen den Irak gepostet und habe damit nunmehr aufgehört. Zum Privat- und Familienleben gab er an, dass er immer noch mit seinem Bruder zusammenwohne und auch noch in einer Beziehung sei. Fast die gesamte restliche Familie halte sich nach wie vor in Finnland auf. Er habe immer wieder gearbeitet in Österreich und wolle nunmehr eine Beschäftigungsbewilligung erwirken.
6. Mit Bescheid vom 12.11.2024 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 09.08.2023 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.), eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.); gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von 4Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI) und gem. § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.
Begründend wurde ausgeführt, dass das nunmehrige Vorbringen weitestgehend mit jenem des ersten Asylverfahrens kongruent sei, dies ergebe sich aus den Einvernahmen. Das Vorbringen, eine individuelle Verfolgung glaubhaft zu machen, entbehre jedweden glaubhaften Kerns und sei auch in der Stellungnahme keinerlei Substrat gelegen, die auf Nachfluchtgründe hinweisen würden. In seinem Fall würden mit dem Vorbringen, dass er zumindest eine Drohung über soziale Medien erhalten habe von privater Seite, noch dazu von einer anonymen Person, keine weiteren Umstände vorliegen, die das Asylverfahren zu seinen Gunsten beeinflussen könnten. Zur Rückkehrentscheidung führt das Bundesamt aus, dass familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich bestehen und er auch eine Beziehung führen würde jedoch diese Bindungen erst im unsicheren Status entstanden seien, als er bereits ausreisepflichtig gewesen sei. Er verfüge über ausgezeichnete Deutschkenntnisse und habe bereits Kurse absolviert, und sei auch mehrmals erwerbstätig gewesen, wie auch nunmehr wieder. Er habe zwar keine Bindungen im Herkunftsstaat mehr, jedoch könne die Familie aus Finnland aus Geldüberweisungen in den Irak zur Unterstützung tätigen. Ein mögliches Organisationsverschulden durch die Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer habe aus der Aktenlage nicht entnommen werden können. Das Folgeantragsverfahren werde innerhalb von wenigen Wochen abgeschlossen werden.
Dagegen wurde rechtzeitig mit Schreiben vom 28.11.2024 das Rechtsmittel der Beschwerde durch die rechtliche Vertretung, Mag. Thomas Klein, erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass sehr wohl neue Tatsachen mit der Bedrohung durch die anonyme Person vorliegen würden und sich das Bundesamt nicht näher mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hätte. Zudem hätte er in Bezug auf das Privat und Familienleben und einer Rückkehrentscheidung keinerlei Familienangehörige im Irak habe und sich in den mittlerweile 9,5 Jahren in Österreich gut integriert habe. Der Behörde sei darüber hinaus eine überlange Verfahrensdauer anzulasten, da das Folgeantragsverfahren seit August 2023 andauere. Eine mündliche Verhandlung wurde aufgrund der Umstände beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
7. Gemäß § 17 Abs 1 Z. 1 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.8. Im vorliegenden Fall ist im Sinn des § 17 Abs. 1 BFA-VG anzunehmen, dass eine umgehende Abschiebung des Beschwerdeführers in den in Aussicht genommenen Zielstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 und Art. 8 EMRK sowie ihres durch die Verwaltungsverfahrensvorschriften gewährleisteten Rechtes auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bedeuten würde.
Der Beschwerdeführer hat in seinem Rechtsmittel erfolgreich bescheinigt, im Verfahren über ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz neue Rückkehrbefürchtungen aufgrund zwischenzeitlicher Entwicklungen vorgebracht zu haben. Das Bundesamt hat diesem Vorbringen im angefochtenen Bescheid zwar den glaubhaften Kern abgesprochen, die Beschwerde moniert aber zurecht, dass sich die bezughabenden beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesamtes nicht näher mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandersetzen, sondern das Vorbringen ohne nähere Erwägungen in der Sache als unglaubwürdig herabqualifizieren. Zudem stellt sich die Einvernahme der Beschwerdeführerin zu den neuen Asylgründen nach vorläufiger Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes als unzureichend dar. Ausgehend davon steht (zumindest) eine potentielle Verletzung von Art. 3 bzw. im Hinblick auf den schon sehr langen Aufenthalt im Bundesgebiet allenfalls von Art. 8 EMRK im Fall der Umsetzung der mit den angefochtenen Bescheiden verbundenen Rückkehrentscheidungen im Raum.
Das Ermittlungsverfahren und daran anschließend die Beweiswürdigung bedürfen daher einer nachprüfenden Kontrolle in einer mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht, wobei davon auszugehen ist, dass die unterlaufenen Ermittlungs- und Begründungsmängel ohne größeren Aufwand vom Bundesverwaltungsgericht saniert werden können. Im Einklang mit der Rechtsprechung ist daher von einer Erledigung gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG Abstand zu nehmen und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht vorzunehmen. Die vorhandenen Ermittlungsmängel können zweckmäßigerweise durch eine im Rahmen der beantragten Verhandlung vorzunehmende Beweisaufnahmen beseitigt werden (zu alledem VwGH 20.04.2023, Ra 2021/19/0481 mwN).
Zudem ist der Aktenlage nach – insbesondere aufgrund der neuerlicher Erlassung einer Rückkehrentscheidung, sodass das Bundesamt insoweit auch vor dem Hintergrund des § 59 Abs. 5 FPG 2005 von einer geänderten Sachlage ausgegangen ist – auch im Hinblick auf das Privat- und Familienleben die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geboten (vgl. dazu VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0430), weshalb der nicht offenbar unbegründeten Beschwerde zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und der Durchführung einer mündlichen Verhandlung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist.
Dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen würden, ist aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
9. Eine öffentliche mündliche Verhandlung im Provisorialverfahren betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.
Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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